Inhalt

VG Bayreuth, Gerichtsbescheid v. 27.06.2024 – B 1 K 24.74
Titel:

Stilllegung eines Kraftfahrzeugs wegen Nichtentrichtens der Kraftfahrzeugsteuer - Herausgabe- und Anfechtungsklage

Normenketten:
KraftStG § 14
KraftStG 2002 § 5 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 1
BayVwVfG Art. 28 Abs. 1, Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2, Art. 46
Leitsätze:
1. Die Zulassungsbehörde als Straßenverkehrsbehörde ist an den wegen Nichtentrichtens der Kraftfahrzeugsteuer gestellten Antrag der Finanzverwaltung gebunden, den Fahrzeugschein einzuziehen, etwa ausgestellte Anhängerverzeichnisse zu berichtigen und das amtliche Kennzeichen zu entstempeln (Außerbetriebsetzung von Amts wegen), und hat nicht zu überprüfen, ob die geltend gemachte Steuerforderung dem Grund und der Höhe nach berechtigt ist und ob die zuständige Finanzbehörde das Besteuerungsverfahren fehlerfrei durchgeführt hat. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die der Sache nach im Wege der Amtshilfe vorzunehmende Abmeldung eines Kraftfahrzeugs durch die Zulassungsbehörde hängt nicht davon ab, ob der Halter darauf vertrauen durfte, die Finanzbehörde werde die Zahlung der fälligen Steuerschuld anmahnen, und dient auch nicht der Beitreibung der rückständigen Steuern, sondern soll einer weiteren Verletzung der Steuerpflicht vorbeugen, indem sie die Zulassung des Kraftfahrzeuges aufhebt und damit auch die Steuerpflicht beendet. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Androhung des - für die Durchsetzung der aus der Anordnung zur Außerbetriebsetzung folgende Pflicht zur Vornahme unvertretbarer Handlungen richtigen Zwangsmittels - unmittelbaren Zwangs ist wegen Unbestimmtheit der gesetzten Erfüllungsfrist rechtswidrig, wenn insoweit zwei unterschiedliche Zeitpunkte benannt werden, nämlich die Unanfechtbarkeit und die Bekanntgabe des Bescheides. (Rn. 29 und 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Abmeldung Kfz, Nichtentrichten der Kraftfahrzeugsteuer, Scheitern der Zustellung, Zustellungsnachweise, Mahnung, Anhörung, Außerbetriebsetzung von Amts wegen, Bindung der Zulassungsbehörde, Beitreibung rückständiger Steuern, Vorbeugung weiterer Steuerpflichtverletzungen, unvertretbare Handlungen, unmittelbarer Zwang, Unbestimmtheit der Erfüllungsfrist, zwei unterschiedliche Zeitpunkte, Unanfechtbarkeit und Bekanntgabe des Bescheides
Fundstelle:
BeckRS 2024, 29952

Tenor

1. Die Ziff. 2 des Bescheides des Beklagten vom 3. Januar 2024 wird aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2.Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.
3.Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1
Der Kläger begehrt die Herausgabe von Schreiben von dem Beklagten nebst Zustellungsnachweisen sowie die Aufhebung eines Bescheides, in dem u.a. die Abmeldung seines Kraftfahrzeuges angeordnet wurde.
2
Der Kläger ist in …, …, gemeldet (vgl. Melderegisterabfrage, GA Bl. 30).
3
Mit Schreiben vom 17. Mai 2023 – adressiert an das Landratsamt … – beantragte das Hauptzollamt …, Sachgebiet Vollstreckung, die Außerbetriebsetzung des klägerischen Kraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen „…“ wegen Nichtentrichtens der Kraftfahrzeugsteuer in Höhe von 170,00 EUR und weiterer Gebühren, Pfändungsgebühr: 28,60 EUR, Auslagen für Forderungspfändung: 2,76 EUR und Säumniszuschlag: 4,50 EUR (vgl. BA Bl. 1 f.). Das Schreiben ging am 22. Mai 2023 beim Landratsamt … ein, wurde als Irrläufer erkannt und an den Zweckverband … …(im Folgenden: Zweckverband) zur weiteren Bearbeitung weitergeleitet (vgl. BA Bl. 1).
