Titel:
Erfolgreiche Klage gegen Widerruf einer Waffenbesitzkarte sowie Ungültigkeitserklärung und Einziehung eines Jagdscheins
Normenketten:
WaffG § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 1 Nr. 2, § 10 Abs. 1, § 45 Abs. 2 S. 1, § 46 Abs. 2 S. 1
BJagdG § 17 Abs. 1, Abs. 3, § 18
Leitsätze:
1. Richtig ist zwar, dass im Waffenrecht aufgrund der in Rede stehenden Schutzgüter der strikt präventive Charakter des Waffengesetzes Berücksichtigung finden muss und Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, deshalb nur bei solchen Personen hinzunehmen sind, die Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Deshalb ist für einen Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für ein Fehlverhalten erforderlich und eine auf die Lebenserfahrung gestützte Einschätzung der Behörde kann aus diesem Grund ausreichen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dies gilt allerdings nur, soweit diese Einschätzung auf tatsächlichen Anhaltspunkten basiert. Zur Beurteilung ist dabei auf die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles abzustellen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Ein Widerruf einer Waffenbesitzkarte bzw. die Ungültigkeitserklärung eines Jagdscheins können nicht auf eine Nachricht mit bedrohendem Inhalt gestützt werden, die angeblich vom Betroffenen stammen soll, wenn nicht bewiesen werden kann, dass tatsächlich er die Drohung ausgesprochen hat. Eine solche Nachricht kann folglich im Rahmen einer waffenrechtlichen Prognose nicht zu Lasten des Betroffenen als tatsächlicher Anhaltspunkt dafür gewertet werden, dass in diesem Fall die Befürchtung gerechtfertigt ist, er könne Waffen in einer dem Recht widersprechenden Weise gebrauchen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Nr. 2a WaffG, § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG). (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Bedrohung, Waffe als Drohmittel, waffenrechtliche Unzuverlässigkeit, streitige Tatsachen, Zeugenvernehmung, tatsächliche Anhaltspunkte, missbräuchliche Verwendung
Fundstelle:
BeckRS 2024, 29949
Tenor
1. Der Bescheid des Landratsamts … vom 24. Juli 2023 wird in den Ziffern 1, 2, 3, 5 und 6 aufgehoben.
2.Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte.
3.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt die Aufhebung eines Bescheides des Beklagten, in dem der Widerruf seiner Waffenbesitzkarte sowie eine Ungültigkeitserklärung und Einziehung seines Jagdscheins verbunden mit der Anordnung ausgesprochen wurde, Waffen und Munition einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar machen zu lassen.
2
Der im Jahr 1954 geborene Kläger ist Inhaber einer Waffenbesitzkarte mit der Nr. …, ausgestellt durch das Landratsamt … (im Folgenden: Landratsamt) am 19. Juni 2017, sowie eines Jagdscheins mit der Nr. …, ausgestellt durch das Landratsamt am 22. Mai 2017.
3
Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 3. Februar 2023 wurde der Sohn des Klägers durch einstweilige Anordnung, befristet bis zum 2. August 2023, vorläufig zum Betreuer des Klägers bestellt, da der Kläger aufgrund seiner Erkrankung – einer akuten Pneumonie – seine Angelegenheiten nicht ausreichend selbst besorgen konnte.
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Das Landratsamt wurde von Herrn S., dem Sohn und vorläufiger Betreuer des Klägers, am 26. Juni 2023 fernmündlich darüber informiert, dass der Kläger bei der Caritas-Sozialstation … eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen habe, in der er der Einrichtung gedroht habe, seine Waffe rauszuholen und zu schießen, sollten die Mitarbeiter sein Haus betreten. Sein Vater habe auch behauptet, dass der Pflegedienst in seinen Schränken herumgewühlt habe.
