Titel:
Unzulässige Rechtsbeschwerde infolge unzulässigen Antrags auf gerichtliche Entscheidung
Normenketten:
StVollzG § 109, § 116
BayStVollzG Art. 208
Leitsätze:
1. Die Verwendung des Inhalts eines psychotherapeutischen Berichts durch die Justizvollzugsanstalt stellt als solche keine anfechtbare Maßnahme auf dem Gebiet des Strafvollzugs im Sinne der §§ 109 ff. StVollzG dar. (Rn. 12)
2. Ein Verpflichtungsantrag des Strafgefangenen gegenüber der Strafvollstreckungskammer ist unzulässig, wenn der Strafgefangene nicht zuvor einen entsprechenden Antrag an die Justizvollzugsanstalt gestellt hat. (Rn. 14)
Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die nach überwiegender Auffassung im Rechtsbeschwerdeverfahren vAw zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Strafvollzug, Rechtsbeschwerdeverfahren, psychotherapeutischer Bericht, Verwendung, Justizvollzugsanstalt, Verpflichtungsantrag, unzulässig
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 31.07.2024 – SR StVK 904/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 29537
Tenor
1. Dem Strafgefangenen K. wird, ohne hierfür Kosten zu erheben, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde gewährt.
2. Die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 31.07.2024 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.
3. Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 100 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit Schreiben vom 24.05.2024 stellte der Strafgefangene K. Antrag auf gerichtliche Entscheidung mit dem Ziel festzustellen, dass die Verwendung der Inhalte aus dem Schreiben der Psychotherapeutin H. vom 09.04.2024 durch die Justizvollzugsanstalt S. rechtswidrig sei und den Antragsteller in seinen Rechten verletze, sowie die Justizvollzugsanstalt S. zu verpflichten, einen den Tatsachen entsprechenden Bericht der Psychotherapeutin H. anzufordern. Des Weiteren beantragte er, ihm Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Rechtsanwalts T. zu bewilligen.
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Er bringt vor, der Bericht der Psychotherapeutin H. vom 09.04.2024 erwecke den Anschein, als sei durch die Anstaltsleitung zuvor auf die Therapeutin eingewirkt worden, weil der Bericht zahlreiche Feststellungen enthalte, die nicht den Tatsachen entsprechen würden. Dieser Bericht solle bei zukünftigen Entscheidungen der Justizvollzugsanstalt Erwähnung finden.
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Mit Verfügung vom 31.05.2024 wies die Strafvollstreckungskammer den Strafgefangenen darauf hin, dass die gestellten Anträge nach vorläufiger Prüfung unzulässig seien, weil eine Maßnahme der Justizvollzugsanstalt nicht vorliege und im Übrigen das Rechtsschutzinteresse fehle.
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Hierzu nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 13.06.2024 Stellung, wobei er darauf verwies, dass der Bericht der Psychotherapeutin H. vom 09.04.2024 inzwischen in mehreren Entscheidungen der Justizvollzugsanstalt Erwähnung gefunden habe.
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Die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing hat den Antrag des Strafgefangenen mit Beschluss vom 31.07.2024 als unzulässig zurückgewiesen, da sich der Antrag nicht gegen eine Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG, also eine behördliche Entscheidung mit Außenwirkung zur Regelung eines Einzelfalls, richte und im Übrigen ein Rechtsschutzbedürfnis nicht vorliege, weil der Strafgefangene nicht dargelegt habe, dass er sich mit seinem Anliegen zuvor in geeigneter Weise an die Vollzugsbehörde gewandt habe.
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Gegen diesen ihm am 05.08.2024 zugestellten Beschluss hat der Strafgefangene zur Niederschrift des Amtsgerichts Straubing am 09.09.2024 Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er mit der Rüge der Verletzung materiellen und formellen Rechts – nach Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und Entscheidung nach seinen Anträgen, hilfsweise die Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Regensburg zu erneuten Entscheidung, beantragt.
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Die Generalstaatsanwaltschaft München beantragt im Schreiben vom 13.09.2024, die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen als unzulässig zu verwerfen.
8
Eine Stellungnahme hierzu erfolgte seitens des Strafgefangenen nicht mehr.
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Dem Strafgefangenen war gemäß Art. 208 BayStVollzG, § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG, § 44 Satz 1, § 45, § 46 Abs. 1 StPO antragsgemäß Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der Frist zur Einlegung und Begründung der Rechtsbeschwerde zu bewilligen, da er die Frist trotz rechtzeitigem Bemühen wegen der ihm nicht zurechenbaren Verzögerung des angeforderten Urkundsbeamten unverschuldet versäumt hat. Der zuständige Rechtspfleger hat insoweit bestätigt, dass es ihm aus dienstlichen Gründen, trotz rechtzeitiger Anforderung seitens des Strafgefangenen mit Schreiben vom 09.08.2024, welches am 12.08.2024 beim Amtsgericht Straubing einging, nicht möglich war, die Rechtsbeschwerde rechtzeitig aufzunehmen, sondern dies erst am 09.09.2024 erfolgen konnte.
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Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil bereits kein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 109 Abs. 1 StVollzG vorliegt und der Strafgefangene diesen Antrag mit seiner Rechtsbeschwerde weiterverfolgt.
