Inhalt

VG München, Beschluss v. 01.10.2024 – M 5 E 24.1975
Titel:

Stellenbesetzung, Vorsitzender Richter, Bundespatentgericht, Anlassbeurteilung, Periodische Beurteilung, hinreichend akutell, Begründung, nachgeschoben

Normenketten:
GG Art. 33 Abs. 2
VwGO § 123
Schlagworte:
Stellenbesetzung, Vorsitzender Richter, Bundespatentgericht, Anlassbeurteilung, Periodische Beurteilung, hinreichend akutell, Begründung, nachgeschoben
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 06.03.2025 – 6 CE 24.1888
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28882

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 28.809,30 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragsgegnerin schrieb am … März 2023 eine Stelle einer Vorsitzenden Richterin / eines Vorsitzenden Richters am Bundespatentgericht in einem Technischen Beschwerdesenat des Fachbereichs Chemie aus. Auf diese Stelle bewarben sich unter anderem die Antragstellerin und die Beigeladene.
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Die 1965 geborene Antragstellerin ist seit .... November 2009 Richterin am Bundespatentgericht (im Richterverhältnis auf Lebenszeit). Für den Zeitraum .... März 2022 bis … Mai 2023 erhielt sie eine Anlassbeurteilung vom … September 2023 mit dem Gesamtprädikat „gut“. Für den Beurteilungszeitraum .... März 2019 bis … Februar 2022 wurde ihr auf ausdrücklichen Antrag eine periodische Beurteilung vom … Mai 2022 erteilt, die mit dem Gesamturteil „gut“ abschließt.
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Die 1963 geborene Beigeladene ist seit … Februar 2014 Richterin am Bundespatentgericht (im Richterverhältnis auf Lebenszeit). Seit … Juni 2019 ist sie an das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) abgeordnet, bei dem sie die Leitung einer Abteilung innehat. Mit Wirkung vom .... Juni 2023 bis … Mai 2029 ist sie im Umfang von 10 Prozent der Arbeitskraft dem Einheitlichen Patentgericht (EPG) zugewiesen. Für den Zeitraum … Juni 2020 bis … Mai 2023 erhielt sie eine Anlassbeurteilung mit einem Gesamtprädikat „gut obere Grenze“.
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Der Bundesminister der ... billigte den Besetzungsvermerk vom … März 2023, in dem vorgeschlagen wurde, die ausgeschriebene Stelle mit der Beigeladenen zu besetzen. Bei einem Vergleich der Anlassbeurteilungen stelle sich die Beigeladene als leistungsstärker als die Antragstellerin dar.
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Die Gleichstellungsbeauftragte des Bundespatentgerichts hat keine Einwände gegen die Besetzungsentscheidung erhoben.
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Der Präsidialrat des Bundespatentgerichts stimmte der beabsichtigten Ernennung der Beigeladenen zur Vorsitzenden Richterin am Bundespatentgericht am … April 2024 zu.
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Mit Schreiben vom .... April 2024 wurde der Antragstellerin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, die Stelle einer technischen Vorsitzenden Richterin / eines technischen Vorsitzender Richters mit der Beigeladenen zu besetzen.
