Inhalt

VG Ansbach, Beschluss v. 21.02.2024 – AN 9 S 24.30262
Titel:

offensichtlich unbegründeter Asylantrag (Dschibuti)

Normenketten:
AsylG § 30 Abs. 3 Nr. 1 (idF bis zum 26.02.2024)
Asylverfahrens-RL Art. 31 Abs. 8 lit. e
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Leitsatz:
Der Begriff „unstimmig“ in Art. 31 Abs. 8 lit. e Asylverfahrens-RL ist nicht mit dem Begriff „unsubstantiiert“ in § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG (idF bis zum 26.02.2024) gleichzusetzen; erforderlich ist vielmehr eine gewisse Widersprüchlichkeit, Inkohärenz oder Unschlüssigkeit des Vortrags. Ein Vortrag ist nur dann unstimmig, wenn er unvereinbare Gegensätze in sich trägt, also entweder in sich oder mit objektiven Gegebenheiten nicht zusammenpasst. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dschibuti, Verfolgung durch Familien aufgrund „clan-übergreifender“ Beziehung, Ablehnung eines Asylgesuchs als offensichtlich unbegründet (bestätigt), Eindeutig unstimmige Angaben im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG, Ernstlichen Zweifel im Sinne des § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG, Abschiebungsandrohung, Clanzugehörigkeit, Glaubhaftigkeitszweifel
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2978

Tenor

1. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 02.02.2024 (AN 9 K 24.30263) gegen Ziffer 5 des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 19.01.2024 wird abgelehnt.
2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Verfahrens.
Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller begehren die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen einen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt).
2
Die am … 1990 sowie … 1994 geborenen Antragsteller sind dschibutische Staatsangehörige. Ausweislich ihres Vortrags gehört der Antragsteller zu 1) der Volksgruppe der Afar und die Antragstellerin zu 2) dem Clan der Issa/Isse-Somali an. Die Antragsteller reisten nach eigenen Angaben am 14. August 2023 auf dem Landweg von Frankreich kommend in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 7. September 2023 einen förmlichen Asylantrag. Die Verfahren des in Deutschland nachgeborenen Kindes der Antragsteller werden unter den gerichtlichen Aktenzeichen AN 9 K 24.30281 sowie AN 9 S 24.30280 geführt.
3
Im Rahmen ihrer Anhörung bei dem Bundesamt am 15. November 2023 führten die Antragsteller im Wesentlichen aus, dass sie die Republik Dschibuti hätten verlassen müssen, da sie aufgrund ihrer Beziehung und Hochzeit von ihren Familien bedroht worden seien. Die Familie der Antragstellerin zu 2) sei traditionell, diejenige des Antragstellers zu 1) sogar extremistisch gewesen. Die Familie des Antragstellers zu 1) stamme aus der Volksgruppe der Afar, die Familie der Antragstellerin zu 2) gehöre dem Clan der Issa an. Die von den Antragstellern geführte Beziehung über die Volksgruppen hinweg sei von den Familien als Hochverrat angesehen worden. Die Antragsteller hätten ihre Beziehung nur im Geheimen bzw. als Fernbeziehung mit seltenen Treffen ausleben können, seien von der Familie der Antragstellerin zu 2) aber u.a. in einem Restaurant namens „…“ ertappt worden. Auch ihre Hochzeit im September 2021 hätten die Antragsteller vor weiten Teilen ihrer Familien geheim halten müssen. Die Familie der Antragstellerin zu 2) habe das Haus der Familie des Antragstellers zu 1) in Brand gesetzt. Die Antragstellerin zu 2) sei von ihrer Familie häufig geschlagen und einmal für zweieinhalb Wochen eingesperrt worden. Während die Antragstellerin eingesperrt gewesen sei, habe sie nicht zur Arbeit gehen können. Die Antragstellerin zu 2) sei um den Jahreswechsel 2022/ 2023 schwanger geworden und im Mai 2023 zu dem Antragsteller zu 1) gezogen. Dort sei die Antragstellerin zu 2) erneut von ihrer Familie angegriffen worden. Ihr sei gedroht worden, dass sie das Kind nicht zur Welt bringen dürfe. Sodann hätten die Antragsteller ihr Heimatland mit einem Visum nach Frankreich verlassen.
