Titel:
Statthaftigkeit der Beschwerde gegen einen PKH-Beschluss
Normenketten:
ZPO § 114
VwGO 146 Abs. 2, § 166
BGB § 1360a Abs. 4 S. 1, § 1361 Abs. 4 S. 4
Leitsätze:
1. Die Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe ist auch dann nicht statthaft, wenn das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausschließlich wegen nicht ordnungsgemäßer Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgelehnt hat. (Rn. 8) (redaktioneller Leitsatz)
2. Für die Statthaftigkeit der Beschwerde kommt es allein auf die ursprüngliche Entscheidung und nicht auf einen Nichtabhilfebeschluss an. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Verweisung auf einen Prozesskostenvorschuss gegen den Ehepartner ist nur dann möglich, wenn der Anspruch unzweifelhaft besteht und kurzfristig durchsetzbar ist. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn das Einkommen des Verpflichteten unbekannt ist und über eine Auskunftsklage erst ermittelt werden müsste. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prozesskostenhilfe, Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, Fristsetzung, Einkommen des getrenntlebenden Ehegatten, Anspruch auf Prozesskostenvorschuss, Statthaftigkeit der Beschwerde
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 02.01.2024 – AN 6 K 23.1948
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28735
Tenor
Die Beschwerde wird verworfen.
Gründe
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1. Am 26. September 2023 stellte die Klägerin einen (isolierten) Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für eine noch zu erhebende Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Inobhutnahme ihres Kindes A.. Die beigefügte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war in Abschnitt E Nr. 3 (Bruttoeinnahmen des Ehegatten) nicht ausgefüllt.
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Das Verwaltungsgericht wies die Klägerin auf die unvollständigen Angaben hin und gab ihr unter Fristsetzung Gelegenheit, die entsprechenden Angaben nachzuholen. Die Klägerin ließ daraufhin mitteilen, dass sie und ihr Ehemann seit dem 29. August 2023 getrennt und Angaben zu seinem Einkommen deshalb nicht erforderlich seien. Hierauf teilte das Verwaltungsgericht mit, dass vom Bestehen von Unterhaltsansprüchen gegen den Ehemann auszugehen sei. Daher könne nicht auf konkrete Angaben verzichtet werden, aus denen sich dessen Höhe ergebe. Die Klägerin erklärte wiederholt, dass sie ihren Noch-Ehemann vergeblich um Vorlage seiner Lohnnachweise gebeten habe. Eine gerichtliche Einforderung wolle sie vermeiden, da sie wiederum die Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen wegen des gemeinsamen Kindes befürchte.
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2. Mit Beschluss vom 2. Januar 2024 lehnte das Verwaltungsgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels Vorlage der erforderlichen Nachweise ab. Nach § 166 VwGO i.V.m. § 115 Abs. 1 ZPO habe die Klägerin ihr Einkommen einzusetzen, wozu alle Einkünfte in Geld oder Geldeswert gehörten. Daher müsse sich die Erklärungspflicht auf alle Arten von Einkommen beziehen, wozu auch Unterhaltsansprüche gehörten. Die Klägerin habe auch nach ausdrücklicher Aufforderung durch das Gericht nur geschätzte Angaben zum Einkommen des Ehemannes gemacht und die Höhe nicht belegt. Auch über die Vermögensverhältnisse des Ehemannes seien keine Angaben getätigt worden. Der Antrag sei daher gemäß § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abzulehnen.
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3. Gegen diesen Beschluss ließ die Klägerin am 16. Januar 2024 unter Vorlage von Gehaltsabrechnungen des Ehemannes Beschwerde einlegen. Es sei ihr nicht zumutbar, Unterhaltsansprüche gegen den Ehemann geltend zu machen wegen des Risikos, von ihm mit Kindesunterhaltsansprüchen konfrontiert zu werden. Das Verwaltungsgericht half der Beschwerde mit Beschluss vom 18. Januar 2024 nicht ab. Es fehlten weiterhin vollständige Angaben zu Einkommen und Vermögen des Ehemannes. Es bleibe dabei, dass die Klägerin zunächst Unterhaltszahlungen von ihrem (Noch-)Ehemann anstreben müsse.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Gerichtsakten verwiesen.
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Die Beschwerde ist zu verwerfen, weil sie unzulässig ist.
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1. Nach § 146 Abs. 2 VwGO in der seit dem 1. Januar 2014 geltenden Fassung des Art. 12 Nr. 1 des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31. August 2013 (BGBl. I S. 3533) können Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe nicht (mehr) mit der Beschwerde angefochten werden, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint hat. Die Ablehnung der Prozesskostenhilfe ist also nur noch dann beschwerdefähig, wenn die Erfolgsaussichten in der Hauptsache vom Gericht verneint werden (BT-Drs. 17/11472, S. 48).
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Demzufolge ist eine Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe auch dann nicht statthaft, wenn das Verwaltungsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ausschließlich wegen nicht ordnungsgemäßer Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse abgelehnt hat (vgl. OVG Berlin-Bbg, B.v. 21.6.2016 – OVG 3 M 55.16 – juris Rn. 2; OVG Bremen, B.v. 23.9.2016 – 1 PA 248/16 – juris Rn. 9; NdsOVG, B.v. 5.9.2017 – 13 PA 235/17 – juris Rn. 2; BayVGH, B. v. 27.4.2021 – 5 C 20.2891 – juris Rn. 3). Dies gilt auch im Falle des § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen einer solchen Ablehnung vorliegen (so OVG Lüneburg, B.v. 5.9.2017 – 13 PA 235/17 – juris Rn. 2).