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Am … April 2024 hat die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Es bestehe sowohl ein Anordnungsgrund wie auch ein Anordnungsanspruch. Die Anlassbeurteilung für die Antragstellerin sei rechtswidrig. Der Beurteilungszeitraum der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin umfasse einen Zeitraum von15 Monaten (....3.2022 bis …5.2023), der Beurteilungszeitraum der Anlassbeurteilung für die Beigeladene einen Zeitraum von 36 Monaten (......6.2020 bis …5.2023), in dem diese nicht als Richterin, sondern als Abteilungsleiterin am DPMA tätig gewesen sei. Daher seien die Beurteilungen nicht miteinander vergleichbar. Darüber hinaus hätte die Antragstellerin auch ein größeres Arbeitspensum als das von ihr erledigte nicht erreichen können. Denn das Arbeitspensum hänge – bis auf den technischen Beschwerdesenat – wesentlich von der Terminierung der/des Vorsitzenden ab. Zudem sei die Antragstellerin seit Februar 2016 regelmäßige Stellvertreterin des Senatsvorsitzenden und bis … Juli 2022 ehrenamtlich im Richterrat tätig gewesen. In den beiden Beurteilungsbeiträgen, die der Anlassbeurteilung zugrunde lägen, werde eine quantitative und auch qualitative Steigerung der Leistung besonders hervorgehoben. Diese Steigerung bilde sich aber im Ergebnis der Anlassbeurteilung nicht ab, da das Ergebnis gegenüber der vorangegangenen Beurteilung gleichgeblieben sei. Die Antragstellerin habe gegen die Anlassbeurteilung eine Gegenvorstellung eingelegt wie auch Widerspruch erhoben, über die bislang nicht entschieden worden sei. Es sei widersprüchlich, wenn in der Anlassbeurteilung eine Steigerung der weit überdurchschnittlichen Leistungen attestiert werde, sich dies aber nicht in einem besseren Gesamtergebnis ausdrücke. Die Tätigkeit im Richterrat bei einem sehr hohen Leistungsniveau könne durchaus berücksichtigt werden.
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Die Antragstellerin hat beantragt,
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der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die in der Sonderausgabe 3 c des BPatG aktuell ausgeschriebene Stelle einer Vorsitzenden Richterin / eines Vorsitzenden Richters in einem technischen Beschwerdesenat des Fachbereichs Chemie am Bundespatentgericht mit einer Mitbewerberin / einem Mitbewerber zu besetzen, solange nicht über die Bewerbung der Antragstellerin bestandskräftig entschieden ist.
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Die Antragsgegnerin hat beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Auswahlentscheidung sei rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere der Beurteilungszeitraum der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin beginnend erst ab .... März 2022 ergebe sich daraus, dass für diese Bewerberin eine periodische dienstliche Beurteilung für den Zeitraum .... März 2019 bis … Februar 2022 bestehe. Die Zeiträume der Anlassbeurteilungen müssten nicht vollständig kongruent sein. Auch die Regelbeurteilung laute auf „gut“ und hätte zu keinem anderen Ergebnis geführt. Die Tätigkeit der Beigeladenen als Beamtin könne Eingang in die vom Bundespatentgericht erstellte Anlassbeurteilung Eingang finden. Soweit die Antragstellerin rüge, dass die Anlassbeurteilung die erbrachten Leistungen nicht hinreichend bewerte, so liege es innerhalb des Bewertungsspielraums des Beurteilers, dass auch bei der Formulierung, dass die Richterin „ihre bereits überdurchschnittlichen Leistungen nicht nur beständig aufrechterhalten, sondern stellenweise noch übertroffen habe, sodass bei konstanter Entwicklung eine signifikante Leistungssteigerung erwartbar sei“ der Beurteilungsspielraum nicht auf Null reduziert sei, dass die Bewertungsstufe „gut, obere Grenze“ schon jetzt zu vergeben sei. Eine Tätigkeit im Richterrat sei bei den Leistungen nicht zu berücksichtigten.
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Mit Beschluss vom 22. April 2024 wurde die ausgewählte Bewerberin zum Verfahren beigeladen. Diese hat keinen Antrag gestellt.
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Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung des Rechts der Antragstellerin vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Nach Satz 2 des § 123 Abs. 1 VwGO sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, notwendig erscheint, um insbesondere wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern. § 123 Abs. 1 VwGO setzt daher sowohl einen Anordnungsgrund, d.h. ein Bedürfnis für die Inanspruchnahme vorläufigen Rechtsschutzes in Form der Gefährdung eines eigenen Individualinteresses, als auch einen Anordnungsanspruch voraus, d.h. die bei summarischer Überprüfung der Sach- und Rechtslage hinreichende Aussicht auf Erfolg oder zumindest auf einen Teilerfolg des geltend gemachten Begehrens in der Hauptsache. Die Antragstellerpartei hat die hierzu notwendigen Tatsachen glaubhaft zu machen.
