Titel:
Keine Verdienstausfallentschädigung bei symptomloser Corona-Infektion
Normenketten:
IfSG § 56 Abs. 1 S. 1, S. 2, Abs. 5 S. 3, § 57 Abs. 1 S. 4 Hs. 2
EntgFG § 3
Leitsätze:
1. Ein Verdienstausfall iSd § 56 Abs. 1 IfSG ist zu verneinen, wenn dem Arbeitnehmer für den maßgeblichen Zeitraum ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf Fortzahlung seines Lohnes gegen den Arbeitgeber zugestanden hat, obwohl der Arbeitnehmer nicht in der Lage gewesen ist, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen. (Rn. 43) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die behördliche Anordnung einer Isolation bzw. häuslichen Quarantäne bei SARS-CoV-2-Infektion begründet ein Beschäftigungsverbot und hat die (rechtliche) Arbeitsunfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers zur Folge, unabhängig davon, ob die Erkrankung symptomlos verläuft oder mit Krankheitssymptomen verbunden ist. (Rn. 51) (redaktioneller Leitsatz)
3. Selbst wenn der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG einer in zulässigerweise (individual- oder tarifvertraglich) vereinbarten Ausschluss- bzw. Verfallsfrist unterfallen würde, so führt dies nicht dazu, (nachträglich) einen Verdienstausfall nach § 56 Abs. 1 S. 1 IfSG anzunehmen. (Rn. 56) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung, Isolationsanordnung, symptomlose Corona-Infektion, vorrangiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung gegen den Arbeitgeber, arbeitsvertragliche oder tarifvertragliche Ausschlussfristen/Verfallsfristen, Corona, Verdienstausfallentschädigung, Quarantäne, Infektion, symptomlos, Entgeltfortzahlung, krank, Ausschlussfrist
Fundstelle:
BeckRS 2024, 29945
Tenor
1. Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
4. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Erstattung einer Verdienstausfallsentschädigung für eine bei ihr beschäftigte Arbeitnehmerin in Zusammenhang mit einer Coronavirus-Infektion.
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Die Klägerin ist ein städtisches Klinikum. Die am … geborene Frau P. ist Arbeitnehmerin der Klägerin und bei dieser als medizinische Angestellte im Bereich der Zentralsterilisation tätig.
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Mit Schreiben des Landratsamts … vom 21.03.2022 wurde der Arbeitnehmerin unter Bezugnahme auf die Allgemeinverfügung Quarantäne von Kontaktpersonen und von Verdachtspersonen, Isolation von positiv auf das Coronavirus SARS-CoV-2 getesteten Personen (AV Isolation) des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege vom 31.08.2021, zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 01.01.2022, aufgrund einer bei ihr festgestellten Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 (Positivtestung) eine Isolation für den Zeitraum zwischen dem 21.03.2022 und dem 30.03.2022 mitgeteilt.
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Mit Formblattantrag vom 06.03.2024 beantragte die Klägerin beim Beklagten für die Arbeitnehmerin für den Zeitraum zwischen dem 21.03.2022 und dem 30.03.2022 eine Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 2.029,62 EUR (von der Klägerin an die Arbeitnehmerin als Entschädigung bereits ausbezahlter Nettobetrag) und in Höhe von 1.236,93 EUR für abgeführte Sozialversicherungsbeiträge (Gesamtsumme der beantragten Entschädigung 3.266,55 EUR). Als monatliches Brutto-Soll und Brutto-Ist-Entgelt wurde im Antrag jeweils 3.047,39 EUR angegeben. Weiter gab die Klägerin dort an, dass die von der Arbeitnehmerin ausgeübte Tätigkeit nicht im Homeoffice ausgeübt werden habe können, da das Sterilisieren von Medizinprodukten nur im Klinikum möglich sei. Dem Antrag war die Eigenerklärung der Arbeitnehmerin vom 01.03.2024 beigefügt.
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Nach § 29 des Tarifvertrags für den Öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Krankenhäuser (TVöD-K), den die Arbeitnehmerin – vom Beklagten nicht widersprochen – unterfällt, ist der Anspruch auf Lohnfortzahlung nach § 616 BGB nur in den in § 29 des Tarifvertrags aufgezählten Fällen gegeben (Isolationsanordnung dort nicht genannt) und im Übrigen ausgeschlossen.
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Mit Bescheid vom 30.04.2024 lehnte die Regierung von … den Antrag auf Erstattung des Verdienstausfalls und der Beiträge zur Sozialversicherung ab (Ziff. 1). Kosten wurden nicht erhoben (Ziff. 2).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG erhalte eine Entschädigung in Geld, wer auf Grund dieses Gesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliege oder unterworfen werde und dadurch einen Verdienstausfall erleide. Das Gleiche gelte gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG für eine Person, die nach § 30 IfSG, auch in Verbindung mit § 32 IfSG, abgesondert werde oder sich auf Grund einer nach § 36 Abs. 8 Satz 1 Nummer 1 IfSG erlassenen Rechtsverordnung absondere. Die Entschädigung bemesse sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 IfSG nach dem Verdienstausfall. Für die ersten sechs Wochen werde die Entschädigung in Höhe des Verdienstausfalls gewährt, § 56 Abs. 2 Satz 1 IfSG. Vom Beginn der siebenten Woche an werde die Entschädigung abweichend von Satz 2 in Höhe von 67% des der erwerbstätigen Person entstandenen Verdienstausfalls gewährt; für einen vollen Monat werde höchstens ein Betrag von 2.016 Euro gewährt, § 56 Abs. 2 Satz 3 IfSG. Als Verdienstausfall im Sinne der Vorschrift gelte gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 IfSG das Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zustehe, vermindert um Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitsförderung oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang (Netto-Arbeitsentgelt). Bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts seien die Regelungen des § 4 Abs. 1, 1a und 4 des EntgFG entsprechend anzuwenden. Für die Berechnung des Verdienstausfalls sei die Nettoentgeltdifferenz in entsprechender Anwendung des § 106 SGB III zu bilden, § 56 Abs. 3 Satz 2 und 3 IfSG. Bei Arbeitnehmern habe der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen. Die nach den Maßgaben des § 56 IfSG ausgezahlten Beträge würden dem Arbeitgeber auf Antrag sodann von der zuständigen Behörde erstattet, § 56 Abs. 5 Satz 1 und 3 IfSG. Zahle der Arbeitgeber für die zuständige Behörde die Entschädigung aus, so habe die zuständige Behörde dem Arbeitgeber die entrichteten Sozialversicherungsbeiträge auf Antrag zu erstatten, § 57 Abs. 1 Satz 3 und 4, Abs. 2 Satz 2 IfSG (zu den Sozialversicherungsabgaben wurde näher ausgeführt).
