Titel:
Prorogation des Amtsgerichts bei Streitwert über 5.000 EUR
Normenketten:
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2, § 38 Abs. 1
BGB § 307, § 310
GG Art. 103 Abs. 1
Leitsatz:
Eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen zwischen Kaufleuten getroffene Gerichtsstandsvereinbarung ist nicht deshalb unwirksam, weil sie die sachliche Zuständigkeit eines Amtsgerichts unabhängig von der Höhe des Streitwerts vorsieht. (Rn. 31) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gerichtsstandsbestimmung, negativer Zuständigkeitskonflikt, rechtliches Gehör, Bindungswirkung, Willkür, Gerichtsstandsvereinbarung, Kaufleute, Streitwert, Inhaltskontrolle
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28768
Tenor
Sachlich zuständig ist das Amtsgericht Cham.
Gründe
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Mit Schriftsatz vom 7. Juni 2024 erhob die Klägerin, eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung, beim Amtsgericht Cham Klage auf Zahlung von 9.566,96 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten wegen behaupteter mangelhafter Ausführung von Dämmarbeiten durch die Beklagte. Diese ist ebenfalls eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz im Bezirk des Amtsgerichts Cham.
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Zur Begründung der Klageforderung trägt die Klägerin unter Vorlage des Auftrags, der Rechnung und der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten vor, diese sei von der Klägerin im Jahr 2021 mit der Abdämmung des Dachstuhls eines Bauvorhabens in N. am I. beauftragt worden. Nach der Fertigstellung des Bauvorhabens habe sich herausgestellt, dass die Dämmarbeiten mangelhaft durchgeführt worden seien. Die Klägerin habe die Beklagte unverzüglich über den vorhandenen Mangel in Kenntnis gesetzt und zur Nachbesserung aufgefordert. Eine Nachbesserung habe die Beklagte lediglich teilweise vorgenommen; im Übrigen habe sie auf ihre Betriebshaftpflichtversicherung verwiesen. Die Klägerin habe daher den verbliebenen Mangel selbst beseitigen lassen (müssen). Die Haftpflichtversicherung der Beklagten habe die Übernahme der von der Klägerin aufgewendeten – angemessenen und ortsüblichen – Kosten zur Schadensbeseitigung in Höhe von 12.893,06 € abgelehnt. Nach Einschaltung des Prozessbevollmächtigten der Klägerin seien von Beklagtenseite Zahlungen in Höhe von insgesamt 3.326,10 € geleistet worden. Der verbleibende Restbetrag von 9.566,96 €, den die Beklagte gemäß § 637 Abs. 1 BGB schulde, werde klageweise geltend gemacht. Unter dem Gesichtspunkt des Verzugs habe sie außerdem vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten und Zinsen zu zahlen.
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In den mit der Klage vorgelegten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten heißt es unter Ziffer 11:
„11. Gerichtsstand/Erfüllungsort Für eventuelle Streitigkeiten, die sich aus dem Vertrag ergeben oder mit ihm im Zusammenhang stehen, ist das Gericht zuständig, in dessen Gerichtsbezirk die Firma F. GmbH [= die Beklagte] seinen Sitz hat. Dies ist, unabhängig von der Höhe des Streitwerts, das Amtsgericht Cham.“
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Mit Verfügung vom 25. Juni 2024 ordnete das Amtsgericht die Durchführung eines schriftlichen Vorverfahrens an und wies darauf hin, dass es gemäß § 504 ZPO sachlich unzuständig sei, jedoch zuständig werde, wenn die beklagte Partei mündlich zur Hauptsache verhandele, ohne die Unzuständigkeit geltend zu machen. Es wurde angefragt, ob Verweisungsantrag gestellt werde.