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2. Der Anordnungsgrund in Form der besonderen Dringlichkeit der begehrten einst-weiligen Anordnung ist gegeben. Das Auswahlverfahren für die streitgegenständliche Stelle ist grundsätzlich abgeschlossen. Eine Ernennung der Beigeladenen steht unmittelbar bevor. Der Bewerbungsverfahrensanspruch der Antragstellerin als übergangene Bewerberin lässt sich nur vor der Ernennung des ausgewählten Konkurrenten mittels einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO effektiv sichern, da sich der um eine Stellenauswahl geführte Rechtsstreit mit der endgültigen Besetzung der ausgeschriebenen Stelle erledigt (vgl. BVerfG, B.v. 29.6.2003 – 2 BvR 311/03 – NVwZ 2004, 95). Nach herrschender Auffassung in der Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 4.11.2010 – 2 C 16/09 – NVwZ 2011, 358) ist mit der endgültigen anderweitigen Besetzung einer Stelle das Besetzungsverfahren grundsätzlich abgeschlossen mit der Folge, dass dem Begehren der Antragstellerin, die Auswahlentscheidung zu ihren Gunsten vorzunehmen, nicht mehr entsprochen werden könnte, weil der Dienstherr die Ernennung der Beigeladenen in der Regel nicht mehr rückgängig machen könnte.
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3. Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsanspruch betreffend die Rechtmäßigkeit der Auswahlentscheidung zugunsten des Beigeladenen glaubhaft gemacht.
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a) Einen Rechtsanspruch auf Übertragung der streitgegenständlichen Stelle hat die Antragstellerin nicht. Ein solcher lässt sich nach herrschender Rechtsprechung nicht aus der Fürsorgepflicht ableiten, die sich auf das vom Beamten bekleidete Amt beschränkt und somit amtsbezogen ist. Die Antragstellerin hat aber einen Bewerbungsverfahrensanspruch, d.h. einen Anspruch darauf, dass der Dienstherr den Dienstposten unter Berücksichtigung des in Art. 33 Abs. 2 GG, § 46 des Deutschen Richtergesetzes (DRiG) i.V.m. § 9 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) normierten Leistungsgrundsatzes vergibt und seine Auswahlentscheidung nur auf Gesichtspunkte stützt, die unmittelbar Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Bewerber betreffen (vgl. BVerfG, B.v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746 und B.v. 2.10.2007 – 2 BvR 2457/04 – NVwZ 2008, 194).
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Anhand dieser Vorgaben hat der Dienstherr unter mehreren Bewerbern den am besten Geeigneten ausfindig zu machen. Diese Vorgaben dienen zwar vornehmlich dem öffentlichen Interesse an einer bestmöglichen Besetzung von Beamtenstellen (hier: Richterstellen), berücksichtigen aber zugleich das berechtigte Interesse eines Beamten (hier: Richters) an einem angemessenen beruflichen Fortkommen. Ein Bewerber hat daher Anspruch auf rechtsfehlerfreie Anwendung (BVerwG, U. v. 25.8.1988 – 2 C 28/85 – juris; BayVGH, B.v. 25.5.2011 – 3 CE 11.605 – BayVBl 2011, 565; VG München, B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris). Aus der Verletzung dieses Anspruchs folgt zwar regelmäßig nicht ein Anspruch auf Beförderung oder auf Vergabe des begehrten Dienstpostens. Der unterlegene Bewerber kann aber eine erneute Entscheidung über seine Bewerbung beanspruchen, wenn seine Auswahl möglich erscheint (BVerfG, B. v. 26.11.2010 – 2 BvR 2435/10 – NVwZ 2011, 746).
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Feststellungen über Eignung, Befähigung und fachliche Leistung von Bewerbern um eine Beförderungsstelle sind in erster Linie auf die aktuellen dienstlichen Beurteilungen zu stützen, denn sie bilden den gegenwärtigen bzw. zeitnah zurückliegenden Stand ab und können somit am besten als Grundlage für die Prognose dafür dienen, welcher der Konkurrenten die Anforderungen der zu besetzenden Stelle voraussichtlich am besten erfüllen wird (BVerwG, B.v. 27.9.2011 – 2 VR 3/11 – NVwZ-RR 2012, 71; vgl. zum Ganzen auch: BayVGH, B.v. 18.6.2012 – 3 CE 12.675 – juris; VG München, B.v. 26.10.2012 – M 5 E 12.3882 – juris; B.v. 24.10.2012 – M 5 E 12.2637 – juris).