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1. Ein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung gehört zu den allgemeinen Verfahrensvoraussetzungen, die nach überwiegender Auffassung im Rechtsbeschwerdeverfahren von Amts wegen zu prüfen sind und deren Fehlen zur Unzulässigkeit der Rechtsbeschwerde führt [st. Rspr. des Senats, Beschlüsse vom 19.03.2020 – 204 StObWs 2688/19, vom 24.01.2022 – 204 StObWs 9/22, vom 29.06.2022 – 204 StObWs 263/22, vom 01.12.2022 – 204 StObWs 198/22, jeweils nicht veröffentlicht, vom 23.01.2024 – 204 StObWs 578/23 –, juris Rn. 17 und vom 28.05.2024 – 204 StObWs 187/24 –, juris Rn. 11; KG, Beschlüsse vom 18.05.2009 – 2 Ws 8/09 Vollz, juris Rn. 6, vom 01.02.2017 – 2 Ws 253/16 Vollz, juris Rn. 8 und vom 25.09.2017 – 2 Ws 145/17 Vollz, juris Rn. 5; OLG Koblenz, Beschluss vom 23.06.2010 – 2 Ws 184/10 (Vollz) –, juris Rn. 11; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/Laubenthal, StVollzG, 7. Auflage 2020, 12. Kap., Abschn. J, Rn. 3].
12
2. Die vom Strafgefangenen erstinstanzlich gestellten Anträge auf gerichtliche Entscheidung sind schon deshalb unzulässig, weil die Verwendung des Inhalts des Berichts der Psychotherapeutin H. vom 09.04.2024 durch die Justizvollzugsanstalt S. als solche keine anfechtbare Maßnahme auf dem Gebiet des Strafvollzugs im Sinne der §§ 109 ff. StVollzG in Verbindung mit Art. 208 BayStVollzG darstellt und es dem Verpflichtungsantrag am Rechtsschutzbedürfnis mangelt. Insoweit wird auf die in jeder Hinsicht zutreffenden Gründe im Beschluss der Strafvollstreckungskammer vom 31.07.2024 Bezug genommen.
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a) Eine Maßnahme nach dieser Vorschrift ist ein Akt der Vollzugsbehörde, der in das Rechtsverhältnis zwischen dem Gefangenen und dem Staat gestaltend eingreifen soll, also die Regelung einer einzelnen Angelegenheit, die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist und diesbezüglich Verbindlichkeit beansprucht (KG, Beschluss vom 26.11.2018 – 2 Ws 201/18 Vollz –, juris Rn. 4). Wie auch der Strafgefangene in seiner Beschwerdebegründung darlegt, diente der Inhalt des Berichts der Psychotherapeutin H.vom 09.04.2024 lediglich der Vorbereitung von Lockerungsentscheidungen der Justizvollzugsanstalt. Die Verwendung des Berichts durch die Justizvollzugsanstalt stellt weder einen Vollzugsverwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG noch ein schlicht hoheitliches Handeln (vgl. hierzu Laubenthal/Nestler/Neubacher/ Verrel/Baier/Bachmann, StVollzG, 13. Aufl. 2024, Kap. P Rechtsbehelfe Rn. 28) gegenüber dem Strafgefangenen dar, da es an einer unmittelbaren Außenwirkung mangelt. Diese erhält der Inhalt des Berichts der Psychotherapeutin H. vom 09.04.2024 erst mit seiner Berücksichtigung z.B. bei den vom Strafgefangenen genannten Lockerungsentscheidungen, die aber dann ihrerseits eine angreifbare Maßnahme darstellen. Der Anwendungsbereich der §§ 109 ff. StVollzG umfasst die Verwendung solcher bloßen Mitteilungen, Meinungsäußerungen, Wissenserklärungen und reine Auskünfte nicht, da sie keine sachliche Regelung darstellen (Laubenthal/Nestler/Neubacher/Verrel/Baier/Bachmann, StVollzG, 13. Aufl. 2024, Kap. P Rechtsbehelfe Rn. 29 m.w.N.; Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 109 Rn. 7).
14
b) Soweit der Strafgefangene seinen Verpflichtungsantrag weiterverfolgt, ist dieser bereits deshalb unzulässig, weil der insoweit gestellte Antrag bereits nach dem eigenen Vortrag des Strafgefangenen mangels vorherigen Antrags gegenüber der Justizvollzugsanstalt S. und damit mangels der erforderlichen Vorbefassung der Anstalt von Anfang an unzulässig war (BVerfG, Kammerbeschluss vom 01.07.1998 – 2 BvR 1758/97 –, juris Rn. 10; OLG Hamm, Beschluss vom 01.08.2019 – III-1 Vollz (Ws) 344/19 –, juris Rn. 4; BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 26. Ed. 01.08.2024, StVollzG § 109 Rn. 10).
15
Die Entscheidung über die Kosten ergibt sich aus Art. 208 BayStVollzG, § 121 Abs. 2 Satz 1 StVollzG.
16
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, § 65 Satz 1, §§ 60, 52 Abs. 1 GKG.