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Die vorgenannten Voraussetzungen seien vorliegend nicht gegeben, sodass der Antrag abzulehnen gewesen sei. Es fehle an einem Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG. Ein Verdienstausfall im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG liege nur dann vor, wenn der Arbeitgeber während der Absonderung nicht nach anderen arbeitsvertraglichen, tarifvertraglichen oder gesetzlichen Vorschriften zur Zahlung der Vergütung verpflichtet sei. Bei der Entschädigung nach § 56 IfSG handele es sich um eine auf dem Billigkeitsgedanken beruhenden Sondervorschrift, die im Verhältnis zu den arbeitsrechtlichen Entgeltfortzahlungspflichten des Arbeitgebers nur nachrangig Anwendung finde. Nach der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23) bestehe ein vorrangiger Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 EntgFG selbst dann, wenn (lediglich) eine symptomlose Infektion mit dem SARS-CoV-2- Virus vorgelegen habe. Eine SARS-CoV-2-Infektion stelle nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts auch bei einem symptomlosen Verlauf eine Krankheit nach § 3 Abs. 1 EntgFG dar, die zur Arbeitsunfähigkeit führe, wenn es dem Arbeitnehmer infolge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich sei, die geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung (Homeoffice) nicht in Betracht komme. Dies bedeute, dass bei einer SARS-CoV-2- Infektion kein Raum mehr für eine subsidiäre Entschädigung nach § 56 IfSG verbleibe.
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Auf Grundlage einer im Prozess vom Beklagten zur Erstattungshöhe betreffend die Arbeitnehmerin erstellten Probeberechnung ergibt sich ein zu erstattender Verdienstausfall gemäß § 56 IfSG in Höhe von 606,42 EUR und zu erstattende Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 57 IfSG in Höhe von 430,23 EUR und daher ein Gesamterstattungsbetrag von 1.036,65 EUR. Die in der Probeberechnung angeführten Werte wurden zwischenzeitlich unstreitig gestellt.
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Mit Schriftsatz vom 17.05.2024, eingegangen beim Verwaltungsgericht Bayreuth am selben Tag, hat die Klägerin Klage gegen mehrere Bescheide, einschließlich des streitgegenständlichen Bescheids, betreffend die Erstattung von Verdienstausfallentschädigungen erhoben (Az. B 7 K 24.413). Dort beantragt sie neben der Aufhebung der Bescheide die Verurteilung des Beklagten, an die Klägerin 256.776,34 EUR nebst Prozesszinsen zu zahlen, wobei nach der Klagebegründung von diesem Betrag auf die Arbeitnehmerin ein Gesamterstattungsbetrag von 3.266,55 EUR entfallen soll. Nachdem das Verfahren in Hinblick auf den streitgegenständlichen Bescheid mit Kammerbeschluss vom 22.08.2024 abgetrennt worden ist und von der Klägerin mit Schriftsatz vom 21.08.2024 erklärt worden ist, die Klage insoweit zurückzunehmen, als der Klageantrag den in der Probeberechnung errechneten Erstattungsbetrag übersteigt, beantragt die Klägerin zuletzt sinngemäß,
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den Bescheid mit dem Aktenzeichen … aufzuheben und
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den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin 1.036,65 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.
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Zur Begründung wurde im Schriftsatz vom 23.07.2024 im Wesentlichen ausgeführt, das Bundesarbeitsgericht habe in seinen Urteilen (U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23 und 5 AZR 235/23) nicht über Anträge auf Entschädigung gemäß § 56 IfSG entschieden. Während die vom Bundesarbeitsgericht behandelten Ansprüche auf § 3 EntgFG oder § 616 BGB beruhten, beruhe der Anspruch eines Arbeitgebers gegen die zuständige Behörde auf §§ 56, 57 IfSG.
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Wenn man der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts folge, sei jeder, der einen (nachgewiesenen) Keim in sich trage, krank. Da jeder Mensch Bakterien auf seinem Körper habe, wäre jeder Mensch spätestens dann krank, wenn diese nachgewiesen würden. Das Bundesarbeitsgericht habe nicht hinreichend begründet, dass eine symptomlose Erkrankung eine Krankheit im Sinne des § 3 EntgFG sei. Durch das Merkblatt des Bundesministeriums für Gesundheit „Ansprüche auf Ersatz des Verdienstausfalls für Arbeitnehmer und Selbstständige – Fragen und Antworten zu den Entschädigungsansprüchen nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG)“ vom 25.03.2022 sei der Rechtsschein gesetzt worden, dass für einen symptomlos Erkrankten, der nicht aus dem Homeoffice arbeiten könne, ein Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG bestehe. Der Bevollmächtigte verweist im Weiteren neben den vom Bayerischen Gesundheitsministerium veröffentlichten FAQ zum Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung infolge eines Tätigkeitsverbots oder einer Absonderung nach §§ 56 f. IfSG, Stand Januar 2022, auch auf § 3 II der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Beurteilung der Arbeitsfähigkeit und die Maßnahmen zur stufenweisen Wiedereingliederung nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 7 SGB V (Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie), eines Eintrags auf der Homepage der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und auf eine Mitteilung der Bayerischen Krankenhausgesellschaft vom 28.11.2022, Nr. 156/2022 (wurde näher ausgeführt). Aufgrund des von den zuständigen Bundes- und Landesbehörden gesetzten Rechtsscheins sei die symptomlose SARS-CoV-2-Infektion nicht als Krankheit zu werten.
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Die Frage der Krankheit sei strikt zu trennen von der Frage der Arbeitsunfähigkeit. Könne die Arbeitsleistung bei einer symptomlosen Erkrankung im Homeoffice erbracht werden, liege keine Arbeitsunfähigkeit vor. Sei dies nicht möglich, so sei der Arbeitnehmer zwar infolge des infektionsschutzrechtlichen Beschäftigungsverbots an der Erbringung seiner Arbeitsleistung gehindert, diese Verhinderung sei jedoch nicht krankheitsbedingt im Sinne des § 3 Abs. 1 EntgFG. Die Verbindung zwischen Krankheit und Arbeitsunfähigkeit fehle bei einer Quarantäneanordnung. Diese beruhe auf gefahrenabwehrrechtlichen Gedanken und nehme keine Rücksicht auf die individuelle Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers. Die Quarantäne sei nach ihrem Schutzzweck als Gefahrenabwehrmaßnahme im Interesse der Allgemeinheit unabhängig davon, ob Symptome oder Heilungsaussichten für den Arbeitnehmer gegen die Erfüllung seiner Arbeitspflicht sprechen würden. Sie habe vor allem die Aufgabe, diejenigen Leute am Verlassen ihrer Wohnung, z.B. zwecks Aufsuchens ihres Arbeitsplatzes, rechtlich zu hindern, die sich hieran wegen schwacher Symptome oder Symptomlosigkeit gerade nicht krankheitsbedingt gehindert sähen. Eingeschränkt werde in erster Linie die Bewegungsfreiheit des Arbeitnehmers. Die rechtliche Unmöglichkeit der Erfüllung der Arbeitspflicht sei daher bloß mittelbare Folge der Erkrankung. Die Arbeitsunfähigkeit sei also nicht krankheits-, sondern quarantänebedingt.
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Würde man der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts folgen, dass auch bei symptomlosem Verlauf einer SARS-CoV-2-Infektion eine Krankheit vorliege und diese zur Arbeitsunfähigkeit aus rechtlichen Gründen führe, bliebe kein Raum mehr für Homeoffice und Heimarbeit. Beide wären für SARS-CoV-2-Infizierte nicht mehr möglich, da bereits eine Arbeitsunfähigkeit bestehen würde. Dies würde aber dazu führen, dass bei symptomlos kranken, aber arbeitsfähigen Personen, allein aufgrund der Arbeitsunfähigkeit eine Krankheit vorliege, selbst wenn diese Personen im Homeoffice arbeiten könnten.