4
Unter dem 26. Mai 2023 – adressiert an die …, … – wies der Zweckverband den Kläger auf die ausstehende Kraftfahrzeugsteuer hin, forderte ihn auf, diese zu begleichen und hörte ihn zur beabsichtigten Außerbetriebsetzung seines Kraftfahrzeuges von Amts wegen unter Setzung einer Anhörungsfrist bis zum 13. Juni 2023 an (vgl. BA Bl. 3 f.). Mit Datum vom 21. Juni 2023 erging ein neues Anhörungsschreiben mit Fristsetzung bis zum 3. Juli 2023 adressiert an die …, … Unter dem 5. Dezember 2023 wurde ein weiteres Anhörungsschreiben mit Fristsetzung bis zum 21. Dezember 2023 an die …, … – mit dem Zusatz „Bei …“ – adressiert. Eine Äußerung des Klägers ging beim Zweckverband nicht ein.
5
Mit Bescheid vom 3. Januar 2024, zugestellt am 4. Januar 2024 an die Adresse …, … mit dem Zusatz „Bei …“, ordnete der Zweckverband die Außerbetriebsetzung (Abmeldung) des Fahrzeuges mit dem amtlichen Kennzeichen … an und forderte den Kläger auf, die hierzu erforderliche Zulassungsbescheinigung Teil I (Fahrzeugschein) sowie die Kennzeichenschilder der Zulassungsbehörde vorzulegen oder die rückständige Kraftfahrzeugsteuer zu bezahlen (Ziff. 1). Sollte der Kläger der Verpflichtung aus Ziff. 1 nicht bis spätestens 7 Tage nach Unanfechtbarkeit/Bekanntgabe des Bescheides nachkommen, werde die Ziff. 1 durch unmittelbaren Zwang vollzogen. Die Zulassungsbescheinigung Teil I werde zwangsweise eingezogen und die Kennzeichenschilder entstempelt (Ziff. 2). Der Kläger habe die Kosten des Verfahrens zu tragen (Ziff. 3). Für den Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 50,00 EUR erhoben. Die Auslagen betrügen 3,45 EUR (Ziff. 4).
6
Mit Schriftsatz vom 24. Januar 2024, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth am 31. Januar 2024, erhob der Kläger Klage gegen den Bescheid. Dieser sei aufgrund von fehlerhaften Annahmen erlassen worden. Es sei keine ordentliche Verwaltung, Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, ohne den Betroffenen zu informieren. Es werde behauptet, er sei angehört worden, ein solches Schreiben sei ihm jedoch nicht bekannt. Der Beklagte spreche von mehreren Aufforderungen, der Steuerpflicht nachzukommen. Die erste Benachrichtigung hierzu sei jedoch der streitgegenständliche Bescheid gewesen. Er beantrage eine ordentliche Benachrichtigung vom Hauptzollamt … über die offene Steuerschuld. Eine versuchte Vollstreckung sei ihm nicht bekannt. Es werde um Offenlegung gebeten, wie eine solche versucht worden sei. Es sei zu beachten, dass eine Zustellung an einer seiner beiden Wohnadressen eine ungewöhnlich hohe Schwierigkeit darstelle. Seit Jahren habe er Probleme mit der Postzustellung, weshalb ein Briefkasten installiert worden sei, in den bis Ende des Jahres 2023 nur einmal ein Flyer eingeworfen worden sei. Von Versicherungen, Banken und sonstigen Institutionen seien fremde Adressen hinterlegt worden. Er beantrage, die Herausgabe einer Kopie oder Abschrift und den jeweils dazugehörigen Zustellungsnachweis über die angegebenen und nicht aufgeführten Schreiben (…). Sollte dies nicht erfolgen (…) von Amts wegen den Bescheid … vollumfänglich für nichtig zu erklären sowie alle dazugehörigen Schreiben, deren Verbleib ungeklärt bleibt.
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Mit Schriftsatz vom 8. Februar 2024 beantragte der Beklagte,
die Klage abzuweisen.
