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LG Nürnberg-Fürth, Urteil v. 18.10.2024 – 12 NBs 503 Js 2133/21
Titel:

Schuldnerbegünstigung – Einwilligung in das Beiseiteschaffen von Forderungen

Normenketten:
StGB § 283d
InsO § 15a Abs. 4
Leitsätze:
Ist der Schuldner im Fall des § 283d StGB eine GmbH, kommt es für die Einwilligung (§ 283d Abs. 1 Var. 1 StGB) ins Beiseiteschaffen auf deren Geschäftsführer und nicht auf die Gesellschafter an. (Rn. 18 – 19)
Durch die schriftliche Aufforderung der Kunden, Forderungen durch Zahlung auf ein nicht der Gesellschaft zugeordnetes Konto zu begleichen, wurden die Forderungen iSd § 283d StGB beiseitegeschafft. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schuldnerbegünstigung, Forderungseinzug, Einwilligung, Geschäftsführer, Gesellschafter
Vorinstanz:
AG Nürnberg, Urteil vom 14.05.2024 – 425 Ls 503 Js 2133/21
Rechtsmittelinstanz:
BayObLG, Beschluss vom 03.02.2025 – 204 StRR 24/25
Fundstellen:
ZInsO 2024, 2572
LSK 2024, 29272
wistra 2025, 86
FDInsR 2024, 029272
ZRI 2024, 1157
BeckRS 2024, 29272

Tenor

1. Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Nürnberg vom 14.5.2024 – 425 Ls 503 Js 2133/21 – in seiner Ziff. I des Tenors abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Angeklagte ist schuldig der vorsätzlichen Insolvenzverschleppung und der Schuldnerbegünstigung in vier tatmehrheitlichen Fällen.
Er wird deshalb zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 11 Monaten verurteilt.
2. Die weitergehende Berufung wird als unbegründet verworfen.
3. Der Angeklagte trägt die Kosten der Berufungsinstanz. Die Berufungsgebühr wird um 1/6 ermäßigt.