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Auch das Landratsamt … unterscheide zwischen „Krank“ und „Ausscheider“ (der Bevollmächtigte bezieht sich auf einen Bescheid betreffend die Erstattung in Hinblick auf den Arbeitnehmer G.). Das Landratsamt unterscheide also, ob ein Ausscheider oder ein Kranker vorliege, aufgrund der Vorlage von einschlägigen Symptomen. Würde man der Auffassung des Bundesarbeitsgerichts folgen, dass auch ein symptomloser positiv auf SARS-CoV-2 Getesteter ein Kranker sei, bliebe für einen Ausscheider im Sinne des § 2 Nr. 6 IfSG kein Raum mehr und die Unterscheidung zwischen krank und Ausscheider wäre obsolet. Dies sei aber vom Gesetzgeber nicht gewollt. Ergänzend wird sich auf einen Eintrag im RKI-Fachwörterbuch, Infektionsschutz und Infektionsepidemiologie, von 2015 bezogen.
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Auch sei fraglich, ob es in Anbetracht der Urteile des Bundesarbeitsgerichts noch einen Anwendungsbereich für den § 56 IfSG gebe. Wenn bei einem positiven Test auf SARS-CoV-2 immer eine Erkrankung vorliege und für diese ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung nach § 3 EntgFG bestehe, könne ein Anspruch aus § 56 IfSG eigentlich nur noch bestehen, wenn eine Quarantäne dann angeordnet worden sei, ohne dass man krank sei. Dann sei man aber entweder Krankheits- oder Ansteckungsverdächtigter.
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Mit Schriftsatz vom 26.08.2023 beantragt die Regierung von … für den Beklagten,
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das Verfahren einzustellen, soweit die Klage zurückgenommen wurde und
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die Klage im Übrigen abzuweisen.
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Zur Begründung wurde sich zunächst auf die Gründe des streitgegenständlichen Bescheids bezogen und im Wesentlichen ausgeführt, Grundvoraussetzung für den Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber und damit auch für den Erstattungsanspruch des Arbeitgebers gegenüber dem Rechtsträger der Erstattungsbehörde sei, dass dem Arbeitnehmer monokausal durch die Absonderung ein Verdienstausfall entstanden sei. Soweit die bisherige Praxis der für §§ 56 ff. IfSG zuständigen Erstattungsbehörden bislang anders gehandhabt worden sei, könne die Klägerseite hieraus im vorliegenden Fall nichts für ihre Position herleiten. Die staatliche Verwaltung sei bei Ihrer Tätigkeit an Recht und Gesetz und damit auch an die Entscheidungen deutscher Gerichte, insbesondere oberster Bundesgerichte gebunden. Dies gelte auch für Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts, soweit dieses eine auch für die Verwaltungstätigkeit entscheidungserhebliche (Vor-)Frage des materiellen Rechts höchstrichterlich entscheide. Dem lasse sich auch nicht mit dem Verweis auf den Grundsatz der sog. „Selbstbindung der Verwaltung“ begegnen. Denn dieser habe seine Grundlage in Art. 3 Abs. 1 GG und betreffe ausschließlich den Bereich behördlicher Ermessensentscheidungen, indem er unter gewissen Voraussetzungen die behördliche Ausübung eines ihr durch das jeweils zugrundeliegende materielle Recht gesetzlich eingeräumten Ermessen im Hinblick auf die Entscheidungspraxis in vorausgegangenen gleichgelagerten Fällen steuere. Hierum gehe es vorliegend aber gerade nicht. Der Bundesgesetzgeber habe die Entschädigungs- und Erstattungsvorschriften der §§ 56 ff. IfSG als subjektiv-rechtliche Anspruchsnormen und damit – aus Perspektive der Verwaltung – als gebundene Entscheidungen ausgestaltet. Für ein auf Rechtsfolgenseite verortetes Ermessen hinsichtlich des „Ob“ der Leistungsbewilligung lasse das Gesetz keinen Raum. Vor diesem Hintergrund sei es auch nicht von Bedeutung, dass seitens bayerischer öffentlicher Stellen, etwa seitens des StMGP oder der Bezirksregierungen, in öffentlich zugänglichen Informationsquellen (z.B. in FAQ auf behördlichen Internetauftritten oder in Vollzugshinweisen etc.) ggfs. die Rechtslage zur Erstattung von Verdienstausfallentschädigungen bei abgesonderten, infizierten Arbeitnehmern in der Vergangenheit möglicherweise anders dargestellt worden sei, als sie sich auf Grundlage der neueren Rechtserkenntnis tatsächlich darstellt. Diese Informationen seien dem damaligen Rechts(erkenntnis) stand geschuldet. Im weiteren Verlauf stützt sich der Beklagte im Wesentlichen auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23).
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Dem Entgeltfortzahlungsanspruch eines Arbeitnehmers stünde auch nicht § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EntgFG entgegen, wonach die Entgeltfortzahlung verweigert werden dürfe, wenn der Arbeitnehmer die von ihm nach § 5 Abs. 1 EntgFG vorzulegende ärztliche Bescheinigung nicht vorlege oder den ihm nach § 5 Abs. 2 EntgFG obliegenden Verpflichtungen aus von ihm zu vertretenden Gründen nicht nachkomme. Denn der Vorlage einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bedürfe es im Hinblick auf § 7 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 EntgFG dann nicht, wenn die Tatsache der krankheitsbedingten Arbeitsunfähigkeit unstreitig oder – wie hier – anderweitig nachgewiesen sei. Lege der Arbeitgeber – so wie hier – die Absonderungsverfügung oder die Bestätigung der Absonderung dem Antrag nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG bei, könne dieser sich folglich auch nicht darauf berufen, dass ein (vorrangiger) Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers wegen fehlendem Nachweises der Arbeitsunfähigkeit im Absonderungszeitraum nicht bestehen könnte.
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Nicht von Relevanz sei die Frage, ob der dem Arbeitnehmer zustehende, gegenüber dem Verdienstausfallentschädigungsanspruch vorrangige Entgeltfortzahlungsanspruch im konkreten Einzelfall auch seitens des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber durchsetzbar wäre oder ob diesem ggfs. eine Einrede entgegengehalten werden könnte, bspws. was individual- oder tarifvertragliche Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Entgeltfortzahlungsanspruchs angehe. Maßgeblich sei lediglich, dass ein Entgeltfortzahlungsanspruch dem Grunde nach bestehe. Ob der Arbeitnehmer diesen Anspruch gegenüber seinem Arbeitnehmer (wohl gemeint: Arbeitgeber) im konkreten Einzelfall auch tatsächlich durchsetzen könne, könne im Ergebnis keine Auswirkungen darauf haben, dass anstelle des Arbeitgebers und der Krankenkassen (über das EntgFG) vielmehr der Staat (über das IfSG) für diese Verbindlichkeit einzustehen haben solle.