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Zum Ausgangssachverhalt werde ausgeführt, dass das Hauptzollamt … der Kfz-Zulassungsstelle des Landratsamtes … mit Schreiben vom 17. Mai 2023 anzeigte, dass der Kläger die Kraftfahrzeugsteuer für das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … in Höhe von 205,86 EUR nicht entrichtet habe. Nachdem die Vollstreckung der Kraftfahrzeugsteuer und der steuerlichen Nebenleistungen ohne Erfolg geblieben sei, sei vom Hauptzollamt die Außerbetriebsetzung von Amts wegen beantragt worden. Aus Gründen der örtlichen Zuständigkeit sei das Schriftstück vom unzuständigen Empfänger als Irrläufer an den zuständigen Beklagten weitergeleitet worden und sei dort am 26. Mai 2023 eingegangen. Mit Schreiben des Beklagten vom 26. Mai 2023 sei dem Kläger, adressiert an seine Hauptwohnung in …, …, angekündigt worden, die Außerbetriebsetzung des betroffenen Fahrzeugs von Amts wegen unter Anordnung der Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I und der gesiegelten Kennzeichen vorzunehmen, soweit vom Kläger nicht bis Ende der Anhörungsfrist (13. Juni 2023) die ausstehende Kraftfahrzeugsteuer beglichen oder wahlweise eine freiwillige Außerbetriebsetzung veranlasst werde. Ergänzend sei ein inhaltlich gleichlautendes Anhörungsschreiben (Ende der Anhörungsfrist: 3. Juli 2023) vom 21. Juni 2023 auch noch an den melderechtlichen Nebenwohnsitz des Klägers in …, …, versandt worden. Zu beiden Anhörungsschreiben sei weder Rückäußerung noch Postrücklauf festzustellen gewesen. Wegen zwischenzeitlichen Zeitablaufs sei mit inhaltsgleichem Schreiben des Beklagten vom 5. Dezember 2023 unter Fristsetzung bis 21. Dezember 2023 nochmals eine Anhörung des Klägers zu den vom Beklagten immer noch gegen ihn beabsichtigten Maßnahmen, dieses Mal mit dem Zusatz „Bei …“, adressiert an seine Hauptwohnung in …, …, erfolgt. Nachdem bis Fristablauf erneut keine Einlassung oder sonstige Rückäußerung des Klägers hierzu feststellbar gewesen sei, sei am 3. Januar 2024 schließlich der streitgegenständliche Bescheid über die Außerbetriebsetzung des Fahrzeugs mit dem amtlichen Kennzeichen … wegen bestehender Kfz-Steuerschulden, versehen wiederum mit dem Zusatz „Bei …“, ergangen und an die Hauptwohnung des Klägers mit Postzustellungsurkunde am 4. Januar 2024 zugestellt worden. Nur einen Tag später, am 5. Januar 2024, sei das Anhörungsschreiben vom 5. Dezember 2023 mit dem Postvermerk „Empfänger/Firma unter der angegebenen Anschrift nicht zu ermitteln“ wieder eingegangen, nachdem die Postsendung offenbar per Nachsendeauftrag zunächst vergeblich an die Adresse „…, c/o …, …, …“ nachadressiert und weitergeleitet worden sei. Es werde davon ausgegangen, dass die beiden Anhörungsschreiben vom 26. Mai 2023 und vom 21. Juni 2023 dem Kläger tatsächlich zugegangen seien, während ihm das letzte Anhörungsschreiben vom 5. Dezember 2023 nachweislich nicht zur Kenntnis gelangt sei, was jedoch bei Bescheiderlass nicht bekannt gewesen sei. Bemerkenswert hierbei sei, dass das an die Hauptwohnung des Klägers adressierte Schreiben vom 5. Dezember 2023 – vermutlich per Nachsendeauftrag – an eine nicht zuzuordnende Adresse in … weiter- und von dort aus an den Beklagten zurückgeleitet worden sei, während der ebenfalls mit dem Zusatz „Bei …“ an denselben Hauptwohnsitz in … gerichtete Bescheid vom 3. Januar 2024 dort nur kurze Zeit später mit Postzustellungsurkunde habe zugestellt werden können. Festzustellen sei im Hinblick auf die Zustelladresse des Klägers noch, dass dieser seit seiner Geburt bis heute ununterbrochen in seiner aktuellen Hauptwohnung in …, …, und seit 1. Juli 2005 bis heute ununterbrochen in seiner bisherigen Nebenwohnung in …, …, gemeldet sei. Vom 1. Juli 2005 bis 30. November 2015 sei der Wohnsitz in … Hauptwohnung gewesen; seitdem sei dieser Nebenwohnung und der Wohnsitz in … (wie bis 1. Juli 2015) wieder Hauptwohnung. Weitere Nebenwohnungen unterhalte der Kläger seit 1. Juli 2005 nicht mehr.
