Titel:
Klage gegen einen als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylfolgeantrag eines tadschikischen Staatsangehörigen
Normenketten:
AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 10 Abs. 2 S. 4, § 30 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 8, Abs. 2, § 36 Abs. 4 S. 1, § 71, § 74 Abs. 1, § 77 Abs. 1 (idF ab 27.2.2024)
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7
VwGO § 166
ZPO § 114 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Ein Asylantrag ist nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 iVm § 71 AsylG nF offensichtlich unbegründet, wenn der Ausländer einen Asylfolgeantrag gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren erfolglos durchgeführt wurde. (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Neben der formellen Präklusion nach § 71 Abs. 1 AsylG kommt eine Asylfolgeantragsablehnung als offensichtlich unbegründet wegen der Widersprüche auch selbständig tragend nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Betracht. (Rn. 52) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylfolgeverfahren eines tadschikischen Staatsangehörigen, Bestandskräftiger Abschluss des Asylerstverfahrens, Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen einen als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylfolgeantrag, Klage gegen die Ablehnung des Asylfolgeantrags, Keine Fiktion der Bescheidzustellung trotz Postrücklaufs bei Adressierung an andere Adresse als die behördlich zugewiesene und ausweislich der Asylverfahrensakten auch amtlich bekannte Adresse, Geltend gemachte Furcht vor der Verhaftung wegen behaupteter Sympathie für die „Gruppe 24“, Vorlage von angeblich im Jahr 2021 erhaltenen Unterlagen aus dem Jahr 2017 ohne Nennung der angeblich zu Grunde liegenden Ereignisse im damaligen Asylerstverfahren, Prozesskostenhilfe, Asylfolgeverfahren, tadschikischer Staatsangehöriger, offensichtlich unbegründet abgelehnter Asylfolgeantrag, Keine Fiktion der Bescheidzustellung, Furcht vor der Verhaftung, behauptete Sympathie für die „Gruppe 24“, formelle Präklusion
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28944
Tenor
I. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des gerichtskostenfreien Antragsverfahrens zu tragen.
II. Die Anträge auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Antrags- und für das Klageverfahren werden abgelehnt.
Gründe
1
Der Antragsteller und Kläger (im Folgenden: Kläger) begehrt im Klageverfahren (Au 6 K 24.30610) internationalen Schutz und die Feststellung von Abschiebungsverboten. Im Antragsverfahren begehrt er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den seinen Asylfolgeantrag als offensichtlich unbegründet ablehnenden Bescheid der Antragsgegnerin und Beklagten (im Folgenden: Beklagte). Schließlich begehrt er für beide Verfahren Prozesskostenhilfe.
2
Der Kläger ist seinem Inlandspass/Personalausweis zu Folge ein am ...1993 geborener lediger tadschikischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit islamischer Religionszugehörigkeit und der tadschikischen und russischen Sprache sowie Dari mächtig. Er reiste nach eigenen Angaben am 28. April 2017 per Flugzeug von Tadschikistan nach Moskau, von dort per Pkw über Minsk nach Litauen und schließlich von einem Sprinter eines Schleusers am 29. September 2017 bei Unna abgesetzt worden und so nach Deutschland eingereist, wo er Asyl beantragte.
3
In seiner auf Russisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 18. Oktober 2017 gab der Kläger im Wesentlichen an (BAMF-Akte zum Gz.... Bl. 43 ff.), er habe im Herkunftsstaat noch Mutter, zwei Brüder und eine Schwester. Er habe die Mittelschule bis zur 11. Klasse besucht, als Fahrer einer Firma gearbeitet und von 2021 bis 2014 Wehrdienst geleistet (ebenda Bl. 44). Der EURODAC-Abgleich ergab eine Visa-Erteilung durch Litauen auf einen bis zum 4. Januar 2025 gültigen Reisepass des Klägers (ebenda Bl. 51). Diesen habe er einem Bekannten in Litauen überlassen, gab er an (ebenda Bl. 71).
4
In seiner auf Tadschikisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 23. Oktober 2017 gab der Kläger an (BAMF-Akte zum Gz. ... Bl. 70 ff.), in Tadschikistan habe er bis zur Ausreise nach Russland bei seiner Mutter im Haus der Familie gewohnt (ebenda Bl. 71 f.).
Von April 2015 bis 21. April 2017 sei er in Moskau gewesen und habe als Maurer gearbeitet (ebenda Bl. 73).
Am tadschikischen Flughafen habe er Probleme gehabt und noch jemanden bei der Kontrolle bestechen müssen, um herauszukommen (ebenda Bl. 72). Er sei vom 28. April 2017 bis 24. September 2017 in Moskau gewesen, aber dazwischen nochmals nach Almaty [AlmaAta, Kasachstan] zur Beantragung des Visums zurückgefahren, dazwischen habe er Geld für die Weiterreise verdient (ebenda Bl. 72).
Zu seinen Fluchtgründen gab der Kläger im Wesentlichen an (BAMF-Akte zum Gz. ... Bl. 73 ff.), am 17. Juli 2014 hätten zwei Leute (... … und ...), eine Gruppe namens „Junge Menschen Tadschikistan für die Erneuerung Tadschikistans“ gegründet, es sei um Studenten gegangen, die nach Abschluss ihres Studiums in Tadschikistan keine Arbeit hätten finden können und deshalb nach Russland hätten auswandern müssen. Sie hätten Arbeit für Studenten in Tadschikistan gefordert, damit die Leute bei ihren Familien in Tadschikistan bleiben könnten. Die Gruppe sei populär geworden und vom Staat deswegen als illegal eingestuft worden. Daraufhin seien viele Mitglieder in die größeren Städte nach Russland gegangen und hätten die Gruppe weitergeführt. Der Kläger habe an den Aktivitäten dieser Gruppe in Russland teilgenommen. Auch seine Gruppe in Russland sei vom tadschikischen Staat als illegal eingestuft worden, die Leute der Gruppe seien verfolgt und ins Gefängnis gebracht worden. Sie hätten ihre Treffen in Moskau in der Nähe der tadschikischen Botschaft organisiert und ein tadschikischer Fernsehsender hätte ihre Bilder auch gezeigt. Sie hätten gewollt, dass die tadschikischen Behörden ihre Aktivitäten sehen und wahrnehmen. Er habe aber nicht gewusst, dass die tadschikischen Behörden seinen Namen hätten und ihn suchten. Am 21. April 2017 sei er nach Tadschikistan zurückgefahren, zu seiner Mutter gegangen und sie habe ihm gesagt, dass die Sicherheitspolizei nach ihm suche. Sie seien zu seiner Mutter gekommen und hätten seinen älteren Bruder mitgenommen. Er sei dann nach einer Woche wieder nach Russland geflogen und ein Bekannter habe ihm empfohlen, da er sich in Russland angemeldet habe und daher für die tadschikischen Behörden dort auffindbar gewesen sei, in ein sicheres Land zu geben. Der Bekannte habe ihn nach Litauen mitgenommen (ebenda Bl.73 f.).
