Titel:
Wiederholungsversuch für das Ablegen der Kenntnisprüfung gemäß § 3 Abs. 3 S. 3 BÄO
Normenketten:
ÄApprO § 37 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 4, S. 5
BÄO § 3 Abs. 3 S. 3
Leitsatz:
Nach § 37 Abs. 4 S. 5 ÄApprO kann als Prüfer in der Kenntnisprüfung nur mitwirken, wer entweder als Professor oder Lehrkraft (§ 37 Abs. 4 S. 4 ÄApprO) oder wer als Facharzt (§ 37 Abs. 4 S. 5 ÄApprO) in einem der Prüfungsfächer Innere Medizin oder Chirurgie gem. § 37 Abs. 1 S. 1 ÄApprO tätig ist. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kenntnisprüfung, Facharzt für Allgemeinmedizin kein zulässiger Prüfer, Approbation, Arzt, Ablegen, Wiederholungsversuch, Prüfungskommission, Zusammensetzung, Facharzt für Allgemeinmedizin, zulässiger Prüfer
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 16.11.2023 – M 27 K 21.5275
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28759
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob dem Kläger ein weiterer Wiederholungsversuch für das Ablegen der Kenntnisprüfung gemäß § 3 Abs. 3 Satz 3 Bundesärzteordnung (BÄO) zusteht.
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Der Kläger, der sein Studium der Humanmedizin im Jahr 2008 in Mazedonien abgeschlossen hat, beantragte am 11. September 2017 bei der zuständigen Regierung die Erteilung der Approbation als Arzt. Er nahm im April und im November 2019 sowie zuletzt an der (streitgegenständlichen) Kenntnisprüfung vom 27. Oktober 2020 jeweils ohne Erfolg teil. Das Nichtbestehen wurde ihm jeweils unmittelbar nach dem Ende der Prüfung vom jeweiligen Prüfungsvorsitzenden mitgeteilt. Am 24. November 2020 legte der Kläger Widerspruch gegen sämtliche Prüfungsentscheidungen seiner Kenntnisprüfungen ein, den die zuständige Regierung mit Widerspruchsbescheid vom 29. September 2021 zurückwies. Die hiergegen erhobene Anfechtungsklage wies das Verwaltungsgericht wegen Verfristung ab, soweit sie sich gegen die Kenntnisprüfungen vom April und November 2019 richtete. Hinsichtlich der Kenntnisprüfung vom 27. Oktober 2020 gab das Verwaltungsgericht der Klage statt und begründete dies mit einer fehlerhaften Besetzung des Prüfungsausschusses. Da es sich bei Prüfer Dr. T. um einen Facharzt für Allgemeinmedizin handele, sei der Prüfungsausschuss nicht vorschriftsmäßig besetzt gewesen.
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Gegen diesen stattgebenden Teil des Urteils richtet sich der Antrag des Beklagten auf Zulassung der Berufung. Der Kläger tritt dem entgegen.
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Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakten und der Gerichtsakten Bezug genommen.
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Die gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts geltend gemachten Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 Nr. 1, 2 und 3 VwGO sind nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Art und Weise dargelegt bzw. liegen nicht vor.
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1. Ohne Erfolg rügt das Zulassungsvorbringen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
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Ernstliche Zweifel in diesem Sinne sind anzunehmen, wenn in der Antragsbegründung ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt werden (vgl. etwa BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838/839). Schlüssige Gegenargumente in diesem Sinne liegen dann vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung im Ergebnis unrichtig ist (vgl. BVerfG, B.v. 20.12.2010 – 1 BvR 2011/10 – NVwZ 2011, 546/548). Welche Anforderungen an Umfang und Dichte der Darlegung zu stellen sind, hängt wesentlich von der Intensität ab, mit der die Entscheidung begründet worden ist (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 64 m.w.N.).
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Dies zugrunde gelegt, wird durch das Vorbringen des Beklagten im Zulassungsverfahren die Richtigkeit der Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht ernstlich in Frage gestellt und es werden keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedürften.
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Gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 Approbationsordnung für Ärzte vom 27. Juni 2002 in der hier maßgeblichen Fassung vom 18. April 2019 (BGBl I S. 1308 – ÄApprO) sind Inhalt der Kenntnisprüfung nach § 3 Abs. 3 Satz 3 BÄO die Fächer Innere Medizin und Chirurgie. Die Prüfungskommission besteht aus drei Mitgliedern, § 37 Abs. 4 Satz 3 ÄApprO. Als Vorsitzende, weitere Mitglieder und Stellvertreter werden Professoren oder andere Lehrkräfte der Fächer, die Gegenstand der Prüfung sind, bestellt, § 37 Abs. 4 Satz 5 ÄApprO. Stattdessen können als Mitglieder der Prüfungskommission auch dem Lehrkörper einer Universität nicht angehörende Fachärzte bestellt werden, § 37 Abs. 4 Satz 6 ÄApprO.