9
Unter dem 18. April 2024 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung mit Gerichtsbescheid angehört. Das Schreiben an den Kläger konnte nicht zugstellt werden. Als Grund der Nichtzustellbarkeit enthielt die Postzustellungsurkunde den Vermerk „soll verstorben sein“ (vgl. GA Bl. 43). Unter dem 29. April 2024 wurde der Kläger nochmals zu einer Entscheidung mit Gerichtsbescheid angehört. Im Rahmen eines Zustellungsersuchens des Gerichts an die Stadt … wurde das gerichtliche Anhörungsschreiben dem Kläger gegen Postzustellungsurkunde am 4. Mai 2024 zugestellt (vgl. GA Bl. 49 ff.).
10
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß §§ 117 Abs. 3 Satz 2, 84 Abs. 1 Satz 3 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die Klage hat teilweise Erfolg.
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1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
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2. Die Klage ist im wohlverstandenen Sinne des Klägers so auszulegen, dass dieser neben der „Herausgabe einer Kopie oder Abschrift und den jeweils dazugehörigen Zustellungsnachweis über die angegebenen und nicht aufgeführten Schreiben“ die Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 3. Januar 2024 im Wege einer Anfechtungsklage begehrt. Da der Kläger im Rahmen seiner Klageschrift die Rechtswidrigkeit des Bescheids insbesondere mit dem Fehlen von Zustellnachweisen hinsichtlich etwaiger Schreiben der Finanzbehörden zu einer bestehenden Kraftfahrzeugsteuerschuld bzw. der Anhörungsschreiben des Beklagten zur beabsichtigten Abmeldung seines Kraftfahrzeuges begründet, wird davon ausgegangen, dass der zweite Teil des Klageantrages („Sollte dies nicht erfolgen (…) von Amts wegen den Bescheid … … vollumfänglich für nichtig zu erklären sowie alle dazugehörigen Schreiben, deren Verbleib ungeklärt bleibt“) ohne Bedingung, wie es dem Wortlaut des Klageantrags nach zunächst anklingt, gestellt sein soll. Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass – selbst wenn von einer solchen Bedingung ausgegangen würde – diese wohl ungeachtet der Tatsache, dass der Beklagte dem Kläger die Einsichtnahme in die Behördenakte zugesagt hat, eingetreten wäre, da die Behördenakte nicht zu sämtlichen Schreiben – wie vom Kläger beabsichtigt – Zustellungsnachweise enthält und dem Begehren des Klägers insoweit nicht nachgekommen werden kann.
14
3. Die Klage ist nur teilweise zulässig.
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Soweit die Klage die „Herausgabe einer Kopie oder Abschrift und den jeweils dazugehörigen Zustellungsnachweis über die angegebenen und nicht aufgeführten Schreiben“ betrifft, ist sie bereits unzulässig. Zwar gibt es bei der allgemeinen Leistungsklage kein besonderes, mit dem des § 75 VwGO für die Verpflichtungsklage vergleichbares prozessuales Antragserfordernis. Dennoch kann für die gerichtliche Rechtsverfolgung das als Sachurteilsvoraussetzung erforderliche Rechtsschutzbedürfnis fehlen, wenn die Behörde – wie vorliegend – vor Klageerhebung noch nicht mit dem klägerischen Begehren befasst war (vgl. BVerwG, U.v. 28.6.2001 – 2 C 48/00 – NVwZ 2002, 97). Darüber hinaus fehlt dem Kläger auch deshalb das Rechtsschutzbedürfnis, da die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Bezug auf diesen Klageantrag nicht erforderlich ist, da der Beklagte selbst dem Kläger Einsicht in die Behördenakte zugesagt hat, sodass es dem Kläger möglich war und ist, die in der Behördenakte befindlichen Schreiben – sofern vorhanden mit Zustellungsnachweis – einzusehen und ggf. Kopien anzufertigen (vgl. zum fehlenden Rechtsschutzbedürfnis, BayVGH, B.v. 7.6.2021 – 9 CE 21.853 – BeckRS 2021, 16355; B.v. 8.4.2019 – 7 CE 19.343 – juris Rn. 14).
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4. Die im Übrigen zulässige Klage ist teilweise begründet.