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Die Klägerin führte in ihrer Stellungnahme vom 2. Juli 2024 aus, dass die Parteien Kaufleute seien und den beauftragten Arbeiten – wie bereits in der Klage vorgetragen – die in den Vertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zu Grunde lägen. Aufgrund Ziffer 11 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen sei das Amtsgericht Cham sachlich und örtlich zuständig, § 38 ZPO. Hilfsweise werde die Verweisung an das Landgericht Regensburg beantragt. Die Beklagte wies mit Schriftsatz vom 2. Juli 2024 auf die Unzulässigkeit der zum unzuständigen Gericht erhobenen Klage hin und behielt sich weiteren Vortrag vor. Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2024 verwies die Klägerin auf ihre Stellungnahme vom 2. Juli 2024. Im Übrigen teilte sie mit, dass sie „kein Problem mit einer Verweisung an das Landgericht Regensburg“ habe. Die Beklagte kündigte ihrerseits mit Schriftsatz vom 19. Juli 2024 an, sie werde „zeitnah“ zu ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen vortragen, gegebenenfalls auch bereits im Zuge der Klageerwiderung, für die Fristverlängerung bis 6. August 2024 beantragt werde.
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Das Amtsgericht Cham hat mit den Parteien formlos mitgeteiltem Beschluss vom 19. Juli 2024 den Streitwert auf 9.566,96 € festgesetzt, sich für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit „auf Antrag beider Parteien“ an das Landgericht Regensburg verwiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, dass die Entscheidung auf § 281 ZPO beruhe. Das angegangene Gericht sei sachlich unzuständig. Auf Antrag der Beklagten [richtig wohl: Klägerin] habe sich das Gericht für unzuständig zu erklären und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Gericht zu verweisen.
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Das Landgericht Regensburg hat sich ebenfalls mit formlos den Parteien mitgeteiltem Beschluss vom 25. Juli 2024 für sachlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit zur Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO dem Oberlandesgericht Nürnberg vorgelegt. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts Regensburg sei nicht begründet. Die Parteien hätten in ihr Vertragsverhältnis unstreitig die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten einbezogen, in denen die streitwertunabhängige sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Cham festgelegt worden sei. Eine solche Bestimmung sei zwischen Kaufleuten nach einhelliger Ansicht in der Rechtsprechung und Literatur wirksam. Die gelegentlich vertretene Gegenansicht, die damit argumentiert habe, dass bei Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung der Weg in die Revision versperrt sei, sei durch die Reform des Revisionsrechts (§ 543 ZPO) obsolet. Der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Cham sei nicht bindend, da er als objektiv willkürlich anzusehen sei. Obwohl sich die Klagepartei auf die Gerichtsstandsvereinbarung berufen habe, habe das Amtsgericht ohne inhaltliche Begründung die unzutreffende Aussage getroffen, es sei für den Rechtsstreit nicht zuständig. Es habe keine erkennbare Prüfung der eigenen Zuständigkeit vorgenommen, sondern diese entgegen der Rechtslage und ohne Prüfung der gesetzlichen Regelungen (§ 38 ZPO und § 307 BGB) mit inhaltsleerer Begründung verneint. Die Verweisung entspreche auch nicht dem übereinstimmenden Willen der Parteien, da die Klagepartei Verweisung lediglich hilfsweise für den Fall beantragt habe, dass das Amtsgericht deren Rechtsauffassung nicht folge.
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Mit Verfügung vom 1. August 2024 hat das Oberlandesgericht Nürnberg die Parteien darauf hingewiesen, dass es für die Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO nicht zuständig sei und das Verfahren dem Bayerischen Obersten Landesgericht zur Übernahme übersandt. Das Landgericht Regensburg hat mit Beschluss vom 8. August 2024 seinen Beschluss vom 25. Juli 2024 in Ziffer 2 dahingehend abgeändert, dass eine Vorlage des Rechtsstreits zur Zuständigkeitsbestimmung an das Bayerische Oberste Landesgericht erfolgt.
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Den Parteien ist nach Übernahme des Verfahrens Gelegenheit zur Stellungnahme gewährt worden. Es hat sich lediglich die Beklagte geäußert, die meint, im Schriftsatz der Klägerin vom 17. Juli 2024 liege „offenbar eine Einlassung auf eine landgerichtliche Zuständigkeit“. Zwar weise Ziffer 11 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten das Amtsgericht als zuständig aus, dies könne jedoch unwirksam sein. Vermutlich sei der Verweisungsbeschluss nach der Judikatur des nun befassten Gerichts bindend. Auch wenn er keine inhaltliche Begründung enthalte, sei rechtliches Gehör gewährt worden und der Beschluss sei auch nicht völlig willkürlich.