Entscheidungsgründe

I.
1
Das Amtsgericht Nürnberg hat den Angeklagten am 14.05.2024 wegen vorsätzlicher Insolvenverschleppung und Schuldnerbegünstigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Zugleich hat es dessen frühere Lebensgefährtin und Mitangeklagte P wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung und vorsätzlichen Bankrotts und wegen Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt in 21 tatmehrheitlichen Fällen zu einer ausgesetzten Freiheitsstrafe verurteilt, die rechtskräftig ist, nachdem P ihre Berufung zurückgenommen hat.
2
Gegen seine eigene Verurteilung wandte sich der Angeklagte mit der unbeschränkt eingelegten Berufung. Diese hatte den aus dem Tenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen wurde sie als unbegründet verworfen.
II.
1. …
3
2. Der Angeklagte ist mehrfach vorbestraft, teils einschlägig, und zwar wie folgt: …
III.
4
Die Kammer hat folgenden Sachverhalt festgestellt:
5
Der Angeklagte betrieb seit Mitte 2015 zusammen mit der Verurteilten P das Reinigungsunternehmen TF GmbH (fortan: TF) mit Firmensitz in … P war Mitgesellschafterin und Alleingeschäftsführerin der GmbH und vorrangig für die kaufmännische Seite des Unternehmens zuständig. Der Angeklagte leitete, ohne Geschäftsführer zu sein, das Unternehmen in technisch-operativer Hinsicht, indem er die Reinigungskolonnen organisierte, die Putzkräfte einteilte und anleitete und neue Kunden akquirierte.
6
Am 24.02.2021 beschloss die Gesellschafterversammlung der TF die Umfirmierung in AF, die Sitzverlegung nach … und die Bestellung des Angeklagten als Alleingeschäftsführer, weil P ihre Geschäftsführung zugleich niederlegte.
7
1. Spätestens seit September 2020 war, wie auch der Angeklagte wusste, die TF nicht mehr in der Lage, ihre fälligen und ernstlich eingeforderten Verbindlichkeiten in wesentlichem Umfang zu bedienen. Seit 30.11.2020 betrug die Unterdeckung durchgehend mehr als 90%, seit 31.12.2020 sogar durchgehend mehr als 96%. Zum Ende des Jahres 2020 stellte die TF ihren werbenden Geschäftsbetrieb ein. Dem Angeklagten war die desolate finanzielle Lage der TF bekannt. Gleichwohl stellte er, als er am 24.02.2021 die Geschäftsführung der TF (nunmehr AF) übernahm, und obwohl er seine Pflicht hierzu kannte, nicht umgehend einen Insolvenzantrag.
8
Mit Eingang beim Amtsgericht Nürnberg – Insolvenzgericht – am 24.02.2021 stellte vielmehr die … einen Fremdantrag. Der Angeklagte selbst stellte einen auf den 25.03.2021 datierten, beim Insolvenzgericht am 08.04.2021 eingegangenen Insolvenzantrag. Weder der Angeklagte noch die Verurteilte P hatten für die TF / AF Corona-Hilfen beantragt. Mit Beschluss vom 12.05.2021 eröffnete das Amtsgericht Nürnberg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AF.
9
2. Dem Angeklagten und der Verurteilten P war spätestens seit September 2020 klar, dass sich die TF in einer ernsten wirtschaftlichen Krise befand und dass deren Vermögen im Fall der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens in die Insolvenzmasse fallen würde. Beide waren jedoch nicht gewillt, das Scheitern ihres gemeinsamen Unternehmens einfach hinzunehmen, vielmehr wollten sie die im Laufe der Zeit aufgebauten Geschäftsbeziehungen für sich retten. Dazu beabsichtigten sie, sich der Verbindlichkeiten der TF zu entledigen und den Betrieb mit einer anderen GmbH fortzusetzen. Hierzu bedienten sie sich der mit Gesellschaftsvertrag vom 26.05.2020 gegründeten TH mit Sitz in …, an der sie je hälftig als Gesellschafter beteiligt und deren Geschäftsführer beide waren.
10
Zur Durchführung ihres Plans erstellten und verschickten P und der Angeklagte auf dessen Initiative und aufgrund jeweils neuen Tatentschlusses Schreiben an verschiedene Auftraggeber der TF. Darin teilten sie unter dem Betreff „Änderung – neue Firmierung“ mit, dass sie „eine Änderung in unsere[r] Firma mitteilen“ möchten, das sei „jetzt die Firma TH, mit Sitz in …“, und dass die Auftraggeber ihre Rechnungen nunmehr auf ein Konto bei der Stadtsparkasse M bezahlen sollten. Dieses Konto (IBAN …) war eines der TH. Weiter hieß es dort: „Rechnungen, Verträge, sowie jeglicher Schriftverkehr laufen ab sofort über unsere Hauptfiliale …“. Die Schreiben waren von beiden – dem Angeklagten und der Verurteilten – unterschrieben und wurden u.a. verschickt an die Ta (dort eingegangen am 05.12.2020), an die C (eingegangen am 07.12.2020) und an D (eingegangen vor dem 08.12.2020). An Ihren größten Kunden, die Stadt N, verschickten die beiden Täter aufgrund gemeinsamer Absprache bereits am 16.11.2020 per Fax ein Schreiben mit dem Briefkopf der TF, worin dem Empfänger ohne jeden Hinweis auf die TH oder einen Wechsel des Vertragspartners schlicht die neue Kontonummer der „Firma T“ – diejenige bei der Stadtsparkasse M – mitgeteilt wurde.
11
Wie von beiden geplant und erhofft überwiesen die angeschriebenen Kunden in der Folgezeit die eingeforderten Rechnungsbeträge jeweils nicht mehr auf das bekannte Konto der TF, sondern auf das angegebene Konto der TH. Das taten sie in dem Glauben, weiterhin an ihren bisherigen Vertragspartner zu leisten. Dem Angeklagten war klar, dass den Gläubigern der TF / AF auf die Weise der Zugriff auf deren Vermögenswerte erschwert wurde. Bis einschließlich 30.03.2021 erfolgten auf das TH-Konto Überweisungen in folgender Gesamthöhe:

Fall

überweisender Kunde der TFC

Gesamtüberweisung in €

a)

Stadt N

533.350,06

b)

Ta

653,30

c)

C

2.098,75

d)

D

3.036,15

Summe:

539.138,26

12
Vertragsübergänge von der TF / AF auf die TH gab es in den Vertragsbeziehungen mit den genannten Kunden bis 30.03.2021 nicht, nachdem der Wechsel auf die TH gegenüber den Kunden in den Fällen b-d lediglich als eine Umfirmierung dargestellt wurde. Mit der Stadt N versuchten der Angeklagte und P seit Ende 2020 eine Vertragsübernahme durch die TH zu vereinbaren. Erst mit Wirkung vom 01.04.2021 fand eine Übernahme der Reinigungsaufträge der TF / AF bei der Stadt N durch die TH statt.
IV.
13
1. Die Feststellungen der Kammer zu seinen persönlichen Verhältnissen (oben II) beruhen auf den glaubhaften Angaben des Angeklagten sowie auf dem verlesenen Auszug aus dem Bundeszentralregister und auf den verlesenen Urteilen bzw. Strafbefehlen. Diese hat der Angeklagte als zutreffend bestätigt und teilweise ergänzend zu deren Kontext ausgeführt.
14
2. Die Feststellungen der Kammer zur Sache (oben III) beruhen auf dem glaubhaften Geständnis des Angeklagten und auf der ergänzend durchgeführten Beweisaufnahme. Beide begründeten in ihrer Zusammenschau die volle Überzeugung der Kammer davon, dass sich der Sachverhalt wie geschildert abgespielt hat …
V.
15
Damit hat sich der Angeklagte wie tenoriert schuldig gemacht.
16
1. Der Strafbarkeit wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung (§ 15a Abs. 4 InsO) stand § 1 Abs. 3 Satz 1 Sanierungs- und insolvenzrechtliches Krisenfolgenabmilderungsgesetz (SanInsKG) nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift war in dem hier interessierenden Zeitraum 01.01.2021 bis 30.04.2021 die Antragspflicht ausgesetzt, wenn im Zeitraum 01.11.2020 bis 28.02.2021 ein Antrag auf Gewährung finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie gestellt wurde. Letzteres hat der Angeklagte auf Nachfrage allerdings verneint und die Kammer hatte auch sonst keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass ein solcher Antrag gestellt worden wäre.
17
Der Strafbarkeit wegen Insolvenzverschleppung stand weiterhin nicht entgegen, dass der Angeklagte die Geschäftsführung bei der TF und damit seine Verpflichtung zur Insolvenzantragstellung erst am 24.02.2021 erlangt hatte. Es wird zwar erwogen, einem neu eintretenden Geschäftsführer zunächst eine gewisse Überlegungsfrist zu gewähren, innerhalb derer er prüfen kann, wie es um die Gesellschaft steht (vgl. Müller-Gugenberger/Richter, WirtschaftsstrafR, 8. Aufl., Rn. 80.42). Darauf kam es hier aber nicht an, weil der Angeklagte, auch wenn die Bürotätigkeit in der Hauptsache der Verurteilten P oblag, über die finanziellen Verhältnisse der TF im Bilde war und aus eben diesem Grunde zuvor die Vermögensverschiebung in Richtung der TH initiiert hatte. Daher stand ihm auch nicht die volle Drei-Wochen-Frist des § 15a Abs. 1 Satz 2 InsO zur Verfügung. Bei dieser Frist handelt es sich um eine absolute Höchstgrenze für die Stellung des Insolvenzantrages. Der Geschäftsführer darf sie nicht ausschöpfen, wenn etwaige Bemühungen um eine Sanierung des Unternehmens keine ernstlichen Aussichten auf Erfolg bieten (Scholz/Bitter, GmbHG, 13. Aufl., § 15a InsO Rn. 64; Graf/Jäger/Wittig/Reinhart, Wirtschafts- und SteuerstrafR, 3. Aufl., § 15a InsO Rn. 117). So lagen die Dinge hier. Die TF war nicht mehr zu retten und sollte nach dem Willen des Angeklagten auch nicht mehr gerettet werden. Damit kam der Eigeninsolvenzantrag des Angeklagten jedenfalls zu spät.