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In Bezug auf die Ziffn. 1, 3 und 4 ist die Klage unbegründet, da der Bescheid insoweit rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (a.). Hinsichtlich der Ziff. 2 hat die Klage jedoch Erfolg, da die Zwangsmittelandrohung unbestimmt ist (b.).
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a. Die Ziffn. 1, 3 und 4 des streitgegenständlichen Bescheides erweisen sich als rechtmäßig.
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aa. Gegen die Abmeldung des klägerischen Fahrzeugs in Ziff. 1 des Bescheides bestehen keine Rechtmäßigkeitsbedenken.
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Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Kraftfahrzeugsteuergesetz 2002 (KraftStG) hat die Zulassungsbehörde auf Antrag der für die Ausübung der Verwaltung der Kraftfahrzeugsteuer zuständigen Behörde den Fahrzeugschein einzuziehen, etwa ausgestellte Anhängerverzeichnisse zu berichtigen und das amtliche Kennzeichen zu entstempeln. Sie trifft die erforderlichen Anordnungen gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 KraftStG durch schriftlichen Verwaltungsakt.
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1) Der Bescheid ist insbesondere nicht deshalb rechtswidrig, da dem Kläger – so wie er selbst vorträgt – ein Anhörungsschreiben nicht zugegangen ist und der Beklagte die Zustellung eines Anhörungsschreibens nicht nachweisen kann. Zu dem klägerischen Vortrag, es sei keine ordentliche Verwaltung, Zwangsmaßnahmen zu ergreifen, ohne den Betroffenen vorher anzuhören, ist auszuführen, dass der Beklagte ausweislich der dem Gericht vorliegenden Behördenakte mehrere Versuche unternommen hat, dem Kläger ein Anhörungsschreiben zu übermitteln, in dem dieser aufgefordert wurden, die ausstehende Kraftfahrzeugsteuer beim Hauptzollamt innerhalb einer bestimmten Frist zu begleichen (Schreiben vom 26. Mai 2023 mit Frist bis zum 13. Juni 2023; Schreiben vom 21. Juni 2023 mit Frist bis zum 3. Juli 2023; Schreiben vom 5. Dezember 2023 mit Frist bis zum 21. Dezember 2023). Einen Zustellnachweis zu den Anhörungsschreiben enthält diese Akte zwar nicht. Es kann aber letztlich offenbleiben, ob dem Kläger vorliegend eine Anhörung tatsächlich zugegangen ist oder nicht, da ein solcher Verfahrensmangel – das Unterbleiben einer Anhörung nach Art. 28 Abs. 1 BayVwVfG – jedenfalls nach Art. 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 BayVwVfG geheilt, im Übrigen auch nach Art. 46 BayVwVfG unbeachtlich wäre (vgl. VG Augsburg, Gb. v. 1.8.2012 – Au 3 K 12.718 – juris Rn. 14). Der Kläger hatte im Klageverfahren ausreichend Gelegenheit, seine Einwendungen gegen die getroffene Verfügung vorzubringen. Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit eine vorherige Anhörung die Entscheidung in der Sache hätte beeinflussen können. Eine unterbliebene Anhörung führt deshalb nicht zur Rechtswidrigkeit des sich anschließenden Verwaltungsakts, mithin auch nicht zur Aufhebung dieses Verwaltungsaktes durch das Verwaltungsgericht. Lediglich ergänzend ist anzumerken, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Bescheid vom 3. Januar 2023 (sog. Abmeldungsbescheid) nicht um eine Vollstreckungsmaßnahme handelt, sondern lediglich um die Grundlage für den sich nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KraftStG richtenden Vollzug der Abmeldung (vgl. Freymann/Wellner, juris PK-Straßenverkehrsrecht, § 14 FZV Rn. 15). Jedenfalls dieser Bescheid wurde dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 4. Januar 2024 zugestellt.
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2) Die Voraussetzungen des § 14 Abs. 1 Satz 1 KraftStG sind erfüllt.
23
Ein Antrag des Hauptzollamtes … nach § 14 Abs. 1 Satz 1 KraftStG lag mit dem Schreiben vom 17. Mai 2023 vor.