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Mit Bescheid vom 19. Januar 2024, den Antragstellern am 26. Januar 2024 zugestellt, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Nr. 1 bis 3). Ferner stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorlägen (Nr. 4) und forderte die Antragsteller unter Abschiebungsandrohung nach Dschibuti auf, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Nr. 5). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Die Voraussetzungen für die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen nicht vor. Die Antragstellerin zu 2) müsse sich vorhalten lassen, dass sie nur über sehr rudimentäre Kenntnisse zum Clan der Issa verfügt habe, was im Widerspruch zu ihrem Vortrag eines sehr traditionellen Familienoberhauptes sowie der Auskunftslage stehe. Der Antragsteller zu 1) müsse sich vorhalten lassen, dass er den vorgetragenen Hausbrand versucht habe mit einem Video zu belegen, welches offensichtlich in einem Armenviertel aufgenommen worden sei. Dies stehe im Widerspruch zu der vorgetragenen guten finanziellen Situierung der Familie. Es sei auch nicht nachvollziehbar, wie die Mutter der Antragstellerin zu 2) nichts über die Hochzeit der Antragsteller habe wissen dürfen, später jedoch sogar Trauzeugin gewesen sein solle. Auch das wochenlange Fernbleiben der Antragstellerin zu 2) von ihrer Arbeitsstätte ohne arbeitgeberseitige Konsequenzen sei nicht nachvollziehbar. Ein klägerisches „Inneres Ringen“ zwischen den familiären Erwartungen (Verbot der Heirat) und der tatsächlichen Handlung (Heirat der Antragsteller) sei nicht tiefgehend geschildert worden. Da die klägerischen Angaben Widersprüchlichkeiten und deutliche Unstimmigkeiten aufwiesen, sei auch die qualifizierte Ablehnung des klägerischen Asylgesuchs nach § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG gerechtfertigt.
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Mit am 2. Februar 2024 bei Gericht eingegangen Schriftsatz ließen die Antragsteller Klage gegen den Bescheid erheben, die unter dem Aktenzeichen AN 9 K 24.30263 geführt wird, und über die noch nicht entschieden wurde. In der Hauptsache beantragen die Antragsteller ihnen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise subsidiären Schutz zu gewähren sowie weiterhin hilfsweise das Vorliegen nationaler Abschiebungsverbote festzustellen.
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Zugleich ersuchen die Antragsteller um vorläufigen Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO.
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Es beständen ernstliche Zweifel am Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts. So hätte es bereits erhebliche Verständigungsprobleme während der Bundesamtsanhörung gegeben. Die entsprechenden Korrekturen und Hinweise hätten aber keinen Eingang in das Anhörungsprotokoll gefunden. Das Vorbringen der Antragsteller rechtfertige auch nicht die qualifizierte Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet. Hierfür seien nach der unionsrechtskonformen Auslegung des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG „unvereinbare Gegensätze bzw. eine Widersprüchlichkeit“ erforderlich, welche nicht gegeben sei. Sodann wird zu den vonseiten des Bundesamts festgestellten Widersprüchen ausgeführt.
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Die Antragsteller beantragen,
die aufschiebende Wirkung ihrer Klage vom 2. Februar 2024 gegen den Bundesamtsbescheid anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO abzulehnen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie auf die Akten des Bundesamts, die dem Gericht in elektronischer Form vorgelegen haben, Bezug genommen.
II.
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1. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nach § 80 Abs. 5 VwGO ist die in Ziffer 5 des streitgegenständlichen Bescheides enthaltene Abschiebungsandrohung, die gemäß den §§ 34 AsylG, 59 AufenthG durch das Bundesamt erlassen worden ist. Da der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, wurde nach § 36 Abs. 1 AsylG eine Ausreisefrist von einer Woche gesetzt. Dies hat zu Folge, dass die gegen die Abschiebungsandrohung gerichtete Klage nach § 75 Abs. 1 AsylG keine aufschiebende Wirkung hat.