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Auf die zulässige Vorlage ist die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Cham auszusprechen.
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1. Die Voraussetzungen für die Zuständigkeitsbestimmung gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO durch das Bayerische Oberste Landesgericht liegen vor.
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a) Das Amtsgericht Cham hat sich nach Rechtshängigkeit der Sache durch unanfechtbaren Verweisungsbeschluss vom 19. Juli 2024 für sachlich unzuständig erklärt, das Landgericht Regensburg durch den zuständigkeitsverneinenden Beschluss vom 25. Juli 2024. Die jeweils beiden Parteien mitgeteilte und ausdrücklich ausgesprochene Leugnung der eigenen Zuständigkeit erfüllt das Tatbestandsmerkmal „rechtskräftig“ im Sinne des § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 15. August 2017, X ARZ 204/17, NJW-RR 2017, 1213 Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 82/22, NJW-RR 2022, 1605 Rn. 20; Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 13). Unschädlich ist, dass das Landgericht Regensburg den Parteien vorab kein rechtliches Gehör gewährt hat, da es seine Entscheidung den Parteien zumindest nachträglich bekannt gegeben hat (vgl. dazu BayObLG NJW-RR 2022, 1605 Rn. 20 m. w. N.).
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b) Auch der negative Kompetenzkonflikt zwischen Amtsgericht und Landgericht über die sachliche Zuständigkeit als Eingangsinstanz ist im Verfahren nach oder analog § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu entscheiden (vgl. BayObLG, Beschluss vom 11. Januar 2024, 101 AR 222/23 e, juris Rn. 26; Beschluss vom 10. Juli 2023, 101 AR 148/23 e, juris Rn. 14 m. w. N., Toussaint in BeckOK ZPO, 54. Ed. 1. September 2024, § 36 Rn. 38.1).
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c) Zuständig für die Bestimmungsentscheidung ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO das Bayerische Oberste Landesgericht, weil das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über dem Amtsgericht Cham und dem Landgericht Regensburg in der hier vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof ist (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18. Juni 2024, 101 AR 80/24 e, juris Rn. 11; Beschluss vom 24. September 2019, 1 AR 83/19, juris Rn. 8 ff.).
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2. Sachlich zuständig ist das Amtsgericht Cham. Dessen Verweisungsbeschluss vom 19. Juli 2024 entfaltet ausnahmsweise nicht die in § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO vorgesehene Bindungswirkung. Seine sachliche Zuständigkeit ergibt sich aus der zwischen den Parteien getroffenen wirksamen Gerichtsstandsvereinbarung (§ 38 ZPO).
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a) Zwar hat der Gesetzgeber in § 281 Abs. 2 Sätze 2 und 4 ZPO (gegebenenfalls in Verbindung mit § 506 Abs. 2 ZPO) die grundsätzliche Unanfechtbarkeit von Verweisungsbeschlüssen und deren Bindungswirkung angeordnet. Dies hat der Senat im Verfahren nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO zu beachten. Im Fall eines negativen Kompetenzkonflikts innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit ist daher grundsätzlich das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache in dem zuerst ergangenen Verweisungsbeschluss verwiesen worden ist. Demnach entziehen sich auch ein sachlich zu Unrecht ergangener Verweisungsbeschluss und die diesem Beschluss zugrunde liegende Entscheidung über die Zuständigkeit grundsätzlich jeder Nachprüfung (BayObLG, Beschluss vom 5. März 2024, 101 AR 246/23 e, juris Rn. 38; Beschluss vom 20. Juli 2023, 101 AR 150/23 e, juris Rn. 16; Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 17).
