Inhalt

VG Augsburg, Gerichtsbescheid v. 10.10.2024 – Au 9 K 24.1825
Titel:

Zwei-Jahresfrist für Antrag auf Verdienstausfallentschädigung

Normenketten:
IfSG § 56 Abs. 5, Abs. 11, § 57
VwGO § 84, § 113 Abs. 5 S. 1
Leitsatz:
Bei der Frist des § 56 Abs. 11 S. 1 IfSG handelt es sich nicht um eine bloße Ordnungsfrist, sondern um eine materielle Ausschlussfrist, die den Anspruch materiell erlöschen lässt, soweit in dem vom Gesetzgeber gewährten Zeitraum bis dahin kein Antrag gestellt wurde. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verdienstausfallentschädigung, Isolation, materielle Ausschlussfrist, verspätete Antragstellung, Antrag, Frist, Ausschlussfrist
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28629

Tenor

I.    Die Klage wird abgewiesen.
II.    Die Kosten des Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.
III.    Der Gerichtsbescheid ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt mit ihrer Klage die Erstattung der von ihr an einen bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer gezahlten Verdienstausfallentschädigung in Höhe von 630,59 EUR.
2
Die Klägerin ist ein seit dem 1. Juli 2006 bestehendes gemeinsames Kommunalunternehmen, das die Krankenhäuser in ... und ... betreibt. Der am ... 1965 geborene H. ist Arbeitnehmer der Klägerin und bei ihr in der operationstechnischen Assistenz beschäftigt. Der Arbeitnehmer H. befand sich im Zeitraum zwischen dem 2. Mai 2022 und dem 12. Mai 2022 in Isolation. Die Isolation wurde vom Landratsamt ... am 4. Mai 2022 bestätigt.
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Mit Formblattantrag vom 2. Juli 2024 beantragte die Klägerin beim Beklagten für den Arbeitnehmer H. für den Zeitraum zwischen dem 4. Mai 2022 und dem 7. Mai 2022 eine Verdienstausfallentschädigung i.H.v. 368,00 EUR (Nettolohn) und i.H.v. 262,59 EUR für abgeführte Sozialversicherungsbeiträge (Gesamtsumme der beantragten Entschädigung 630,59 EUR). Die Klägerin gab an, dass sie für die Beträge als Arbeitgeberin in Vorleistung getreten sei. Die vom Arbeitnehmer ausgeübte Tätigkeit in der operationstechnischen Assistenz habe nicht im „Homeoffice“ ausgeübt werden können, da die persönliche Anwesenheit im OP erforderlich sei.
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Mit Bescheid der Regierung von ... vom 3. Juli 2024 wurde der Antrag auf Erstattung des Verdienstausfalls und der Beiträge zur Sozialversicherung abgelehnt.
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Zur Begründung ist ausgeführt, dass nach § 56 Abs. 1 Satz 1 Infektionsschutzgesetz (IfSG) eine Entschädigung in Geld erhalte, wer aufgrund dieses Gesetzes Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder als sonstiger Träger von Krankheitserregern i.S.v. § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliege oder unterworfen werde und dadurch einen Verdienstausfall erleide. Die Entschädigung bemesse sich gemäß § 56 Abs. 2 Satz 1 IfSG nach dem Verdienstausfall. Als Verdienstausfall im Sinne der Vorschrift gilt gemäß § 56 Abs. 3 Satz 1 IfSG das Arbeitsentgelt, das dem Arbeitnehmer bei der für ihn maßgebenden regelmäßigen Arbeitszeit zusteht, vermindert um Steuern und Beiträge zur Sozialversicherung sowie zur Arbeitsförderung oder entsprechenden Aufwendungen zur sozialen Sicherung in angemessenem Umfang (Netto-Arbeitsentgelt). Die Voraussetzungen des § 56 IfSG für eine Verdienstausfallentschädigung seien nicht gegeben, so dass der Antrag abzulehnen gewesen sei. Gemäß § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG sei der Antrag auf Entschädigung innerhalb von zwei Jahren nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit bzw. dem Ende der Absonderung bei der zuständigen Behörde zu stellen. Diese Frist sei vorliegend versäumt worden. Die Absonderung des betroffenen Arbeitnehmers H. habe am 12. Mai 2022 geendet. Der am 2. Juli 2024 bei der Regierung von ... eingegangene Antrag habe die Frist von zwei Jahren damit nicht gewahrt, sodass der Antrag insgesamt abzulehnen gewesen sei.
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Auf die weiteren Ausführungen im Bescheid der Regierung von ... vom 3. Juli 2024 wird ergänzend verwiesen.
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Die Klägerin hat gegen den Bescheid vom 2. Juli 2024 mit Schriftsatz vom 1. August 2024 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,
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Der Bescheid der Regierung von ... vom 3. Juli 2024 (... ) wird aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Antrag des Klägers vom 2. Juli 2024 auf Erstattung der Verdienstausfallentschädigung und der Beiträge zur Sozialversicherung für den Mitarbeiter ... ... positiv zu verbescheiden und im Zuge dessen an den Kläger 630,59 EUR nebst 5% Zinsen hieraus über Basissatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