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Die Eignung von dienstlichen Beurteilungen als Grundlage für den Bewerbervergleich setzt voraus, dass diese zeitlich aktuell und inhaltlich aussagekräftig sind. Hierfür ist erforderlich, dass sie die dienstliche Tätigkeit im maßgebenden Beurteilungszeitraum vollständig erfassen, auf zuverlässige Erkenntnisquellen gestützt sind, das Leistungsvermögen hinreichend differenziert darstellen sowie auf gleichen Bewertungsmaßstäben beruhen. Die Aktualität dienstlicher Beurteilungen bemisst sich nach dem verstrichenen Zeitraum zwischen dem Beurteilungsstichtag und dem Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (ständige Rechtsprechung, vgl. BayVGH, B.v. 5.11.2019 – 3 CE 19.1896 – juris Rn. 13). Nach § 48 Abs. 1 Alternative 2 der Verordnung über die Laufbahnen der Bundesbeamtinnen und Bundesbeamten – Bundeslaufbahnverordnung (BLV), die nach § 46 DRiG entsprechend auf die beteiligten Bewerberinnen als Richter im Bundesdienst anzuwenden sind, können Anlassbeurteilungen (Bedarfsbeurteilungen) erstellt werden, wenn die dienstlichen Verhältnisse es erfordern (zu Beurteilungen der Richter im Bundesdienst: Schmidt-Räntsch, DRiG, 6. Auflage 2009, § 46 Rn. 82 ff.). Das ist insbesondere bei einer bevorstehenden Auswahlentscheidung der Fall (BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – ZBR 2020, 35, juris Rn. 41).
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4. Die streitgegenständliche Auswahlentscheidung entspricht diesen Grundsätzen und ist rechtlich nicht zu beanstanden.
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a) Der Auswahlvermerk vom … März 2024 genügt den formellen rechtlichen Anforderungen an die Darstellung der wesentlichen Auswahlerwägungen.
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Aus Art. 33 Abs. 2 GG i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt die Verpflichtung des Dienstherrn, die wesentlichen Auswahlerwägungen schriftlich niederzulegen. Nur durch eine schriftliche Fixierung der wesentlichen Auswahlerwägungen – deren Kenntnis sich der unterlegene Bewerber ggf. durch Akteneinsicht verschaffen kann – wird der Mitbewerber in die Lage versetzt, sachgerecht darüber zu befinden, ob er die Entscheidung hinnehmen soll oder ob Anhaltspunkte für einen Verstoß gegen den Bewerbungsverfahrensanspruch bestehen. Darüber hinaus eröffnet erst die Dokumentation der maßgeblichen Erwägungen auch dem Gericht die Möglichkeit, die angegriffene Entscheidung eigenständig nachzuvollziehen (vgl. Schnellenbach, Konkurrenzen im öffentlichen Dienst, 2. Auflage 2018, Anhang 5 Rn. 2; BayVGH, B.v. 8.2.2018 – 3 CE 17.2304 – juris Rn. 4; BVerfG, B.v. 9.7.2007 – 2 BvR 206/07 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 16.12.2008 – 1 WB 19/08 – juris Rn. 35).
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Dort ist auf der Grundlage des ausführlichen Besetzungsberichts der Präsidentin des Bundespatentgerichts dargestellt, dass die Beigeladene auf der Grundlage des Vergleichs der vorliegenden Beurteilungen leistungsstärker als die Antragstellerin einzuschätzen sei.
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b) Die Auswahlentscheidung ist auch materiell-rechtlich nicht zu beanstanden. Denn für den Leistungsvergleich zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen ist nicht die Anlassbeurteilung für die Antragstellerin vom 25. September 2023 für den Beurteilungszeitraum .... März 2022 bis … Mai 2023 heranzuziehen, sondern die periodische Beurteilung vom … Mai 2022 für den Beurteilungszeitraum .... März 2019 bis … Februar 2022. Denn die periodische Beurteilung war noch hinreichend aktuell. Dieser Fehler wirkt sich allerdings nicht auf das Ergebnis aus. Denn bei der rechtlich gebotenen Berücksichtigung der periodischen Beurteilung für die Antragstellerin vom … Mai 2022 stellt sich die Beigeladene ebenfalls als leistungsstärkere Bewerberin dar. Darauf hat die Antragsgegnerin zu Recht in ihrem Schriftsatz vom … Juli 2024 (S. 9) hingewiesen.