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Nach ständiger Rechtsprechung kommt einem Verweisungsbeschluss allerdings dann keine Bindungswirkung zu, wenn dieser schlechterdings nicht als im Rahmen des § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann, etwa weil er auf der Verletzung rechtlichen Gehörs beruht, nicht durch den gesetzlichen Richter erlassen wurde oder jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und deshalb als willkürlich betrachtet werden muss (st. Rspr.; vgl. BGH NJW-RR 2017, 1213 Rn. 15; BayObLG, Beschl. v. 5. März 2024, 101 AR 246/23 e, juris Rn. 39; Greger in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 281 Rn. 17).
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aa) Der in Art. 103 Abs. 1 GG gewährleistete Anspruch auf rechtliches Gehör verpflichtet die Gerichte u. a., die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Die Parteien haben einen Anspruch darauf, dass die Gerichte ein rechtzeitiges und möglicherweise erhebliches Vorbringen zur Kenntnis nehmen und bei ihren Entscheidungen in Erwägung ziehen, soweit es nach den Prozessvorschriften nicht ausnahmsweise unberücksichtigt bleiben muss oder kann. In einem rechtsstaatlichen Verfahren muss jeder Verfahrensbeteiligte die Möglichkeit haben, seine Rechte wirksam wahrzunehmen. Dies setzt voraus, dass das Gericht das tatsächliche und rechtliche Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis nimmt und auf seine sachlichrechtliche und verfahrensrechtliche Entscheidungserheblichkeit prüft (BayObLG, Beschluss vom 16. August 2024, 101 AR 103/24 e, juris Rn. 33 m. w. N.). Das Gericht wird durch das Recht auf rechtliches Gehör jedoch nicht verpflichtet, in seiner Entscheidung auf alle Ausführungen eines Beteiligten einzugehen. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass ein Gericht die von ihm entgegengenommenen Äußerungen eines Beteiligten zur Kenntnis genommen und bei der Entscheidung gewürdigt hat. Dies gilt auch dann, wenn es davon abgesehen hat, sie in den Gründen seiner Entscheidung ausdrücklich zu erörtern. Nur dann, wenn sich aus den besonderen Umständen des Einzelfalls klar und deutlich ergibt, dass das Gericht ein entscheidungserhebliches Vorbringen nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hat, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs angenommen werden. Geht das Gericht etwa auf den wesentlichen Kern des Tatsachenvortrags einer Partei zu einer Frage, die für das Verfahren von zentraler Bedeutung ist, in den Entscheidungsgründen nicht ein, so lässt dies auf die Nichtberücksichtigung des Vorbringens schließen, sofern es nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstanziiert war (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. August 2023, 1 BvR 1654/22, juris Rn. 25 m. w. N.). Das Gericht muss demnach zwar nicht jedes Vorbringen der Parteien ausdrücklich verbescheiden; es hat vielmehr bei der Abfassung seiner Entscheidungsgründe eine gewisse Freiheit und kann sich auf die für den Entscheidungsausgang wesentlichen Aspekte beschränken. Es müssen in den Gründen aber die wesentlichen Tatsachen- und Rechtsausführungen verarbeitet werden. Wenn ein bestimmter Vortrag einer Partei den Kern ihres Vorbringens darstellt und für die Entscheidung von ausschlaggebender Bedeutung ist, besteht für das Gericht eine Pflicht, die vorgebrachten Argumente zu erwägen (st. Rspr., vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Februar 2018, 2 BvR 2821/14, NJW-RR 2018, 694 Rn. 18 m. w. N.; BayObLG, Beschluss vom 21. Dezember 2022, 102 AR 136/22, juris Rn. 20). Ein Schweigen zu den wesentlichen Tatsachen- oder Rechtsausführungen, die den Kern des Parteivorbringens darstellen und eindeutig von entscheidender Bedeutung sind, lässt den Schluss zu, dass der Vortrag der Prozesspartei nicht oder zumindest nicht hinreichend beachtet worden ist (BayObLG, Beschluss vom 16. August 2024, 101 AR 103/24 e juris Rn. 33 m. w. N.).