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Auch greife das Argument nicht, der Arbeitgeber habe dem Arbeitnehmer ja für den streitigen Absonderungszeitraum gerade Verdienstausfallentschädigungsleistungen nach § 56 Abs. 1 IfSG und eben nicht Entgeltfortzahlungsleistungen nach § 3 Abs. 1 EntgFG gewährt. Zum einen werde nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG durch die Erstattungsbehörde eine Verdienstausfallentschädigung nur dann erstattet, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich einen Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung gegen seinen Arbeitgeber habe, und nicht allein deswegen, weil der Arbeitgeber – ggfs. zu Unrecht – gemeint haben sollte, zur Leistung von Verdienstausfallentschädigung an den Arbeitnehmer verpflichtet zu sein und daher entsprechende Leistungen tatsächlich auskehre. Zum anderen betreffe es allein das Rechtsverhältnis zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, ob Letzterer von Ersterem eine von diesem ggfs. zu Unrecht geleistete Verdienstausfallentschädigung zurückfordere bzw. zurückfordern könne, für den Erstattungsanspruch gegen das Land nach § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG habe diese Frage naturgemäß keine Relevanz.
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Der Verdienstausfallentschädigungsanspruch sei als staatliche Billigkeitsentschädigung gegenüber dem gesetzlichen Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber auf Entgeltfortzahlung subsidiär. Der Anwendungsbereich der §§ 56 ff. IfSG laufe nicht leer. Er bestehe weiterhin für solche Personen, die sich nicht als Infizierte, sondern „lediglich“ als Kontaktpersonen in behördlich angeordnete Isolation begeben müssten.
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Mit Schriftsatz vom 17.09.2024 erwiderte die Klägerin im Wesentlichen, ein Verwaltungsgericht sei nicht zwingend an eine für die Verwaltungstätigkeit entscheidungserhebliche Frage des materiellen Rechts eines Gerichts eines anderen – hier schlichtweg unzuständigen – Rechtswegs gebunden. Denn rechtskräftige Urteile würden nach § 121 VwGO nur binden, soweit über den identischen Streitgegenstand entschieden worden sei (wurde näher ausgeführt). Des Weiteren trug die Klägerin sinngemäß vor, bei der Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG handele es sich nicht um eine Muss-, sondern eine Kann-Bestimmung und daher um eine Ermessensentscheidung. In der bayerischen Regelung (AV Isolation) liege eine unzulässige Verschärfung des Bundesrechts durch Landesrecht. Gleiches gelte für Anordnungen nach § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG. Eine automatische unmittelbare Folge der Erkrankung sei daher die Anordnung der Quarantäne nicht. Eine Ermessensentscheidung könne niemals eine automatische Folge sein, das Ermessen sei stets individuell auszuüben. Das Bundesarbeitsgericht liege hier insoweit falsch, so dass auch keine Monokausalität vorhanden sei. Mangels Monokausalität sei die Arbeitsunfähigkeit auch nicht die alleinige Ursache für den Ausfall der Arbeitsleistung.
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Auch die Auffassung des Verwaltungsgerichts Bayreuth in dem Verfahren B 7 K 21.110, dass Kranke im Sinne des § 2 Nr. 4 IfSG nach dem eindeutigen Wortlaut nicht zu dem nach § 56 Abs. 1 und 2 IfSG entschädigungsberechtigten Personenkreis gehören würden, könne unter Verweis auf „§ 56 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG“ nicht aufrechterhalten werden. § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG spreche gerade von sonstigen Kranken, das heißt Kranken, die nicht unter § 30 Abs. 1 Satz 1 IfSG fielen, weil sie an anderen Krankheiten erkrankt seien als Lungenpest und hämorrhagischem Fieber. Der Gesetzgeber habe offenbar verschiedene Sachverhalte unterschiedlich gewertet. Dies sei hier zu berücksichtigen.
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Wenn der Beklagte bestreite, dass die Klägerin sich auf Veröffentlichungen der Verwaltungen berufen und daraus Rechtsansprüche geltend machen könne, so sei einerseits zwischen den Veröffentlichungen der bayerischen Stellen und des Bundesministeriums zu unterscheiden. Zwar würden die bezeichneten FAQ des Bayerischen Gesundheitsministeriums jeweils einen Hinweis auf die Abänderbarkeit dieser enthalten. Einen solchen Vorbehalt würden die FAQ des Bundesgesundheitsministeriums hingegen nicht enthalten. Allerdings verweise das Bundesgesundheitsministerium in seinen FAQ darauf, dass verbindliche Auskünfte zur konkreten Handhabung nur bei den zuständigen Behörden der Länder eingeholt werden könnten.
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Wenn der Beklagte sich darauf berufe, dass es sich um eine Ausführung von Bundesrecht handele und daher eine Rechtsscheinhaftung durch Verlautbarungen der bayerischen öffentlichen Stellen nicht gegeben sei, müsse er sich aber die Veröffentlichung der FAQ des Bundesministeriums entgegenhalten lassen. Das Bundesministerium möge einerseits nur Teil der Exekutive sein. Andererseits sei es als zuständiges Ministerium für das Infektionsschutzgesetz auch für die Änderung und die bundeseinheitliche Anwendungsauslegung dieses Gesetzes zuständig. Hätte das Bundesministerium die in der FAQ enthaltenen Informationen in Rahmen der Begründung einer Gesetzesänderung eingebracht, würde dieses bei der Auslegung ohne Zweifel zur Begründung anzuwenden sein. Warum dies bei einer Veröffentlichung außerhalb einer Gesetzesbegründung nicht der Fall sein solle, sei nicht verständlich. Das Bundesministerium lege durch die FAQ seine Sichtweise der Auslegung der Gesetze dar und kommentiere das Gesetz so in gewisser Weise. Die FAQ des Bundesgesundheitsministeriums hätten – unter Zugrundelegung der Sichtweise des Beklagten – jedenfalls den Charakter ermessenslenkender Verwaltungsvorschriften und damit über das im Rechtsstaatsprinzip verankerte Gebot des Vertrauensschutzes anspruchsbegründende Außenwirkung. Nach Auffassung der Klägerin seien die FAQ jedoch schon ähnlich einer veröffentlichten Subventionsregelung anzusehen und, da der Beklagte in ständiger Verwaltungspraxis in der Vergangenheit vergleichbare Anträge positiv verbeschieden habe, sei über den Gleichheitssatz eine Selbstbindung der Verwaltung eingetreten. Zuletzt würde, würde man den Anspruch nach § 56 IfSG „durch die Hintertür“ des § 3 EntgFG aushebeln, dem den Anspruch nach § 56 IfSG innewohnenden Aufopferungsgedanken geschadet.