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Auch die Polizeiinspektion … (im Folgenden: PI) wurde von Herrn S. über den Sachverhalt in Kenntnis gesetzt. Das Ermittlungsverfahren wird unter dem Aktenzeichen … geführt. Aus dem Sachverhaltsbericht der PI ergibt sich, dass diese am 3. Juli 2023 telefonischen Kontakt zu der Leiterin der Caritas-Sozialstation in …, Frau S., aufgenommen und in Erfahrung gebracht habe, dass die bedrohende Nachricht auf dem Anrufbeantworter bereits Anfang/Mitte 2023 hinterlassen und zwischenzeitlich gelöscht worden sei. Frau S. habe bei dem Gespräch ausgeführt, dem Kläger zuvor bereits persönlich begegnet zu sein und diesen eindeutig an seiner Stimme erkannt zu haben (vgl. BA Bl. 50). Da der Tatzeitpunkt ca. sechs Wochen zurückgelegen habe und sich der Kläger zunächst noch in einer Reha-Einrichtung – ohne Zugriff auf seine Schusswaffe – befunden habe, sei aus Sicht der Polizei keine akute Gefahr erkennbar gewesen, die Sofortmaßnahmen habe rechtfertigen können. Deshalb sei das Landratsamt am 14. Juli 2023 gebeten worden, unverzüglich ein Waffenbesitzverbot sowie eine Sicherstellungsanordnung zu erlassen, sodass eine sofortige Sicherstellung der Erlaubnisdokumente, Waffen und Munition erfolgen könne, wenn der Kläger am 17. Juli 2023 aus dem Krankenhaus nach Hause entlassen werde.
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Mit Schreiben des Landratsamts vom 3. Juli 2023 wurde der Kläger zum beabsichtigten Widerruf der Waffenbesitzkarte und des Jagdscheins sowie der Anordnung eines Erwerbs- und Besitzverbotes für Waffen und Munition angehört, wobei ihm eine Frist zur Stellungnahme bis zum 14. Juli 2023 eingeräumt wurde. Eine Reaktion des Klägers auf das Anhörungsschreiben erfolgte nicht. Er befand sich zu diesem Zeitpunkt im Krankenhaus in stationärer Behandlung.
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Mit Bescheid des Landratsamts vom 17. Juli 2023 wurde dem Kläger untersagt, die tatsächliche Gewalt über Waffen und Munition, auch erlaubnisfreie, auszuüben. Die Waffenbesitzkarte Nr. … und der Jagdschein Nr. … sowie eine Bockdoppelflinte, Beretta 690 Field III, Kal. 12/76, Nr. …, und sämtliche Munition würden sichergestellt. Außerdem wurde der Sofortvollzug dieser Maßnahmen angeordnet. Aus dem Sicherstellungsprotokoll der PI vom 17. Juli 2023 ergibt sich, dass beim Kläger eine Bockdoppelflinte, eine Luftpistole Kaliber 4,5 (Steyr), der Jagdschein mit der Nr. …, die Waffenbesitzkarte mit der Nr. … und 10 Olympic Blues Patronen (Karton mit jeweils 25 Stück) sichergestellt wurden.
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Mit Bescheid des Landratsamts vom 24. Juli 2023, zugestellt am 25. Juli 2023, wurde die Waffenbesitzkarte Nr. … des Klägers widerrufen (Ziff. 1). Außerdem werde der Jagdschein Nr. … für ungültig erklärt und eingezogen (Ziff. 2). Die bereits sichergestellte und derzeit beim Landratsamt aufbewahrte Waffe und Munition seien bis spätestens 21. August 2023 endgültig an einen Berechtigten zu überlassen oder durch einen Büchsenmacher dauerhaft unbrauchbar machen zu lassen. Dies sei dem Landratsamt schriftlich nachzuweisen (Ziff. 3). Die sofortige Vollziehung der Ziffn. 2 und 3 werde angeordnet (Ziff. 4). Nach fruchtlosem Ablauf der in Ziff. 3 genannten Frist werde die noch vorhandene Waffe und Munition vom Landratsamt der Vernichtung zugeführt (Ziff. 5). Die Kosten des Verfahrens habe der Kläger zu tragen. Für diesen Bescheid werde eine Gebühr in Höhe von 180,00 EUR festgesetzt. Die Auslagen betrügen 4,11 EUR (Ziff. 6).
