Titel:
Rückzahlung von Spieleinsaätzen aus Internet-Glücksspielen
Normenketten:
EuGVVO Art. 17, Art. 18
StGB § 15
GlüStV 2012 Art. 4 Abs. 4
BGB § 134, § 284, § 312g, § 812, § 817, § 823
Leitsätze:
1. Ein einseitiger Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 führt nicht zur Nichtigkeit des Spielvertrages nach § 134 BGB. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem beidseitigen Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist ein Anspruch auf Rückzahlung von Spieleinsätzen nach § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 ist kein Schutzgesetz iSd § 823 Abs. 2 BGB. (Rn. 38) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Zulässigkeit, internationale Zuständigkeit, Verbrauchereigenschaft, Nichtigkeit, Spielvertrag, Widerrufsrecht, Schutzgesetz, Rückzahlungsanspruch, Internet-Glücksspiel, Spieleinsaätzen, Malta, Spielverlust, einseitiger Verstoß
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2966
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 113.339,99 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger verlangt von der Beklagten die Rückzahlung von Spieleinsätzen aus InternetGlücksspielen.
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Die Beklagte ist eine in Malta ansässige Gesellschaft, der von der Maltesischen Glücksspielbehörde eine Erlaubnis zur Veranstaltung von Online-Glücksspiel erteilt wurde. Über eine in Deutschland erteilte Glücksspiellizenz verfügte die Beklagte dagegen nicht. Im streitgegenständlichen Zeitraum bot die Beklagte im Internet auf dem deutschen Markt Online-Glücksspiele, insbesondere Online-Casinospiele an.
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Der Kläger hat (wohl überwiegend) von seinem Wohnort aus mehrfach an Glücksspielen im Internet teilgenommen, die von der Beklagten auf einer deutschsprachigen Plattform angeboten wurden. Der Kläger nahm vom 01. Mai 2012 bis zum 20. Januar 2021 über die deutschsprachige Internetdomain der Beklagten … an solchen Online-Glücksspielen (Casinospiele) teil.
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Der Kläger behauptet, in diesem Zeitraum einen Spielverlust in Höhe von 113.339,99 € erlitten zu haben.
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Er ist der Meinung, ihm stünde hinsichtlich seines Spielverlustes ein Rückzahlungsanspruch zu, weil es sich um illegales Glücksspiel handele. Hiervon habe der Kläger auch erst nach der Spielteilnahme Kenntnis erlangt.
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In der Klage erklärte der Kläger zudem den Widerruf der streitgegenständlichen Spielverträge, die mit der Beklagten geschlossen wurden.
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Der Kläger meint er habe daher die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche aus § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB als auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. verschiedenen Schutzgesetzen.
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Ein Ausschluss der Ansprüche komme unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von € 113.339,99 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt Klageabweisung.
11
Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe an verschiedenen Pokervarianten teilgenommen. Die Behauptung der Klagepartei, ausschließlich an Glücksspielen teilgenommen zu haben, wird bestritten. Einige der Pokervarianten wie z.B. Texas Hold`em seien Geschicklichkeitsspiele. Es handle sich nicht bei allen Spielen, an denen der Kläger im streitgegenständlichen Zeitraum teilgenommen habe, tatsächlich auch stets um Glücksspiele.
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Der Kläger habe ca. 95% seiner hier geltend gemachten Verluste an die gewinnenden Pokerspieler verloren und nicht an die Beklagte.
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Es wird bestritten, dass sich der Kläger bei jedem einzelnen Spiel in Deutschland aufgehalten habe. Dass sich der Kläger in dem 10-jährigen Zeitraum stets in Deutschland aufgehalten haben will, sei lebensfremd.
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Die Beklagte bestreitet die Höhe des vom Kläger geltend gemachten Verlustes.
15
Die Beklagte bestreitet mit Nichtwissen, dem Kläger sei während der jeweiligen Spielteilnahme die Illegalität der Spiele nicht bekannt gewesen und der Kläger hätte bei dieser Kenntnis nicht an den Spielen teilgenommen.