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Daher greift der Beschwerdeausschluss des § 146 Abs. 2 VwGO auch in der vorliegenden Konstellation, in der das Verwaltungsgericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe unter Berufung auf § 166 VwGO i.V.m. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO allein deshalb abgelehnt hat, weil die Klägerin innerhalb der ihr gesetzten Frist die für erforderlich gehaltenen Nachweise nicht vorgelegt hat. Unerheblich ist hierbei, dass das Verwaltungsgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 18. Januar 2024 „im Übrigen“ darauf hingewiesen hat, dass keine hinreichenden Erfolgsaussichten der Klage bestünden. Denn für die Statthaftigkeit der Beschwerde kommt es allein auf die ursprüngliche Entscheidung an. Ohne Auswirkungen auf den Beschwerdeausschluss bleibt dabei auch, dass das Verwaltungsgericht im angefochtenen Beschluss vom 2. Januar 2024 fehlerhaft über die unstatthafte Beschwerde belehrt hat (vgl. OVG Münster, B.v. 13.2.2019 – 18 E 101/19 – juris Rn. 1).
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2. Der Klägerin steht es jedoch frei, einen erneuten Prozesskostenhilfeantrag zu stellen. Ein solcher ist grundsätzlich zulässig, da Beschlüsse über die Ablehnung von Prozesskostenhilfe nur in formelle, nicht in materielle Rechtskraft erwachsen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 166 Rn. 57). Der Senat weist diesbezüglich vorsorglich darauf hin, dass das Verwaltungsgericht die Ablehnung zu Unrecht auf eine Unvollständigkeit der Unterlagen gestützt haben dürfte.
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Soweit die Nachfragen des Verwaltungsgerichts darauf abzielten, durch die Ermittlung des Einkommens des Ehemannes der Klägerin das Bestehen eines etwaigen Unterhaltsanspruchs zu prüfen, rechtfertigen die unvollständigen Angaben nicht die Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags.
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Zwar ginge ein Anspruch der Klägerin gegen ihren Ehemann auf Prozesskostenvorschuss (§§ 1361 Abs. 4 Satz 4, 1360a Abs. 4 Satz 1 BGB) der Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor (vgl. BayVGH, B. v. 25.3.2019 – 12 C 18.1124 – juris Rn. 2 m.w.N.). Allerdings ist das Vermögen, zu dem auch ein Anspruch auf Prozesskostenvorschuss zählt, nach § 115 Abs. 3 Satz 1 ZPO nur einzusetzen, soweit dies zumutbar ist. Daher ist die Verweisung auf einen Vorschussanspruch nur möglich, wenn der Anspruch unzweifelhaft besteht und kurzfristig durchsetzbar ist. Dies ist beispielsweise nicht der Fall, wenn das Einkommen des Verpflichteten unbekannt ist und über eine Auskunftsklage erst ermittelt werden müsste (Musielak/Voit/Fischer, 21. Aufl. 2024, ZPO § 115 Rn. 37). Keinem Hilfsbedürftigen ist es zuzumuten, vor Beginn seines Rechtsstreits einen weiteren, unsicheren Prozess um den Prozesskostenvorschuss zu führen (vgl. BAG, B. v. 5.4.2006 – 3 AZB 61/04 – juris Rn. 10).
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Die Klägerin hat mehrfach schlüssig erklärt, weshalb es ihr nicht möglich gewesen sei, die angeforderten Nachweise zu erbringen. Aus nachvollziehbaren Gründen ist sie zudem nicht bereit, einen etwaigen Anspruch auf Prozesskostenvorschuss bei ihrem Ehemann geltend zu machen. Auch fehlt es vorliegend offensichtlich an der kurzfristigen Durchsetzbarkeit des möglichen Anspruchs, weil die Ehegatten in Trennung leben und es vor diesem Hintergrund realitätsfern erschiene anzunehmen, dass der Ehegatte ohne weiteres einen Prozesskostenvorschuss leisten würde.
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Daher werden die an die Klägerin gestellten Anforderungen überspannt, weil von ihr Unzumutbares – wenn nicht gar Unmögliches – verlangt wird. Zu beachten ist hier die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts, nach der die Prozesskostenhilfe das Gebot der Rechtsschutzgleichheit, das für verwaltungsgerichtliche Verfahren aus Art. 3 Abs. 1 i. V. m. Art. 19 Abs. 4 GG folgt, verwirklichen soll, indem sie Bemittelte und Unbemittelte in den Chancen ihrer Rechtsverfolgung gleichstellt (vgl. BVerfGE 78, 104 <117 f.>; 81, 347 <357>). Da dieses Verfahren den grundgesetzlich gebotenen Rechtsschutz nicht selbst bietet, sondern erst zugänglich macht, dürfen die Anforderungen, insbesondere an den Vortrag der Beteiligten, nicht überspannt werden (vgl. BVerfG, 1. Kammer des Zweiten Senats, NJW 2003, S. 576). Insbesondere sollen insoweit keine strittigen Rechts- oder Tatsachenfragen geklärt werden. Auch bei der Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse gilt das Verbot überspannter Anforderungen (vgl. BVerfG, 2. Kammer des Zweiten Senats, StV 1996, S. 445 f.), damit der Zugang zu den Gerichten nicht übermäßig erschwert wird (BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 14. Oktober 2003 – 1 BvR 901/03 – juris Rn. 15ff.).
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Das Verwaltungsgericht wird dies anlässlich einer erneuten Antragstellung auf Prozesskostenhilfe zu beachten haben, zumal gegen eine ablehnende Entscheidung nunmehr unmittelbar die Verfassungsbeschwerde eröffnet ist.
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3. Einer Kostenentscheidung bedarf es vorliegend nicht, da das Verfahren gemäß § 188 Satz 2 VwGO gerichtskostenfrei ist und Kosten im Beschwerdeverfahren nach § 166 VwGO i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet werden.
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4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).