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Mit Schriftsatz vom 14.08.2024 wurde in Hinblick auf die im Erstattungsantrag jeweils in gleicher Höhe angegebenen Brutto-Soll- und Brutto-Ist-Beträge von der Klägerin eingeräumt, dass es sich bei diesen richtigerweise um unterschiedliche Beträge handeln müsste. Jedoch habe die Klägerin mit der Regierung von … eine Vereinbarung, dass in den Anträgen der gleiche Betrag bei beiden Brutto-Entgelten angegeben werden dürfe. Derartige Anträge habe die Regierung von … in der Vergangenheit bereits positiv beschieden. Der Klägerin sei es heutzutage nicht mehr möglich die seinerzeitigen, genauen Brutto-Soll- und Brutto-Ist-Beträge der betroffenen Beschäftigten anzugeben. Die Klägerin bezieht sich hierbei auf eine von der Leiterin der Entgeltabrechnung ihrer Personalabteilung an einen Mitarbeiter von der Regierung von … versandte E-Mail 13.10.2023. In dieser heißt es: „Bezgl. Verdienstausfall haben wir eine Absprache mit Herrn …, dass wir immer das komplette Gehalt angeben, und die Regierung sich selbst den Verdienstausfall errechnet. Da wir den Mitarbeiter das Entgelt zu 100% – trotz Quarantäne – weitergezahlt haben.“ Diese E-Mail erfolgte als Antwort auf die von der Regierung von … am 11.10.2023 versendete E-Mail, in der diese hinsichtlich einer von der Klägerin beantragten Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung unter anderem auf die Auffälligkeit der Höhe der beantragten Erstattung hingewiesen hatte, mit der Bitte an die Klägerin die Werte nochmals zu überprüfen und die korrigierten Werte anzugeben.
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In Erwiderung hierzu trägt der Beklagte mit Schriftsatz vom 15.08.2024 vor, eine förmliche Vereinbarung mit der Klägerin, dass in den Anträgen stets derselbe Betrag angegeben werden könne, existiere in dieser Form nicht bzw. sei hier nicht bekannt. Die von der Klägerin erwähnten Mitarbeiter der Regierung von … wären auch nicht zum Abschluss einer solchen Vereinbarung befugt gewesen. Richtig sei allerdings, dass die Regierung von … bei der Antragsbearbeitung regelmäßig dann, wenn antragstellerseitig die bei Brutto-Ist-Betrag und ausbezahlter Entschädigung zugrunde zu legenden Werte nicht korrekt angegeben worden seien bzw. nicht korrekt hätten angeben können, die entsprechende (Rück-)Berechnung selbst vornehme und diese Werte der Verbescheidung dann zugrunde gelegt habe, wobei sich dann, je nachdem, ob die Entschädigung nach Arbeits- oder Kalendertagen berechnet worden sei, im Rahmen einer gewissen Pauschalisierung geringfügige Unterschiede im Ergebnis ergeben könnten; im Zweifel sei die dem Antragsteller günstigste Berechnungsweise vorgenommen worden. Diese geübte Verwaltungspraxis sei aus Kulanzgründen erfolgt.
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Replizierend führte die Klägerin mit Schriftsatz vom 21.08.2024 hierzu im Wesentlichen ergänzend aus, dass der Beklagte die Vereinbarung bisher ohne Beanstandungen umgesetzt habe. Zumindest würden sodann Amtshaftungsansprüche gegen den Beklagten bestehen.
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Mit Schriftsatz vom 26.08.2024 bzw. vom 17.09.2024 haben die Beteiligten sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
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Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten, insbesondere zum Az. B 7 K 24.413, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Klage in der im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung maßgeblichen Fassung, über die das Gericht durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann (§ 101 Abs. 2 VwGO), hat keinen Erfolg. Sie ist zulässig, aber unbegründet.
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I. Die Klage wurde wirksam in Höhe von 2.229,90 EUR zurückgenommen, § 92 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Dies ist der Auslegung der erklärten Klagerücknahme zu entnehmen, wenn die Klägerin davon spricht, sie möchte den Klageantrag in Höhe des Differenzbetrags zwischen dem ursprünglich mit der Klage beantragten Betrag betreffend die Arbeitnehmerin (3.266,55 EUR) und den sich aus der Probeberechnung zur Arbeitnehmerin ergebenden Betrag (1.036,65 EUR) zurücknehmen.
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Das Verfahren wird bei teilweiser Klagerücknahme in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO insoweit im Urteil eingestellt (BVerwG, U.v. 6.2.1963 – V C 24.61 – juris; VG München, U.v. 8.7.2024 – M 8 K 22.4885 – juris Rn. 44).
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II. Der Klageantrag der anwaltlich vertretenen Klägerin in seiner maßgeblichen Fassung ist als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage auszulegen, § 88 VwGO. Zwar gelten bei von einem Rechtsanwalt gestellten Antrag insoweit höhere Anforderungen an die Auslegbarkeit, jedoch handelt es sich bei den getrennt gestellten Anträgen auf „Aufhebung“ und „Verurteilung auf Zahlung … nebst Zinsen“ in Wahrheit – und zweifelsohne erkennbar – um einen Antrag, welcher auf Aufhebung des versagenden Bescheids vom 30.04.2023 betreffend den Erstattungsantrag zur Arbeitnehmerin unter gleichzeitiger Verpflichtung des Beklagten auf Erlass eines positiven Erstattungsbescheids in Höhe von 1.036,65 EUR, hiervon 606,42 EUR entfallend auf einen zu erstattenden Verdienstausfall nach § 56 IfSG und 430,23 EUR entfallend auf abgeführte Sozialversicherungsbeiträge, gerichtet ist. Daneben wurde eine Leistungsklage, die auf die Zahlung von Prozesszinsen gerichtet ist, anhängig gemacht.
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III. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung einer Verdienstausfallentschädigung im Hinblick auf den an ihre Arbeitnehmerin ausbezahlten Betrag (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der diesen Anspruch versagende Bescheid des Beklagten vom 30.04.2024 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
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1. Für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage des geltend gemachten Anspruchs ist auf die Fassung des IfSG, die es mit dem Gesetz zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes und anderer Vorschriften vom 18.03.2022 erhalten hat (BGBl I 2022, 466) und welche während des gegenständlichen Quarantänezeitraums Gültigkeit beanspruchte, abzustellen. Denn dem materiellen Recht folgend ist in der Verpflichtungskonstellation auf Gewährung der Erstattung von Verdienstausfall nach dem IfSG die zum Zeitpunkt der Quarantäne geltende Fassung des IfSG maßgebend (vgl. zum Ganzen VG Bayreuth, U.v. 21.06.2021 – B 7 K 21.110 – juris Rn. 22 ff.).
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Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 56 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 IfSG in der zum Zeitpunkt der Isolation Ende März 2022 maßgeblichen Fassung mit Gültigkeit ab 19.03.2022 bis 16.09.2022 erhält ein Arbeitgeber, der für die zuständige Behörde die Entschädigung an seinen Arbeitnehmer auszahlt, auf Antrag eine entsprechende Erstattung, wenn sein Arbeitnehmer auf Grund des Infektionsschutzgesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtigte abgesondert wurden oder werden. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch gemäß § 56 Abs. 1 IfSG ist ein vorrangiger, dem Arbeitnehmer der Klägerin zustehender Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG, der dann aufgrund der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung des § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG auf die Klägerin übergegangen ist.
39
2. Die Voraussetzungen des geltend gemachten Erstattungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 3 IfSG liegen jedoch nicht vor.
40
a) Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG erhält eine Entschädigung in Geld, wer als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern i.S.v. § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Das Gleiche gilt für eine Person, die nach § 30 IfSG, auch in Verbindung mit § 32 IfSG, abgesondert wird oder sich aufgrund einer nach § 36 Abs. 8 Satz 1 Nr. 1 erlassenen Rechtsverordnung absondert (§ 56 Abs. 1 Satz 2 IfSG).