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Der zulässige – insbesondere nach § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG fristgemäße – Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO bleibt in der Sache ohne Erfolg. Der Antrag war mithin abzulehnen.
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2. Der Antrag ist unbegründet, da nach dem Dafürhalten des nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG zur Entscheidung berufenen Einzelrichters keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der erlassenen Abschiebungsandrohung bestehen.
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Ernstliche Zweifel in diesem Sinne liegen nur dann vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Ablehnung als offensichtlich unbegründet, einer rechtlichen Prüfung im Klageverfahren wahrscheinlich nicht standhalten wird (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris). Wenn das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes zu Unrecht ergangen ist, ist dem Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO stattzugeben und hiermit der Rechtsstand herzustellen, der bei richtigerweise veranlasster „einfacher“ Ablehnung des Asylgesuchs bestanden hätte.
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Nach dem Dafürhalten des Einzelrichters greift der vom Bundesamt herangezogene Offensichtlichkeitstatbestand des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG vorliegend ein.
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Nach dem Wortlaut des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG kann ein unbegründeter Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn das Vorbringen des Ausländers in wesentlichen Punkten nicht substantiiert oder in sich widersprüchlich ist, offenkundig den Tatsachen nicht entspricht oder auf gefälschte oder verfälschte Beweismittel gestützt wird.
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a) Für die Anwendung des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG ist Art. 31 Abs. 8 Buchst. e) der RL 2013/32/EU (Asylverfahrensrichtlinie) zu berücksichtigen und eine europarechtskonforme Auslegung vorzunehmen bzw. – soweit die Grenzen der Auslegung überschritten werden – die nationale Rechtsgrundlage nicht mehr anzuwenden (vgl. ausführlich VG Ansbach, B.v. 18.7.2023 – 17 S 23.30555 – beck-online Rn. 12). Nach Art. 31 Abs. 8 Buchst. e) der Asylverfahrensrichtlinie können Asylanträge nur dann als offensichtlich unbegründet abgelehnt werden, wenn der Asylantragsteller eindeutig unstimmige und widersprüchliche, eindeutig falsche oder offensichtlich unwahrscheinliche Angaben gemacht hat, die zu hinreichend gesicherten Herkunftsinformationen im Widerspruch stehen. Ein lediglich unsubstantiiertes Vorbringen fällt hingegen nicht unter den Tatbestand des Art. 31 Abs. 8 Buchst. e).
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Der Begriff „unstimmig“ in Art. 31 Abs. 8 Buchst. e) der Asylverfahrensrichtlinie ist nicht mit dem Begriff „unsubstantiiert“ in § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG gleichzusetzen. Als unsubstantiiert anzusehen sind oberflächliche und pauschale Angaben, die nicht ausreichend detailliert sind. Hingegen erfordert die Unstimmigkeit eine gewisse Widersprüchlichkeit, Inkohärenz oder Unschlüssigkeit des Vortrags. Ein Vortrag ist nur dann unstimmig, wenn er unvereinbare Gegensätze in sich trägt, also entweder in sich oder mit objektiven Gegebenheiten nicht zusammenpasst.
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Dass nur Widersprüchlichkeiten die qualifizierte Ablehnung rechtfertigen, nicht aber ein bloßes Fehlen an Genauigkeit, erklärt sich auch daraus, dass in Fällen von Widersprüchen regelmäßig eine nochmalige Anhörung durch das Gericht keine Änderung für das Asylverfahren mit sich bringt, da ein widersprüchlicher Vortrag auch durch ergänzende Angaben nicht glaubhaft wird. Hingegen kann bei bislang lediglich zu oberflächlichen Angaben eine nochmalige Anhörung relevant sein und ein Vorbringen durch das Ausräumen von Unklarheiten glaubhaft werden lassen, so dass das weitere Klageverfahren zur Beurteilung der Glaubhaftigkeit wesentlich ist.