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bb) Objektiv willkürlich ist ein Verweisungsbeschluss, wenn er unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar und offensichtlich unhaltbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Juni 2015, X ARZ 115/15, NJW-RR 2015, 1016 Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18). Als willkürlich zu werten ist es insbesondere, wenn sich ein nach geltendem Recht unzweifelhaft zuständiges Gericht über seine Zuständigkeit hinwegsetzt und den Rechtsstreit an ein anderes Gericht verweist, etwa weil es eine klare Zuständigkeitsnorm nicht beachtet oder nicht zur Kenntnis nimmt (BGH, Beschluss vom 17. Mai 2011, NJW-RR 2011, 1364 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 20. Juli 2023, 101 AR 150/23 e, juris Rn. 17; Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18). Eine Verweisung ist aber nicht stets als willkürlich anzusehen, wenn das verweisende Gericht sich mit einer seine Zuständigkeit begründenden Norm nicht befasst hat, etwa weil es die Vorschrift übersehen oder deren Anwendungsbereich unzutreffend beurteilt hat. Denn für die Bewertung als willkürlich genügt es nicht, dass der Verweisungsbeschluss inhaltlich unrichtig oder sonst fehlerhaft ist. Es bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände, die die getroffene Entscheidung als schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar erscheinen lassen (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 11 m. w. N.; BayObLG, Beschluss vom 20. Juli 2023, 101 AR 150/23 e, juris Rn. 17; Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 18). Solche liegen etwa vor, wenn sich eine Befassung mit dem Gerichtsstand nach den Umständen, insbesondere dem Parteivortrag dazu, derart aufgedrängt hat, dass die getroffene Verweisungsentscheidung als nicht auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangen angesehen werden (vgl. BGH NJW-RR 2015, 1016 Rn. 11 und 15; BayObLG, Beschluss vom 20. Juli 2023, 101 AR 150/23 e, juris Rn. 17 m. w. N.). Ein Verweisungsbeschluss kann u. a. als willkürlich anzusehen sein, wenn weder aus seiner Begründung noch sonst aus dem Akteninhalt nachvollziehbar ist, auf welcher Grundlage die Verweisung erfolgt ist (BayObLG, a. a. O., m. w. N.). Gleichfalls als objektiv willkürlich ist es anzusehen, wenn der Verweisungsbeschluss auf einer evident einseitigen oder sonst offensichtlich falschen Erfassung des Sachverhalts beruht (BGH, Beschluss vom 24. Juli 1996, X ARZ 683/96, NJW 1996, 3013, juris Rn. 7; BayObLG, Beschluss vom 11. Januar 2024, 101 AR 222/23 e, juris Rn. 31 m. w. N.).
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b) Nach diesem Maßstab entfaltet der Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Cham keine Bindungswirkung, da er sowohl gegen das Gebot des rechtlichen Gehörs verstößt als auch als objektiv willkürlich zu werten ist.
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aa) Inhaltlich erschöpft sich der Verweisungsbeschluss in der Feststellung, dass das Amtsgericht Cham sachlich unzuständig sei, ohne dass dies näher begründet wird. Mit den von der Klägerin schon mit der Klageschrift vorgelegten und im Schriftsatz vom 2. Juli 2024 thematisierten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, die in Ziffer 11 eine ausdrückliche (sachliche) Zuständigkeit des angerufenen Amtsgerichts für Streitigkeiten aus bzw. im Zusammenhang mit der streitgegenständlichen Vereinbarung unabhängig von der Höhe des Streitwerts vorsehen, hat sich das Amtsgericht weder konkret auseinandergesetzt noch ist anhand der Akten nachvollziehbar, aus welchen Gründen es gleichwohl die eigene sachliche Zuständigkeit verneint hat. Auch im Schriftsatz vom 17. Juli 2024 hat die Klägerin ihren Standpunkt, aufgrund der vertraglichen Vereinbarung sei das Amtsgericht sachlich zuständig, nicht aufgegeben, sondern im Gegenteil auf ihre diesbezüglichen Ausführungen im Schriftsatz vom 2. Juli 2024 verwiesen. Ihre weitere Erklärung, sie habe „kein Problem mit einer Verweisung an das Landgericht Regensburg“ entband das Amtsgericht damit nicht von der Verpflichtung, sich im Rahmen eines Verweisungsbeschlusses damit auseinanderzusetzen, dass und warum es trotz der geltend gemachten Gerichtsstandsvereinbarung seine sachliche Zuständigkeit verneint. Den Schriftsätzen der Beklagten, die weiteren Vortrag zu ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen lediglich angekündigt hat, ohne dem Vorbringen der Klägerin konkret entgegenzutreten, können ebenfalls keine vom Amtsgericht möglicherweise stillschweigend übernommenen Erwägungen entnommen werden, weswegen die in den Geschäftsbedingungen enthaltene streitwertunabhängige Festlegung der Zuständigkeit des Amtsgerichts Cham unwirksam sein sollte.