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Den – nicht zu beanstandenden – Feststellungen des Verwaltungsgerichts, § 37 Abs. 4 Satz 6 ÄApprO sei dahingehend zu verstehen, dass hierdurch lediglich die Universitätsbindung der Prüfer, nicht hingegen die von § 37 Abs. 4 Satz 5 ÄApprO geforderte Fächerbindung aufgehoben werde, tritt das Zulassungsvorbringen nicht entgegen.
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Der Beklagte bringt vor, zwar falle Prüfer Dr. T., der Mitglied der Prüfungskommission gewesen sei, als Facharzt für Allgemeinmedizin rein vom Wortlaut seiner Facharztweiterbildung nicht in den durch § 37 Abs. 4 Satz 5 ÄApprO begrenzten Kreis der möglichen Prüfer. Dieses Abstellen auf den Wortlaut sei jedoch zu eng und müsse nach Sinn und Zweck dahingehend ausgelegt werden, ob ein Prüfer tatsächlich die entsprechenden Kenntnisse als Prüfer innehabe und aufgrund seiner Ausbildung nachweise. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts sei der Facharzt für Allgemeinmedizin unter das Fach Innere Medizin gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO zu subsumieren, denn der Facharzt für Allgemeinmedizin bilde aufgrund seiner umfassenden Ausbildung, die ein breites Wissen im Bereich der Inneren Medizin vermittle, auch viele weitere Aspekte der Kenntnisprüfung ab.
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Damit vermag der Beklagte nicht durchzudringen. Prüfer Dr. T. ist Facharzt für Allgemeinmedizin und gehört nicht dem Lehrkörper einer Universität an. Das Verwaltungsgericht hat zu Recht auf die terminologische Eindeutigkeit von § 37 Abs. 4 Satz 5 ÄApprO abgestellt. Danach kann als Prüfer in der Kenntnisprüfung nur mitwirken, wer entweder als Professor oder Lehrkraft (§ 37 Abs. 4 Satz 4 ÄApprO) oder wer als Facharzt (§ 37 Abs. 4 Satz 5 ÄApprO) in einem der Prüfungsfächer Innere Medizin oder Chirurgie gemäß § 37 Abs. 1 Satz 1 ÄApprO tätig ist. Dr. T. ist unstreitig in keinem dieser beiden Fächer tätig. Für die vom Beklagten angeführte erweiternde Auslegung der Norm ist vorliegend kein Raum. Der Verordnungsgeber hat eindeutig geregelt, welche fachliche Qualifikation die Prüfer der Kenntnisprüfung aufweisen müssen. Anders als etwa hinsichtlich des mündlich-praktischen Teils des Ersten Abschnitts und des Dritten Abschnitts der Ärztlichen Prüfung, bei denen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 6 ÄApprO als universitätsfremde Prüfer „Ärzte, wie Fachärzte für Allgemeinmedizin oder anderer Fachgebiete bestellt werden“ können, hat er die Durchführung der Kenntnisprüfung ausdrücklich Fachärzten für Innere Medizin und Fachärzten für Chirurgie vorbehalten. Dies ist nicht zu beanstanden und insbesondere der Zielsetzung der Kenntnisprüfung geschuldet, den inhaltlichen Schwerpunkt auf die Fächer Innere Medizin und Chirurgie zu legen.
