Inhalt

LG Bayreuth, Beschluss v. 18.04.2024 – 52 T 39/24
Titel:

Unterbringung in einer geschlossenen Einrichtung über die Höchstfrist von einem Jahr hinaus

Normenketten:
BGB § 1831
FamFG § 329
Leitsatz:
Die zivilrechtliche Unterbringung durch einen Betreuer nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt eine ernstliche und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten voraus. Eine Unterbringung zur Vermeidung einer Selbstschädigung setzt voraus, dass der Betreute aufgrund seiner Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann. (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Dauer der Unterbringung länger als 1 Jahr, Unterbringung, Alkoholabhängigkeit, Betreuung, geschlossene Einrichtung, Dauer, Höchstfrist, Sachverständigengutachten
Vorinstanz:
AG Bayreuth vom 16.02.2024 – 7 XVII 894/23
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe, Beschluss vom 28.08.2024 – XII ZB 207/24
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28697

Tenor

1. Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 16.02.2024, Az. 7 XVII 894/23, wird zurückgewiesen.
2. Von der Erhebung der Kosten wird abgesehen.

Gründe

I.
1
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen eine längerfristige Unterbringung durch den Betreuer in der geschlossenen Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses bzw. der beschützenden Abteilung einer geeigneten Einrichtung.
2
Für den Betroffenen wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 16.02.2024 die endgültige Betreuung für die Aufgabenkreise Vermögenssorge, Gesundheitsfürsorge, Aufenthaltsbestimmung für nervenärztliche Behandlung, Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern und anderes bis spätestens 15.02.2031 angeordnet. (vgl. Bl. 31 ff. der Akte). Bereits zuvor stand der Betroffene unter vorläufiger Betreuung.
3
Der Beschwerdeführer befindet sich seit 27.11.2023 in der Unterbringungseinrichtung, nachdem im Zustand nach schwerer Alkoholintoxikation eingeliefert wurde.
4
Das Amtsgericht Bayreuth hat auf Antrag des Betreuers mit Beschluss vom 28.11.2023 und nochmals verlängert mit Beschluss vom 08.01.2024 die vorläufige geschlossene Unterbringung des Beschwerdeführers durch den Betreuten genehmigt.
5
Nach Einholung eines ärztlichen Sachverständigengutachtens sowie Anhörung des Betroffenen wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Bayreuth vom 16.02.2024 die längerfristige Unterbringung des Betroffenen bis längstens 15.02.2024 genehmigt.
6
Hiergegen wendet sich der Betroffene mit hiesiger Beschwerde.
7
Das Amtsgericht Bayreuth hat der Beschwerde mit Beschluss vom 21.03.2024 nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht zur Entscheidung vorgelegt.
8
Das Landgericht hat nach Übertragung des Verfahrens auf den Einzelrichter den Betroffenen am 12.04.2024 angehört. Auf das Anhörungsprotokoll wird verwiesen.
II.
9
1. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
10
Eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung des Amtsgerichts Bayreuth durch das Beschwerdegericht ergibt, dass diese zu Recht ergangen ist.
11
Das Amtsgericht Bayreuth hat die Unterbringung des Beschwerdeführers zu Recht genehmigt, da die Voraussetzungen des § 1831 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB vorliegen.
12
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Amtsgerichts Bayreuth in der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
13
Die Voraussetzungen für eine Unterbringung gemäß § 1831 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB liegen hier vor.
14