Auf Nachfragen, ob er Gründungsmitglied dieser Gruppe gewesen sei, verneinte er, er habe nur an einem Treffen in Russland teilgenommen. Der andere Name der Gruppe laute „Gruppe 24“. Er habe auch nicht an der Gründungsveranstaltung, sondern nur an Veranstaltungen in Russland teilgenommen. Innerhalb der Gruppe habe er keine besondere Funktion gehabt, nur andere junge Leute aufgefordert teilzunehmen und manchmal nach ihrem Moschee-Besuch demonstriert und sie seien zur tadschikischen Botschaft gelaufen (ebenda Bl. 74). Der Kläger sei seit 2014 wegen der Arbeit in Russland gewesen und offizielles Mitglied der „Gruppe 24“ gewesen, sie hätten seinen Namen aufgenommen und er habe in einer Liste gestanden, einen Mitgliedsausweis habe er nicht gehabt, aber die Gruppe habe seinen Namen gewusst und wo er wohne (ebenda Bl. 74). Gegen Ende des Jahres 2015 sei er der Gruppe beigetreten und habe jede Woche an den Treffen teilgenommen in der Nähe der tadschikischen Botschaft in Moskau, die genaue Adresse wisse er nicht (ebenda Bl. 75). Auf Vorhalt seiner häufigen Teilnahme an den Treffen ohne Kenntnis der Adresse bestätigte er, sich nicht an die Adresse erinnern zu können (ebenda Bl. 75).
Auf Frage nach Problemen in Tadschikistan erwähnte er, nachdem er der Gruppe beigetreten sei, habe die Sicherheitspolizei nach ihm gesucht, ihn aber nicht gefunden, deshalb habe er keinerlei Probleme in Tadschikistan gehabt (ebenda Bl. 75). Auf Frage nach Problemen in Russland erklärte er, nachdem er der Gruppe beigetreten gewesen sei, habe die tadschikische Sicherheitspolizei seinen Namen gehabt und nach ihm gesucht, sie sei auch in Russland aktiv, aufgefunden oder gefunden worden sei er nicht (ebenda Bl. 75).
Am 21. April 2017 sei er nach Tadschikistan gereist, um erstens seine Mutter zu besuchen und zweitens habe er mit seinem Reisepass einmal die Grenze überqueren müssen (ebenda Blätter 76). Bei einer Rückkehr fürchte er, lebenslang ins Gefängnis gesteckt zu werden (ebenda Bl. 76).
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Auf dem Kontrollbogen bestätigte der Kläger, es habe bei der in tadschikischer Sprache durchgeführten Anhörung keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben, das rückübersetzte Protokoll entspreche seinen Angaben und diese seien vollständig und entsprächen der Wahrheit (ebenda Bl. 15).
6
Mit Bescheid vom 29. Dezember 2017 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete unter Verneinung von Abschiebungsverboten die Abschiebung des Klägers nach Litauen als für die Prüfung seines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat an (ebenda Bl. 94 ff.).
Die hiergegen erhobene Klage wurde wegen Untertauchens des Klägers als zurückgenommen betrachtet und das Klageverfahren eingestellt (VG Ansbach, B.v. 18.1.2019 – AN 18 K 28.50014; ebenda Bl. 155, 157).
Am 19. Februar 2019 wurde der Kläger nach Litauen abgeschoben (ebenda Bl. 233 f.).
7
Am 17. April 2020 stellte der Kläger einen Asylfolgeantrag. Er gab hierzu zur Begründung auf einem standardisierten Fragebogen an (BAMF-Akte zum Gz. ... Bl. 13 ff., Übersetzung 52 ff.), er sei am 29. März 2019 nach Deutschland gekommen und zwar mit dem Auto aus Litauen durch Polen mit dem Zug und habe große Probleme mit dem Geheimdienst in Tadschikistan. Die Probleme kämen daher, dass er ein Salafist und der „Gruppe 24“ beigetreten sei. Auf einem weiteren Fragebogen gab er u.a. an (ebenda Bl. 111 f., Übersetzung 119 f.), würde er in seine Heimat zurückkehren, würde er entweder inhaftiert oder der sichere Tod warte auf ihn.
8
Eine Visa-Abfrage ergab, dass der Kläger am 2. Mai 2019 in Almaty in Kasachstan ein Visum für das Schengen-Gebiet beantragt habe, das ihm mangels Absicht, das Hoheitsgebiet der Mitgliedstatten vor Ablauf des Visums zu verlassen, versagt worden sei (ebenda Bl. 47 f.).
9
Mit Bescheid vom 8. Juni 2020 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab und ordnete unter Verneinung von Abschiebungsverboten die Abschiebung des Klägers nach Litauen als für die Prüfung seines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaat an (ebenda Bl. 121 ff.).
Die hiergegen erhobene Klage wurde wegen Untertauchens des Klägers als zurückgenommen betrachtet und das Klageverfahren eingestellt (VG Ansbach, B.v. 28.2.2022 – AN 18 K 20.50224; ebenda Bl. 239).
Am 9. Juni 2023 lief die Frist zur erneuten Überstellung des Klägers nach Litauen endgültig ab, ohne dass der Kläger fristgerecht hätte überstellt werden können (ebenda Bl. 334, 369, 419).
10
Dem Kläger wurde mit in der Behördenakte der Beklagten enthaltenem Bescheid vom 29. Juni 2020 (ebenda Bl. 174, 427) einer Gemeinschaftsunterkunft in ... zugewiesen.
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Das Bundesamt übernahm daraufhin das Asylverfahren in nationale Zuständigkeit und teilte dies dem Kläger an seine Adresse in B. mit (ebenda Bl. 424, 427). In seiner auf Tadschikisch geführten Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 20. September 2023 gab der Kläger im Wesentlichen an (BAMF-Akte zum Gz. ... Bl. 432 ff.), er habe einen Folgeantrag gestellt, weil in der ersten Anhörung viele Fehler gemacht worden seien. Die Gründe seien in den Dokumenten zu sehen. Seine Mutter werde in Tadschikistan oft über ihn gefragt, belästigt und befragt. Gegen ihn sei in Tadschikistan eine Art Haftbefehl ausgesprochen worden. Sie sagten, dass er zu einer Gruppierung angehöre und in Haft genommen werden sollte (ebenda Bl. 434).
Er reiche Dokumente ein, bei denen es um Leute gehe, die die Regierung kritisiert hätten und momentan Probleme in Tadschikistan hätten. Die Leute hätten sich negativ über die Regierung geäußert und auf die Probleme aufmerksam gemacht, aus dem Grund seien sie verurteilt worden und jetzt im Gefängnis (die vorgelegten sieben Medienzusammenstellungen wurden gesichtet und wieder ausgehändigt ohne Annahme zur Akte, da es sich um allgemeine und frei zugängliche Medieninformationen handele; die eingereichten Kopien betreffend die Person des Klägers wurden zur Akte genommen mit Drittübersetzungen (siehe unten).
Auf Frage, wann seine Mutter zu ihm befragt worden sei, erklärte er: Jeden Tag werde sie das. Sie belästigten seine Mutter sehr oft, fast jeden Tag und sie bestellten sie ins Polizeirevier, um sie zu vernehmen. Sie sagten seiner Mutter, dass sie ihn anrufen soll. Sie lögen seine Mutter an und sagten, wenn er zurückkomme, dass sie ihm verziehen und den Haftbefehl zurücknähmen. Das letzte Mal sei letzten Freitag gewesen (ebenda Bl. 435).