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aa) Es ist rechtlich fehlerhaft, dass der Leistungsvergleich zwischen der Antragstellerin und der Beigeladenen ausschließlich anhand der vom Vizepräsident des Bundespatentgerichts erstellten Anlassbeurteilungen erfolgt ist (Beurteilungen aus besonderem Anlass nach § 6 Abs. 2 der Richtlinie für die dienstliche Beurteilung von Beamtinnen und Beamten, Richterinnen und Richtern sowie dem höheren Dienst vergleichbaren Beschäftigten im Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz – Beurteilungsrichtlinie BMJV). Anlassbeurteilungen sind nach der vorgelegten Richtlinie zum Beurteilungswesen im Bundespatentgericht (richterlicher Dienst) Unterpunkt „Fristen bzw. Anlässe für Beurteilungen“ im Fall der Bewerbung um ein Beförderungsamt zu erstellen.
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bb) Für die Beigeladene wurde ohne Rechtsfehler eine Anlassbeurteilung eingeholt, da die für die Richterin erstellte Anlassbeurteilung vom … Juni 2020 für den Zeitraum .... Dezember 2016 bis … Juni 2019 nicht mehr hinreichend aktuell war. Entsprechend den Beurteilungsgrundsätzen war aus Anlass der Bewerbung der Beigeladenen um den streitgegenständlichen Dienstposten ebenso eine Anlassbeurteilung zu erstellen.
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Das steht auch in Einklang mit den Beurteilungsgrundsätzen des Bundespatentgerichts. Dort ist festgelegt, dass eine Regelbeurteilung vom 50. bis vollendetem 55. Lebensjahr nur auf Antrag erfolgt, ab dem 55. Lebensjahr wird eine Beurteilung nur noch auf Antrag im Bedarfsfall abgegeben (z.B. Bewerbung für ein Beförderungsamt oder wenn ein berechtigtes persönliches Interesse geltend gemacht wird). Für die im Jahr 1963 geborene Beigeladene war daher keine Regelbeurteilung zu erstellen, sondern eine Anlassbeurteilung aus Anlass der Bewerbung um die streitgegenständliche Stelle. Die Anlassbeurteilung für den Zeitraum .... Dezember 2016 bis … Juni 2019 (vom …6.2020) war zum Zeitpunkt der Auswahlentscheidung am … März 2024 nicht mehr hinreichend aktuell. Es kann offenbleiben, ob hierfür auf den Ablauf des Stichtags der dreijährigen Beurteilungsperiode für die periodische dienstliche Beurteilung (... …6.2019) und den Zeitpunkt der Auswahlentscheidung (...3.2023) abgestellt wird (so: BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – BVerwGE 165, 305, juris Rn. 34) oder den in den Beurteilungsrichtlinien vorgesehene Zeitraum von 15 Monaten zwischen Beurteilung und Stellenausschreibung (...3.2023). Nach beiden rechtlichen Bezugspunkten für die Aktualität einer (Anlass-)Beurteilung war die Anlassbeurteilung vom … Juni 2020 nicht mehr hinreichend aktuell. Es ist nichts dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass der Beurteilungszeitraum für die Anlassbeurteilung für die Beigeladene vom … September 2023 von drei Jahren (Beurteilungszeitraum ....6.2020 bis …5.2023) für einen Leistungsvergleich nicht sachgerecht sein könnte.