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Bei dieser Sachlage lässt die Tatsache, dass sich das Amtsgericht Cham im Verweisungsbeschluss mit keinem Wort mit der zentralen Frage auseinandergesetzt hat, ob dessen sachliche Zuständigkeit durch wirksame Prorogation unter Kaufleuten trotz des 5.000,00 € übersteigenden Streitwerts gegeben ist, den Schluss zu, dass es das Vorbringen der Klägerin nicht berücksichtigt und damit deren Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat.
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bb) Zugleich ist der Verweisungsbeschluss als objektiv willkürlich zu qualifizieren, da sich aus den dargelegten Gründen eine Befassung mit der in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten geregelten sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts nach den Umständen, insbesondere dem Parteivortrag dazu, derart aufgedrängt hat, dass die getroffene Verweisungsentscheidung als nicht auf der Grundlage von § 281 ZPO ergangen angesehen werden kann. Weder aus der Entscheidung noch aus dem weiteren Akteninhalt erschließt sich, weswegen sich das Amtsgericht trotz der Prorogation für unzuständig erachtet hat. Zwar entfällt die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses nicht schlechthin, wenn der Beschluss nicht mit einer Begründung versehen ist; anders aber, wenn sich weder aus dem Vortrag der Parteien oder dem sonstigen Akteninhalt hinreichende Anhaltspunkte für die Gründe, auf denen die Entscheidung beruht, ergeben (BayObLG, Beschluss vom 5. März 2024, 101 AR 246/23 e, juris Rn. 41), was hier der Fall ist.
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c) Die zwischen den Parteien getroffene Gerichtsstandsvereinbarung begründet die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Cham.
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aa) Die Antragstellerin und die Antragsgegnerin sind als Gesellschaften mit beschränkter Haftung Kaufleute gemäß § 6 Abs. 1, 2 HGB, § 13 Abs. 3 GmbHG und daher nach § 38 Abs. 1 ZPO prorogationsbefugt.
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bb) Dem Vorbringen der Klägerin, wonach die Vertragsparteien bei Vertragsabschluss einvernehmlich die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten zugrunde gelegt haben, ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Soweit sie im Rahmen der Auftragserteilung lediglich auf ihre im Internet abrufbaren Allgemeinen Geschäftsbedingungen verwiesen und diese nicht in einem Angebotsschreiben wiedergegeben oder schriftlich beigefügt haben sollte, ist dies unschädlich. Im Verhältnis zwischen Unternehmen finden die strengen Einbeziehungsregelungen nach § 305 Abs. 2 BGB keine Anwendung, § 310 Abs. 1 Satz 1 BGB. Eine ausdrückliche Einbeziehung kann im unternehmerischen Verkehr auch dann wirksam sein, wenn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen dem für den Vertragsschluss maßgeblichen Schreiben nicht beigefügt waren und der Kunde ihren Inhalt nicht kennt. Der Verwender muss dem Unternehmen lediglich ermöglichen, von dem Inhalt der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in zumutbarer Weise Kenntnis zu nehmen (BGH, Urt. v. 31. Oktober 2002, VIII ZR 60/01, BGHZ 149, 113 [juris Rn. 16]; BayObLG, Beschluss vom 14. August 2024, 102 AR 84/24 e, juris Rn. 21 m. w. N.). Hierzu genügt etwa ein deutlich sichtbarer Hinweis im Angebotsschreiben auf die Adresse, unter der die Allgemeinen Geschäftsbedingungen im Internet einsehbar sind, selbst wenn der Vertragsschluss als solcher nicht im Internet stattgefunden haben sollte (BayObLG, a. a. O.). Dass die Beklagte im Zuge des Vertragsschlusses nicht hinreichend deutlich auf ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen hingewiesen hätte und/oder der Klägerin eine Kenntnisnahme der Bedingungen nicht möglich oder nicht zumutbar gewesen wäre, macht keine Partei geltend.