Auf Frage nach dem aktuellen Vorwurf gab er an: Dadurch, dass er längere Zeit im Ausland sei, sagten sie, er arbeite mit der „Gruppe 24“ zusammen, sei Teil einer terroristischen Gruppe […] Sie fragten seine Mutter mehrfach, ob er in der Gruppe sei, und machten dann den Vorwurf. Sie fragten, warum er so lange im Ausland sei, er müsse wohl mit den terroristischen Gruppen zu tun haben (ebenda Bl. 435). Auf Vorhalt der Folgeantragsbegründung, dass er Probleme befürchte, weil er Salafist sei und der „Gruppe 24“ beigetreten sei, erklärte er: Er sei kein Mitglied, aber stimme Ihnen zu, sei derselben Meinung, aus dem Grund habe die Regierung einen Haftbefehl gegen ihn erlassen.
Auf Frage zur Quelle der aus dem Jahr 2017 stammenden Unterlagen gab er an: Aus Tadschikistan, er habe sie vor ungefähr zwei Jahren bekommen. Sein Onkel habe sie ihm zugeschickt. Die Dokumente habe er von dort, wo der Kläger protokolliert worden sei, und der Person, die das erfasst habe. [Die als Originale eingereichten Dokumente wurden gesichtet und ebenfalls gescannt zur Akte genommen.] Auf Vorhalt, weshalb die Dokumente nicht bereits 2017 vorgelegen hätten, sondern erst 2021, gab er an, weil sie ihn erst, nachdem er gekommen sei, protokolliert hätten, d.h. weil er erst, nachdem er gekommen sei, erfahren habe, dass er protokolliert worden sei (ebenda Bl. 435). Auf Vorhalt, dass die Vorladungen dann erst Jahre später ausgegeben worden seien, räumte der Kläger ein, er könne es nicht genau erklären und verstehe nicht genau, was gemeint sei (ebenda Bl. 435).
Auf Frage, ob er seit 2019 noch etwas Neues vom tadschikischen Staat gehört habe, wiederholte er, sie hätten ihn protokolliert, erfasst und den Haftbefehl erstellt. Er könne nicht zurück, weil er sonst ins Gefängnis müsse, d.h. er sei in einer Art System erfasst, welches zeige, wer inhaftiert werden kann und soll (ebenda Bl. 436).
Auf Frage, ob er aktuell politisch aktiv sei, erklärte er, er höre, was die „Gruppe 24“ sage und stimme dem zu und sage es genauso. Er sei selbst nicht in einer Partei oder Gruppierung, aber was über die Regierung gesagt werde, dem stimme er zu und äußere das nach außen. […] Er sei nicht in der Gruppe, aber habe Kontakt zu Leuten, die in der Gruppe seien und zu Leuten in .... Er schaue sich Videos an und like sie (ebenda Bl. 436).
Auf Frage, wie er seinen islamischen Glauben auslebe, gab er an, er sei Sunnit; er verneinte, dem Salafismus nahezustehen (ebenda Bl. 436). Er befürchte bei einer Rückkehr nach Tadschikistan, dass er so wie die anderen Leute inhaftiert werde (ebenda Bl. 436).
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Auf dem Kontrollbogen bestätigte der Kläger, es habe bei der in tadschikischer Sprache durchgeführten Anhörung keine Verständigungsschwierigkeiten gegeben, das rückübersetzte Protokoll entspreche seinen Angaben und diese seien vollständig und entsprächen der Wahrheit (ebenda Bl. 444).
13
Vom Kläger wurden vorgelegt (Dokumentenkopien Bl. 445 ff. und Übersetzungen Bl. 450 ff.):
14
- Protokoll der Durchsuchung am Ereignisort vom 28. April 2017, Ermittler Leutnant der Polizei, Durchsuchung eines näher benannten Anwesens in der Strafsache gegen den namentlich genannten Kläger:
Das Objekt der Durchsuchung sei das Wohnhaus des Klägers […]. Während der Durchsuchung seien ein Mobiltelefon und ein Notebook als Beweismittel beschlagnahmt worden und bei der Kontrolle festgestellt worden, dass beides dem Kläger gehöre. Außerdem seien eine E-Mail-Adresse und ein YouTube-Kanal gesehen worden, die von ihm verwendet würden und zur „Gruppe 24“ führten, welche in der Republik Tadschikistan als extremistische Vereinigung eingestuft werde. Der Kläger sei deswegen in der Republik Tadschikistan zur Fahndung ausgeschrieben worden.
15
- Amtliches Attest über eine gerichtsmedizinische Untersuchung Nummer ... des Zentrums für gerichtsmedizinische Untersuchungen des Ministeriums für Gesundheit und Sozialschutz der Republik Tadschikistan auf Antrag des Klägers vom 24. April 2017:
Gegenstand der Untersuchung seien die Angaben des Klägers, dass er am 21. April 2017 aus der Russischen Föderation nach Tadschikistan zurückgekehrt, in Duschanbe am internationalen Flughafen von vier unbekannten Personen in ziviler Kleidung mit Gewalt in ein Auto mit verdunkelten Scheiben gedrängt, u.a. seine Hände am Rücken mit Handschellen befestigt und er an einen unbekannten Ort gebracht und nach drei Tagen Folter freigelassen worden sei. Als Beschwerden beklage er Schmerzen am rechten Ohr, an der Nase, am Nacken und am Kopf und an verletzten Stellen und habe keinen Arzt aufgesucht.
Befunde [zusammengefasst]: Hämatom im Bereich der Nase, Hämatom im Bereich der Ohrmuschel, Hämatome am Hals, Schwellungen der weichen Gewebe an Schläfen und Stirn, Hämatom am Scheitel, Kratzer am unteren Drittel beider Arme, Kratzer am unteren Teil des Halses.
Fazit: Die körperlichen Verletzungen des Klägers in Form von Kratzern und Hämatomen würden nicht als gesundheitsschädlich angesehen. Die Art und Qualität der Verletzungen weise darauf hin, dass sie durch dumpfe harte Gegenstände wahrscheinlich am 21. April 2017 verursacht worden seien.
16
- Vorladung der Ermittlungsverwaltung des Innenministeriums der Republik Tadschikistan zum 1. Mai 2017 zur Vernehmung als Verdächtiger und Androhung einer Vorführung im Zwangsverfahren für den Fall des Nichterscheinens.
17
- Vorladung der Ermittlungsverwaltung des Innenministeriums der Republik Tadschikistan zum 8. Mai 2017 zur Vernehmung als Verdächtiger und Androhung einer Vorführung im Zwangsverfahren für den Fall des Nichterscheinens.
18
Mit streitgegenständlichem, an eine Adresse in F. adressiertem Bescheid vom 11. Juni 2024 lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1 bis 3), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nicht vorliegen (Ziffer 4), forderte zur Ausreise innerhalb einer Woche auf und drohte die Abschiebung nach Tadschikistan an, wobei die Ausreisefrist bis zum Ablauf der Klagefrist bzw. bis zu einer ablehnenden Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Falle eines Eilantrags ausgesetzt werde (Ziffer 5). Es ordnete ein Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 1 AufenthG an und befristete es auf 30 Monate (Ziffer 6).
Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung internationalen Schutzes lägen nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG offensichtlich nicht vor. Der Kläger habe Tadschikistan nicht aus begründeter Furcht vor landesweiter Verfolgung verlassen. So habe er zwar vorgetragen, aufgrund seiner politischen Betätigung für die „Gruppe 24“ eine staatliche Verfolgung zu befürchten, dies aber nicht glaubhaft gemacht. Es zeigten sich starke Abweichungen und Widersprüche in den unterschiedlichen Anhörungen, die er auch auf Vorhalt nicht habe aufzulösen vermocht, so dass der Sachverhalt insgesamt nicht substantiiert und als unglaubhaft einzuschätzen sei. So habe er sein Heimatland unverfolgt und legal verlassen und mündlich keine Verfolgungshandlungen im Heimatland vorgetragen. Auch seien die Ausführungen zu den eigenen politischen Aktivitäten rein oberflächlich und pauschal. Schon dass er seit seiner beruflich motivierten Auswanderung nach Russland mehrfach legal in sein Heimatland zurückkehrte, spreche gegen ein gewachsenes Verfolgungsinteresse des tadschikischen Staates. Auch habe der Kläger in der ersten Anhörung angegeben, absichtlich nach Tadschikistan gereist zu sein, um einen benötigten Grenzkontrollstempel zu erhalten, was bereits einer erwarteten Verfolgung aufgrund exilpolitischer Aktivität entgegenstehe. Noch augenscheinlicher seien jedoch die zahlreichen Unterschiede in den Ausführungen zu den Fluchtgründen zwischen der Anhörung beim Bundesamt im Oktober 2017 zu denen im September 2023. Er habe lediglich geäußert, dass man ihn falsch verstanden habe, um daraufhin eine Vorverfolgung hinzuzufügen, welche er auch nicht mündlich vorzutragen vermochte, sondern auf die Einreichungen verwies, die seine Fluchtgründe bezeugen würden. Dabei habe er im Asylerstverfahren nichts von dem angegeben, was er später über Schriftstücke zu bezeugen versuchte. Die Nachfrage, aus welchem Grund 2017 ihm weder die Dokumente vorlagen, noch eine Erwähnung des Sachverhalts stattfand, sei von ihm nicht beantwortet worden. Detailfragen zum Bezug und Inhalt der Dokumente seien nicht beantwortet worden, so dass insgesamt die Vermutung naheliege, dass er diese Dokumente im Laufe des Asylverfahrens bezogen habe, um eine positive Bewertung im Asylverfahren zu bewirken. Die Authentizität der Schreiben lasse sich nicht belegen. Es sei aber nicht verständlich, aus welchem Grund der Kläger auf die Darlegung der Geschehnisse verzichtet und sogar bestätigt habe, dass ihm seit dem Problem 2011 um den Führerschein, persönlich nichts widerfahren sei in Tadschikistan, um dann später ein ärztliches Attest einzureichen, aus welchem hervorgehe, dass er Kratzer und Prellungen gehabt habe, aufgrund eines Angriffs und einer Verschleppung, die er zuvor an keiner Stelle erwähnt habe. So blieben auch die Hausdurchsuchung und die Ladungen, die ein staatliches Interesse an seiner Person nachweisen sollen, unerwähnt. Dass der Kläger förmlich nach Asylgründen zu suchen scheine, zeige sich darin, dass er in der Asylfolgeantragsbegründung angegeben habe, aufgrund seiner islamisch-salafistischen Religion eine Verfolgung zu befürchten, bei der Anhörung zum Asylfolgeantrag diese Aussage aber wieder zurückgenommen habe. Auffällig sei auch, dass er keine einzige Aussage zu dem Inhalt der eingereichten Schreiben getätigt habe, man solle selbst lesen, was seine Gründe seien. Dies reiche jedoch nicht ansatzweise zur Substantiierung des Inhalts der Schreiben. Auch in Bezug auf die exilpolitische Tätigkeit hätten sich im Asylfolgeantrag starke Diskrepanzen zu den bereits getätigten Aussagen im Asylerstantrag ergeben: Zuletzt habe er angegeben, lediglich Sympathien zu den Aussagen der „Gruppe 24“ zu hegen, explizit kein Mitglied zu sein und sich politisch nicht zu betätigen außer über „Likes“ von Beiträgen. Im Gegensatz dazu habe er zuvor angegeben, einfaches Mitglied der Gruppe gewesen zu sein. Weder sei im Ergebnis eine herausstechende Regimegegnerschaft aufgrund „Likes“ anzunehmen, noch sei angesichts der legalen Ausreise aus Tadschikistan und der insgesamt nicht substantiierten politischen Betätigung eine politische Verfolgung bei Rückkehr zu befürchten.
Subsidiärer Schutz komme aus denselben Gründen nicht in Betracht. Ihm drohten bei einer Rückkehr nach Tadschikistan keine Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung. Der Asylfolgeantrag werde nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt.
Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Dem Kläger drohe bei einer Rückkehr keine Existenzgefahr. Er habe in Tadschikistan nach eigenen Angaben noch Familienangehörige, könne daher Unterstützung durch seine Familie erhoffen und sei zusätzlich auf die staatliche Sozialversicherung in Tadschikistan zu verweisen sowie auf Rückkehrhilfen aus dem REAG/GARP-Programm für eine freiwillige Ausreise (Reisekosten, ggf. Reisebeihilfe, Starthilfe und ggf. eine individuelle Reintegrationsunterstützung). Schließlich sei er als gesunde und arbeitsfähige Person auf seine Arbeitskraft zu verweisen. und das Haus der Familie, in welchem er gelebt habe.
Der Abschiebungsandrohung stünden auch keine innerstaatlichen Abschiebungshindernisse entgegen. Die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei mangels wesentlicher Bindungen im Bundesgebiet angemessen.
19
Gegen den Bescheid ließ der Kläger am 24. Juni 2024 Klage erheben und beantragen,
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1. den Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2024 aufzuheben und festzustellen, dass dem Kläger Flüchtlingseigenschaft, subsidiärer Schutz zuerkannt wird und Abschiebeverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 des AufenthG vorliegen,
21
2. festzustellen, dass die Aufforderung an den Kläger, die Bundesrepublik Deutschland binnen einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheides vom 11. Juni 2024 zu verlassen, rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt.
22
Zur Begründung ließ er vortragen, die gegenständliche Klage sei nicht verfristet. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juni 2024 sei am 18. Juni 2024 zugestellt worden. Hierzu verweise er auf eine Vorlage der Nachsendung über DHL mit Nachsendeauftrags-Nr. ... und die Vorlage der Sendungsübersicht DHL hierzu. Die Beklagte könne sich nicht auf die Fiktion des § 10 Abs. 4 Satz 2 AsylG berufen. Der Kläger sei zum Zeitpunkt des Erlasses in der Asylbewerberunterkunft in B. untergebracht und sein ordnungsgemäßer Aufenthalt und Wohnsitz dort bei der Beklagten auch registriert worden. Ihm sei der Bescheid also von der Beklagten nachgesandt und auch nicht vorher bekannt gegeben worden.
