Titel:
Medizinische Notwendigkeit einer ACP-Therapie
Normenkette:
MB/KK § 1 Abs. 2, § 4 Abs. 6
Leitsatz:
Bei der ACP-Therapie zur Behandlung einer chronischen Achillessehnentendinopathie bzw. Achillodynie handelt es sich weder um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung noch um eine von der Schulmedizin überwiegend anerkannte oder um eine sich in der Praxis ebenso erfolgversprechende bewährte Behandlungsmethode, so dass keine Kostenerstattungspflicht des privaten Krankenversicherers besteht. (Rn. 22 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
private Krankenversicherung, ACP-Therapie, medizinische Notwendigkeit, Schulmedizin, Achillessehne
Fundstelle:
BeckRS 2024, 29035
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Tatbestand
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Die Beklagten streiten über die Erstattung von Behandlungskosten für eine ACP-Therapie.
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Der Kläger ist bei der Beklagten nach den Tarifen 141, 541 und 341 mit einem Erstattungssatz von 100% und einem jährlichen Selbstbehalt von 250,00 € privat krankenversichert.
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Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten zugrunde.
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§ 1 Abs. 2 der AVB lautet auszugsweise wie folgt:
1 Versicherungsfall ist die medizinisch notwendige Heilbehandlung einer versicherten Person wegen Krankheit oder Unfallfolgen.“
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Der Kläger leidet an einer chronifizierten Achillessehnentendinopathie links mit Teilruptur bei kleiner Haglundexostose, an einer Verkürzung der Achillessehne und an einem Hohlfuß. Der Kläger nahm bei dem Arzt Dr. … eine ACP-Therapie in Anspruch. Hierfür entstanden dem Kläger Kosten in Höhe von 1.300,24 €. Für die Erstattung eines Gutachtens zur Wirksamkeit der ACP-Therapie entstanden dem Kläger Kosten in Höhe von 101,00 €.
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Mit Leistungsabrechnung vom 21.02.2022 (Anlage 3) erstattete die Beklagte auf die Gutachtenskosten einen Betrag in Höhe von 30,00 €.
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Mit Schreiben vom 04.04.2022 (Anlage 4) lehnte die Beklagte eine Kostenerstattung ab.
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Der Kläger meint, bei der ACP-Therapie handle es sich um eine medizinisch notwendige Behandlung im Sinne der Versicherungsbedingungen. Zahlreiche Studien würden die Wirksamkeit der ACP-Therapie bestätigen. Die Beklagte gebe die Erstattung der Kosten für bis zu zwölf Eigenblutbehandlungen in einem Informationsschreiben zu alternativen Heilbehandlung durch Ärzte und Heilpraktiker bekannt. Durch die Teilzahlung habe sie das Vertrauen des Klägers bestärkt, das auch der restliche Teil der Therapie erstattet werde.
I. Die Beklagte wird verurteilt an den Kläger 1.401,24 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für die außergerichtliche Inanspruchnahme des Unterfertigten in Höhe von 220,27 € nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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Die Beklagte trägt vor, die beim Kläger durchgeführte ACP-Therapie sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Es handle sich dabei nicht um ein von der Schulmedizin anerkanntes Verfahren. Nach § 4 Abs. 6 Satz 1 AVB bestünde eine Erstattungspflicht nur für solche Verfahren. In Bezug auf die Rechnung in Höhe von 101,00 € seien die Ziffern 80 und 95 nicht berechnungsfähig. Allenfalls könnte die GOÄ-Ziffer 75 angesetzt werden.
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Das Gericht hat Beweis erhoben durch informatorische Anhörung des Klägers im Termin vom 04.10.2023. Darüber hinaus hat das Gericht ein schriftliches Sachverständigengutachten eingeholt. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsniederschrift vom 04.10.2023 (Bl. 76 d.A.) sowie das Gutachten des Sachverständigen Dr. med. … vom 26.01.2024 (Bl. 94-115 d.A.) Bezug genommen.