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Es ist auch rechtlich nichts dagegen zu erinnern, dass die Anlassbeurteilung für die Beigeladene vom Vizepräsidenten des Bundespatentgerichts erstellt wurde, auch wenn die Richterin während des gesamten Zeitraums der Anlassbeurteilung an das Deutsche Patent- und Markenamt abgeordnet war. Da für den Fall der Abordnung die Beurteilungsgrundsätze des Bundespatentgerichts keine Regelung treffen, gelten die allgemeinen Grundsätze für die Beurteilung während einer Abordnung. Danach erfolgt die Beurteilung durch den zuständigen Beurteiler der Stammbehörde. Denn bei der Abordnung eines Richters oder Beamten handelt es sich um eine vorübergehende Personalmaßnahme (§ 46 DRiG, § 27 Abs. 1 BBG; vgl. auch: BVerwG, B.v. 20.6.2022 – 2 B 45/21 – NVwZ 2022, 1828, juris Rn. 8 ff.; Huber, ZBR 1993, 361/366 f.). Die Beurteilung durch den Vizepräsidenten des Bundespatentgerichts erfolgte nach den Beurteilungsgrundsätzen des Bundespatentgerichts nach den für das Bundespatentgericht geltenden inhaltlichen Maßstäben unter Berücksichtigung des Beurteilungsbeitrags der Präsidentin des Deutschen Patent- und Markenamts. Die für die Beigeladene erstellte Anlassbeurteilung stellt daher eine geeignete Vergleichsgrundlage für einen Leistungsvergleich dar.
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cc) Dagegen war es rechtlich fehlerhaft, für die Antragstellerin eine Anlassbeurteilung einzuholen, obwohl eine hinreichend aktuelle Regelbeurteilung für sie vorhanden war.
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Die Anlassbeurteilung vom … September 2023 für den Beurteilungszeitraum .... März 2022 bis … Mai 2023 war nach den Beurteilungsgrundsätzen nicht erforderlich. Denn es bestand eine periodische Beurteilung vom … Mai 2022 für den Beurteilungszeitraum .... März 2019 bis … Februar 2022. Bei dieser Beurteilung handelt es sich um eine periodische Beurteilung, da die Antragstellerin ausweislich Blatt B 37 des Beurteilungsgehefts am … Januar 2022 die Erstellung ihrer nächsten dienstlichen Regelbeurteilung beantragt hat, die ihr dann am … Mai 2022 – entsprechend den Beurteilungsgrundsätzen – erteilt wurde. Diese war nach den Beurteilungsgrundsätzen des Bundespatentgerichts auch für die streitgegenständliche Stellenbesetzung hinreichend aktuell, da zwischen Beurteilung (17.5.2022) und Stellenausschreibung (.......3.2023) weniger als 15 Monate lagen. Da auch keine Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die Antragstellerin andere Aufgaben über einen erheblichen Zeitraum wahrgenommen hat (für Regelbeurteilungen: BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – BVerwGE 165, 305, juris Rn. 37, 42 f, 45; BayVGH, B.v. 6.3.2024 – 3 CE 23.2302 – juris Rn. 8), war die Anlassbeurteilung vom … September 2023 nicht erforderlich. Fehlt ein Anlass zur Erstellung einer Anlassbeurteilung, bedarf es nicht nur keiner Anlassbeurteilung, sondern dem Dienstherrn ist der Erlass einer solchen auch verwehrt und sie darf für einen Leistungsvergleich nicht herangezogen werden (BVerwG, B.v. 2.7.2020 – 2 A 6.19 – ZBR 2020, 346, juris Rn. 12; BVerwG, B.v. 7.1.2021 – 2 VR 4/20 – ZBR 2021, 342, juris Rn. 45; BayVGH, B.v. 16.11.2022 – 3 CE 22.1887 – NVwZ-RR 2023, 333, juris Rn. 16).
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Die einzelnen Beurteilungszeiträume müssen zwar im Wesentlichen übereinstimmen, weil nur so eine vergleichbare Aussagekraft zu Eignung, Befähigung und Leistung der Bewerber untereinander gewährleistet ist (BayVGH, B.v. 28.6.2002 – 3 CE 02.1282 – juris Rn. 35). Unterschiedliche Aktualitätsgrade der einer Auswahlentscheidung zugrunde zu legenden Beurteilungen sind jedoch in bestimmten Konstellationen zwangsläufig in Kauf zu nehmen. Wird einem Bewerber eine Anlassbeurteilung erteilt, sind nicht allein deshalb für alle Bewerber Anlassbeurteilungen einzuholen (vgl. dazu BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 2 C 1.18 – juris Rn. 57 f.; BayVGH, B.v. 18.9.2020 – 3 CE 20.1849 – juris Rn. 11). Dabei sind auch größere Zeitdifferenzen zwischen einer Regel- und einer Anlassbeurteilung hinzunehmen, solange ein Qualifikationsvergleich auf der Grundlage beider Beurteilungen ohne ins Gewicht fallende Benachteiligung eines Bewerbers nach dem Grundsatz der Bestenauslese möglich bleibt (BVerwG, U.v. 9.5.2019, a.a.O. Rn. 59; vgl. zum Ganzen: BayVGH, B.v. 26.4.2021 – 3 CE 20.3137 – juris Rn. 20). Das gilt vom Sinn und Zweck her auch im vorliegenden Fall, in dem für die periodischen Beurteilungen keine einheitlichen Stichtage, aber einheitliche Zeiträume von drei Jahren festgelegt sind. Auch dieses System darf durch Anlassbeurteilungen nicht unterlaufen werden.