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Der Kläger sei waffenrechtlich unzuverlässig nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG, weshalb gemäß § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG die waffenrechtliche Erlaubnis zu widerrufen sei. Er habe der Caritas-Sozialstation … gegenüber gedroht, seine Schusswaffe herauszuholen und zu schießen, falls diese sein Wohnhaus betreten würde. Somit habe er eine Waffe als Droh- bzw. Einschüchterungsmittel benutzt, was eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit begründe.
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Fehle die waffenrechtliche Zuverlässigkeit nach § 5 WaffG, so dürfe einer Person nur noch ein Falknerjagdschein nach § 15 Abs. 7 BJagdG erteilt werden. In den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG sei ein Jagdschein für ungültig zu erklären, wenn Tatsachen vorlägen, welche die Versagung des Jagdscheines begründen würden. Aufgrund des Wegfalls der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit sei der Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen.
11
Angesichts des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis ordne das Landratsamt gemäß § 46 Abs. 2 Satz 1 WaffG an, dass der Kläger seine Waffe und Munition binnen angemessener Frist einem Berechtigten zu überlassen oder dauerhaft unbrauchbar zu machen lassen habe. Die Waffen und die Munition könnten nach Verstreichen der Frist gemäß § 46 Abs. 5 Satz 1 WaffG eingezogen und verwertet oder vernichtet werden.
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Rechtsgrundlage für den Sofortvollzug sei § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO. Es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, die Wirksamkeit der angeordneten Maßnahmen schon vor Ausschöpfung des Verwaltungsrechtsweges sicherzustellen. Der Sachverhalt liefere Indizien für eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit des Klägers. Waffen und Munition in der Hand unzuverlässiger Personen stellten eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit dar. Um diese Gefahr abzuwenden, müsse sichergestellt werden, dass ab sofort keine erlaubte Möglichkeit verbleibe, die tatsächliche Gewalt über Waffen und Munition auszuüben. Dieses öffentliche Interesse überwiege private Interessen des Klägers.
13
Es folgt die Begründung der Kostenentscheidung.
14
Mit Schriftsatz vom 4. August 2023, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am 7. August 2023, ließ der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten Klage erheben mit dem Antrag,
den Bescheid des Landratsamts … vom 24.07.2023 Az.: … aufzuheben.
15
Zur Klagebegründung wird ausgeführt, dass die telefonische Drohung gegenüber der Caritas-Sozialstation von Seiten des Klägers bestritten werde. Es sei nicht festgestellt worden, dass die hinterlassene Nachricht tatsächlich vom Kläger stamme. Der Kläger selbst gehe davon aus, dass möglicherweise sein Sohn hinter der Nachricht stecke. Dieser habe ein wirtschaftliches Interesse daran, dass Zweifel an der Geschäftsfähigkeit des Klägers bestünden, da dieser so nicht in der Lage sei, seinen Sohn zu enterben. Der Sohn habe auch eine vorläufige Betreuung des Klägers wegen dessen Krankenhausaufenthalt erwirkt, ohne den Kläger hiervon zu unterrichten. Die Betreuung sei durch das Landratsamt – Betreuungsstelle – aufgehoben worden. Außerdem sei nicht festgestellt worden, von welchem Telefon aus das Gespräch geführt worden sein soll, in dem der Kläger angeblich die Drohung ausgesprochen habe. Vielmehr würden die Angaben der Anzeigeerstatterin als nachgewiesen unterstellt. Eine Stellungnahme des Klägers zum Anhörungsschreiben sei nicht möglich gewesen, da sich dieser im Krankenhaus befunden habe. Aus einem Schreiben der Staatsanwaltschaft … vom 27. August 2023, welches vorgelegt wurde, ergebe sich, dass der Anzeige der Caritas mangels öffentlichen Interesses keine Folge gegeben werde.