18
2. Ebenso ist der Tatbestand der Schuldnerbegünstigung erfüllt, weil die TF zur Zeit der Versendung der einzelnen Schreiben an ihre Kunden ihre Zahlungen bereits eingestellt hatte (§ 283d Abs. 1 Nr. 2, Abs. 4 StGB, § 17 Abs. 2 InsO). Zahlungseinstellung liegt vor, wenn nach außen erkennbar zutage tritt, dass der Schuldner einen erheblichen Teil seiner von den Gläubigern ernsthaft eingeforderten Verbindlichkeiten nicht mehr begleicht (BGH, Beschluss vom 05.03.2020 – IX ZR 171/18, juris Rn. 12; Fischer, StGB, 71. Aufl., vor § 283 Rn. 13). Das war schon im Hinblick auf die nicht abgeführten Arbeitnehmeranteile der Fall, wegen der P als seinerzeit alleinige Geschäftsführerin gem. § 266a StGB in diesem Verfahren verurteilt wurde.
19
Die TF war auch „ein anderer“ i.S.d. Strafnorm. Die Handlungen des Angeklagten waren der Gesellschaft nicht zuzurechnen, weil er zur Zeit der Absendung der verschiedenen Schreiben an die Kunden weder formeller noch faktischer Geschäftsführer der TF war (wäre es anders, wäre er nach § 283 Abs. 1 Nr. 1 StGB unter Heranziehung des gleichen Strafrahmens zu bestrafen gewesen). Das Einverständnis der Verurteilten P mit dem geschilderten Vorgehen – es war ja auch ihr Plan – war als Einwilligung (§ 283d Abs. 1 Var. 1 StGB) des anderen, der TF, zu werten, weil P zu der Zeit deren Alleingeschäftsführerin war (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB mit § 35 Abs. 1 Satz 1 GmbHG; so auch MüKo-StGB/Petermann/Hofmann, 4. Aufl., § 283d Rn. 10; NK-StGB/Kindhäuser/Bülte, 6. Aufl., § 283d Rn. 4; Graf/Jäger/Wittig/Reinhart, Wirtschafts- und SteuerstrafR, 3. Aufl., § 283d StGB Rn. 3; a.A. LK-StGB/Brand, 13. Aufl., § 283d Rn. 21; Brand/Sperling, ZStW 2009, 281, 295 ff.: maßgeblich sei ein Beschluss der Gesellschafter).
20
Die einzelnen Tathandlungen lagen in der jeweiligen Absendung der Schreiben an die einzelnen Kunden. Damit wurden die Kunden jeweils veranlasst, die Forderungen der TF durch Zahlungen auf ein nicht der TF zugeordnetes Konto zu begleichen, wodurch diese Forderungen im Sinne des § 283d StGB beiseitegeschafft wurden (zu der Tatmodalität vgl. BGH, Urteil vom 29.04.2010 – 3 StR 314/09, juris Rn. 26 f.; LK-StGB/Brand, 13. Aufl., § 283 Rn. 5). Das Absenden eines jeden einzelnen Schreibens war konkurrenzrechtlich jeweils als eine Tat i.S.v. Tatmehrheit zu werten (vgl. Brand, aaO, § 283c Rn. 31; NK-StGB/Kindhäuser/Bülte, 6. Aufl., § 283d Rn. 13; MüKo-StGB/Petermann/Hofmann, 4. Aufl., § 283d Rn. 25), die objektive Strafbarkeitsbedingung des § 283d Abs. 4 StGB verknüpfte die einzelnen Handlungen nämlich nicht zu einer Tat.
VI.
21