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Das Argument der Antragsgegnerin, dass die Anlassbeurteilung vom … September 2023 erstellt wurde, um einen längeren Überschneidungszeitraum der zum Vergleich gestellten Anlassbeurteilungen im Zeitpunkt der Auswahlentscheidung herzustellen, überzeugt nicht. Denn maßgeblich für die Vergleichbarkeit der Anlassbeurteilungen sind die überlappenden Beurteilungszeiträume. Der Zeitpunkt der Auswahlentscheidung und die Beurteilungszeiträume der dem Leistungsvergleich zugrunde liegenden Beurteilungen sind voneinander zu unterscheiden. Der Überlappungszeitraum der Beurteilung für die Antragstellerin vom … Mai 2022 (Beurteilungszeitraum ....3.2019 bis …2.2022) mit der Anlassbeurteilung für die Beigeladene vom … September 2023 (Beurteilungszeitraum ....6.2020 bis …5.2023) beträgt für den Zeitraum vom .... Juni 2020 bis … Februar 2022 21 Monate. Der Überlappungszeitraum der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin vom … September 2023 (Beurteilungszeitraum ....3.2022 bis …5.2023) mit der Anlassbeurteilung für die Beigeladene vom … September 2023 (Beurteilungszeitraum ....6.2020 bis …5.2023) beträgt für den Zeitraum .... März 2022 bis … Mai 2023 lediglich 14 Monate. Auch wenn die Antragsgegnerin darauf hinweist, dass die Bestimmung in den Beurteilungsgrundsätzen über die Aktualität einer Anlassbeurteilung von 15 Monaten zwischen letzter Beurteilung und Stellenausschreibung aufgrund der Formulierung „regelmäßig“ mit einer Offenheit auch für abweichende, kürzere Zeiträume verbunden sei, so sind keine Umstände ersichtlich, warum vom Regelfall der 15 Monate zwischen Beurteilung und Ausschreibung vorliegend eine Ausnahme zu sehen wäre. Wie dargelegt, sind bis auf den Zeitablauf keine Umstände ersichtlich, die gegen eine hinreichende Aktualität der periodischen Beurteilung für die Antragstellerin vom … Mai 2022 sprechen. Vielmehr ist der Überlappungszeitraum bei der Heranziehung der periodischen Beurteilung für die Antragstellerin vom … Mai 2022 um 7 Monate länger als bei Heranziehung der Anlassbeurteilung vom … September 2023.
