Inhalt

VGH München, Beschluss v. 15.10.2024 – 9 C 24.1355
Titel:

Festsetzung der außergerichtlichen Kosten bei Verfahrenstrennung

Normenketten:
VwGO § 93, § 164
RVG § 15 Abs. 2 S. 1
Leitsätze:
1. Die Trennung unterschiedlicher Streitgegenstände bewirkt, dass die zuvor in einem einheitlichen Verfahren geführten Klagen nunmehr in rechtlich selbstständigen Verfahren gesondert geführt werden und Gebühren in den durch die Trennung verselbstständigten Verfahren aus den jeweiligen geringeren Streitwerten erneut gesondert anfallen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der Bevollmächtigte hat bei einer Verfahrenstrennung das Wahlrecht, ob er die Festsetzung der (niedrigeren) Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert fordert oder die (höhere) Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach Verfahrenstrennung. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschwerde gegen Zurückweisung der Erinnerung gegen Kostenfestsetzungsbeschluss, Rechtsanwaltsvergütung nach Trennung von Verfahren., Kostenfestsetzungsbeschluss, Erinnerung, Verfahrenstrennung, Trennung, Verfahrensgebühr, Streitwert, Gesamtstreitwert
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 19.06.2024 – AN 17 M 24.564
Fundstellen:
JurBüro 2025, 26
BeckRS 2024, 28762
LSK 2024, 28762

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Kläger verfolgt im Wege der Beschwerde sein Begehren auf Abänderung des Kostenfestsetzungsbeschlusses der Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts vom 5. Februar 2024 für seine außergerichtlichen Aufwendungen nach erfolglosem Antrag auf Entscheidung des Gerichts (sog. Erinnerung, §§ 165, 151, 146 ff. VwGO) durch Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 19. Juni 2024 weiter.
2
Das dem Kostenfestsetzungsbeschluss zugrundeliegende verwaltungsgerichtliche Verfahren (Az.: AN 17 K 22.1485) betraf zum einen die Anfechtung des Bescheids der Beklagten vom 6. Mai 2022, der den Kläger nach Abriss eines denkmalgeschützten Gebäudes … … … zur Sicherung des Kellers des Gebäudes vor Witterungseinflüssen verpflichtete, sowie zum anderen den Verpflichtungsantrag des Klägers, den vollständigen Abriss des Kellers zu gestatten. Nach Rücknahme des Verpflichtungsantrags trennte das Verwaltungsgericht in der mündlichen Verhandlung am 20. Oktober 2023 gemäß § 93 VwGO diesen Streitgegenstand ab und stellte das Verfahren mit dem Az.: AN 17 K 23.2138 unter Kostenpflicht des Klägers ein. Im Verfahren AN 17 K 22.1485, das nach Aufhebung des Bescheids vom 6. Mai 2022 durch die Beklagte in der mündlichen Verhandlung übereinstimmend für erledigt erklärt und mit Kostenfolge für die Beklagte eingestellt wurde, wurde der Streitwert bis zur Abtrennung auf 6.000 Euro und ab der Abtrennung auf 1.000 Euro festgesetzt.
3
Der Kläger beantragte im Verfahren AN 17 K 22.1485 am 23. November 2023 sowohl aus einem Streitwert von 6.000 Euro als auch aus einem weiteren Streitwert von 1.000 Euro die Festsetzung von Verfahrens-, Terminsgebühr sowie der jeweiligen Pauschalen für Post, Telekommunikation und Reisekosten; insgesamt 1.542,34 Euro. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Februar 2024 setzte die Urkundsbeamtin des Verwaltungsgerichts die dem Kläger von der Beklagten zu erstattenden Aufwendungen auf 321,94 EUR fest; dabei wurde in Anerkennung eines Wahlrechtes, ob die Festsetzung der Gebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert oder aus dem Einzelstreitwert nach der Verfahrenstrennung zu berechnen sei, die Verfahrens- und Terminsgebühr für den Kläger günstiger nach dem Einzelstreitwert berechnet.