41
b) Im vorliegenden Fall fehlt es jedoch an dem für den geltend gemachten Erstattungsanspruch erforderlichen Entschädigungsanspruch der Arbeitsnehmerin gemäß § 56 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Satz 1 IfSG, da diese aufgrund der ihr gegenüber der Klägerin zustehenden Lohnfortzahlungsanspruchs aus § 3 EntgFG keinen Verdienstausfall erlitten hat, der einen Entschädigungsanspruch zugunsten der Klägerin begründen könnte.
42
aa) Ein Entschädigungsanspruch nach § 56 Abs. 1 IfSG besteht nur, wenn der Arbeitnehmer aufgrund eines Tätigkeitsverbots oder einer Absonderung einen Verdienstausfall erlitten hat.
43
Ein Verdienstausfall ist hingegen zu verneinen, wenn dem Arbeitnehmer für den maßgeblichen Zeitraum ein vertraglicher oder gesetzlicher Anspruch auf Fortzahlung seines Lohnes gegen den Arbeitgeber zugestanden hat, obwohl der Arbeitnehmer nicht in der Lage gewesen ist, seine arbeitsvertraglichen Pflichten zu erfüllen (vgl. VG Göttingen, U.v. 20.7.2023 – 4 A 150/21 – juris Rn. 20; Kümper in Kießling, IfSG, Kommentar, 3. Auflage 2022, § 56 Rn. 25). Das Nichtbestehen anderweitiger Ansprüche ist negatives Tatbestandsmerkmal für den geltend gemachten Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 IfSG (vgl. VG Augsburg, U.v. 5.8.2024 – Au 9 K 24.1146 – juris Rn. 28 m.w.N.). Bei § 56 IfSG handelt es sich nach der gesetzlichen Konzeption um eine subsidiäre Entschädigungsregelung (Sangs in Sangs/Eibenstein, Infektionsschutzgesetz, Kommentar, 2022, § 56 Rn. 72). Neben dem Wortlaut spricht auch der Sinn und Zweck der Vorschrift für diese Auslegung. Denn § 56 IfSG soll vor materieller Not schützen, wenn allgemeine Fortzahlungspflichten nicht greifen. Eine Entlastung des Arbeitgebers wird von der Norm nicht bezweckt (vgl. NdsOVG, B.v. 2.7.2021 – 13 LA 258/21 – juris Rn. 9; Eckart/Kruse, BeckOK Infektionsschutzrecht, IfSG, 21. Edition, Stand: 1.4.2024, § 56 Rn. 37 m.w.N.). Ein Anspruch nach § 56 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 IfSG erfordert damit einen Verdienstausfall, der nicht eintritt, soweit eine Entgeltersatzleistung gewährt wird bzw. ein Anspruch auf eine solche besteht bzw. bestanden hat. Dies zugrunde gelegt besteht ein Entschädigungsanspruch nicht, wenn der betroffene Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist und im maßgeblichen Zeitraum über § 3 EntgFG einen Anspruch auf Lohnfortzahlung besitzt (VG Augsburg, U.v. 5.8.2024 – Au 9 K 24.1146 – juris Rn. 28).
44
bb) Ein die geltend gemachte Entschädigung ausschließender, vorrangiger Anspruch auf Lohnfortzahlung ist im vorliegenden Fall gegeben. Die betroffene Arbeitnehmerin der Klägerin war im Zeitraum ihrer Isolation vom 21.03.2022 bis zum 30.03.2022 arbeitsunfähig erkrankt.
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(1) Krankheit i.S.d. § 3 EntgFG setzt einen regelwidrigen, körperlichen oder geistigen Zustand des Arbeitnehmers voraus. Regelwidrig ist der Zustand, wenn er nach allgemeiner Erfahrung unter Berücksichtigung eines natürlichen Verlaufs des Lebensgangs nicht bei jedem anderen Menschen gleichen Alters und Geschlechts zu erwarten ist. Maßgeblich ist hierbei der jeweilige Stand der Wissenschaft. Auf die Behandlungsbedürftigkeit der Erkrankung kommt es hingegen nicht an. Die Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 stellt – unabhängig von etwaigen Symptomen – dem folgend eine Krankheit i.S.v. § 3 Abs. 1 EntgFG dar (BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23 – juris Rn. 11 und 17 m.w.N; LAG SH, U.v. 6.7.2023 – 4 Sa 39 öD/23 – juris Rn. 52; LAG NW, U.v. 24.8.2023 – 15 Sa 1033/22 – juris Rn. 32; ArbG Kiel, U.v. 27.6.2022 – 5 Ca 229 f/22 m.w.N. auch zur anderen Ansicht; Ricken, BeckOK Arbeitsrecht, EFZG, 73. Edition, Stand: 1.9.2024, § 3 Rn. 26).
46
(2) Das hiesige Gericht schließt sich im vorliegenden Fall – in Kenntnis und im Bewusstsein der eigenen Prüfungskompetenz – den überzeugenden Ausführungen der o.g. Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23 – juris) an.
47
Es entspricht nämlich einem allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass vorbehaltlich besonderer gesetzlicher Regelungen, dem Gericht eines jeden Gerichtszweigs die „Inzidentprüfungskompetenz“ auch in Bezug auf rechtswegfremde Vorfragen zusteht, sofern die an sich zuständigen Gerichte über diese Frage noch nicht rechtskräftig entschieden haben (VGH BW, U.v. 13.5.2004 – 1 S 2052/03 – juris Rn. 21 m.w.N.). Von der o.g. Entscheidung des Bundearbeitsgerichts, welche als Streitgegenstand das Bestehen eines Anspruchs nach § 3 Abs. 1 EntgFG im Verhältnis Arbeitnehmer zu Arbeitgeber zum Gegenstand hatte, geht mangels Partei- bzw. Beteiligtenidentität betreffend das hiesige Verfahren keine Bindungswirkung nach § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 495 ZPO i.V.m. §§ 322 Abs. 1, 325 ZPO in Hinblick auf diese (arbeits-)rechtliche Vorfrage aus (vgl. insbesondere zur rechtswegsübergreifenden Bindungswirkung Kopp/Schenke, 28. Aufl. 2022, § 121 VwGO Rn. 11 ff.). Die Frage des Bestehens eines Anspruchs nach § 3 Abs. 1 EntgFG obliegt – mangels anderweitiger Regelungen – demnach als rechtswegfremde Vorfrage in Bezug auf den hiesigen Streitgegenstand der „Inzidentprüfungskompetenz“ des hiesigen Verwaltungsgerichts.
48
(3) In infektionsschutzrechtlicher Hinsicht ist die symptomlos infizierte Person zwar (nur) als Ausscheider nach § 2 Nr. 6 IfSG zu qualifizieren und nicht als Kranker (§ 2 Nr. 4 IfSG). Da das Verständnis der Krankheit im EntgFG aber von dem des IfSG differiert (vgl. Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 6. Aufl. 2022, § 56 IfSG Rn. 12 f.) und für die Bewertung des Vorliegens eines Verdienstausfalls auf das EntgFG – und gerade nicht auf die Begriffsbestimmungen des IfSG – abzustellen ist, stellt dies jedoch keinen Widerspruch dar.
49
cc) Die bei der betroffenen Arbeitnehmerin der Klägerin diagnostizierte Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 hat auch die Arbeitsunfähigkeit der Arbeitnehmerin zur Folge.