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Der Kläger sei schutzbedürftig, denn er sei am 21. April 2017 von Moskau nach Tadschikistan eingereist, um dort seine Mutter zu besuchen. Sein Bruder sei von der tadschikischen Geheimpolizei verhaftet worden und der Kläger dann auf Warnung eines Bekannten sofort aus Tadschikistan geflohen, da er selbst am 21. April 2017 am internationalen Flughafen in Duschanbe von vier Mitarbeitern der tadschikischen Geheimpolizei gefangen genommen, in einen PKW verbracht, dort gefesselt und an einen unbekannten Ort verbracht sowie nach drei Tagen Folter wieder freigelassen worden sei. Er habe Schmerzen am rechten Ohr, an der Nase, im Nacken und Kopf erlitten und sich diese Verletzungen am 24. April 2017 ärztlich attestieren lassen. Der Kläger werde von der tadschikischen Staatspolizei als Angehöriger der verbotenen „Gruppe 24“ (junge Menschen Tadschikistan für die Erneuerung Tadschikistan) gesucht. Gegen ihn bestehe ein Haftbefehl in der Republik Tadschikistan. Sobald der Kläger in Tadschikistan erscheine, werde er dort verhaftet und wegen seiner freiheitlichen politischen Überzeugung verfolgt und bestraft. Am 28. April 2017 habe der Ermittler der Ermittlungsverwaltung des Ministeriums des Innern der Republik Tadschikistan, Leutnant der Polizei, eine illegale Durchsuchung des Wohnhauses der Mutter des Klägers und deren älteren Bruder vorgenommen, Beweismittel beschlagnahmt und festgestellt, dass diese dem Kläger gehören. Außerdem sei festgestellt worden, dass der Kläger Verbindungen per Email und YouTube-Kanal zur „Gruppe 24“ habe, welche in der Republik Tadschikistan als extremistische Vereinigung eingestuft werde. Gegen mutmaßliche Angehörige der Gruppe 24, wie hier den Kläger, bzw. deren Sympathisanten bestünden Ausschreibungen zur Fahndung. Nach seiner Flucht aus Tadschikistan seien dem Kläger immer wieder Vorladungen der Ermittler der Ermittlungsverwaltung des Ministeriums des Innern der Republik Tadschikistan unter Androhung des Zwangsverfahrens an seine Adresse in Tadschikistan zugeleitet worden. In regelmäßigen Abständen, derzeit durchschnittlich ein Mal pro Monat, erscheine der Dorfpolizist und erkundige sich bei der Mutter des Klägers nach dessen Verbleib.
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Die Antragsgegnerin und Beklagte beantragt,
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die verfristete Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen.
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Sie führt aus, die Klage und der Eilantrag seien bereits unzulässig, da sie nicht innerhalb der Rechtsmittelfrist erhoben worden seien. Die Beklagte habe den Bescheid am 13. Juni 2024 mit der Sendungsverfolgungsnummer ... versandt. Der Umschlag, inklusive des Bescheides, sei jedoch am 3. Juli 2024 als unzustellbar wieder im Original zur Außenstelle ... zurückgesandt worden. Somit gelte die Zustellung nach § 10 Abs. 4 S. 2 AsylG mit der Abgabe bei der Post am 13. Juni 2024 als bewirkt. Die Klagefrist habe damit am 21. Juni 2024 geendet.
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Die Regierung von ... als Vertreterin des öffentlichen Interesses hat auf jegliche Zustellungen mit Ausnahme der Endentscheidung verzichtet.
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Die Klage und der Eilantrag wurden wegen örtlicher Unzuständigkeit vom Verwaltungsgericht Ansbach an das Verwaltungsgericht Augsburg verwiesen (VG Ansbach, B.v. 16.7.2024 – AN 9 K 24.31351, AN 9 S 24.31350) und die elektronischen Behördenakten hierzu am 18. Juli 2024 abgegeben.
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Mit Beschluss vom 18. Juli 2024 wurde der Rechtsstreit im Klageverfahren dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die Behördenakten verwiesen.
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Der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes hat keinen Erfolg. Der Berichterstatter entscheidet als gesetzlicher Einzelrichter nach § 76 Abs. 4 Satz 1 AsylG.
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Der zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i.V.m. § 30 Abs. 1 Nr. 8, § 36 Abs. 3, § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung aus dem Bescheid vom 11. Juni 2024 ist unbegründet.
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1. Der Antrag ist zulässig, weil er nicht verfristet gestellt und auch die Klage nicht verfristet erhoben wurde.
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Ist ein Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO – wie nach § 30 Abs. 1 Nr. 8, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 71 Abs. 5 Satz 3 AsylG – innerhalb einer Woche zu stellen, gilt die Wochenfrist auch für die Klage nach § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG und beginnt mit der Zustellung des Bescheids nach § 58 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 74 Abs. 1 AsylG.
35
Der Kläger hat die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG nicht versäumt, da der angefochtene Bescheid vom 11. Juni 2024 dem Kläger zunächst nicht unter der ihm zugewiesenen Wohnanschrift in B., sondern erst am 18. Juni 2024 dorthin nachgesandt und zugestellt worden ist (VG-Akte zu Au 6 K 24.30610 B.11 f.). Die Beklagte kann sich nicht auf eine frühere Zustellungsfiktion ab Aufgabe zur Post auf Grund Sendungsrücklaufs wegen Unzustellbarkeit nach § 10 Abs. 2 Satz 4 AsylG berufen, da ihr die Anschrift in B. ausweislich ihrer Behördenakte durch Kopie des Bescheids vom 29. Juni 2020 (BAMF-Akte zum Gz. ... Bl. 174, 427) bekannt war. Wie es zu einer Adressierung des Bescheids nach F. kam, erschließt sich aus der Behördenakte nicht. Da der Beklagten die Adresse in F. aber nicht durch eine öffentliche Stelle mitgeteilt worden war, sondern jene in B., greift die Fiktion mangels richtiger Adressierung nicht. Dem Kläger wurde daher der Bescheid erst am Dienstag, dem 18. Juni 2024, wirksam nach § 10 Abs. 4 Satz 4 1. Alt. AsylG zugestellt.
36
Daher begann die einwöchige Klagefrist nach § 30 Abs. 1 Nr. 8, § 36 Abs. 3 Satz 1, § 71 Abs. 5 Satz 3, § 74 Abs. 1 Halbs. 2 AsylG am Mittwoch, dem 19. Juni 2024 0.00 Uhr zu laufen und endete am Dienstag, dem 25. Juni 2024 24.00 Uhr. Die Klage ging am Montag, dem 24. Juni 2024 beim – allerdings örtlich unzuständigen – Verwaltungsgericht Ansbach ebenso ein wie der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO. Zuständig ist auf Grund der Zuweisung des Klägers das Verwaltungsgericht Augsburg. Da die Klage jedoch rechtzeitig erhoben und der Antrag rechtzeitig gestellt wurden, bleibt nach § 83 VwGO i.V.m. § 17b Abs. 1 Satz 2 GVG die Rechtshängigkeit erhalten, so dass Antrag und Klage nicht verspätet sind.
37
2. Der Antrag ist jedoch unbegründet, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen.
38
a) Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Eilverfahrens nach § 36 Abs. 3 AsylG ist die im angefochtenen Bescheid enthaltene Abschiebungsandrohung, beschränkt auf die sofortige Vollziehbarkeit. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Ernstliche Zweifel liegen dann vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris).