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b) Nach Würdigung der einschlägigen Entscheidungsgrundlage teilt der Einzelrichter im Ergebnis die Auffassung des Bundesamtes hinsichtlich der eindeutig unstimmigen Angaben der Antragsteller.
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Die Angaben der Antragsteller sind in wesentlichen Punkten widersprüchlich. Die Schilderungen genügen aller Voraussicht nach nicht dazu, dass die Antragsteller ihren Vortrag bei einer gerichtlichen Anhörung womöglich noch glaubhaft machen könnten.
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aa) Hinsichtlich der Antragstellerin zu 2) besteht zunächst ein – aller Voraussicht nach – nicht mehr aufklärbarer Widerspruch zwischen ihrem Vortrag, dass sie einen sehr traditionellen Onkel als Familienoberhaupt gehabt habe einerseits und ihren spärlichen Kenntnissen zum Clan der Issa andererseits.
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Denn dem Bundesamt ist mit den im Bescheid angeführten Erkenntnismitteln zuzugeben, dass in der Republik Dschibuti und Somalia regelmäßig mit umfassenden Kenntnissen über die Clan-Zugehörigkeit, insbesondere den auf Seite 6 des Bescheides angeführten Umständen, gerechnet werden kann. Dies muss gerade für eine Familie mit einem sehr traditionellen Familienoberhaupt gelten, als welchen die Antragstellerin zu 2) ihren Onkel mehrfach dargestellt hat (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seiten 4 und 6).
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Hierzu im Widerspruch stehen die Aussagen der Antragstellerin zu 2), sie wisse nicht viel über die Issa. Das einzige, was sie wisse sei, dass diese unter sich heiraten würden. Zudem führt die Antragstellerin zu 2) auch auf mehrfache Nachfrage lediglich an, dass es 12 Sub-Clans zum Clan der Issa gebe (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 7).
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Die fehlenden Kenntnisse über den Clan der Issa sind auch vor dem Hintergrund der umfassenden Schul- und Hochschulbildung der Antragstellerin zu 2) (Abitur und Hochschuldiplom; Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 3) nicht nachvollziehbar. Darüber hinaus steht dieses Bildungsniveau in einem unerklärlichen Gegensatz zu der vorgetragenen starken Stellung des Onkels in der Familie mit dessen traditionellen Rollenverständnis.
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Nach dem Dafürhalten des Einzelrichters begegnet damit bereits die Zugehörigkeit der Antragstellerin zu 2) zum Clan der Issa, welche nach dem klägerischen Vortrag die Grundlage für sämtliche Verfolgungshandlungen der Familien sein soll, durchgreifenden Bedenken.
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bb) Einen Widerspruch im Vortrag der Antragstellerin zu 2) sieht der Einzelrichter auch hinsichtlich den von den Antragstellern als Schlüsselereignis dargestellten Geschehnisse im Restaurant „…“.
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Denn nach den Schilderungen der Antragstellerin zu 2) sei sie in Folge der dortigen Geschehnisse von ihrem Onkel für zweieinhalb Wochen eingesperrt worden und habe nicht auf der Arbeit erscheinen können (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 5). Erst nach drei Wochen sei die Antragstellerin zu 2) in stetiger Begleitung ihres Onkels wieder an ihrer Arbeitsstelle gewesen.
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Es erscheint verwunderlich, dass die Antragstellerin zu 2) hier keinerlei Probleme vonseiten des Arbeitgebers schildert. Es wäre zu erwarten, dass ein Arbeitgeber, dem – so der klägerische Vortrag – die Familienprobleme seiner Mitarbeiter egal seien und der nur wolle, dass diese ihre Arbeit leisten (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 8), bei einem mehrwöchigen Fernbleiben von Mitarbeitern, Sanktionen einleitet oder sich zumindest nach deren Verbleib erkundigt.
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cc) Ein weiteres wesentliches Ereignis innerhalb des klägerischen Vortrags stellt die Heirat der Antragsteller dar.