50
Arbeitsunfähigkeit besteht, wenn der Arbeitnehmer in Folge Krankheit seine vertragliche geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben kann oder nicht ausüben sollte, weil die Heilung nach ärztlicher Prognose hierdurch verhindert oder verzögert würde. In Fällen, in denen der Arbeitnehmer die von ihm geschuldete Arbeitsleistung objektiv nicht ausüben kann, wird ihm die Erbringung der Leistung unmöglich i.S.v. § 275 Abs. 1 BGB.
51
Arbeitsunfähigkeit liegt aber nicht nur dann vor, wenn der betroffene Arbeitnehmer aus gesundheitlichen Gründen seine Arbeitsleistung nicht erbringen kann, sondern auch, wenn aus rechtlichen Gründen wegen einer Erkrankung ein Beschäftigungsverbot für den betroffenen Arbeitnehmer besteht. Die behördliche Anordnung einer Isolation bzw. häuslichen Quarantäne begründet ein Beschäftigungsverbot und hat die (rechtliche) Arbeitsunfähigkeit des betroffenen Arbeitnehmers zur Folge, unabhängig davon, ob die Erkrankung symptomlos verläuft oder mit Krankheitssymptomen verbunden ist. Die behördlich angeordnete Absonderung (Isolation) führt dazu, dass dem Arbeitnehmer die Erbringung seiner vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung wegen seiner Erkrankung mit dem Virus SARS-CoV-2 objektiv unmöglich wird, zumal eine Zuwiderhandlung gegen eine behördlich angeordnete Absonderung nach § 73 Abs. 1a Nr. 6 IfSG zumindest bußgeldbewehrt ist (vgl. zum Ganzen BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23 – juris Rn. 14; LAG SH, U.v. 6.7.2023 – 4 Sa 39 öD/23 – juris Rn. 54). Die Annahme einer Arbeitsunfähigkeit in Fällen der behördlichen Isolationsanordnung und einer symptomlos verlaufenden SARS-CoV-2-Infektion erschien auch aus Gründen des Schutzes der übrigen beim Arbeitgeber beschäftigten Arbeitnehmer sachlich geboten, da auch bei symptomlosem Verlauf einer Corona-Infektion der Betroffene Träger einer Viruslast ist, welche auch bei symptomlosem Verlauf ein Erkrankungsrisiko für Dritte darstellen kann. Aus diesem Grund dient die abstrakte Annahme der (rechtlichen) Arbeitsunfähigkeit auch dem Schutz des betroffenen Arbeitgebers und seiner weiteren Arbeitnehmer (vgl. VG Augsburg, U.v. 5.8.2024 – Au 9 K 24.1146 – juris Rn. 33).
52
Die Anordnung der Isolation erfolgte durch Ziff. 2.1.3, 1.3 und 10 der maßgeblichen Fassung der sofort vollziehbaren und bestandskräftigen AV Isolation, deren Erlass auf § 30 Abs. 1 Satz 2 IfSG i.V.m. § 65 Satz 2 Nr. 2 ZustV beruhte. Die Anordnung der Isolation konnte in zulässigerweise auch in Form einer Allgemeinverfügung ergehen (Eckart/Kruse in BeckOK Infektionsschutzrecht, IfSG, 21. Edition, Stand: 1.4.2024, § 56 Rn. 26).
53
c) Damit liegt aber bei der betroffenen Arbeitnehmerin der Klägerin trotz des geltend gemachten symptomlosen Verlaufs der Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 eine Krankheit nach § 3 Abs. 1 EntgFG vor, die die Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat, da es der betroffenen Arbeitnehmerin, die bei der Klägerin in der Zentralsterilisation beschäftigt ist, in Folge der behördlich angeordneten Absonderung (Isolation) zumindest rechtlich unmöglich war, ihre arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit bei der Klägerin zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung („Homeoffice“) nicht möglich war. Damit bestand aber für die Klägerin aus § 3 Abs. 1 EntgFG die gesetzliche Verpflichtung zur Fortzahlung der arbeitsvertraglichen Vergütung an die betroffene Arbeitnehmerin aufgrund von deren rechtlicher Arbeitsunfähigkeit. Dieser Anspruch ist vorrangig zu einem Anspruch aus § 56 Abs. 1 i.V.m. Abs. 5 Satz 3 IfSG (vgl. BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234/23 – juris Rn. 20; VG Augsburg, U.v. 5.8.2024 – Au 9 K 24.1146 – juris Rn. 34) oder – anders formuliert – ist der bezeichnete infektionsschutzrechtliche Entschädigungsanspruch, wie ausgeführt, subsidiär zu einem Anspruch nach § 3 EntgFG.
54
d) Die in der Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 liegende Erkrankung der Arbeitnehmerin stellt auch die alleinige Ursache (Monokausalität) des Arbeitsausfalls dar (vgl. zum Anspruchskriterium der Monokausalität bei § 3 EntgFG LAG Hessen, U.v. 18.8.2023 – 10 Sa 1361/22 – juris Rn. 34). Die Annahme, dass ein Anspruch aus § 3 Abs. 1 EntgFG mangels erforderlicher Monokausalität entfalle, weil bereits die behördlich getroffene Isolationsanordnung zum Verdienstausfall führe, vermag nicht zu überzeugen. Die behördliche Absonderungsanordnung tritt nämlich nicht isoliert neben die Erkrankung, sondern ist vielmehr unmittelbare Folge der beim betroffenen Arbeitnehmer festgestellten Virus-Infektion. Aufgetretene und nachgewiesene Erkrankung und behördliche Anordnung der Isolation bilden eine untrennbare gedankliche Einheit und begründen den vorrangigen Anspruch aus § 3 Abs. 1 EntgFG (vgl. BAG, U.v. 20.3.2024 – 4 AZR 234/23 – juris Rn. 21). Die gegenteilige Auffassung würde hingegen eine lebensfremde Aufspaltung eines einheitlichen, durch die jeweilige Erkrankung ausgelösten Vorgangs darstellen.
55
Entgegen der Auffassung der Klägerin verbleibt auch ein relevanter Anwendungsbereich für die Entschädigungsregelung des § 56 IfSG, nämlich u.a. für die Fälle, in denen ein Arbeitnehmer als Kontaktperson ohne erkrankt zu sein, einem Arbeitsverbot unterworfen ist (so zutreffend bereits VG Augsburg, U.v. 5.8.2024 – Au 9 K 24.1146 – juris Rn. 35). Mangels einer Infektion mit dem Coronavirus sind bloße Kontaktpersonen schon nicht krank i.S.v. § 3 Abs. 1 EntgFG. Eine aufgrund der Eigenschaft als Kontaktperson erlassene Quarantäneanordnung knüpft daher nicht an den Gesundheitszustand des betroffenen Arbeitnehmers an, sondern stellt eine hiervon unabhängige Präventivmaßnahme des Gesundheitsschutzes dar, sodass der betreffende Arbeitnehmer nicht krankheitsbedingt arbeitsunfähig ist (vgl. BAG, U.v. 28.5.2024 – 9 AZR 76/22 – juris Rn. 21 ff. zu § 9 BUrlG) und daher bei diesem kein Anspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG besteht.