Der Betroffene darf freiheitsentziehend vom Betreuer untergebracht werden, wenn dem Betreuer die Aufenthaltsbestimmung zusteht und das Betreuungsgericht gemäß § 1831 Abs. 2 S. 1 BGB die Unterbringung genehmigt. Das Betreuungsgericht muss die Genehmigung erteilen, solange sie zum Wohle des Betroffenen unter anderem deshalb erforderlich ist, weil aufgrund einer psychischen Erkrankung oder geistigen oder seelischen Behinderung des Betreuten die Gefahr besteht, dass er sich selbst tötet oder erheblichen gesundheitlichen Schaden zufügt (§ 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB) oder zur Abwendung eines drohenden erheblichen gesundheitlichen Schadens eine Heilbehandlung notwendig ist, welche ohne die Unterbringung nicht durchgeführt werden kann und der Betreute aufgrund seiner Erkrankung die Notwendigkeit der Unterbringung nicht erkennen oder nicht nach dieser Einsicht handeln kann (§ 1831 Abs. 1 Nr. 2 BGB). Danach ist die Unterbringung vorliegend zu Recht erfolgt.
15
Für den Betroffenen besteht eine Betreuung mit Überprüfungsfrist bis spätestens 15.02.2031, die unter anderem die Aufgabenkreise Entscheidung über eine mit Freiheitsentziehung verbundene Unterbringung und Gesundheitsfürsorge umfasst. Die Unterbringung ist somit von den Aufgabenkreisen der Betreuung gedeckt.
16
Auch im Übrigen liegen die Voraussetzungen des § 1831 Abs. 1 Nr. 1 und 2 BGB vor. Die zivilrechtliche Unterbringung durch einen Betreuer nach § 1831 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt eine ernstlich und konkrete Gefahr für Leib oder Leben des Betreuten voraus. Eine Unterbringung zur Vermeidung einer Selbstschädigung setzt voraus, dass der Betreute aufgrund seiner Krankheit seinen Willen nicht frei bestimmen kann.
17
Das durch das Amtsgericht Bayreuth eingeholte Sachverständigengutachten des Sachverständigen … vom 06.02.2024 kommt nachvollziehbar und widerspruchsfrei zu dem Ergebnis, dass vorliegend eine Unterbringung erfolgen muss. Nach den Ausführungen der Sachverständigen leidet der Betroffene an einer schwerwiegenden Alkohol-Abhängigkeit, Zustand nach akuter Alkoholintoxikation mit Entzugssyndrom sowie einer alkoholbedingten Lebererkrankung. Aufgrund der schwerwiegenden Erkrankung der Alkoholabhängigkeit zeigt sich beim Betroffenen bereits eine beginnendes Korsakow Syndrom mit Persönlichkeitsstörungen. Die Schwere der Alkoholabhängigkeit zeigt sich beim Betroffenen auch deutlich bei der Wahl des Getränks. Im Klinikum …, in dem er vor Aufnahme ins Bezirkskrankenhaus war, hat er Desinfektionsmittel getrunken, als ihm Alkohol verwehrt wurde.
18
Die persönliche Anhörung des Betroffenen durch das Beschwerdegericht zeigt zwar eine beginnende Krankheitseinsicht, welche auch das Bezirkskrankenhaus bestätigt und damit einhergehend eine beginnende Verbesserung des Gesundheitszustands. Allerdings ist auch weiterhin deutlich, dass er noch nicht absprachefähig alle Regelungen, die für eine Therapie notwendig sind, einhält (z.B. übermäßiger Konsum zuckerhaltiger Getränke trotz entsprechender Untersagung, da die derzeitige Medikation dies nicht zulässt und er sich auch hierdurch erneut Schaden zufügt). Auch gab er in der Anhörung gegenüber der Richterin an, den Bedarf einer langfristigen Therapie anzuerkennen. Auf die Frage, was er denn tun wolle, wenn der Unterbringungsbeschluss aufgehoben werde, kam aber die spontan klare Antwort, er würde sofort seine Koffer packen und sich nach Hause entlassen. Dies zeigt, dass dem Betroffenen der Grad seiner Erkrankung weiterhin nicht klar ist und ihm droht ohne Unterbringung und Behandlung deshalb ein erheblicher gesundheitlicher Schaden bzw. sogar die Gefahr der Selbsttötung durch den Alkoholkonsum, weil er sich durch diese Verhaltensweisen selbst massiv schädigt.
19
Daraus ergibt sich, dass der Betroffene der Unterbringung bedarf, diese Notwendigkeit selbst krankheitsbedingt aber nicht erkennen und nicht danach handeln kann.
20
Die geschlossene Unterbringung erweist sich als unumgänglich, um den drohenden erheblichen gesundheitlichen Schaden vom Beschwerdeführer abzuwenden. Letztlich überwiegen daher die Nachteile, die ohne Unterbringung entstehen würden, die Schwere der Freiheitsentziehung.
21
Auch die Verfahrenspflegerin befürwortet die Maßnahme.
22
Die Beschwerde ist somit im Ergebnis unbegründet.
23
2. Von einer Kostenentscheidung wird nach §§ 81, 84 FamFG abgesehen.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 18.04.2024.