39
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt eine Abweisung der Asylklage als offensichtlich unbegründet – mit der Folge des Ausschlusses weiterer gerichtlicher Nachprüfung – voraus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Verwaltungsgerichts (vgl. § 77 Abs. 1 AsylG) an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen können und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung (nach dem Stand von Rechtsprechung und Lehre) die Abweisung der Klage sich dem Verwaltungsgericht geradezu aufdrängt. Aus den Gründen muss sich klar ergeben, weshalb dieser Ausspruch in Betracht kommt, insbesondere, warum der Asylantrag nicht nur als schlicht unbegründet, sondern als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden ist (vgl. etwa BVerfG, B.v. 20.9.2001 – 2 BvR 1392/00 – juris). Dieser Maßstab muss entsprechend auch für die behördliche Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 AsylG gelten. Es kommt also darauf an, ob die Offensichtlichkeitsentscheidung in Bezug auf die geltend gemachten Asylgründe bei der hier gebotenen Prüfung im Eilverfahren mit der erforderlichen Richtigkeitsgewähr bestätigt werden kann (vgl. etwa VG Augsburg, B.v. 21.4.2020 – Au 7 S 20.30333 – juris).
40
Ein Asylantrag ist nach § 30 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn ein Katalogtatbestand des § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 9 AsylG vorliegt; auf unbegleitete Minderjährige findet die Regelung nach § 30 Abs. 2 AsylG keine Anwendung (zur Novelle Art. 2 Nr. 6 und Nr. 16 sowie Art. 11 Abs. 1 des Gesetzes zur Verbesserung der Rückführung v. 21.2.2024, BGBl. I Nr. 54 – Rückführungsverbesserungsgesetz). Ein Asylantrag ist nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 71 AsylG n.F. offensichtlich unbegründet, wenn der Ausländer einen Asylfolgeantrag gestellt hat und ein weiteres Asylverfahren erfolglos durchgeführt wurde. Das ist hier der Fall. Diese Regelung gilt nach § 87 Abs. 2 Nr. 6 AsylG für alle Asylanträge, die – wie hier – nach dem 27. Februar 2024 als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind. Diese Ablehnungsform ist für die Beklagte zwingend.
41
b) Gemessen an diesen Anforderungen bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Entscheidung der Antragsgegnerin hinsichtlich der Versagung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (§ 3 Abs. 1 AsylG) und der Versagung subsidiären Schutzes (§ 4 Abs. 1 AsylG) jeweils als offensichtlich unbegründet sowie an der Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Beklagte hat den Asylantrag zu Recht nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG abgelehnt.
42
Die Beklagte stützt ihre Antragsablehnung als offensichtlich unbegründet auf die für sie zwingende gesetzliche Grundlage des § 30 Abs. 1 Nr. 8 AsylG, weist aber zugleich im Sinne auch von § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG auf erhebliche unstimmige und widersprüchliche Angaben des Klägers in seinen Asylverfahren hin.
43
aa) Zur Begründung der Versagung von Flüchtlingsschutz nach § 3 AsylG wurde im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe Tadschikistan nicht aus begründeter Furcht vor landesweiter Verfolgung verlassen. So habe er zwar vorgetragen, aufgrund seiner politischen Betätigung für die „Gruppe 24“ eine staatliche Verfolgung zu befürchten, dies aber nicht glaubhaft gemacht. Es zeigten sich aber starke Abweichungen und Widersprüche in den unterschiedlichen Anhörungen, die er auch auf Vorhalt nicht habe aufzulösen vermocht, so dass der Sachverhalt insgesamt nicht substantiiert und als unglaubhaft einzuschätzen sei.
44
(1) Zunächst stützt sie sich auf die Angaben des Klägers zur Rückkehr nach Tadschikistan: Der Kläger hat zwar in seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 23. Oktober 2017 u.a. angegeben, er habe an den Aktivitäten dieser „Gruppe 24“ teilgenommen in Russland, aber nicht gewusst, dass die tadschikischen Behörden seinen Namen hätten und ihn suchten. Am 21. April 2017 sei er nach Tadschikistan zurückgefahren, zu seiner Mutter gegangen und sie habe ihm gesagt, dass die Sicherheitspolizei nach ihm Suche. Sie seien zu seiner Mutter gekommen und hätten seinen älteren Bruder mitgenommen (BAMF-Akte zum Gz. ... Bl. 73 f.). Dass er selbst aber schon bei der Einreise am 21. April 2017 in Duschanbe am internationalen Flughafen von vier unbekannten Personen in ziviler Kleidung mit Gewalt in ein Auto mit verdunkelten Scheiben gedrängt, sein Kopf eingeschliffen und seine Hände am Rücken mit Handschellen gefestigt und an einen unbekannten Ort gebracht und nach drei Tagen Folter freigelassen worden sei, wie er mit dem amtlichen Attest über eine gerichtsmedizinische Untersuchung Nummer ... vom 24. April 2017 erst im Asylfolgeverfahren geltend machte, erschließt sich nicht: Wenn er schon die Befragung seiner Mutter und die Verhaftung seines Bruders im Asylerstverfahren erwähnte, hätte es umso näher gelegen, die eigene Verhaftung, Inhaftierung und Folter zu erwähnen und näher zu beschreiben. Der Widerspruch zwischen den unterlassenen Angaben im Asylerstverfahren und den nur durch – nicht näher auf ihre Authentizität überprüfbaren – Dokumente gestützten Hinweisen im Asylfolgeverfahren ist offensichtlich. Dies gilt umso mehr, als er im Asylerstverfahren noch auf Frage nach Problemen in Tadschikistan erwähnte, nachdem er der Gruppe beigetreten sei, habe die Sicherheitspolizei nach ihm gesucht, ihn aber nicht gefunden, deshalb habe er keinerlei Probleme in Tadschikistan gehabt (ebenda Bl. 75). Andererseits will er sich zeitnah vor seiner angeblichen Flucht auf eigene Initiative hin das Attest noch am 24. April 2017 ausgestellt haben lassen. Was aber wären im Asylerstverfahren erwähnenswerte angeblich fluchtauslösende Probleme in Tadschikistan, wenn nicht eine selbst erlebte Entführung und Folter?
Dass der Kläger hierzu keine Angaben im Asylerstverfahren gemacht hat, als die Erinnerung noch frisch gewesen sein dürfte, sondern erst im Jahr 2023 angeblich aus dem Jahr 2017 stammende, ihm seiner Schilderung nach schon 2021 zugegangene Unterlagen vorlegte, ohne diese Angaben im Zusammenhang näher einzuordnen, spricht für eine fehlende Deckungsgleichheit zwischen tatsächlich Erlebtem und auf dem Papier Behaupteten. Dies gilt umso mehr, als in Tadschikistan gegen Bezahlung echte Dokumente unwahren Inhalts zur Verwendung in Asylverfahren beschafft werden können, z.B. gefälschte Vorladungen zur Staatsanwaltschaft oder Mitgliedsausweise verbotener Organisationen und die Deutsche Botschaft daher 2019 die förmliche Urkundenüberprüfung eingestellt hat (Auswärtiges Amt, Lagebricht Tadschikistan vom 14.3.2022 S. 18).
45
(2) Weiter stützt sich die Beklagte auf die Angaben des Klägers zur Zugehörigkeit zur „Gruppe 24“ und zu seiner Haltung zum Salafismus, um Widersprüche in seinem Vorbringen zu belegen.
46
Zur „Gruppe 24“ liegen u.a. folgende Erkenntnisse vor: Wie die PIWT ist auch die 2012 gegründete außerparlamentarische Oppositionsbewegung „Gruppe 24“ als terroristische Organisation verboten, ihr Gründer ... kam im März 2015 unter ungeklärten Umständen im türkischen Exil gewaltsam ums Leben. Im Herbst 2018 haben diese und andere Exilgruppen sich zur „Nationalen Allianz Tadschikistans“ (NAT) zusammengeschlossen (Auswärtiges Amt, Lagebricht Tadschikistan vom 14.3.2022 S. 8; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Tadschikistan v.8.8.2022 S. 19 f.).
