Titel:
Keine Zweifel an der Unparteilichkeit einer ärztlichen Sachverständigen
Normenkette:
ZPO § 42, § 358a, § 406
Leitsätze:
1. Gerade im medizinischen Bereich ist es üblich und nicht zu beanstanden, wenn beauftragte Sachverständige (Chefärzte oder Oberärzte) Mitarbeiter in die Gutachtenserstattung einbinden. (Rn. 5) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dass eine Sachverständige ihr medizinisches Studium an der beklagten Klinik absolviert und dort promoviert hat, vermag eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. (Rn. 6) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine für eine Partei nachteilige Feststellung einer Sachverständigen vermag grundsätzlich nicht die Besorgnis einer Befangenheit begründen. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Befangenheitsantrag, Sachverständigengutachten, ärztliche Behandlung, Geburtshilfe
Rechtsmittelinstanz:
OLG Bamberg, Beschluss vom 17.09.2024 – 4 W 41/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28948
Tenor
Der Antrag der Klägerin auf Ablehnung der Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit vom 21.05.2024 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe
1
Im vorliegenden Verfahren macht die Klägerin Ansprüche auf Schadensersatz, Schmerzensgeld und Feststellung aus einer behaupteten fehlerhaften ärztlichen Behandlung geltend. Mit Beschluss vom 04.10.2023 wurde … mit der Erstattung eines vorterminlichen Sachverständigengutachtens beauftragt, § 358 a ZPO.
2
Das Gutachten vom 19.02.2024 ging am 26.02.2024 bei Gericht ein. Unterzeichnet wurde das Gutachten von der beauftragten Sachverständigen und von … Ärztin in Weiterbildung.
3
Mit Verfügung vom 07.03.2024 wurde das Gutachten der Sachverständigen an die Parteien hinaus gegeben mit Frist zur Stellungnahme von 3 Wochen. Innerhalb zweimal antragsgemäß verlängerter Frist hat die Klägerin die Sachverständige mit Schriftsatz vom 21.05.2024 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und dies im Wesentlichen wie folgt begründet:
- 1.
-
Die Sachverständige habe das Gutachten offensichtlich nicht persönlich erstellt, jedenfalls sei nicht erkennbar, in welchem Umfang die mitunterzeichnende … bei der Erstellung mitgearbeitet habe.
- 2.
-
Die Sachverständige habe eine Nähebeziehung, jedenfalls zur Beklagten zu 1), nicht offen gelegt. Die Sachverständige habe an der … studiert, ihre praktische Ausbildung an der beklagten Klinik absolviert und 2006 ihre Dissertation an der … eingereicht.
- 3.
-
Die Sachverständige habe eine Frage beantwortet, die nicht in ihr Fachgebiet falle. Sie hätte hierauf hinweisen müssen oder ein Zusatzgutachten aus dem Fachbereich Psychiatrie oder Psychologie einholen müssen.
- 4.4.
-
Das Gutachten weise inhaltliche Mängel auf.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Schriftsatz vom 21.05.2024 ergänzend verwiesen.
4
Gründe, die eine Besorgnis der Befangenheit begründen könnten, liegen nicht vor, §§ 406, 42 ZPO. Zwar genügt für die Besorgnis der Befangenheit jede Tatsache, die ein auch nur subjektives Misstrauen der Partei in die Unparteilichkeit der Sachverständigen vernünftigerweise zu rechtfertigen vermag. Vorliegend sind jedoch keine Umstände erkennbar, die berechtigte Zweifel an der Unparteilichkeit der Sachverständigen aufkommen lassen könnten.
5
1. Eine Mitarbeit der Ärztin … vermag eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Gerade im medizinischen Bereich ist es üblich und nicht zu beanstanden, wenn beauftragte Sachverständige (Chefärzte oder Oberärzte) Mitarbeiter in die Gutachtenserstattung einbinden. Die beauftragte Sachverständige hat sich durch ihre Unterschrift „Nach gemeinsamer Durchsicht“ erkennbar das Gutachten zu eigen gemacht und damit auch die inhaltliche Verantwortung (mit) übernommen.
6
2. Dass die Sachverständige ihr medizinisches Studium an der … absolviert und dort 2006 auch promoviert hat, vermag eine Besorgnis der Befangenheit nicht zu begründen. Engere berufliche und/oder private Kontakte lassen sich hieraus nicht ableiten und werden auch nicht vorgetragen. Es ist weder eine freundschaftliche Beziehung, noch eine engere berufliche Zusammenarbeit oder eine wirtschaftliche Abhängigkeit ersichtlich. Darüber hinaus hätte die Klägerin derartige Bedenken gegen die bereits im Oktober 2023 beauftragte Sachverständige zu einem früheren Zeitpunkt geltend machen können und müssen.
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3. Soweit die Sachverständige zur Frage einer Traumatisierung Stellung genommen hat, lässt sich auch daraus keine Besorgnis der Befangenheit ableiten. Die Sachverständige hat in ihrer kurzen Stellungnahme erkennbar ihren Auftrag nicht überschritten. Sie hat lediglich – gemäß der Beweisfrage – aus fachmedizinischer, nämlich „geburtshilflicher“ Sicht eine schuldhafte und schwere Traumatisierung verneint. Damit ist die Frage lediglich aus fachmedizinischer Sicht der Sachverständigen bewertet und steht einer weitergehenden Beweisaufnahme bspw. durch Einholung eines Sachverständigengutachtens auf dem Gebiet der Psychiatrie/Psychologie nicht entgegen.
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4. Soweit die Klägerin zur Begründung ihres Befangenheitsantrages auf inhaltliche Formulierungen und/oder Mängel abstellt ist darauf hinzuweisen, dass die Sachverständige, insbesondere bei Erstellung eines vorterminlichen Gutachtens gemäß § 358 a ZPO ein Gutachten nach Aktenlage und auf der Grundlage der Behandlungsunterlagen erstellt. Dabei vermögen für eine Partei nachteilige Feststellungen grundsätzlich nicht die Besorgnis einer Befangenheit zu begründen. Ebenso wenig vermögen dies inhaltliche Mängel oder sachliche Fehler.
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Den Parteien bleibt die sachliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten in Form von ergänzenden Fragen und Vorhalten mit denen sich dann die Sachverständige auseinanderzusetzen und dies im Rahmen einer mündlichen Verhandlung gegebenenfalls zu erläutern hat.