16
Im Rahmen des Eilrechtsschutzverfahrens führte der Beklagte mit Schriftsatz vom 12. September 2023 aus, der Sohn des Klägers, Herr. S., habe dem Landratsamt am 26. Juni 2023 fernmündlich mitgeteilt, dass der Kläger der Caritas-Sozialstation … eine Drohung auf dem Anrufbeantworter hinterlassen habe. Da der Kläger bereits im Jahr 2009 wegen einer psychischen Ausnahmesituation einen SEK-Einsatz ausgelöst hätte, habe das Landratsamt mit Schreiben vom 3. Juli 2023 ein Widerrufsverfahren eingeleitet. Nach Rücksprache mit der PI und aufgrund der Tatsache, dass die Leiterin der Sozialstation, Frau S., den Kläger nach eigener Aussage an seiner Stimme eindeutig erkannt habe und die Mitteilung der Drohung an das Landratsamt durch den Sohn des Klägers, der als dessen Betreuer fungiere, erfolgt sei, habe es keinen Grund gegeben, die Aussagen anzuzweifeln.
17
Mit gerichtlichem Schreiben vom 4. April 2024 wurden die Beteiligten zu einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid angehört.
18
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gemäß §§ 117 Abs. 3 Satz 2, 84 Abs. 1 Satz 3 VwGO auf den Inhalt der Gerichtsakte, insbesondere auch des Sitzungsprotokolls zur mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2024 und der vorgelegten Behördenakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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1. Über die Klage kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, der als Urteil wirkt, entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 Halbs. 1 VwGO). Die Beteiligten wurden gemäß § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid gehört.
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2. Die Klage ist im wohlverstandenen Sinne des anwaltlich vertretenen Klägers so auszulegen, dass dieser die Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 24. Juli 2023 mit Ausnahme der Ziff. 4 (Sofortvollzugsanordnung) begehrt. Ziff. 4 des Bescheids stellt keinen Verwaltungsakt nach Art. 35 Satz 1 BayVwVfG dar, sondern ist eine verfahrensrechtliche Nebenentscheidung zum Hauptverwaltungsakt, die rechtliche Aussagen zum Zeitpunkt der Wirksamkeit des Verwaltungsaktes trifft. Rechtsschutz gegen die erfolgte Anordnung der sofortigen Vollziehung richtet sich daher ausschließlich nach § 80 Abs. 5 VwGO und ist nicht im Rahmen eines Klageverfahrens zu gewähren (vgl. hierzu Hoppe in Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, § 80 Rn. 42 m.w.N).
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3. Die zulässige Klage ist begründet.
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Der streitgegenständliche Bescheid vom 24. Juli 2023 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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a. Der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnis in Ziff. 1 wie auch die Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins in Ziff. 2 des streitgegenständlichen Bescheids erweisen sich als rechtswidrig.
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Rechtsgrundlage der Anordnung des Widerrufs der waffenrechtlichen Erlaubnis (Ziff. 1) ist § 45 Abs. 2 Satz 1 WaffG. Demgemäß ist eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz – hier: die Waffenbesitzkarte gemäß § 10 Abs. 1 WaffG – zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis zum Erwerb und Besitz von Waffen setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit i.S.v. § 5 WaffG besitzt. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Nr. 2 a), mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Nr. 2 b), oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Nr. 2 c).
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Die Rechtsgrundlage für die Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins (Ziff. 2) stellt § 18 Bundesjagdgesetz (BJagdG) dar. Werden danach Tatsachen nach Erteilung des Jagdscheines bekannt, welche die Versagung des Jagdscheines begründen, so ist die Behörde in den Fällen des § 17 Abs. 1 BJagdG verpflichtet, den Jagdschein für ungültig zu erklären und einzuziehen. Gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 BJagdG ist der Jagdschein Personen zu versagen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie die erforderliche Zuverlässigkeit nicht besitzen. Gemäß § 17 Abs. 3 BJagdG besitzen Personen die erforderliche Zuverlässigkeit nicht, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden (Nr. 1), mit Waffen oder Munition nicht vorsichtig oder sachgemäß umgehen oder diese Gegenstände nicht sorgfältig verwahren werden (Nr. 2), oder Waffen oder Munition Personen überlassen werden, die zur Ausübung der tatsächlichen Gewalt über diese Gegenstände nicht berechtigt sind (Nr. 3).