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cc) Die Gerichtsstandsvereinbarung bezieht sich auf Rechtsstreitigkeiten, die sich aus und im Zusammenhang mit dem streitgegenständlichen Werkvertrag ergeben, und damit auf ein bestimmtes Rechtsverhältnis im Sinne des § 40 Abs. 1 ZPO (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, § 40 Rn. 3).
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dd) Im kaufmännischen Geschäftsverkehr sind Gerichtsstandsklauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen üblich und somit grundsätzlich nicht überraschend (Schultzky in Zöller, ZPO, § 38 Rn. 26; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 38 Rn. 22 Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 21. Aufl. 2024, § 38 Rn. 12; Quantz in BeckOGK, Stand: 1. Oktober 2023, § 307 BGB Gerichtsstandsklausel Rn. 11; Bork in Stein, Kommentar zur ZPO, 24. Aufl. 2024, § 38 Rn. 21). Auch in der konkreten Ausgestaltung ist die Regelung in Ziffer 11 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, wonach das Amtsgericht Cham unabhängig von der Streitwerthöhe als das für Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Vertrag zuständige Gericht bestimmt wird, weder intransparent noch benachteiligt sie den Vertragspartner in sonstiger Weise unangemessen (§ 310 BGB i. V. m. §§ 307, 14 BGB).
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(1) Unbedenklich ist die Vorgabe, dass Klagen beim Gericht am Sitz der Verwenderin zu führen sind (vgl. BayObLG, Beschluss vom 3. Juli 2024, 101 AR 86/24 e, juris Rn. 24; OLG Frankfurt, Urt. v. 3. Februar 1998, 5 U 267/96 Rn. 11; Schultzky in Zöller, ZPO, § 38 Rn. 27; Wurmnest in Münchener Kommentar zum BGB, 9. Aufl. 2022, § 307 Rn. 316; Thüsing in Graf von Westphalen/Thüsing/Pamp, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, 50. EL März 2024, Teil „Vertragsrecht“- Gerichtsstandsklauseln Rn. 15)
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(2) Auch der Umstand, dass die fragliche Klausel keinen Vorbehalt dahingehend enthält, dass sie gegenüber Nichtkaufleuten keine Anwendung finde, führt im streitgegenständlichen Verfahren nicht zur Unwirksamkeit der im Rahmen eines Vertrags zwischen Kaufleuten verwendeten Regelung (vgl. auch BGH, Urt. v. 9. Februar 1990, V ZR 200/88, BGHZ 110, 241 [juris Rn. 14] [Möglichkeit gruppentypisch unterschiedlicher Ergebnisse im Rahmen der Inhaltskontrolle]; BayObLG, Beschluss vom 26. Oktober 2021, 101 AR 148/21, juris Rn. 35; OLG München, Beschluss vom 31. Oktober 2016, 34 AR 132/16, juris Rn. 7; OLG Frankfurt, Urt. v. 3. Februar 1998, 5 U 267/96, juris Rn. 6 f.; Schultzky in Zöller, ZPO, § 38 Rn. 26; Rodi in Staudinger, BGB, Stand 4. Dezember 2023, Anh. zu §§ 305 – 310 Rn. M 56a; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, § 38 Rn. 12; Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, § 38 Rn. 22; Quantz in BeckOGK, § 307 Rn. 11; Wurmnest in Münchener Kommentar zum BGB, § 307 Rn. 319; kritisch dagegen Thüsing in Graf von Westphalen/Thüsing/Pamp, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Teil „Vertragsrecht“- Gerichtsstandsklauseln Rn. 19).