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dd) Der Leistungsvergleich der Anlassbeurteilung für die Beigeladene vom … September 2023 (Beurteilungszeitraum ....6.2020 bis …5.2023) mit der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin vom … September 2023 (Beurteilungszeitraum …3.2022 bis …5.2023) ist zwar rechtlich fehlerhaft. Denn die Heranziehung der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin war unzulässig. Dieser Fehler wirkt sich auf die Auswahlentscheidung jedoch nicht aus. Denn bei der gebotenen Heranziehung der periodischen dienstlichen Beurteilung für die Antragstellerin vom … Mai 2022 (Beurteilungszeitraum ....3.2019 bis …2.2022) für den Leistungsvergleich wäre die Auswahlentscheidung – ausweislich der Ausführungen der Antragsgegnerin im Schriftsatz vom … Juli 2024 – ebenso zugunsten der Beigeladenen ausgefallen. Denn die Beurteilung der Antragstellerin vom … Mai 2022 lautet auf „gut“, die der Beigeladenen auf „gut obere Grenze“. Der Leistungsvergleich anhand des Endurteils der zum Leistungsvergleich heranzuziehenden dienstlichen Beurteilungen fällt zugunsten der Beigeladenen aus. Die Erwägungen des Auswahlvermerks vom … März 2024 – Leistungsvergleich anhand der Endurteile der dienstlichen Beurteilungen – gelten entsprechend, wobei anstelle der Anlassbeurteilung für die Antragstellerin vom … September 2023 deren periodische Beurteilung vom … Mai 2022 zugrunde zu legen ist. Mit der periodischen Beurteilung vom … Mai 2022 hat sich die Antragstellerin am .... Mai 2022 ausdrücklich einverstanden erklärt und keine Einwendungen erhoben (Beurteilungsgeheft Bl. B 48). Die im vorliegenden Verfahren gegen die Anlassbeurteilung vom … September 2023 erhobenen Einwände gehen ins Leere.
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Die Antragsgegnerin hat diese zutreffende Auswahlerwägung, dass sich bei einem Vergleich der Anlassbeurteilung für die Beigeladene vom … September 2023 mit der periodischen Beurteilung für die Antragstellerin vom … Mai 2022 die Beigeladene als leistungsstärker bewertete Bewerberin darstellt, im Schriftsatz vom … Juli 2024 (S. 9) – zwar knapp, aber für die Begründung der Auswahlentscheidung durch Vergleich der Endurteile der Beurteilungen hinreichend – nachgeschoben. Denn nach dem Empfängerhorizont eines objektiven Dritten wird das Ergebnis der Auswahlentscheidung damit begründet, dass die Beigeladene als leistungsstärkere Bewerberin ausgewählt wird, auch wenn die Anlassbeurteilung für die Beigeladene und die Regelbeurteilung für die Antragstellerin- und nicht die Anlassbeurteilung für die Antragstellerin – im Gesamturteil verglichen werden.
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Da das getroffene Auswahlergebnis ohne den erfolgten Rechtsfehler (Heranziehung der Anlassbeurteilung vom …9.2023) bei einer rechtskonformen Heranziehung der Regelbeurteilung für die Antragstellerin vom … Mai 2022 unter Beachtung des Leistungsgrundsatzes ebenso zugunsten der Beigeladenen ausgefallen wäre – worauf die Antragsgegnerin im Schriftsatz vom … Juli 2024 verweist –, ist die rechtsfehlerhafte Heranziehung der Anlassbeurteilung nicht kausal (Rechtsgedanke des § 46 VwVfG, vgl. hierzu allgemein: Sachs in Stelkens/ Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Auflage 2023, § 46 Rn. 76 ff.; für den Fall des kompletten Nachschiebens der Auswahlerwägungen: OVG Rh Pf, B.v. 23.12.2013 – 2 B 11209/13 – juris Rn. 12; kritisch hierzu: Lindner, NVwZ 2013, 547/550).
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5. Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. § 155 Abs. 4 VwGO ist vorliegend nicht anzuwenden, da diese Ausnahmevorschrift zurückhaltend anzuwenden ist (Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Auflage 2022, § 155 Rn. 10). In der nach der neueren Rechtsprechung nicht zulässigen Heranziehung einer nicht erforderlichen Anlassbeurteilung kann kein ins Gewicht fallendes Verschulden gesehen werden, dass die Kostentragungspflicht der Antragsgegnerin rechtfertigen könnte. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten unter Billigkeitsgesichtspunkten selbst, da sie weder einen Antrag gestellt noch sonst das Verfahren gefördert hat (§ 154 Abs. 3, § 162 Abs. 3 VwGO).
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6. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 1, Satz 2 bis 4 Gerichtskostengesetz (GKG) – ein Viertel der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen. Nach der Auskunft der Antragsgegnerin würden sich die monatlichen Bezüge für die Antragstellerin in dem mit der Stelle verbundenen Amt jährlich auf 115.237,20 EUR belaufen, hiervon ein Viertel (BayVGH, B.v. 3.7.2019 – 3 CE 19.1118 – juris) ergibt 28.809,30 EUR.