Titel:
Einordnung einer Vermittlungsvereinbarung ohne Tätigkeitspflichten als Handelsvertretervertrag
Normenkette:
HGB § 84 Abs. 1, Abs. 3
Leitsatz:
Für die Einordnung einer Vereinbarung als Handelsvertretervertrag ist weder erheblich, dass der Auftraggeber selbst Handelsvertreter ist, noch, dass eine Vermittlungs- oder Tätigkeitspflicht nicht besteht. (Rn. 11 – 14) (Rn. 18 – 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Handelsvertretervertrag, Auslegung, Vermittlungspflicht, Provisionsregelung, Tätigkeitspflicht, ständige Betrauung, Buchauszug
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 23.10.2024 – 7 U 2528/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 29276
Tenor
1. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Buchauszug zu erteilen, der in klarer und übersichtlicher Form Auskunft gibt über
2. a) (1) sämtliche Provisionsabrechnungen, die die Beklagte gegenüber der Firma … beginn im Zusammenhang mit von der Klägerin vermittelten Geschäften gestellt hat und wann Zahlungen auf die Provisionsabrechnungen geleistet wurden.
Der Buchauszug hat für jede Provisionsabrechnung folgende Angaben zu enthalten:
aa) Name des Unternehmens mit Anschrift
bb) Rechnungsdatum, Rechnungsnummer und Rechnungsbetrag
(2) sämtliche Lieferverträge, die die Firma … weit Vertragsbeginn auf Vermittlung der Klägerin mit Dritten geschlossen hat.
Der Buchauszug hat für jeden Liefervertrag folgende Angaben zu enthalten:
aa) Firmenname des Dritten mit Anschrift
bb) Gegenstand des Liefervertrages
b) (1) sämtliche Provisionsabrechnungen, die die Beklagte gegenüber der Firma … me (PT) seit Vertragsbeginn im Zusammenhang mit von der Klägerin vermittelten Geschäften gestellt hat und wann Zahlungen auf die Provisionsabrechnungen geleistet wurden.
Der Buchauszug hat für jede Provisionsabrechnung folgende Angaben zu enthalten:
aa) Name des Unternehmens mit Anschrift 4
bb) Rechnungsdatum, Rechnungsnummer und Rechnungsbetrag
(2) sämtliche Lieferverträge, die die Firma … Vertragsbeginn auf Vermittlung der Klägerin mit Dritten geschlossen hat.
Der Buchauszug hat für jeden Liefervertrag folgende Angaben zu enthalten:
aa) Firmenname des Dritten mit Anschrift
bb) Gegenstand des Liefervertrages
3. Das Teilurteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Zwischen den Parteien ist streitig, in welchem Umfang und in welcher Rechtsnatur die Klägerseite für die Beklagtenseite Textilumsätze vermittelte, im weiteren Verfahren außerhalb dieses Teilurteils sind auch noch Provisionsabrechnungen zwischen den Parteien streitig.
2
Die Parteien schlossen im Februar 2022 eine „Vereinbarung“, in welcher die Beklagte als „Auftraggeber“, die Klägerin als „Vermittler“ genannt ist (vgl. Anlage K 1).
3
Weiter heißt es in diesem Vertrag „Der Vermittler erhält vom Auftraggeber die Gelegenheit, selbständig und freiwillig Geschäfte mit Kunden verfolgende Lieferanten zu übermitteln:
… Eine Pflicht des Vermittlers ist mit dieser Vereinbarung nicht verbunden.“
4
Weiter heißt es in Ziffer 2 der Vereinbarung:
„Für erfolgreiche Vermittlung erhält der Vermittler 50 % der Provision die die oben genannten Lieferanten dem Auftraggeber zahlen. Für die im Zeitraum 15.03. – 15.11.2022 vermittelten Geschäfte erhält der Vermittler ausnahmsweise 100 % der Provision, die die oben genannten Lieferanten dem Auftraggeber zahlen. Diese Ausnahme gilbt jedoch nicht für Geschäfte mit dem Filialisten … Österreich.