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(3) Schließlich führt auch die Vorgabe in Ziffer 11 Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten, wonach das Amtsgericht unabhängig von der Höhe des Streitwerts für Streitigkeiten aus oder im Zusammenhang mit dem Vertrag sachlich zuständig sein soll, nicht zur Unwirksamkeit der Klausel. Soweit in der Vergangenheit die streitwertunabhängige Eingangszuständigkeit des Amtsgerichts mit dem Argument für unangemessen erachtet wurde, hierdurch werde der Instanzenzug mangels Möglichkeit der Revision verkürzt (so Heinrichs, NJW 1997, 1407 [1415]; Fischer, MDR 2000, 682 [684]; hierauf bezugnehmend auch Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, § 38 Rn. 22 und Schultzky in Zöller, ZPO, § 38 Rn. 22), sind die Bedenken überholt, da seit der Reform der Zivilprozessordnung von 2001 nach § 542 ZPO auch gegen landgerichtliche Berufungsurteile eine Revision statthaft ist. Zu berücksichtigen ist weiterhin, dass mittlerweile beim Landgericht die Zuständigkeit des Einzelrichters die Regel ist (§§ 348, 348a ZPO). Außerdem hat die Festlegung einer streitwertunabhängigen Zuständigkeit des Amtsgerichts für beide Parteien den Vorteil, dass sie den Rechtsstreit ohne Mitwirkung eines Rechtsanwalts führen können. Auch ansonsten kann nicht festgestellt werden, dass die Vorgabe einer Eingangszuständigkeit des Amtsgerichts anstelle des Landgerichts in Allgemeinen Geschäftsbedingungen einen der beiden Vertragspartner im unternehmerischen Verkehr unangemessen begünstigen oder benachteiligen würde. Stichhaltige Gründe gegen die Wirksamkeit einer solchen Regelung sind damit nicht ersichtlich (vgl. Wurmnest in Münchener Kommentar zum BGB, § 307 Rn. 319; Rodi in Staudinger, BGB, Anh. zu §§ 305 – 310 Rn. M 64, 64a; Kollmann in Dauner-Lieb/Langen, BGB Schuldrecht, 4. Aufl. 2021, § 307 Rn. 105 [Gerichtsstandsklauseln]; Hau in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht, 7. Aufl. 2020, Teil 5 Rn. G150 Gerichtsstandsklauseln; Thüsing in Graf von Westphalen/Thüsing/Pamp, Vertragsrecht und AGB-Klauselwerke, Teil „Vertragsrecht“- Gerichtsstandsklauseln Rn. 22).
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d) Soweit die Beklagte in ihrer Stellungnahme vom 11. September 2024 ausführt, in dem (an das Amtsgericht gerichteten) Schriftsatz der Klägerin vom 17. Juli 2024 liege „offenbar eine Einlassung auf eine landgerichtliche Zuständigkeit“, lässt sich damit zweifelsfrei keine Zuständigkeit des Landgerichts begründen. Abgesehen davon, dass den Ausführungen der Klägerin im Schriftsatz vom 17. Juli 2024 ein solcher Sinngehalt schon nicht zugemessen werden kann, bedarf es nach § 39 ZPO einer rügelosen Verhandlung der beklagten Partei zur Begründung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts. Darüber hinaus lässt gemäß § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO nicht einmal eine nachträgliche Parteivereinbarung ab dem Eintritt der Rechtshängigkeit bei einem zuständigen Gericht dessen Zuständigkeit entfallen (BGH, Beschluss vom 18. Februar 2010, Xa ARZ 14/10, NJW-RR 2010, 891 Rn. 9; BayObLG, Beschluss vom 31. August 2023, 102 AR 167/23, juris Rn. 16 m. w. N.).