47
Die vom Obersten Gericht Tadschikistans als terroristische Organisationen verbotene „Gruppe 24“ (G24) und die Partei der Islamischen Wiedergeburt Tadschikistans (PIWT) sind im Exil tätig. […] Der Führer der von unabhängigen Beobachtern als nicht-gewalttätige Oppositionsbewegung eingestuften „Gruppe 24“, ..., war im März 2015 auf offener Straße im Istanbuler Exil erschossen worden. Der im niederländischen Exil lebende ehemalige G24-Führer, der mittlerweile für die Nationale Allianz Tadschikistans (NAT, einem Zusammenschluss von vier exilierten Oppositionsgruppen, darunter PIWT und „Gruppe 24“) auftritt, wurde im Februar 2019 unter ungeklärten Umständen aus Moskau nach Duschanbe verbracht, aber u. a. nach deutscher Intervention nach zwei Wochen wieder freigelassen. Über die gegenwärtigen Führungsstrukturen, Agenda und Aktivitäten der Gruppe liegen keine zuverlässigen Berichte vor. Legale Aktionsmöglichkeiten für PIWT und „Gruppe 24“ in Tadschikistan sind derzeit nicht gegeben. […] Tadschikische Sicherheitsdienste beobachten die Aktivitäten der Exiloppositionellen und Regierungskritiker genau. Sie übten regelmäßig Druck auf nahe Angehörige in Tadschikistan aus, damit diese auf ihre Verwandten einwirken, ihre politischen Aktivitäten im Ausland einzustellen. Exilpolitisch aktive Mitglieder dieser beiden Organisationen und prominente Kritiker müssten bei Rückkehr nach Tadschikistan mit massiven staatlichen Repressionen rechnen (Auswärtiges Amt, Lagebricht Tadschikistan vom 14.3.2022 S. 8; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Tadschikistan v.8.8.2022 S. 19 f.).
48
Dies zu Grunde gelegt, führt die Beklagte aus, die Ausführungen des Klägers zu den eigenen politischen Aktivitäten seien oberflächlich und pauschal, teils widersprüchlich. So habe er in der Asylfolgeantragsbegründung angegeben, aufgrund seiner islamisch-salafistischen Religionsauslebung eine Verfolgung zu befürchten, bei der Anhörung zum Asylfolgeantrag diese Aussage aber wieder zurückgenommen habe. Auch in Bezug auf die exilpolitische Tätigkeit hätten sich im Asylfolgeantrag starke Diskrepanzen zu den bereits getätigten Aussagen im Asylerstantrag ergeben: Zuletzt habe er angegeben, lediglich Sympathien zu den Aussagen der „Gruppe 24“ zu hegen, explizit kein Mitglied zu sein und sich politisch nicht zu betätigen außer über „Likes“ von Beiträgen. Im Gegensatz dazu habe er zuvor angegeben, einfaches Mitglied der Gruppe gewesen zu sein. Diese Aussage sei nun hinsichtlich der eigenen Relativierung und Korrektur der Mitgliedschaft zu einer Sympathie hinfällig. Weder sei im Ergebnis eine herausstechende Regimegegnerschaft aufgrund „Likes“ anzunehmen, noch sei angesichts der legalen Ausreise aus Tadschikistan und der insgesamt nicht substantiierten politischen Betätigung eine politische Verfolgung bei Rückkehr zu befürchten.
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In seiner Asylerstantragsbegründung gab der Kläger tatsächlich an, er habe an den Aktivitäten dieser „Gruppe 24“ teilgenommen in Russland. Auch seine Gruppe sei in Russland vom tadschikischen Staat als illegal eingestuft worden, die Leute der Gruppe seien verfolgt und ins Gefängnis gebracht worden. Sie hätten ihre Treffen in Moskau in der Nähe der tadschikischen Botschaft organisiert und ein tadschikischer Fernsehsender hätte ihre Bilder auch gezeigt. Sie hätten gewollt, dass die tadschikischen Behörden ihre Aktivitäten sehen und wahrnehmen. Er habe aber nicht gewusst, dass die tadschikischen Behörden seinen Namen hätten und ihn suchten (BAMF-Akte zum Gz. ... Bl.73 f.). Auf Frage nach Problemen in Tadschikistan erwähnte er, nachdem er der Gruppe beigetreten sei, habe die Sicherheitspolizei nach ihm gesucht, ihn aber nicht gefunden, deshalb habe er keinerlei Probleme in Tadschikistan gehabt (ebenda Bl. 75).
Diese Angaben stehen diametral in Widerspruch zu der angeblichen Entführung bei der Einreise am 21. April 2017, die er erst mit dem zur Asylfolgeantragsbegründung im Jahr 2023 vorgelegten amtlichen Attest über eine gerichtsmedizinische Untersuchung Nummer ... vom 24. April 2017 geltend machte. Wenn er keine Probleme hatte, ist das Attest inhaltlich falsch; wenn er hingegen diese Probleme gehabt hätte, sie aber nicht schon 2017, sondern erst 2023 mitteilte, wäre die verspätete Geltendmachung von ihm verschuldet – er hätte diese angeblich selbst erlebten Ereignisse im Asylerstverfahren bereits geltend machen können und müssen. Das Vorbringen ist insoweit nach § 71 Abs. 1 AsylG präkludiert.
Widersprüchlich ist auch, dass er im Asylerstverfahren angab, gegen Ende des Jahres 2015 sei er der Gruppe beigetreten (ebenda Bl. 75), während er im Asylfolgeverfahren eine Mitgliedschaft bestritt (BAMF-Akte zum Gz. ... Bl. 435). Ebenso widersprüchlich ist, dass er im Asylfolgeverfahren auf einem standardisierten Fragebogen (BAMF-Akte zum Gz. ... Bl. 13 ff., Übersetzung 52 ff.) angab, er habe große Probleme mit dem Geheimdienst in Tadschikistan. Die Probleme kämen daher, dass er ein Salafist sei und der „Gruppe 24“ beigetreten sei. Später hingegen verneinte er die Mitgliedschaft in der „Gruppe 24“ (ebenda Bl. 435). Zudem verneinte er, dem Salafismus nahezustehen (ebenda Bl. 436).
All diese Widersprüche zeigen, dass der Kläger offenbar nicht selbst Erlebtes, sondern vermutlich Erfundenes vorträgt und bei späteren Nachfragen mangels eigener Erinnerung an die behaupteten Ereignisse und Umstände in Erklärungsnot gerät und sich in Widersprüche verstrickt.
50
(3) Es ist aber Sache des Schutzsuchenden, seine Gründe für eine Verfolgung in schlüssiger Form vorzutragen. Er hat unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, so dass ihm nicht zuzumuten ist, im Herkunftsland zu verbleiben oder dorthin zurückzukehren. Wegen des sachtypischen Beweisnotstands, in dem sich Flüchtlinge insbesondere im Hinblick auf asylbegründende Vorgänge im Verfolgerland vielfach befinden, genügt für diese Vorgänge in der Regel eine Glaubhaftmachung. Voraussetzung für ein glaubhaftes Vorbringen ist allerdings ein detaillierter und in sich schlüssiger Vortrag ohne wesentliche Widersprüche und Steigerungen.