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Nach Antrag auf gerichtliche Entscheidung des Klägerbevollmächtigten und Nichtabhilfe hat das Verwaltungsgericht die Kostenerinnerung mit Beschluss vom 19. Juni 2024 mit der Begründung zurückgewiesen, § 15 Abs. 2 RVG verhindere eine kumulative Forderung von anteiligen Gebühren aus dem Gesamtstreitwert und Gebühren aus den neuen Einzelstreitwerten. Es ergebe sich ein Wahlrecht des Bevollmächtigten, ob er die Festsetzung der (niedrigeren) Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert fordere oder der (höheren) Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach Verfahrenstrennung.
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Der Klägerbevollmächtigte macht unter Verweis auf sein Vorbringen im Erinnerungsverfahren mit der hiergegen erhobenen Beschwerde geltend, der vorliegende Fall unterscheide sich wegen unterschiedlicher Zeiträume bis zur Abtrennung von der Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 8. August 2017 (Az.: 14 C 17.55), da aus dem ursprünglichen Verfahren AN 17 K 22.01485 ein zusätzliches Verfahren AN 17 K 23.2138 geschaffen worden sei, die nicht miteinander vermischt werden dürften. Es werde rechtsfehlerhaft übersehen, dass es zwei selbstständige Verfahren gebe, die rechtlich separat betrachtet werden müssten. Eine einmal entstandene Gebühr könne durch nachträglich eintretende Ereignisse nicht mehr entfallen und es sei erst recht unzulässig, eine Vermischung von rechtlich selbstständigen Verfahren vorzunehmen.
6
Der Kläger beantragt,
den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5. Februar 2024 in der Fassung des Beschlusses vom 19. Juni 2024 aufzuheben und gemäß Kostenfestsetzungsantrag vom 23. November 2023 die der Beklagten auferlegten Kosten auf insgesamt 1542,34 Euro nebst Zinsen festzusetzen.
7
Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
8
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die vorliegenden Gerichts- und Kostenakten verwiesen.
II.
9
Die zulässige Beschwerde, über die der Senat entscheidet, da es sich bei der Kostenfestsetzung nach § 164 VwGO um ein gesetzlich geregeltes Sonderverfahren handelt, das nur die Festsetzung der im Verhältnis der Beteiligten zueinander zu erstattenden Kosten betrifft und für das § 66 GKG keine Anwendung findet (vgl. BayVGH, B.v. 4.8.2016 – 4 C 16.755 – juris Rn. 10; B.v. 20.5.2014 – 10 C 12.1343 – juris Rn. 17; B.v. 19.1.2007 – 24 C 06.2426 – juris Rn. 19; Schübel-Pfister in Eyermann, 16. Aufl. 2022, VwGO § 164 Rn. 16), bleibt ohne Erfolg.
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1. Die Beschwerde ist nach § 146 Abs. 1 und 3, § 147 Abs. 1 VwGO zulässig. Insbesondere ist der nach § 146 Abs. 3 VwGO erforderliche Beschwerdewert von 200 Euro überschritten.