24
Für das Kraftfahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen … wurde die Kraftfahrzeugsteuer nicht entrichtet. Im Antrag des Hauptzollamts vom 17. Mai 2023 war die Steuerschuld auf 205,86 EUR beziffert, bestehend aus der Kfz-Steuer (170,00 EUR), einem Säumniszuschlag (4,50 EUR), Vollstreckungskosten (28,60 EUR) und Auslagen (2,76 EUR). Die Beklagte als Zulassungsbehörde hat dabei nicht zu überprüfen, ob die geltend gemachte Steuerforderung dem Grund und der Höhe nach berechtigt ist und ob das Hauptzollamt das Besteuerungsverfahren fehlerfrei durchgeführt hat. Vielmehr ist die Zulassungsbehörde als Straßenverkehrsbehörde an den Antrag der Finanzverwaltung gebunden. Die Zulassungsbehörde hat weder eine gesetzliche Zuständigkeit, die behauptete Steuerschuld zu prüfen, noch die erforderliche Sachkunde zur Überprüfung von Steuerforderungen. Dies obliegt allein dem nach § 1 Kraftfahrzeugsteuer-Durchführungsverordnung (KraftStDV) zuständigen Hauptzollamt, gegen dessen Entscheidung zur Festsetzung und Erhebung der Kraftfahrzeugsteuer der Rechtsweg zum Finanzgericht beschritten werden kann (vgl. Zens in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Stand Oktober 2021, § 14 KraftStG Rn. 10; VG München, U.v. 26.2.2014 – M 23 K 11.4724 – juris Rn. 28). Der Kläger hat die Steuerschuld zudem weder gegenüber dem Beklagten noch im Klageverfahren substantiiert bestritten. Da auch sonst keine Hinweise dafür vorliegen, dass die Steuerschuld nicht wirksam festgesetzt oder aufgrund von Zahlung oder aus anderen Gründen erloschen wäre, bestand weder für den Beklagten im Verwaltungsverfahren noch für das Gericht Anlass, sich weitere Nachweise zum Erlass des Steuerbescheids, zu dessen Vollziehbarkeit und zum Zahlungsrückstand vom Finanzamt vorlegen zu lassen. Eine weitergehende Ermittlungspflicht lässt sich insbesondere weder dem Wortlaut noch dem Zweck des § 14 KraftStG entnehmen (vgl. auch VG Cottbus, U.v. 4.2.2013 – 1 K 720/11 – juris Rn. 18 f.).
25
Der klägerische Einwand, er sei über die offene Steuerschuld nicht ordentlich benachrichtigt worden, verfängt nicht. Eine Rücksprache der Berichterstatterin mit dem Hauptzollamt … – Vollstreckungsstelle … – hat ergeben, dass auch von Seiten des Hauptzollamtes erfolglos versucht wurde, mehrere Schreiben, u.a. die Ankündigung der Vollstreckung sowie die Androhung der Außerbetriebesetzung betreffend, an den Kläger zu übersenden. Diese Schreiben sind allesamt als Retoure mangels Zustellbarkeit an die Behörde zurückgelaufen (vgl. Telefonvermerk, GA Bl. 39).
26
Die Abmeldung eines Kraftfahrzeugs durch die Zulassungsbehörde nach § 14 Abs. 1 KraftStG hängt jedoch ohnehin nicht davon ab, ob der Halter darauf vertrauen durfte, das Zollamt werde die Zahlung der fälligen Steuerschuld anmahnen. Der Beklagte durfte die Abmeldung auch ohne eine dem Kläger laut eigenem Vortrag nicht zugegangenen Mahnung des Finanzamtes vornehmen (vgl. dazu auch OVG Lüneburg, U.v. 11.02.1974 – VI A 149/73 –, NJW 1975, 358; VG Braunschweig, U.v. 30.6.2004 – 6 A 454/03 – juris Rn. 19). Die von der Zulassungsbehörde der Sache nach im Wege der Amtshilfe vorzunehmende Abmeldung hängt nach dem eindeutigen Wortlaut des Gesetzes nicht von weiteren als den genannten Voraussetzungen ab. Außerdem dient sie nicht der Beitreibung der rückständigen Steuern. Sie soll vielmehr einer – wie ausgeführt – weiteren Verletzung der Steuerpflicht vorbeugen, indem sie die Zulassung des Kraftfahrzeuges aufhebt und damit auch die Steuerpflicht beendet (vgl. § 5 Abs. 1 Nr. 1 KraftStG).