1. Die Strafrahmen hat die Kammer für die Insolvenzverschleppung § 15a Abs. 4 InsO entnommen und für die Fälle der Schuldnerbegünstigung § 283d Abs. 1 StGB. Bei der letztgenannten Strafnorm hat die Gesamtabwägung aller Umstände nicht zur Annahme unbenannter besonders schwerer Fälle (§ 283d Abs. 3 Satz 1 StGB) genötigt, auch wenn dies im Fall III.2.a (Stadt N) angesichts der Höhe der dort beiseite geschafften Gelder ausgesprochen nah gelegen hätte (vgl. LK-StGB/Brand, 13. Aufl., § 283d Rn. 29 mit § 283a Rn. 12). Allerdings reicht insoweit der Normalstrafrahmen aus, um das Unrecht der Tat angemessen zu ahnden.
22
2. Bei der Strafzumessung im engeren Sinne waren für die Kammer folgende Erwägungen leitend:
23
a) Zugunsten des Angeklagten sprach sein Geständnis und die klar artikulierte Einsicht, Fehler begangen zu haben, also Reue. Der Angeklagte versuchte auch nicht, die Verantwortung auf die Verurteilte P zu schieben, sondern bekannte sich dazu, die Idee mit den Schreiben an die Kunden gehabt zu haben. Die Kammer hat auch gesehen, dass der Schwerpunkt des kriminellen Vorlebens des Angeklagten zeitlich schon deutlich zurückliegt und es bei ihm in den letzten Jahren strafrechtlich „ruhiger“ zuging.
24
Bei § 15a Abs. 4 InsO hat die Kammer bedacht, dass der Angeklagte die Insolvenz in zeitlicher Hinsicht nur geringfügig verschleppt hat.
25
b) Zulasten des Angeklagten hat die Kammer berücksichtigt, dass der Angeklagte mehrfach, teils auch einschlägig vorbestraft ist und insoweit auch wiederholt Hafteindrücke gesammelt hat. Er handelte hier unter laufender, erst kurz vor den abgeurteilten Taten verhängter Bewährung, die Rückfallgeschwindigkeit war mithin beachtlich. Bei der Schuldnerbegünstigung im Fall III.2.a (Stadt N) wurde der erhebliche Wert des beiseite geschafften Vermögens strafschärfend gewertet. Bei dieser Tat lag bei Versendung des Faxes auch Vorsatz dahingehend vor, dass von diesem Kunden noch erhebliche Zahlungen zu erwarten waren. Es handelte sich mit großem Abstand um den wichtigsten Kunden (80% des Gesamtumsatzes), dessen Aufträge nunmehr mit der TH fortgeführt werden sollten.
26
c) Auf dieser Grundlage und unter Abwägung der genannten Umstände hat die Kammer folgende Einzelfreiheitsstrafen gebildet:
- für die Insolvenzverschleppung: 90 Tagessätze;
- für den Fall III.2.a der Schuldnerbegünstigung: ein Jahr neun Monate Freiheitsstrafe;
- für die Fälle III.2.b-d der Schuldnerbegünstigung: jeweils 90 Tagessätze.
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Sofern sie Geldstrafen verhängt hat, hat die Kammer die jeweilige Tagessatzhöhe mit 5 € angesetzt. Das entspricht den aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten als vermögensloser und insolventer Bürgergeldempfänger (vgl. LG Nürnberg-Fürth, Urteil vom 12.03.2024 – 12 KLs 505 Js 503/22, juris Rn. 74-76 unter Verweis auf BayObLG, Beschluss vom 06.11.2023 – 204 StRR 470/23, juris).
28
3. Unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände und insbesondere mit Blick darauf, dass der Angeklagte erneut einschlägig beim Betrieb eines Unternehmens straffällig geworden ist und dies in kurz zuvor verhängter Bewährungszeit erfolgte, hielt die Kammer unter maßvoller Erhöhung der Einsatzstrafe (§ 54 Abs. 1 Satz 2 StGB) die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und elf Monaten für erforderlich aber auch für ausreichend und insgesamt für tat- und schuldangemessen. Wegen der grundsätzlich gesamtstrafenfähigen, aber bereits vollstreckten Geldstrafe aus dem Strafbefehl des Amtsgerichts Nürnberg vom 14.02.2022 wurde dabei ein Härteausgleich gewährt.
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4. Die Aussetzung der erkannten Gesamtfreiheitsstrafe zur Bewährung schied nach Wertung der Kammer aus, weil sie dem Angeklagten keine günstige Sozial- oder Legalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) stellen konnte. Für die positive Legalprognose ist es ausreichend, dass aufgrund der festgestellten Tatsachen die Wahrscheinlichkeit künftigen straffreien Lebens höher einzuschätzen ist als die Möglichkeit der Begehung neuer Straftaten. Das Bestehen einer bloßen Hoffnung künftigen straffreien Lebens reicht aber nicht aus (BGH, Beschluss vom 29.09.2015 – 5 StR 394/15, juris; Fischer, StGB, 71. Aufl., § 56 Rn. 4a).
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Eine in diesem Sinn gegebene Wahrscheinlichkeit sah die Kammer nicht. Sie hat zur Kenntnis genommen, dass der Angeklagte angekündigt hat, sich nie wieder selbständig machen zu wollen, sodass, wie er meint, keine Gefahr bestünde, er könnte sich erneut einschlägig strafbar machen. Weiter zeigt sein Vorleben, dass die Delinquenz im Laufe der Jahre abgenommen hat und er letztmals vor längerer Zeit, Anfang 2011, aus der Haft entlassen wurde.
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Das bewertet die Kammer aber insgesamt nicht als hinreichend tragfähig. Selbst der vor Jahren über längere Zeit gewonnene Hafteindruck hat nicht dazu geführt, dass der Angeklagte in der hier beurteilten Krisensituation die richtigen Schlüsse – sich diesmal rechtskonform zu verhalten – gezogen hätte. In Kenntnis seines Vorlebens, das auch schon nicht durchgestandene Bewährungsfristen beinhaltete, und obwohl er kurz zuvor vom Amtsgericht Nürnberg unter eine Bewährung gestellt wurde (was die Anforderungen an die Begründung der günstigen Prognose ohnehin erhöht hätte: vgl. BayObLG, Urteil vom 27.07.2020 – 203 StRR 210/20, juris Rn. 6 f.), entschied er sich für das Begehen mehrerer nicht unerheblicher Wirtschaftsstraftaten. Die Kammer versteht das so, dass der Angeklagte bereit ist, die Legalität seines Tuns hintanzustellen, wenn er meint, ein anderes Ziel sei ihm wichtiger. Deshalb ist sie auch nicht überzeugt, dass die Ankündigung, künftig die Finger von der Selbständigkeit zu lassen, eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Legalbewährung bietet. Der Angeklagte hat sich, so der Eindruck der Kammer, in dieser Hinsicht insgesamt nicht ausreichend im Griff. Seine aktuell wirtschaftlich instabile Lage (Privatinsolvenz, Bürgergeldbezug) spricht ebenfalls gegen eine positive Prognose. Bislang hat der Angeklagte – wie es seine Vorstrafen ausweisen – auf wirtschaftliche Probleme wiederholt mit der Begehung von Vermögensstraftaten (v.a. Betrug) reagiert.
VII.
32
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1, 4 StPO.