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Das Landratsamt hat den Widerruf der Waffenbesitzkarte auf § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG und die Ungültigkeitserklärung und Einziehung des Jagdscheins auf § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG gestützt, da es davon ausgeht, dass bei dem Kläger prognostisch die Gefahr besteht, er könne seine Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden. Die Gefahr eines solchermaßen missbräuchlichen oder leichtfertigen Umgangs im Sinne der Vorschriften besteht dann, wenn vom Kläger auf Grund von tatsächlichen Anhaltspunkten befürchtet werden muss, er werde die Waffe bzw. Munition zukünftig in einer dem Recht widersprechenden Weise gebrauchen.
28
Der Widerruf der Waffenbesitzkarte bzw. die Ungültigkeitserklärung und Einziehung des Jagdscheins durch das Landratsamt basiert auf einer Nachricht auf dem Anrufbeantworter der Caritas-Sozialstation …, in der der Kläger dieser gedroht haben soll, seine Schusswaffe herauszuholen und zu schießen, sollte der Pflegedienst sein Haus betreten. Seitens des Klägers wird bestritten, dass er diese Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hat, da auch der Sohn des Klägers die Nachricht auf den Anrufbeantworter gesprochen haben könnte.
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Im Rahmen des Eilbeschlusses vom 4. Oktober 2023 (Az. B 1 S 23.715) führte das Gericht bereits aus, dass die Tatsache, ob der Kläger diese Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen hat, die Grundlage des Bescheides bildet. Weiter wurde festgestellt, dass die Erfolgsaussichten des Klageverfahrens maßgeblich davon abhängen, ob diese Tatsache im Rahmen einer Beweisaufnahme durch die Zeugeneinvernahme der Frau S., die nach damaligem Kenntnisstand die Nachricht auf dem Anrufbeantworter abgehört und die Stimme des Klägers erkannt hat, bestätigt werden kann, da die Nachricht auf dem Anrufbeantworter von Frau S. gelöscht wurde und deshalb als Beweis nicht mehr dienen kann.
30
Die Kammer hält die Nachricht mit bedrohendem Inhalt auf dem Anrufbeantworter der Caritas-Sozialstation …, die angeblich vom Kläger stammen soll, als Grundlage für den Widerruf der Waffenbesitzkarte bzw. für die Ungültigkeitserklärung des Jagdscheins für nicht tragfähig, da nicht bewiesen werden konnte, dass tatsächlich der Kläger die Drohung auf den Anrufbeantworter gesprochen hat. Die Nachricht kann folglich im Rahmen einer waffenrechtlichen Prognose nicht zu Lasten des Klägers als tatsächlicher Anhaltspunkt dafür gewertet werden, dass in diesem Fall die Befürchtung gerechtfertigt ist, der Kläger könne Waffen in einer dem Recht widersprechenden Weise gebrauchen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Nr. 2a WaffG, § 17 Abs. 3 Nr. 1 BJagdG).
31
In der mündlichen Verhandlung am 30. Januar 2024 hat die Kammer die Leiterin der Caritas-Sozialstation in …, Frau S., als Zeugin gehört. Diese hat ausgesagt, die Stimme des Klägers nicht selbst erkannt zu haben. Vielmehr habe ihre Kollegin, Fr. K. S., die den Anrufbeantworter mit ihr zusammen abgehört habe, die Stimme des Klägers erkannt. Sie selbst habe in dem maßgeblichen Zeitraum keinen persönlichen Kontakt zum Kläger gehabt (vgl. Protokoll über die mündliche Verhandlung am 30. Januar 2024, GA Bl. 88). Die Zeugin, Frau S., konnte im Rahmen der mündlichen Verhandlung mithin nichts zum Beweis der Tatsache beitragen, dass die Nachricht auf dem Anrufbeantworter tatsächlich vom Kläger stammte. Unter dem 4. Februar 2024 führte die Zeugin gegenüber dem Gericht außerdem aus, dass sie ihre Aussage korrigieren müsse (vgl. Schreiben der Zeugin GA Bl. 100 f.). Die Angabe der weiteren Zeugin, Fr. K. S., die angeblich mit ihr den Anrufbeantworter abgehört habe, sei nicht korrekt gewesen. Tatsächlich könne sie sich nicht daran erinnern, wer die Stimme des Klägers erkannt habe. Bezeichnend ist in diesem Zusammenhang auch, dass Frau S. weiter ausführt, sie habe beim Abhören der Nachricht überlegt, von wem die Nachricht stammen könne und sei aufgrund des Wissens von Waffen im Hause S* … und der Tatsache, dass sie von keinen weiteren Patienten mit Waffen Kenntnis gehabt hätte, davon ausgegangen, dass die Nachricht auf dem Anrufbeantworter nur vom Kläger stammen könne. Diese Aussage legt nahe, dass die Stimme des Klägers nicht erkannt wurde, sondern lediglich aus dem vorhandenen Wissen geschlussfolgert wurde, dass der Kläger die Nachricht auf dem Anrufbeantworter gesprochen haben könnte.