27
bb. Schließlich ist die Kostenfestsetzung für den Bescheid in den Ziffn. 3 und 4 nicht zu beanstanden. Sie beruht auf § 6a Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 Satz 1 StVG i.V.m. § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Nr. 1 und Gebühren-Nr. 254 der Anlage zur Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr (GebOSt). Nach Gebühren-Nr. 254 der Anlage zur GebOSt ist für sonstige Anordnungen ein Gebührenrahmen von 14,30 Euro bis 286,00 EUR vorgesehen. Die vorliegend festgesetzten Gebühren in Höhe von 50,00 EUR bewegen sich mithin im unteren Bereich dieses Gebührenrahmens und sind daher der Höhe nach angemessen. Die Erstattungsanordnung bezüglich der Auslagen für die Postzustellung in Höhe von 3,45 EUR beruht auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 GebOSt.
28
b. Die Androhung unmittelbaren Zwangs in Ziff. 2 des Bescheides erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
29
aa. Die Zwangsmittelandrohung ist nicht deshalb rechtswidrig, weil unmittelbarer Zwang und nicht die Ersatzvornahme angedroht wurde. Eine Ersatzvornahme kommt als Zwangsmittel nur dann in Betracht, wenn die zu erzwingende Handlung vertretbar ist. Nach der Legaldefinition ist eine Handlung vertretbar, wenn deren Vornahme auch durch einen anderen möglich ist. Die Unvertretbarkeit einer Handlungspflicht bedeutet, dass sie nur von dem Pflichtigen selbst erfüllt werden kann. Dies ist beispielsweise bei dem persönlichen Erscheinen und der Herausgabe einer bestimmten Sache, die sich im Besitz des Pflichtigen befindet, der Fall (HK-VerwR/Hanno-Dirk Lemke, 5. Aufl. 2021, VwVG § 10 Rn. 1 f.). Die aus der Anordnung folgende Pflicht zur Vorlage der Zulassungsbescheinigung Teil I und der Kennzeichen, die sich im Besitz des Klägers befinden, kann nur er selbst erfüllen (vgl. VGH BW, B.v. 17.3.2005 – 1 S 381/05 – BeckRS 2005, 29071). Insofern ist der unmittelbare Zwang das richtige Zwangsmittel (vgl. VG München, U.v. 17.2.2009 – 23 K 08.5994 – BeckRS 2011, 47606; VG Düsseldorf, U.v. 11.2.2016 – 6 K 5412/15 – BeckRS 2016, 43068; VG Köln, U.v. 21.9.2012 – 18 K 3620/12 – juris Rn. 1, B.v. 7.4.2016 – 18 L 3085/15 – juris Rn. 18; wohl auch MüKoStVR/Koehl, 1. Aufl. 2016, FZV § 25 Rn. 17).
30
bb. Die Rechtswidrigkeit der Androhung unmittelbaren Zwangs folgt aus der Unbestimmtheit der von ihr gesetzten Erfüllungsfrist. In Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheides werden zwei unterschiedliche Zeitpunkte benannt, bis zu denen der Kläger den Verpflichtungen in Ziff. 1 nachzukommen hat. Es werden insofern die Zeitpunkte der Unanfechtbarkeit und der Bekanntgabe des Bescheides genannt. Für den Adressaten bleibt damit unklar, bis zu welchem Zeitpunkt er die Verpflichtung zu erfüllen hat. Lediglich ergänzend wird insofern angemerkt, dass entgegen der Erläuterung der Erfüllungsfrist auf S. 3 des Bescheides Bestandskraft nicht notwendigerweise 1 Monat und 7 Tage nach Zustellung des Bescheides eintritt, da dies von dem Umstand einer etwaigen Klageerhebung mit der Folge einer aufschiebenden Wirkung hinsichtlich der Wirksamkeit des Bescheides abhängt. Insofern ist darauf hinzuweisen, dass die Erfüllungsfrist von 1 Monat und 7 Tagen nur dann zutreffend ist, wenn keine Klage gegen den Bescheid erhoben wird, da in diesem Fall die Bestandskraft nach Ablauf der Monatsfrist für die Klageerhebung eintritt. Aus Sicht der Kammer bleibt es dem Beklagten unbenommen, eine neue Zwangsmittelandrohung zu erlassen.
31
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Danach können einem Beteiligten die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere – wie hier in Bezug auf die Zwangsmittelandrohung in Ziff. 2 des Bescheides – nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
32
6. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11 Zivilprozessordnung (ZPO).