Titel:
Unzulässige Untätigkeitsklage bei bloßer Bescheidung
Normenkette:
VwGO § 75, § 88, § 146, § 166
Leitsatz:
Einer Untätigkeitsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, wenn sie ausdrücklich und ausschließlich auf die Bescheidung eines Antrags gerichtet ist. (Rn. 4) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Untätigkeitsklage, Rechtsschutzbedürfnis, Bescheidung, Pflegegeld, Beweislast
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 08.11.2023 – M 18 K 20.3997
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28737
Tenor
Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe wird zurückgewiesen.
Gründe
1
1. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 8. November 2023 ist statthaft und auch im Übrigen zulässig (§ 146 Abs. 1, § 147 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat ihr nicht abgeholfen (§ 148 Abs. 1 VwGO).
2
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet, weil das Verwaltungsgericht zu Recht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung für die Untätigkeitsklage versagt hat, mit der die Kläger die fehlende Verbescheidung eines – behaupteten – Antrags vom 27. Juli 2011 beanstanden. Diese Klage hatte keine hinreichende Erfolgsaussicht Sinne des § 166 VwGO i.V.m. § 114 Satz 1 ZPO.
3
Die Untätigkeitsklage, ausdrücklich gerichtet auf Verpflichtung des Beklagten, über den Antrag auf Pflegegeld unverzüglich zu entscheiden, ist bereits unzulässig.
4
2.1 Der Untätigkeitsklage fehlt das Rechtsschutzbedürfnis, weil sie ausdrücklich und ausschließlich auf die Bescheidung eines behaupteten Antrags gerichtet ist. Die Untätigkeitsklage stellt in der Situation, dass über einen Vornahmeantrag in angemessener Frist nicht entschieden ist, einen Unterfall der Verpflichtungsklage dar. Der Kläger muss daher jedenfalls bei gebundenen Entscheidungen – wie vorliegend im Falle von Leistungen nach § 39 SGB VIII – ein Klageziel nach § 113 Abs. 5 VwGO verfolgen, also die Vornahme des Verwaltungsakts begehren. Eine Klage auf „Bescheidung schlechthin“ lässt § 75 VwGO nicht zu (vgl. Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 75 Rn. 3). Ein berechtigtes Interesse für eine ausnahmsweise zulässige Klage auf reine Verbescheidung ist weder dargetan noch sonst für den Senat erkennbar.
5
Da die anwaltlich vertretenen Kläger in ihrer Beschwerdeschrift ausdrücklich die Verpflichtung des Beklagten, über ihren Antrag zu entscheiden, und gerade keine Entscheidung in der Sache begehren, ist der Senat an das erklärte Rechtsschutzziel gebunden und es bleibt für eine weitere Auslegung des Klageantrags kein Raum (§ 88 VwGO).
6
2.2 Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass die Zulässigkeit der Untätigkeitsklage zudem voraussetzen würde, dass überhaupt ein Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts gestellt worden ist. Der Antrag ist dabei nicht nachholbare Sachurteilsvoraussetzung (Wöckel in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 75 Rn. 5; Schoch/Schneider/Porsch, VwGO, 45. EL Januar 2024, § 75 Rn. 5; Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 75 Rn. 2).
7
Die Kläger legen zum Nachweis der behaupteten Antragstellung die Kopie eines vom Kläger zu 1. unterzeichneten Schreibens vom 27. Juli 2011 vor. Der Beklagte führt aus, dass aus den Akten nicht hervorgehe, dass ein solcher Antrag gestellt worden sei. In der vorgelegten Behördenakte findet sich weder das Schreiben vom 27. Juli 2011 noch ein sonstiger Antrag auf die Gewährung von Pflegegeld.
8
Die Kläger, die insoweit die Beweislast tragen (vgl. LSG Bayern, U. v. 20.9.2017 – L 16 AS 513/17 – juris Rn. 15), können nicht nachweisen, dass sie mit Schreiben vom 27. Juli 2011 oder zu einem anderen Zeitpunkt einen Antrag auf Bewilligung von Pflegegeld gestellt haben. Die Vorlage der Kopie des Schreibens stellt keinen Nachweis für die wirksame Antragstellung beim Beklagten dar.
9
Da es mithin bereits an der hinreichenden Erfolgsaussicht der Klage fehlt, kommt es auf die Mutwilligkeit und auf die subjektiven Bewilligungsvoraussetzungen für die Prozesskostenhilfe nicht mehr an. Die Beiordnung eines Bevollmächtigten nach § 121 Abs. 2 ZPO kommt deshalb ebenfalls nicht in Betracht.
10
3. Soweit die Kläger in ihrer Beschwerdeschrift vom 3. Januar 2024 beantragen, ihnen für das vorliegende Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, geht dieser Antrag ins Leere, da für ein Prozesskostenhilfeverfahren keine Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann (Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 166 Rn. 18).
11
4. Einer Kostenentscheidung bedarf es vorliegend nicht, da das Verfahren gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei ist und Kosten im Beschwerdeverfahren nach § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden.
12
5. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).