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Die Ausführungen des Beklagten, der Facharzt für Allgemeinmedizin sei unter das Fach Innere Medizin zu subsumieren, überzeugen nicht. Es handelt sich hierbei um zwei selbständige Fachrichtungen im Bereich der Humanmedizin. Dies zeigt schon ein Blick auf § 27 Abs. 1 Satz 4 ÄApprO, der eine Aufzählung der Fächer enthält, in denen Leistungsnachweise zu erbringen sind, um zum Zweiten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung zugelassen zu werden. Unter Nr. 1 wird „Allgemeinmedizin“, unter Nr. 11 „Innere Medizin“ aufgeführt. Zudem kann in beiden Fächern jeweils eine eigenständige Facharztweiterbildung erfolgen. Die Inhalte dieser Facharztweiterbildungen weichen in erheblicher Weise voneinander ab. Das Gebiet Allgemeinmedizin beinhaltet die medizinische Akut-, Langzeit- und Notfallversorgung von Patienten jeden Alters mit körperlichen und seelischen Gesundheitsstörungen sowie die Gesundheitsförderung, Prävention, Rehabilitation und die Versorgung in der Palliativsituation unter Berücksichtigung somatischer, psychosozialer, soziokultureller und ökologischer Aspekte. Das Gebiet hat zudem auch die besondere Funktion, als erste ärztliche Anlaufstelle bei allen Gesundheitsproblemen verfügbar zu sein (vgl. Information der Bayerischen Landesärztekammer https://www.blaek.de/weiterbildung/qualifikationen-nach-der-weiterbildungsordnung/facharzt-fuer-allgemeinmedizin). Das Gebiet der Inneren Medizin umfasst die Vorbeugung, (Früh) Erkennung, konservative und interventionelle Behandlung sowie Rehabilitation und Nachsorge der Gesundheitsstörungen einschließlich geriatrischer Krankheiten und Erkrankungen der Atmungsorgane, des Herzens und Kreislaufs, der Verdauungsorgane, der Nieren und ableitenden Harnwege, des Blutes und der blutbildenden Organe, des Gefäßsystems, des Stoffwechsels und der inneren Sekretion, des Immunsystems, des Stütz- und Bindegewebes, der Infektionskrankheiten und Vergiftungen sowie der soliden Tumore und der hämatologischen Neoplasien (vgl. Information der Bayerischen Landesärztekammer https://www.blaek.de/weiterbildung/qualifikationen-nach-der-weiterbildungsordnung/facharzt-fuer-innere-medizin). Diese Beschreibungen belegen, dass ein Facharzt für Allgemeinmedizin eine andere Spezialisierung aufweist als ein Facharzt für Innere Medizin und damit keinen „Unterfall“ eines Facharztes für Innere Medizin darstellt, sondern etwas inhaltlich Anderes.
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Auf die vom Beklagten thematisierte Frage, entscheidend sei, dass der Prüfer die entsprechenden Kenntnisse vorweisen könne, kommt es daher vorliegend nicht mehr streitentscheidend an. Unabhängig davon ist schon nicht vorgetragen, dass Dr. T. tatsächlich die fachliche Qualifikation eines Facharztes für Innere Medizin aufweist.
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2. Die Berufung ist nicht wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) zuzulassen.
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Die Voraussetzungen des § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO liegen nicht vor. Eine Rechtssache weist besondere rechtliche Schwierigkeiten auf, wenn eine kursorische Prüfung der Erfolgsaussichten einer Berufung keine hinreichend sichere Prognose über den Ausgang des Rechtsstreits erlaubt. Entscheidend für besondere rechtliche Schwierigkeiten ist dabei stets die Qualität, nicht die Quantität (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 27). Der Senat vermag keine überdurchschnittlichen Schwierigkeiten zu erkennen, insbesondere gibt auch das Zulassungsvorbringen keinen Anlass zu Zweifeln, die sich nicht schon im Zulassungsverfahren, sondern erst in einem Berufungsverfahren mit der erforderlichen Sicherheit klären und entscheiden ließen (vgl. BayVGH, B.v. 4.12.2019 – 10 ZB 19.2131 – juris Rn. 11). Die aufgeworfene Rechtsfrage lässt sich, wie oben unter Nr. 1 ausgeführt, unter Anwendung der den Sachverhalt regelnden Approbationsordnung für Ärzte beantworten.
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3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung der Vorinstanz von Bedeutung war, auch für die Entscheidung im Berufungsverfahren erheblich wäre, bisher höchstrichterlich oder – bei tatsächlichen Fragen oder nichtrevisiblen Rechtsfragen – durch die Rechtsprechung des Berufungsgerichts nicht geklärt, aber klärungsbedürftig und über den zu entscheidenden Fall hinaus bedeutsam ist (stRspr, vgl. z.B. BayVGH, B.v. 21.11.2019 – 4 ZB 19.1671 – juris Rn. 10 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren sowie deren (2.) Klärungsfähigkeit, (3.) Klärungsbedürftigkeit und (4.) allgemeine Bedeutung substantiiert darlegen (BayVGH, B.v. 7.2.2017 – 14 ZB 16.1867 – juris Rn. 15 m.w.N.).
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Die vom Beklagten formulierte Frage „ob ein Facharzt der Allgemeinmedizin Prüfer der Kenntnisprüfung gemäß § 37 Abs. 4 Satz 5 ÄApprO sein darf“ erfordert nicht die Durchführung eines Berufungsverfahrens, denn sie kann ohne Weiteres im Rahmen des Zulassungsverfahrens unter Heranziehung der einschlägigen Vorschriften der Approbationsordnung für Ärzte beantwortet werden. Die Frage ist damit gemessen an den oben dargestellten Grundsätzen nicht klärungsbedürftig.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 47 Abs. 3, § 52 Abs. 1, § 45 Abs. 1 Satz 2 GKG i.V.m. Nr. 36.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (abgedruckt in Eyermann, VwGO).
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Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).