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Mit Beschluss vom 25.03.2024 hat das Gericht mit Zustimmung der Parteien festgelegt, im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO zu entscheiden. Als Termin der dem Schluss der mündlichen Verhandlung entspricht, wurde der 08.04.2024 bestimmt.
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Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Klageschrift vom 17.01.2023, die Klageerwiderung vom 19.02.2020 sowie die weiteren zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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Dem Kläger stehen im Hinblick auf die streitgegenständlichen ärztlichen Rechnungen keine weiteren Ansprüche gegen die Beklagte zu.
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1. Der Kläger konnte den Beweis nicht führen, dass es sich bei der ACP-Therapie um eine medizinisch notwendige Heilbehandlung handelt, was jedoch Voraussetzung für einen vertraglichen Anspruch gegen die Beklagte wäre.
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Mit dem Begriff der medizinischen Notwendigkeit einer Heilbehandlung wird – für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer erkennbar – zur Bestimmung des Versicherungsfalls ein objektiver, vom Vertrag zwischen Arzt und Patient unabhängiger Maßstab eingeführt (BGHZ 133, 208 [212] = NJW 1996, 3074; BGHZ 154, 154 [166] = NJW 2003, 1596; Senat, NJW 1978, 1197 = VersR 1978, 271). Insoweit hängt die Beurteilung nicht allein von der Auffassung des Versicherungsnehmers oder des ihn behandelnden Arztes ab (BGHZ 133, 208 = NJW 1996, 3074 m.w. Nachw.), sondern von den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen im Zeitpunkt der Vornahme der Behandlung. Steht danach die Eignung einer Behandlung, eine Krankheit zu heilen oder zu lindern, nach medizinischen Erkenntnissen fest, folgt daraus grundsätzlich auch die Eintrittspflicht des Versicherers (BGHZ 133, 208 = NJW 1996, 3074). Medizinisch notwendig kann eine Behandlung aber auch dann sein, wenn ihr Erfolg nicht sicher vorhersehbar ist. Es genügt insoweit, wenn die medizinischen Befunde und Erkenntnisse es im Zeitpunkt der Behandlung vertretbar erscheinen lassen, die Behandlung als notwendig anzusehen (BGHZ 133, 208 = NJW 1996, 3074; BGHZ 154, 154 [166] = NJW 2003, 1596; Senat, NJW 1979, 1250 = VersR 1979, 221; NJW-RR 1991, 1244 = VersR 1991, 987). Ob dies der Fall ist, kann nur anhand der im Einzelfall maßgeblichen objektiven Gesichtspunkte mit Rücksicht auf die Besonderheiten der jeweiligen Erkrankung und der auf sie bezogenen Heilbehandlung bestimmt werden (vgl. BGHZ 133, 208 [215] = NJW 1996, 3074).
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Das Urteil des behandelnden Arztes ist daher einer Überprüfung durch einen neutralen Sachverständigen zu unterziehen (BGH, Urteil vom29.03.2017, NJW 2017, 2408). Dabei ist die Beurteilung nach den objektiven medizinischen Befunden und Erkenntnissen, unabhängig von der Auffassung des Behandlers oder Versicherten, zum Zeitpunkt der Vornahme der ärztlichen Behandlung (ex ante) abzustellen.
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Der Kläger konnte nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht nachweisen, dass die Voraussetzungen einer medizinisch notwendigen Heilbehandlung vorlagen.
21
Nach den Ausführungen des Sachverständigen Dr. med. … in seinem Gutachten vom 26.01.2024 handle es sich bei der beim Kläger durch den Arzt Dr. … durchgeführten ACP-Therapie zur Behandlung einer chronifizierten Achillessehnen-Tendinopathie links mit Teilruptur bei kleiner Haglund-Exostose, einer Verkürzung der Achillessehne und eines Hohlfußes um keine medizinisch notwendige Heilbehandlung (Bl. 115 d.A.). Insbesondere sei diese ausweislich der wissenschaftlichen Erkenntnisse zu Behandlungsbeginn nicht geeignet gewesen, die beim Klägern vorliegende Krankheit zu heilen oder zu lindern. Die medizinischen Befunde und Erkenntnisse ließen es im Zeitpunkt der Behandlung nicht vertretbar erscheinen, die Behandlung als notwendig anzusehen (Bl. 115 d.A.).