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Der Kläger habe unter der Marke „Pokerstars“ nicht nur an virtuellen Automatenspielen und Online-Poker, sondern auch an Online-Sportwetten teilgenommen.
17
Die Beklagte meint, der Spielverlust in einem bestimmten Zeitraum könne denknotwendig nur anhand getätigter Spieleinsätze sowie der Saldierung von Gewinnen und Verlusten jedes einzelnen Spieles berechnet werden. Durch eine Saldierung lediglich der Ein- und Auszahlungen auf das Spielerkonto sei jedoch nur die Berechnung seines Gesamtverlustes während der gesamten Spieldauer berechenbar. Die Kläger berechne den Spielverlust nach Ein- und Auszahlungen, also dem Aufladen des Spielerkontos in Malta und der Auszahlung von Guthaben des Spielerkontos von Malta nach Deutschland im streitgegenständlichen Zeitraum. Diese werden von der Beklagten auch nicht bestritten. Die Verluste könne die Kläger nur durch die Teilnahme und Einzahlung auf das Spielerkonto vor und nach dem streitgegenständlichen Zeitraum denknotwendig auch gar nicht berechnen. Damit sei die Klage unbestimmt.
18
Die Beklagte meint weiter, die Spielverträge seien gar nicht zwischen den Parteien, sondern zwischen den jeweiligen Spielern zustande gekommen. Der Kläger habe im Falle des Unterliegens das Vermögen der jeweils gewinnenden Spieler mehren wollen.
19
Die Beklagte meint weiter, bei einer Spielteilnahme aus dem Ausland sei der GlüStV gar nicht anwendbar. Nur ein einziges Spiel vom Ausland führe somit zur Unbestimmtheit der gesamten Klage.
20
Die Veranstaltung und die Teilnahme an Online-Sportwetten sei in Deutschland legal. Alleine der einseitige Verstoß des Glücksspielanbieters führe nicht zur Nichtigkeit des Spielvertrages.
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Der Klagepartei stehe nach Meinung der Beklagten auch kein Widerrufsrecht zu. Die Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung. Fast die gesamte Klageforderung liege mehr als 3 Jahre seit Klageeinreichung zurück. Die Tatumstände des § 4 Abs. 4 GlüStV; also das Anbieten eines in Deutschland nicht lizenzierten Glückspiels durch die Beklagte seien bereits zum Zeitpunkt der Spielteilnahme bekannt gewesen. Nach ständiger BGHRechtsprechung komme es nicht auf die Unkenntnis der Rechtsfolge an. Die Verjährung eines unbestimmten Teils der Verluste führe zur Unbestimmtheit der gesamten Klageforderung.
22
Wegen des übrigen Parteivorbringens und der Einzelheiten wird auf die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
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Ebenso auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2023.
Entscheidungsgründe
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Die Klage ist zulässig.
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Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte folgt aus Artt. 18 Abs. 1, 17 Abs. 1 c EuGVVO. die Verbrauchereigenschaft des Klägers ist unstreitig gegeben (vgl. etwa OLG Dresden, NJW-RR, 2023, 344, 344; OLG Braunschweig, BeckRS 2023, 2622).- Das Landgericht Ingolstadt ist aufgrund des Streitwerts sachlich und örtlich zuständig. Der Kläger wohnt im hiesigen Bezirk.
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Die Klage ist aber nicht begründet.
27
Der Kläger hat gegen die Beklagte keine Ansprüche auf Rückzahlung der von ihm behaupteten Spielverluste.
28
Die Frage, ob Teilnehmer an unerlaubten Glücksspielen Ansprüche auf Rückerstattung von Spielverlusten haben, ist extrem umstritten und hat bereits zu einer kaum mehr überschaubaren Flut von divergierenden Einzelentscheidungen geführt.
29
Die Kammer schließt sich vollumfänglich der schlüssigen und überzeugenden Argumentation von Prof. Dr. H. K. in seinem Aufsatz in der NJW 2023, 2449 ff. an und hat diesen Argumenten auch nichts weiter hinzuzufügen.