56
e) Selbst wenn der Entgeltfortzahlungsanspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG einer in zulässigerweise (individual- oder tarifvertraglich) vereinbarten Ausschluss- bzw. Verfallsfrist unterfallen würde, so führt dies nicht dazu, (nachträglich) einen Verdienstausfall nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG anzunehmen. Denn – obigen Maßstäben entsprechend – reicht aus, dass der Anspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG einmal bestanden hat (sic!). Da eine in den Grenzen des § 12 EntgFG zulässigerweise vereinbarte Ausschluss- bzw. Verfallsfrist jedoch keine Regelung zum Inhalt des Anspruchs trifft, sondern zu dessen Geltendmachung und zeitlicher Begrenzung (vgl. BAG, U.v. 16.1.2002 – 5 AZR 430/00 – juris; 5 U.v. 25.5.2005 – 5 AZR 572/04 – juris; U.v. 20.6.2018 – 5 AZR 377/17 – juris), bestand der Anspruch nach § 3 Abs. 1 EntgFG somit zu einem Zeitpunkt. Diese Bewertung steht auch nicht in Widerspruch zur Wirkung des Ausschlusses des Anspruchs nach § 616 BGB. Denn letzterer kann – im Gegensatz zu § 3 Abs. 1 EntgFG – in zulässigerweise von vornherein arbeitsvertraglich ausgeschlossen werden, was sich auch auf das Merkmal des Verdienstausfalls nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG auswirkt.
57
Ohne dass dies für die Entscheidung von Relevanz ist, dürfte sich die Frage des Schicksals des Anspruchs nach § 3 Abs. 1 EntgFG ohnehin auf die Fälle beschränken, in denen der Arbeitgeber nicht nach § 56 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. Satz 3 in Höhe eines den Entgeltfortzahlungsanspruch nach EntgFG erreichenden Betrages in Vorleistung getreten ist. Denn zum Zeitpunkt des etwaigen Ausschlusses bzw. Verfalls dürfte der Entgeltfortzahlungsanspruch aufgrund der geleisteten Zahlung des Arbeitgebers durch Erfüllung nach § 362 Abs. 1 BGB bereits (weitgehend) erloschen gewesen sein (vgl. zum Eintritt der Erfüllungswirkung BAG, U.v. 6.12.2017 – 5 AZR 864/16 – juris Rn. 19).
58
f) Ungeachtet der Frage, ob die Durchsetzbarkeit des inzident zu prüfenden Anspruchs Voraussetzung zur Annahme eines „Verdienstausfalls“ nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG ist, scheitert auch der Anspruch aus § 3 EntgFG nicht daran, dass die betroffene Arbeitnehmerin der Klägerin nach deren Vortrag keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vorgelegt hat und offensichtlich auch keine Krankmeldung erfolgt ist. Der Klägerin stand in diesem Zusammenhang kein Leistungsverweigerungsrecht nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 EntgFG zu, da die Isolation als Folge einer festgestellten Infektion (Positiv-Testung) zum maßgeblichen Zeitpunkt gesetzlich angeordnet war (VG Augsburg, U.v. 5.8.2024 – Au 9 K 24.1146 – juris Rn. 36). Hiernach reichte die Meldung über die Positiv-Testung als hinreichender Nachweis zu einer Erkrankung i.S.v. § 3 Abs. 1 EntgFG aus.
59
g) Da es folglich bereits an einem Anspruch der Arbeitnehmerin aus § 56 Abs. 1 IfSG fehlt, konnte ein solcher begrifflich auch nicht gemäß § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG auf die Klägerin als betroffene Arbeitgeberin übergehen.
60
3. In der Konsequenz besteht somit auch kein Anspruch auf Erstattung der für die betroffene Arbeitnehmerin abgeführten Sozialversicherungsbeiträge gemäß § 57 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 IfSG, da hierfür ein Anspruch gem. § 56 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 56 Abs. 1 IfSG zwingende Voraussetzung wäre (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.864 – juris Rn. 32). Mangels Hauptanspruchs besteht bereits deshalb auch kein Anspruch auf Prozesszinsen.
61
4. Ergänzend und ohne dass es entscheidungserheblich darauf ankommt, wird darauf hingewiesen, dass der streitgegenständliche Anspruch zudem der Höhe nach auf einen Betrag von 606,42 EUR – zuzüglich anteiliger Sozialversicherungsbeiträge – begrenzt wäre (vgl. die von den Beteiligten zuletzt unstreitig gestellte Probeberechnung der Regierung von …*).
62
5. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht, da ein Rückgriff auf allgemeine Entschädigungs- bzw. Erstattungsregelungen aufgrund der abschließenden Regelungen im Infektionsschutzgesetz ausscheidet.
63
Insbesondere steht der Klägerin kein Anspruch auf Grundlage von Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. der Selbstbindung der Verwaltung zu. Soweit sich zur Bewertung der symptomlosen Infektion mit dem Coronavirus auf anderslautende Veröffentlichungen des Bundes (Merkblatt des Bundesministeriums für Gesundheit „Ansprüche auf Ersatz des Verdienstausfalls für Arbeitnehmer und Selbstständige – Fragen und Antworten zu den Entschädigungsansprüchen nach § 56 Infektionsschutzgesetz (IfSG)“ vom 25.03.2022), des StMGP („FAQs zum Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung infolge eines Tätigkeitsverbotes oder einer Absonderung nach § 56 f. IfSG“, Stand Januar 2022) oder eine etwaige bisher von den zuständigen Behörden anderweitig gehandhabte Praxis in Bezug auf die Bewertung von symptomlos mit den Coronavirus Infizierte bezogen wurde, vermag die Klägerin hieraus keine für sie günstige Rechtsposition herzuleiten.
64
Die rechtlichen Maßstäbe, in denen auf die für eine Selbstbindung der Verwaltung maßgebliche ständige Verwaltungspraxis der Förderbehörde abgestellt wird (vgl. etwa BayVGH, B.v. 28.6.2023 – 6 C 22.2289 – juris Rn. 10 f.), sind auf den streitgegenständlichen Erstattungsanspruch, insbesondere auf den in inzidenter Weise zu prüfenden Entschädigungsanspruchs nach § 56 Abs. 1 IfSG des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber, nicht anzuwenden. Denn es handelt sich schon nicht um eine gesetzlich ungeregelte Leistung, deren Gewährung im Ermessen einer Förderbehörde liegt bzw. die allein nach Billigkeit vergeben wird. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des gebundenen Erstattungs- bzw. Entschädigungsanspruchs sind gesetzlich geregelt und damit – anders als Förderrichtlinien – der Auslegung fähig und gerichtlich voll überprüfbar (vgl. Winkelmüller in Schulte/Kloos, Handbuch Öffentliches Wirtschaftsrecht, 1. Aufl. 2016, § 2 Rn. 54). Eine von Behörden oder sonstigen Stellen bisher anderweitig angewandte Praxis in Hinblick auf die Nichtannahme eines Verdienstausfalls auf Grundlage von symptomlos infizierten Arbeitnehmern führt damit nicht zu einer Anspruchsberechtigung auf Grundlage der Verletzung des Gleichheitssatzes.
65
Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.
66
IV. Die einheitliche Kostenentscheidung ergibt sich aus einer kombinierten Anwendung von § 155 Abs. 2 und § 154 Abs. 1 VwGO; die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.