5
Die Klägerseite beantragte zuletzt:
1. Die Beklage wird verurteilt an die Klägerin 13.996,92 € € nebst 9 % Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit dem 13.06.2023 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 486,70 € € nebst 9 % Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
3. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin einen Buchauszug zu erteilen, der in klarer und übersichtlicher Form Auskunft gibt über
a) (1) sämtliche Provisionsabrechnungen, die die Beklagte gegenüber der Firma … seit Vertragsbeginn im Zusammenhang mit von der Klägerin vermittelten Geschäften gestellt hat und wann Zahlungen auf die Provisionsabrechnungen geleistet wurden.
Der Buchauszug hat für jede Provisionsabrechnung folgende Angaben zu enthalten:
aa) Name des Unternehmens mit Anschrift
bb) Rechnungsdatum, Rechnungsnummer und Rechnungsbetrag
(2) sämtliche Lieferverträge, die die Firma … seit Vertragsbeginn auf Vermittlung der Klägerin mit Dritten geschlossen hat.
Der Buchauszug hat für jeden Liefervertrag folgende Angaben zu enthalten:
aa) Firmenname des Dritten mit Anschrift
bb) Gegenstand des Liefervertrages
b) (1) sämtliche Provisionsabrechnungen, die die Beklagte gegenüber der Firma … seit Vertragsbeginn im Zusammenhang mit von der Klägerin vermittelten Geschäften gestellt hat und wann Zahlungen auf die Provisionsabrechnungen geleistet wurden. 4
Der Buchauszug hat für jede Provisionsabrechnung folgende Angaben zu enthalten:
aa) Name des Unternehmens mit Anschrift
bb) Rechnungsdatum, Rechnungsnummer und Rechnungsbetrag
(2) sämtliche Lieferverträge, die die Firma … seit Vertragsbeginn auf Vermittlung der Klägerin mit Dritten geschlossen hat.
Der Buchauszug hat für jeden Liefervertrag folgende Angaben zu enthalten:
aa) Firmenname des Dritten mit Anschrift
bb) Gegenstand des Liefervertrages
4. Die Beklagte wird verurteilt, nach erteiltem Buchauszug gegenüber der Klägerin die noch zu beziffernden Provisionsbeträge nebst 9 % Punkten Zinsen über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus ab Fälligkeit zu zahlen. 5
5. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
6
Die Beklagte beantragte
7
Die Beklagtenseite ist der Ansicht, dass ein Handelsvertreterverhältnis i.S.v. §§ 84 ff HGB nicht vorläge.
8
Im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 29.04.2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
9
Die zulässige Klage hatte im Rahmen des vorliegenden Teilurteils vollumfänglich Erfolg.
10
Nach der Vereinbarung K 1, die beide Seiten geschlossen haben, ist nach deren Auslegung ausreichend dargetan, dass die Klägerin für die Beklagte als Handelsvertreter tätig war.
11
Dem steht nicht entgegen, dass die Beklagte selbst Handelsvertreterin sei, wie sich bereits aus § 84 Abs. 3 HGB ergibt.
12
Dass die Beklagte zu keinem Zeitpunkt die Klägerin als Untervertreterin vertraglich binden wollte, konnte die Beklagte auch nicht näher dartun oder beweisen, da das Beweisangebot „Zeugeneinvernahme …r, zu laden über die Beklagte“ schon kein zulässiges Beweisangebot darstellte: die Beweistatsache als solches nebst näherer Schilderung von angeblich zugrunde liegenden Tatsachen wurde nicht genannt.
13
Der Auslegung des Vertrages als Handelsvertretervertrag mit der Klägerin als Handelsvertreterin steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin nicht „verpflichtet“ gewesen wäre, Geschäfte zu vermitteln. § 84 Abs. 1 HGB spricht nicht eine Vermittlungsverpflichtung aus, sondern lediglich das „betraut“ sein. Selbst wenn man im übrigen die Tätigkeit der Klägerseite nicht als Handelsvertreterin qualifizieren wollte, käme eine entsprechende Anwendung der §§ 84-92 c HGB in Betracht (vgl. Ebenroth/Bujong Handelsgesetzbuch Rn 1 zu § 84 HGB).
14
Die Klägerin war insoweit Handelsvertreterin, auch wenn ihr keine Pflicht zur Vermittlung auferlegt worden war. Sie war jedoch ständig „betraut“, für die Beklagte Geschäfte zu vermitteln. Dass auch die Beklagte Handelsvertreterin sein soll, steht der Qualifizierung der klägerischen Tätigkeit als Handelsvertretung gem. § 84 Abs. 3 HGB nicht entgegen.