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Hier bestehen nach dem Dafürhalten des Einzelrichters im Vortrag der Antragstellerin zu 2) Widersprüche im Hinblick auf die Rolle ihrer Mutter.
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Während die Antragstellerin zu 2) zunächst angibt, dass die Heirat geheim erfolgt sei (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 4), äußert sie am Ende des freien Vortrags, dass die Mutter von der Hochzeit gewusst habe (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 5).
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Auf Vorhalt des Bundesamtsentscheiders führt die Antragstellerin zu 2) sodann an, dass ihre Mutter alles gewusst habe und sogar Zeugin bei der Hochzeit gewesen sei (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 5). Explizit nach den Zeugen der Hochzeit befragt, gab die Antragstellerin zu 2) hingegen an, dass es sich auf ihrer Seite um zwei Freunde ihres verstorbenen Vaters gehandelt habe (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 7).
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Zumindest den Widerspruch zwischen der ersten klägerischen Aussage, die Mutter sei Zeugin der Hochzeit gewesen und der späteren klägerischen Aussage, dass die Zeugen der Eheschließung Freunde des verstorbenen Vaters gewesen seien, vermochte auch die Antragstellervertreterin im Schriftsatz vom 5. Februar 2024 nicht aufzuklären.
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dd) Der Antragsteller zu 1) muss sich den Widerspruch zwischen dem seinerseits als Nachweis des Hausbrandes vorgelegten Video, welches offensichtlich ein Armutsviertel zeigt, einerseits und die gute finanzielle Situierung der Familie andererseits, vorhalten lassen.
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Übereinstimmend mit der Auffassung des Bundesamtes ist auch dem Einzelrichter nicht nachvollziehbar, warum eine Familie, in welcher mehrere Männer Akademikertätigkeiten im öffentlichen Dienst ausüben oder ausgeübt haben (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seiten 3 und 4), in einer Wellblechhütte in einem Armutsviertel (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 5) leben sollte.
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Der Widerspruch wird – was dem Bundesamt ebenfalls zuzugeben ist – noch augenscheinlicher, wenn das vonseiten der Antragsteller als Schlüsselereignis dargestellte Geschehen im Restaurant „…“ in den Blick genommen wird. Denn hierbei handelt es sich offensichtlich um ein gehobenes Restaurant mit hohen Preisen in einer der besseren Straßen des dschibutischen Hafens (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 7).
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Nach dem Dafürhalten des Einzelrichters hat es der Antragsteller zu 1) auch nicht vermocht auf den entsprechenden Vorhalt des Bundesamtsentscheiders hin diesen Widerspruch aufzuklären (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 7). Auch der Vortrag der Antragstellervertreterin aus dem Schriftsatz vom 5. Februar 2024 vermochte hier nicht weiterzuhelfen, da sich dieser im Wesentlichen in der Wiederholung der klägerischen Aussagen aus der Bundesamtsanhörung erschöpft.
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ee) Abschließend ist nicht erklärbar, warum der Antragsteller zu 1) sich offensichtlich nie tiefgründiger mit der Frage des voraussichtlichen Bruchs mit der eigenen Familie auseinandergesetzt hat.
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So führt der Antragsteller zu 1) aus, dass seine Familie nicht nur traditionell, sondern extremistisch sei. Dies sei dem Antragsteller zu 1) auch schon immer bewusst gewesen. Die Familie habe den Großvater und einen Bruder getötet (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 8).
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Auf Nachfrage des Bundesamtsentscheiders, wie sich der Antragsteller zu 1) vor dem Hintergrund einer solchen Familie das Leben mit einer Frau aus einem anderen Clan, namentlich die nächsten 20 oder 30 Jahre, vorgestellt habe, verliert sich der Antragsteller zu 1) in Allgemeinplätzen wie, dass Liebe keine Grenzen kennen würde und nicht zu kontrollieren sei (Protokoll der Bundesamtsanhörung Seite 8).