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1. Ein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 1. Alt. BGB besteht demnach nicht.
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Dabei könnte es sogar dahingestellt bleiben, ob nur die Beklagte gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstoßen hat, oder ob sich der Kläger vorsätzlich iSd § 15 StGB an einem unerlaubten Glücksspiel iSd § 285 StGB beteiligt hat und deshalb sogar ein beiderseitiger Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 vorliegt.
32
a) Liegt nämlich (wie hier) nur ein einseitiger Verstoß gegen § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 vor, hat der Kläger bereits nicht ohne Rechtsgrund geleistet, denn ein einseitiger Verstoß führt nicht zur Nichtigkeit des Spielvertrages nach § 134 BGB (Köhler, NJW 2023, 2449, 2452 f.; LG Gießen, BeckRS 2023, 17924). Bei einem einseitigen Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot ist das verbotswidrige Rechtsgeschäft in der Regel gültig (Grüneberg/Ellenberger, BGB, § 134 Rn. 9; BGH, BKR 2022, 811, 812). Nur ausnahmsweise ist es auch bei einem einseitigen Verstoß nichtig, falls der Zweck des Verbotsgesetzes anders nicht zu erreichen ist und die rechtsgeschäftlich getroffene Regelung nicht hingenommen werden kann (BGH, BKR 2022, 811, 812). Eine solche Ausnahme ist vorliegend zu verneinen, so dass der Spielvertrag wirksam ist (ausführlich dazu Köhler, NJW 2023, 2449, 2452 f.; LG Gießen, BeckRS 2023, 17924).
33
b) Läge (wie hier aber eben nicht) ein beiderseitiger Verstoß gegen § 4 IV GlüStV 2012 vor, erfolgte die Leistung des Klägers zwar ohne Rechtsgrund, weil der Spielvertrag dann gem. § 134 BGB nichtig wäre. Ein Anspruch wäre in diesem Fall jedoch gem. § 817 S. 2 BGB ausgeschlossen (Köhler, NJW 2023, 2449, 2452).
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c) Dem Kläger steht schlussendlich auch kein Widerrufsrecht hinsichtlich der Spielverträge zu.
35
Ein Widerrufsrecht gemäß § 312 g Abs. 1 BGB scheidet schon gemäß § 312 g Abs. 2 Nr. 12 BGB aus. Die Unionsrechtskonformität des Internetverbots unterstellt, gilt § 312 g Abs. 2 Nr. 12 BGB auch für nichtige Verträge.
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Dies entspricht auch den Vorgaben der Verbraucherrechte-RL 2011/83/EU. Darin heißt es in Art. 3 Abs. 3 Buchst. c):
„Diese Richtlinie gilt nicht für Verträge über Glücksspiele, die einen geldwerten Einsatz verlan gen, einschließlich Lotterien, Glücksspiele in Spielkasinos und Wetten.“ –
37
Um solche Verträge handelt es sich aber vorliegend. Mangels eines Widerrufsrechts war die Beklagte auch nicht verpflichtet, den Kläger über ein solches zu belehren.
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2. Auch aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m § 4 Abs. Abs. 4 GlüStV 2012 bzw. § 284 BGB besteht kein Anspruch, weil es sich bei diesen Verboten nicht um Schutzgesetze iSd § 823 Abs. 2 BGB handelt (siehe auch dazu Köhler, NJW 2023, 2449, 2453). Diese Vorschriften dienen nämlich nur generalpräventiv dem Schutz vor möglichen Gefahren eines verbotenen Glücksspiels.
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3. Nach alledem kann dahinstehen, ob der Kläger seine Verluste richtig und schlüssig berechnet hat, ob er die Spielteilnahme nur von seinem Wohnsitz aus, jedenfalls nicht im Ausland getätigt hat oder ob und inwieweit klägerische Ansprüche verjährt sind und die Klage wegen einzelner Mängel deshalb unbestimmt bzw. unschlüssig ist.
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Die Klage war auch hinsichtlich der Nebenforderungen (Zinsen) abzuweisen. Diese teilen das Schicksal der Hauptforderung.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.