51
Daran fehlt es hier offensichtlich. So bleibt es beim allgemeinen Günstigkeitsprinzip, wonach die Nichterweislichkeit von Tatsachen, aus denen ein Beteiligter für sich günstige Rechtsfolgen herleitet, zu seinen Lasten geht, also des Schutzsuchenden (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris Rn. 26 ff.). Die vom Kläger vorgelegten Unterlagen finden keine Grundlage in seinem eigenen Vorbringen. Was aber nicht selbst als fluchtauslösende Ereignisse geschildert wurde, wird auch nicht durch erst im Nachhinein vorgelegte Unterlagen nachvollziehbar geltend gemacht. Unterlagen können eine Beweisnot beheben, aber nicht die unterlassene Geltendmachung der Tatsachen überhaupt.
52
Kann das Tatsachengericht für die Annahme einer beachtlichen Wahrscheinlichkeit von Verfolgung keine Überzeugung gewinnen und bestehen keine Anhaltspunkte für eine weitere Sachverhaltsaufklärung, hat es die Nichterweislichkeit des behaupteten Verfolgungsschicksals festzustellen und nach o.g. Maßstäben eine Beweislastentscheidung zu treffen (vgl. BVerwG, U.v. 4.7.2019 – 1 C 31/18 – juris Rn. 22). Da der Kläger seiner Verpflichtung zu einer Schilderung der angeblich fluchtauslösenden Ereignisse im Asylerstverfahren nicht nachgekommen und diese Unterlassung auch nicht nachvollziehbar entschuldigt hat, ist er sowohl wegen formeller Präklusion nach § 71 Abs. 1 AsylG mit wesentlichen Teilen des Vorbringens im Asylfolgeverfahren und den vorgelegten Dokumenten ausgeschlossen. Eine Asylfolgeantragsablehnung als offensichtlich unbegründet käme wegen der Widersprüche auch selbständig tragend nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 AsylG in Betracht. Dessen ungeachtet ist dieses Vorbringen aber zu Recht von der Beklagten ihrer Asylfolgeantragsablehnung als offensichtlich unbegründet nach § 30 Abs. 1 Nr. 8 i.V.m. § 71 AsylG zu Grunde gelegt worden.
53
bb) Es bestehen nach summarischer Prüfung aus diesen Gründen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids, soweit die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde. Insoweit wird auf obige Ausführungen verwiesen.
54
cc) Es bestehen auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheids soweit das Nichtvorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 AufenthG festgestellt wurde.
55
Der vor seiner Ausreise nach eigenen Angaben erwerbsfähige und erwerbstätige Kläger würde bei einer Rückkehr nach Tadschikistan keiner besonderen Ausnahmesituation ausgesetzt, die mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen würde, dass seine elementaren Bedürfnisse im Sinne eines Existenzminimums nicht gesichert wären. Die Grundversorgung und die medizinische Versorgung sind nach Überzeugung des Gerichts für Rückkehrer jedenfalls im Umfang des absoluten Existenzminimums gesichert. Auf die ausführliche und aktuelle Darstellung im angefochtenen Bescheid wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG). Zudem hat der Kläger familiäre Bindungen nach Tadschikistan, verfügt seine Familie dort über Wohneigentum und kann er etwaige Rückkehrhilfen in Anspruch nehmen. Hiervon Abweichendes ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
56
Eine menschenrechtswidrige Inhaftierung droht ihm nicht, denn Anhaltspunkte dafür, dass ihn der tadschikische Staat tatsächlich suchen und verhaften sowie verurteilen sollte, sind gerade nicht glaubhaft gemacht (vgl. oben). Da nur exilpolitisch aktive Mitglieder der o.g. Organisationen und prominente Kritiker bei Rückkehr nach Tadschikistan mit massiven staatlichen Repressionen rechnen müssen (Auswärtiges Amt, Lagebricht Tadschikistan vom 14.3.2022 S. 8; BFA, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation – Tadschikistan v.8.8.2022 S. 19 f.), der Kläger aber erstens kein Mitglied sein (vgl. oben) und zweitens keine nennenswerten Aktivitäten über die Teilnahme an Veranstaltungen und die mündliche Werbung für die Gruppe sowie „Likes“ hinaus entfaltet haben will, kann er nicht als exilpolitisch aktives Mitglied, sondern allenfalls als Mitläufer eingestuft werden.
57
Etwaige gesundheitliche Beeinträchtigungen sind weder vorgetragen noch unter Vorlage aussagekräftiger Atteste glaubhaft gemacht.
58
Keine Bedenken bestehen gegen den Erlass der Abschiebungsandrohung, dem keine unionsrechtlichen Bedenken nach § 34 Abs. 1 Nr. 4 AsylG n.F. hinsichtlich Kindeswohl, familiärer Bindungen oder Gesundheitszustand entgegenstehen, wie im angefochtenen Bescheid ausführlich geprüft und verneint ist, sowie gegen Erlass und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 AufenthG.
59
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 83 b AsylG).
60
Die Anträge auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung haben keinen Erfolg, weil der Antrag aus den o.g. Gründen unbegründet ist und die Klage im für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe maßgeblichen Zeitpunkt ebenfalls keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 166 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 ZPO).
61
Gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht ist etwa dann gegeben, wenn schwierige Rechtsfragen zu entscheiden sind, die im Hauptsacheverfahren geklärt werden müssen. Auch wenn eine Beweisaufnahme ernsthaft in Betracht kommt und keine konkreten Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass diese mit großer Wahrscheinlichkeit zum Nachteil des Mittellosen ausgehen wird, ist vorab Prozesskostenhilfe zu gewähren (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2003 – 1 BvR 1998/02 – NJW 2003, 2976). Insgesamt dürfen die Anforderungen an die Erfolgsaussichten eines gerichtlichen Verfahrens nicht überspannt werden, eine gewisse Wahrscheinlichkeit des Erfolges genügt (Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 26). Die Beiordnung eines Rechtsanwalts ist im Verfahren ohne Vertretungszwang immer geboten, wenn es in einem Rechtsstreit um nicht einfach zu überschauende Tat- und Rechtsfragen geht (Eyermann, a.a.O., Rn. 38).
62
Die Ablehnung des Asylfolgeantrags als offensichtlich unbegründet im streitgegenständlichen Bescheid der Beklagten erweist sich nach der für Prozesskostenhilfe gebotenen Prüfung der Erfolgsaussichten des Klageverfahrens (Au 6 K 24.30610) auf die Zuerkennung internationalen Schutzes und die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG als voraussichtlich rechtmäßig und die Klage nicht als hinreichend erfolgversprechend. Wie bereits zum Antragsverfahren ausgeführt, fehlt es beim Kläger bereits an einem schlüssigen, eine Verfolgungsfurcht nachvollziehbar begründenden Vorbringen. Die Lücken und Widersprüche zu zentralen Elementen seiner angeblichen Fluchtgeschichte nehmen sowohl seinem Eilantrag als auch seiner Klage die inhaltliche Grundlage.
63
Auf die Mittellosigkeit des Klägers kommt es daher nicht an.
Dieser Beschluss ist nach § 80 AsylG unanfechtbar.