32
Die Kammer hat sodann eigene Ermittlungen angestellt und sowohl mit Frau S., Pflegedienstleitung der Caritas Sozialstation …, als auch mit Frau K. S., Tourenschwester der Sozialstation, Kontakt aufgenommen, um zu eruieren, wer möglicherweise als Zeugin der zu beweisenden Tatsache in Frage kommen könnte. Frau S. sicherte der Berichterstatterin zu, die Sache im Rahmen einer Dienstbesprechung mit den Angestellten der Sozialstation zu besprechen. Am 11. März 2024 teilte sie dem Gericht mit, dass die Dienstbesprechung keine neuen Erkenntnisse gebracht habe, da sich niemand mehr an die Nachricht auf dem Anrufbeantworter erinnern könne (vgl. Telefonvermerk GA Bl. 107). Frau K. S. teilte der Berichterstatterin am 12. März 2024 telefonisch mit (vgl. Telefonvermerk GA Bl. 108), dass sie den Kläger zwar einmalig zur Medikamentengabe aufgesucht, ihn aber danach nie wieder gesehen habe. Sie selbst habe erst nach der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht Bayreuth von Frau S. von der Nachricht auf dem Anrufbeantworter erfahren. Auch im Rahmen der gerichtlichen Ermittlungen konnte folglich keine Person ausfindig gemacht werden, die bezeugen kann, dass die Nachricht auf dem Anrufbeantworter tatsächlich vom Kläger hinterlassen wurde. Da die Nachricht von Frau S. gelöscht wurde, kann diese auch nicht selbst als Beweismittel dienen.
33
Richtig ist zwar, dass im Waffenrecht aufgrund der in Rede stehenden Schutzgüter der strikt präventive Charakter des Waffengesetzes Berücksichtigung finden muss und Risiken, die mit jedem Waffenbesitz verbunden sind, deshalb nur bei solchen Personen hinzunehmen sind, die Vertrauen darin verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen. Deshalb ist für einen Widerruf waffenrechtlicher Erlaubnisse auch keine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit für ein Fehlverhalten erforderlich und eine auf die Lebenserfahrung gestützte Einschätzung der Behörde kann aus diesem Grund ausreichen. Dies gilt allerdings nur, soweit diese Einschätzung auf tatsächlichen Anhaltspunkten basiert. Zur Beurteilung ist dabei auf die gesamten Umstände des konkreten Einzelfalles abzustellen. Das Landratsamt hat als tatsächlichen Anhaltspunkt die Nachricht auf dem Anrufbeantworter herangezogen, bei der jedoch unklar geblieben ist, ob diese tatsächlich so vom Kläger hinterlassen wurde.
34
b. Aus den obenstehenden Gründen sind auch die begleitenden Anordnungen in den Ziffn. 3 und 5 sowie die Kostenfestsetzung in Ziff. 6 rechtswidrig und deshalb aufzuheben.
35
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, wonach der unterliegende Teil die Kosten des Verfahrens trägt.
36
5. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung basiert auf § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 und 2 Zivilprozessordnung (ZPO).