15
Die Qualifizierung der klägerischen Tätigkeit als die des Handelsvertreters ergibt sich auch daraus, dass gemäß der Vereinbarung Anlage K 1 sie eine Provision nur für „erfolgreiche Vermittlung“ erhält; weiter heißt es in dem Vertrag unter Ziffer 3:
„Die Provision steht dem Vermittler zu, wenn und soweit der Auftraggeber seine Provision vom jeweiligen Lieferanten erhalten hat. Der Auftraggeber wird dem Vermittler den jeweiligen Zahlungseingang umgehend mitteilen“.
16
Aus dieser Provisionsregelung ergibt sich, dass die Klägerseite die Stellung eines Handelsvertreters hatte, nicht die eines Handelsmaklers (vgl. Münchner Kommentar zum HGB Ströbl Rn 30 zu § 93 HGB).
17
Die Abrechnungen – deren Berechtigung teilweise zwischen den Parteien streitig ist bezüglich der Höhe – zeigen, daß eine wie auch immer gearteten Begrenzung der Tätigkeit der Klägerin als „Vermittler“ nur insoweit vereinbart war, dass es sich auf die Produkte von 3 namentlich genannten Firmen bezog. Der Beklagten war dies auch von ihrer eigenen anwaltlichen Vertretung klar gemacht worden, wie die Mail der Beklagtenvertreterin vom 13.10.2022 an die Beklagte zeigte. Die Beklagtenvertreterin hatte gemäß dieser Anlage K 16 die Problematik der Beklagten ausführlich dargetan, weshalb sie die Tätigkeit der Klägerin nunmehr als „Gelegenheitsvermittler“ im Vertragsentwurf benannt hatte. Weiter heißt es in dieser Mail:
„Der anliegende Entwurf ist also keine Garantie, dass sie eines Tages kein Ausgleich etc. zahlen müsste“.
18
Einer Qualifizierung der vertraglichen Vereinbarung zwischen den Parteien als Handelsvertreter widerspricht auch nicht, dass die Klägerseite „ständig betraut“ i.S.v. § 84 HGB war. Die insoweit gesetzlich vorgesehene „Bemühenspflicht“ der Klägerseite wurde durch die individualvertragliche Vereinbarung in Ziffer 1 letzter Absatz des Vertrages Anlage K 1 aufgehoben.
19
Die Rolle der Klägerin ist auch nicht die eines Handelsmaklers gewesen, da sie entgegen der Vorschrift des § 93 Abs. 2 HGB ständig „betraut“, wenn auch ohne Tätigkeitsverpflichtung; angesichts des Wortlauts des § 93 Abs. 1 HGB ist deshalb die Rolle der Klägerin auch nicht die einer Handelsmaklerin gewesen.
20
Auch scheidet die Qualifizierung der Tätigkeit der Klägerin als Zivilmaklerin aus, da sie, was die zu vermittelnden Waren anbelangt, gerade mit dem Vertrieb von Textilien und damit handelsrechtlich üblicher Vertragsgegenstände betraut war, entgegen den üblichen Tätigkeitsbereich des Zivilmaklers nach BGB als Grundstücksmakler, Darlehens- oder Ehevermittler. Auch die Pflichten eines Handelsmaklers bezüglich der „Nachweistätigkeit“, die im Vertrag gerade nicht postuliert war, zeigt, dass die Klägerseite nicht Handelsmakler, sondern Handelsvertreterin ist.
21
Da die Klägerin deshalb als Handelsvertreterin zu qualifizieren ist, stand ihr auch ein Buchauszugsanspruch gem. § 87 c HGB zu.
22
Die Kostenentscheidung bleibt der Endentscheidung vorbehalten.
23
Vorläufige Vollstreckbarkeit § 708 Nr. 11 ZPO, da die Erstellung des Buchauszugs angesichts dreier vorgegebener Kunden und einem Beginn der Geschäftstätigkeit im Februar 2022 und ein Tätigkeitszeitraum von Vertragsbeginn bis Frühjahr 2023 mit 7 Rechnungsstellungen und dementsprechend geringer Arbeitsaufwand nur zu leisten ist.