11
2. Die Beschwerde ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat mit zutreffender Begründung die Erinnerung des Klägers zurückgewiesen. Der Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 5. Februar 2024 ist im Hinblick auf die Festsetzung der Verfahrens- und Terminsgebühr aus dem Einzelstreitwert nach Abtrennung nicht zu beanstanden. Die mit dem Beschwerdevorbringen dargelegten Gründe geben keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser Einschätzung zu zweifeln, insbesondere ergeben sich keine Anhaltspunkte für die vom Kläger geltend gemachte „Vermischung“ von Verfahren. Der erkennende Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen Folgendes zu bemerken:
12
Die Trennung unterschiedlicher Streitgegenstände – wie hier des Anfechtungs- und Verpflichtungsantrags – im Interesse einer übersichtlicheren Verfahrensgestaltung bewirkt, dass die zuvor in einem einheitlichen Verfahren geführten Klagen nunmehr in rechtlich selbstständigen Verfahren gesondert geführt werden und Gebühren in den durch die Trennung verselbstständigten Verfahren aus den jeweiligen geringeren Streitwerten erneut gesondert anfallen (BVerwG, B.v. 4.9.2009 – 9 KSt 10.09 – juris Rn. 5; Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 93 Rn. 8). Bereits entstandene Gebühren werden nicht beeinträchtigt, aber auf die neu berechneten gleichartigen Gebühren angerechnet; dabei sind sie nach dem Verhältnis der Streitwerte auf die verschiedenen Verfahren zu verteilen (vgl. Rudisile in Schoch/Schneider, VwGO, Stand: Januar 2024, § 93 Rn. 26; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2016, § 145 Rn. 25). § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG steht der Berücksichtigung der nach Trennung entstandenen Verfahrensgebühr nicht entgegen, sondern hindert die kumulative Forderung der Gesamtgebühr und der Einzelgebühren (BVerwG, B.v. 4.9.2009, a.a.O., Rn. 7; ebenso BGH, U.v. 24.9.2014 – IV ZR 422/13 – NJW-RR 2015, 189 Rn. 12). Die nach Trennung anfallende Gebühr ist dabei nicht kumulativ neben der Gesamtgebühr anzusetzen; vielmehr ist Letztere anteilig nach dem Verhältnis der Streitwerte der getrennten Prozesse anzurechnen (OVG NW, B.v. 10.11.2022 – 13 E 185/22 – juris, Rn. 26 – 27 m.w.N.). In der Konsequenz ergibt sich ein Wahlrecht des Bevollmächtigten, ob er die Festsetzung der (niedrigeren) Verfahrensgebühr aus dem anteiligen Gesamtstreitwert fordert oder der (höheren) Verfahrensgebühr aus dem Einzelstreitwert nach Verfahrenstrennung (BayVGH, B.v. 8.8.2017 – 14 C 17.559 – juris Rn. 22; OVG Berlin-Bbg, B.v. 10.11.2016 – OVG 3 K 97.16 – juris Rn. 4; VG Würzburg, B.v. 20.6.2024 – W 8 M 24.374 – juris Rn. 19; VG Frankfurt Oder, B.v. 17.1.2024 – 1 KE 38/23.A – juris Rn. 9). Die (regelmäßig geringere) ursprünglich entstandene Gebühr aus dem anteiligen Streitwert wird somit durch nachfolgende Anrechnung bei der nach Verfahrenstrennung entstandenen Gebühr wirkungslos.
13
Diesen Grundsätzen entspricht der streitgegenständliche Kostenfestsetzungsbeschluss. Der Kläger hat – worauf das Verwaltungsgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 30. Juli 2024 zutreffend hingewiesen hat – mit seinem Beschwerdevorbringen nicht darlegen können, aus welchem Rechtsgrund er mit seinem Kostenfestsetzungsantrag vom 23. November 2023 kumulativ die Gebühren aus dem vor Abtrennung festgesetzten Gesamtstreitwert von 6.000 Euro zusätzlich zu den Gebühren aus dem nach Abtrennung festgesetzten Einzelstreitwert von 1.000 Euro fordern können sollte. Dass der Kläger nicht die Gebühren aus dem vor Trennung festgesetzten Gesamtstreitwert von 6.000 Euro fordern kann, ergibt sich schon daraus, dass er im abgetrennten Verfahren AN 17 K 23.2138 in einem auf den Gesamtstreitwert entfallenden Umfang von 5.000 Euro die Kosten des Verfahrens zu tragen hat. Der Hinweis auf den Zeitpunkt der Verfahrenstrennung ist insoweit unbehelflich und vermag den mit dem Kostenfestsetzungsantrag gestellten (doppelten) Anspruch auf Gebühren nicht zu rechtfertigen.
14
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Wertfestsetzung für das Beschwerdeverfahren bedarf es nicht, weil für das Verfahren eine Festgebühr vorgesehen ist (vgl. KV Nr. 5502 der Anlage zu § 3 Abs. 2 GKG).
15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).