22
Aufgrund der medizinischen Dokumentation sei davon auszugehen, dass beim Kläger bei Behandlungsbeginn an der Praxis Dr. … bzw. bei Beginn der ACP-Therapie eine chronische Achillessehnentendinopathie bzw. eine Achillodynie vorgelegen habe (Bl. 111 Rückseite d.A.). Wissenschaftliche Studien würden zeigen, dass bis dato die Wirksamkeit einer PRP- bzw. ACP-Therapie bei Achillessehnentendinopathie/Achillodynie bzw. Partialruptur/Ruptur der Achillessehne im Vergleich zu Placebo-Maßnahmen nicht nachgewiesen sei. Dementsprechend werde auch in der Leitlinie „Epicondylopathia radialis humeri“ ausgeführt, dass es nicht genügend wissenschaftliche Evidenz für oder gegen die Anwendung von Eigenblutinjektionen, Platelet-rich-plasma-Injektionen (PRP), Botolinumtoxin A, Hyaluronsäure, Prolo-Therapie, Polidocanol-Injektionen und/oder Homöopathische Präparate gäbe. Es sei deshalb eine abschließende Beurteilung noch nicht möglich (Bl. 114 d.A.). Die medizinische Notwendigkeit der beim Kläger durchgeführten ACP-Therapie sei daher zu Beginn der Behandlung nicht gegeben gewesen. Die Vertretbarkeit der medizinischen Notwendigkeit habe nicht vorgelegen, zumal die Methode/Vorgehensweise wissenschaftlich nicht fundiert gewesen sei und dies bis dato auch nicht sei. Dementsprechend sei die angewandte Methode einer ACP-Therapie zur Behandlung der beim Kläger vorliegenden Erkrankungen weder bewährt noch erfolgversprechend. Die Behandlung sei auch nicht erforderlich gewesen, da andere, erfolgversprechende geeignete Maßnahmen zur Behandlung der Erkrankung zur Verfügung gestanden hätten (Bl. 114 Rückseite d.A.).
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Auch handle es sich bei der ACP-Therapie nicht um eine Untersuchungs- oder Behandlungsmethode, die von der Schulmedizin überwiegend anerkannt sei oder die sich in der Praxis als ebenso erfolgversprechend bewährt habe oder die angewandt werde, weil keine schulmedizinischen Methoden oder Arzneimittel zur Verfügung stünden (Bl. 115 d.A.).
24
Der Sachverständige hat seine Schlussfolgerungen auf eine hinreichende Grundlage gestützt, in dem insbesondere die Angaben der Parteien und auch die vorliegenden Dokumentationen (medizinische Unterlagen) in seine Begutachtung miteinbezogen hat. Die Schlussfolgerungen, die der Sachverständige hieraus zieht, sind für das Gericht vollumfänglich nachvollziehbar und glaubhaft.
25
Damit handelt es sich bei der streitgegenständlichen ACP-Therapie um keine medizinisch notwendige Heilbehandlung und auch nicht um eine von der Schulmedizin überwiegend anerkannte oder eine sich in der Praxis ebenso erfolgversprechende bewährte Methode im Sinne der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der Beklagten. Die Nichtzahlung der Beklagten erfolgte daher zu Recht.
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2. Aus diesem Grund waren auch die weiteren Kosten aus der Rechnung des Arztes Dr. … in Höhe von 101,00 € nicht erstattungsfähig. In Höhe von 30,00 € war die Klage insoweit schon wegen unstreitiger Erfüllung unbegründet.
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3. Die Nebenforderungen teilen das Schicksal der Hauptforderung.
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Die Klage war daher insgesamt abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708, 711, 709 S. 2 ZPO.
30
Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach der Höhe der geltend gemachten Hauptforderung.