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Für das tägliche Leben mit seiner Frau tatsächlich brauchbare Überlegungen konnte der Antragsteller zu 1) hingegen nicht anführen. Dies ist gerade vor dem Hintergrund verwunderlich, dass die Beziehung der Antragsteller nach ihrem Vortrag bereits für mehrere Jahre bestanden haben soll und die Antragsteller stetigen Belästigungen durch die Familien ausgesetzt gewesen sein sollen.
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Diesen Vortrag zugrunde gelegt, wäre zumindest zu erwarten gewesen, dass der Antragsteller zu 1) Überlegungen zu bestimmten „Schutzmechanismen“ für sich und seine Frau sowie zu einer eigenständigen Lebensgrundlage getroffen hat.
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Es erscheint auch realitätsfern, dass die Antragsteller nach ihrer Hochzeit mit dem gemeinsamen Kind für Jahre oder Jahrzehnte unentdeckt von ihren Familien im Geheimen leben wollten bzw. – angesichts des kleinen Herkunftslandes – tatsächlich hierzu in der Lage gewesen wären.
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ff) Nach alledem weist der Vortrag der Antragsteller eindeutig unstimmige Angaben im Sinne des § 30 Abs. 3 Nr. 1 AsylG auf.
47
c) Das streitgegenständliche Offensichtlichkeitsurteil erscheint auch im Hinblick auf die Sanktionierungsfunktion der Tatbestände des § 30 Abs. 3 AsylG (BeckOK AuslR/Heusch, 38. Ed. 1.7.2023, AsylG § 30 Rn. 30) rechtmäßig. Insbesondere wurden den Antragstellern in der Bundesamtsanhörung nach Vorhalt der entsprechenden Widersprüche genügend Gelegenheit zu deren Aufklärung gegeben.
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Es wird auf die zutreffenden Ausführungen auf den Seiten 10 und 11 des Bundesamtsbescheides verwiesen und von einer entsprechenden Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen, § 77 Abs. 3 AsylG.
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d) Aufgrund der dargelegten Glaubhaftigkeitszweifel haben die Antragsteller aller Voraussicht nach auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 AsylG.
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Zumindest begegnet die Ablehnung des Anspruchs durch das Bundesamt keinen ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
51
Der Einzelrichter folgt den Ausführungen im streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid und sieht von einer Darstellung der diesbezüglichen Urteilsgründe ab, § 77 Abs. 3 AsylG.
52
e) Auch die Entscheidung des Bundesamts den Antragstellern das Bestehen von Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG zu verneinen, begegnet keinen ernstlichen Zweifeln im Sinne des § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
53
Es ist aller Voraussicht nach nicht ersichtlich, dass sich die Antragsteller in einer derart gravierenden Lage befinden, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK gegeben sein könnten.
54
Die Antragsteller sind jung und im arbeitsfähigen Alter. Es ist dem Einzelrichter daher nicht ersichtlich, warum sie ihren Lebensunterhalt – auch unter Berücksichtigung der Unterhaltsverpflichtungen für das in Deutschland nachgeborene Kind – in der Republik Dschibuti nicht bestreiten könnten. Beide Antragsteller verfügen über eine umfassende Schul- und Hochschulbildung, welche die Antragstellerin zu 2) auch über die Vorlage eines Abiturzeugnisses sowie Hochschuldiploms im Verwaltungsverfahren nachgewiesen hat.
55
Es ist zudem nicht ersichtlich, dass der klägerische Gesundheitszustand einer Arbeitsfähigkeit entgegensteht. Es ist vor diesem Hintergrund daher auch weder erkennbar noch dargetan, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 AufenthG vorliegen.
56
Der Einzelrichter folgt den Ausführungen im streitgegenständlichen Bundesamtsbescheid und sieht von einer Darstellung der diesbezüglichen Urteilsgründe ab, § 77 Abs. 3 AsylG.
57
3. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist daher unbegründet.
58
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert folgt aus § 30 Abs. 1 Satz 1 und 2 RVG.
59
Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.