Titel:
Voraussetzungen für das Vorliegen eines Notwegerechts
Normenkette:
BayBo Art. 31
Leitsatz:
Es wird kein Notwegerecht hinsichtlich der Inanspruchnahme einer Teilfläche eines Grundstücks bewirkt, wenn eine Stichstraße für sich schon ohne Inanspruchnahme der Teilfläche mehr als 3 m breit ist. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Nachbarklage, Entstehung eines Notwegerechts (verneint), Gebot der Rücksichtnahme, Notwegerecht, Rettungsweg
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 19.12.2023 – RO 2 K 21.599
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28741
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Berufungsverfahrens je zur Hälfte mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.
III. Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 20.000…. Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Kläger wenden sich gegen die dem Beigeladenen vom Landratsamt ... erteilte Baugenehmigung vom 15. März 2021 zur Errichtung von zwei Mehrfamilienwohnhäusern mit insgesamt neun Wohnungen und Tiefgarage. Die Erschließung erfolgt über eine ca. 45 m lange Stichstraße, an deren Ende das Baugrundstück liegt. Eine Teilfläche des westlich an die Stichstraße angrenzenden Grundstücks der Klägerin zu 2 wird seit Jahrzehnten als Teil der Stichstraße für den öffentlichen Verkehr genutzt, ohne hierfür gewidmet zu sein. Für den Kläger zu 1) ist ein Nießbrauchsrecht an dem Grundstück der Klägerin zu 2) eingetragen. Ein von den Klägern gegen die Erteilung der Baugenehmigung eingereichter Eilantrag blieb erfolglos (VG Regensburg, B.v. 22.12.2021 – RO 2 S 21.2157; BayVGH, B.v. 12.2.2022 – 15 CS 22.43)
2
Für einen Teilbereich der Stichstraße inklusive der Teilfläche des Grundstücks der Kläger setzt ein am 29. März 2023 bekanntgemachter Bebauungsplan öffentliche Verkehrsflächen bzw. Straßenbegrenzungslinien fest. Gegen den Bebauungsplan wurde von der Klägerin zu 1) ein Normenkontrollantrag gestellt, über den noch nicht entschieden wurde (15 N 23.1106).
3
Mit Urteil vom 19. Dezember 2023 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die Klage der Kläger auf Aufhebung der Baugenehmigung ab. Zur Begründung wurde u.a. ausgeführt, die Kläger seien nicht in ihren Rechten verletzt, da kein Notwegerecht entstanden und das Rücksichtnahmegebot nicht verletzt sei.
4
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung, dem der Beklagte entgegentritt, verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Sie sind der Ansicht, es bestünden ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils. Die Rechtssache weise zudem besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten auf.
5
Der Beigeladene hat im Zulassungsverfahren keinen Antrag gestellt.
6
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der verschiedenen Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
7
Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg.
8
1. Die Berufung ist nicht gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO wegen ernstlicher Zweifel zuzulassen.
9
Die Darlegungen der Kläger im Zulassungsverfahren, auf die sich die Prüfung des Senats beschränkt (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO), führen nicht zu ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der Entscheidung.
10
Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Baugenehmigung rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt. Der Senat nimmt gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die Gründe des angefochtenen Urteils und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Begründung ab. Ergänzend bleibt im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen Folgendes zu bemerken:
11
Entgegen dem Vorbringen der Kläger hat das Verwaltungsgericht nicht ausgeblendet, dass inzwischen ein Bebauungsplan erlassen wurde, sondern in zulassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise dargelegt, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Entscheidung, ob eine Baugenehmigung Nachbarrechte verletzt, der Zeitpunkt deren Erteilung ist (vgl. BayVGH, B.v. 16.10.2023 – 1 ZB 22.1368 – juris Rn. 9; BVerwG, B.v. 4.7.2024 – 4 B 5.24 – juris Rn. 4). Dem treten die Kläger nicht substantiiert entgegen. Dass das Verwaltungsgericht den erst zwei Jahre nach Erteilung der Baugenehmigung erlassenen Bebauungsplan gleichwohl nicht berücksichtigt hat, begründet keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung. Denn es hat zutreffend darauf abgestellt, dass unabhängig von der Frage der – nicht drittschützenden – bauplanungsrechtlichen Erschließung kein Notwegerecht hinsichtlich der Inanspruchnahme einer Teilfläche des Grundstücks der Kläger bewirkt wird, da die Stichstraße für sich schon ohne Inanspruchnahme der Teilfläche der Kläger mehr als 3 m breit ist (UA S. 12). Hiergegen ist nichts zu erinnern, zumal auch der Bebauungsplan selbst nicht zu einem unmittelbaren Rechtsentzug der Kläger (BVerwG, U.v. 27.8.2009 – 4 CN 1.08 – juris Rn. 20) oder zur Begründung eines Notwegerechts führt.
12
Das Vorbringen der Kläger, das Verwaltungsgericht habe sich nicht dazu geäußert, in welchem Umfang ein Zu- und Abfahrtsverkehr hinzunehmen und weshalb es dem Gutachten der Kläger nicht gefolgt sei, trifft nicht zu. Das Verwaltungsgericht hat auf mehreren Seiten (UA S. 13 unten bis S. 17 Mitte) begründet, dass der Zu- und Abfahrtsverkehr nicht gegen das Rücksichtnahmegebot verstößt. Es hat ausgeführt, dass dem Gutachten der Kläger nicht zu folgen sei, da sich schon nicht ergebe, über welche besondere Fachkunde die Sachverständigen verfügten und zudem das Gutachten nicht ausreichend zu den streitentscheidenden Fragen Stellung nehme. Hierzu verhalten sich die Kläger nicht. Sie tragen zwar vor, es fehle bereits ein einziger „vernünftiger“ Rettungsweg, legen aber nicht dar, inwieweit sie dadurch in ihren Rechten verletzt sein sollen. Mangels Begründung eines Notwegerechts kommt hier auch kein ausnahmsweiser Drittschutz aus Art. 31 BayBO in Betracht (vgl. BayVGH, U.v. 23.5.2023 – 1 B 21.2139 – juris Rn. 37).
13
2. Die Rechtssache weist auch nicht die geltend gemachten besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf. Der Sachverhalt des vorliegenden Falles ist geklärt und lässt sich – wie die obigen Ausführungen zeigen – ohne weiteres anhand der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften beurteilen.
14
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 Abs. 1 ZPO (vgl. BayVGH, B.v. 15.2.2022 – 15 CS 22.43 – juris Rn. 19). Da der Beigeladene im Zulassungsverfahren keinen die Sache fördernden Beitrag geleistet hat, entspricht es der Billigkeit, dass dieser seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO).
15
4. Die Streitwertfestsetzung ergibt sich aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der 2013 aktualisierten Fassung (abgedruckt in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, Anhang) und folgt in der Höhe der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwände erhoben worden ist.
16
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).