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Zur Begründung der Klage ist mit Schriftsatz vom 28. August 2024 ausgeführt, dass nach der Gesetzesbegründung des § 56 IfSG die Entschädigungsregelung eine Billigkeitsregelung darstelle. Tatbestandlich setze § 56 Abs. 1 IfSG auch nach dem Willen des Gesetzgebers einen Verdienstausfall voraus, der dann nicht eintreten solle, soweit ein Entgeltfortzahlungsanspruch bestehe. Hieraus leitet das Bundesarbeitsgericht (BAG) das Subsidiaritätsverhältnis von vorrangiger Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG und nachrangiger Entschädigung nach § 56 IfSG ab. Ob dieses Subsidiaritätsverhältnis vom historischen Gesetzgeber gewollt gewesen sei, sei zu hinterfragen. Nach der vom BAG vertretenen Lesart laufe § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG faktisch leer. Dies könne nicht die ratio legis sein. Das BAG habe in seiner Entscheidung nur das Verhältnis des Arbeitnehmers zu seinem Arbeitgeber betrachten müssen. Die Verwaltungsgerichtsbarkeit habe zu entscheiden, ob es sachangemessen sei, die finanziellen Folgen einer restriktiven Corona-Politik im Sommer 2022 ausschließlich den Arbeitgebern aufzuerlegen und den Beklagten vollständig zu entlasten. Entscheidend komme es darauf an, ob ein Arbeitnehmer allein aufgrund seiner Krankheit arbeitsunfähig sei. Dies sei unstreitig der Fall, wenn der Arbeitnehmer an erheblichen Symptomen leide und in Folge der Krankheit seine vertraglich geschuldete Tätigkeit objektiv nicht ausüben könne. Abzulehnen sei die Aussage des BAG, dass eine Arbeitsunfähigkeit auch dann vorliege, wenn der Arbeitnehmer wegen der Erkrankung aus rechtlichen Gründen die Arbeitsleistung nicht erbringen könne. Mehrere Landesarbeitsgerichte hätten vor der BAG-Entscheidung eine krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 3 Abs. 1 EFZG abgelehnt. Das Beschäftigungsverbot bzw. die Isolierung oder Absonderung werde bei einem symptomlosen oder mild-symptomatischen Verlauf nicht um der Gesundheit des Arbeitnehmers willen angeordnet, sondern weil dieser als eine potentielle Gefahrenquelle angesehen werde, also Störer im sicherheitsrechtlichen Sinne sei. Bei Mitarbeitenden, die krankheitsbedingt nicht arbeitsfähig gewesen seien, habe der Kläger stets eine Krankmeldung angefordert und eine Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG geleistet.
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Auf die weiteren Ausführungen im Klagebegründungsschriftsatz vom 28. August 2024 wird ergänzend verwiesen.
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Die Regierung von ... ist für den Beklagten der Klage mit Schriftsatz vom 29. August 2024 entgegengetreten und beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Die Ablehnung des Antrags auf Verdienstausfallentschädigung nach § 56 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 IfSG und der Beitragserstattung nach § 57 Abs. 1 und 2 IfSG sei mangels kausalem Verdienstausfall aufgrund der Entgeltfortzahlungspflicht der Klägerin gegenüber ihrem Arbeitnehmer nach § 3 EFZG rechtmäßig und verletze die Klägerin daher nicht in ihren Rechten. Das Bundesarbeitsgericht habe mit Urteil vom 20. März 2024 entschieden, dass auch eine symptomlose SARS-CoV-2 Infektion eine Krankheit darstelle, die zur Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 3 EFZG führe, sofern es dem Arbeitnehmer in Folge einer behördlichen Absonderungsanordnung rechtlich unmöglich sei, die geschuldete Tätigkeit beim Arbeitgeber zu erbringen und eine Erbringung in der häuslichen Umgebung („Homeoffice“) nicht in Betracht komme. Der Grundsatz der Monokausalität stehe der Entgeltfortzahlung nach § 3 EFZG nicht entgegen, da die Absonderungsanordnung unmittelbare Folge der Erkrankung und kein weiterer, paralleler Umstand sei, der für sich allein gesehen den Grund der Arbeitsverhinderung darstelle. Für die subsidiäre Entschädigung nach §§ 56 ff. IfSG bleibe kein Raum. Da ein Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung nicht bestehe, scheide auch eine Erstattung der während der Isolation abgeführten Beiträge zur Sozialversicherung i.S.d. § 57 IfSG aus.
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Auf die weiteren Ausführungen im Klageerwiderungsschriftsatz vom 28. August 2024 wird ergänzend verwiesen.
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Mit Schreiben des Gerichts vom 25. September 2024 wurden die Beteiligten zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört.
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Mit Schriftsatz vom 2. Oktober 2024 hat der Beklagte ergänzend ausgeführt, dass die Antragsfrist von zwei Jahren offensichtlich abgelaufen sei. Bei der Frist in § 56 Abs. 11 S. 1 IfSG handle es sich auch nach der Gesetzesbegründung um eine materielle Ausschlussfrist.
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Mit Schriftsatz vom 9. Oktober 2022 hat die Klägerin sich mit einer Entscheidung im Wege des Gerichtsbescheids einverstanden erklärt. Ergänzend hat sie ausgeführt, dass sich ein Anspruch jedenfalls aus den Grundsätzen der Aufopferung ergebe. Dieser verjähre erst nach Ablauf von drei Jahren.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und auf die vom Beklagten vorgelegte elektronische Verfahrensakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage kann nach Anhörung der Beteiligten (§ 84 Abs. 1 Satz 2 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO) durch Gerichtsbescheid entschieden werden, da die Sache keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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Die Klage hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.
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Die Klägerin besitzt keinen Anspruch auf Erstattung der von ihr an ihren Arbeitnehmer gezahlten Verdienstausfallentschädigung sowie abgeführter Sozialversicherungsbeiträge (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der diesen Anspruch versagende Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 2024 ist rechtmäßig und nicht geeignet, die Klägerin in ihren Rechten zu verletzen.
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1. Für die Sach- und Rechtslage des geltend gemachten Anspruchs ist auf die Fassung des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) vom 20. März 2022 abzustellen, die Gültigkeit bis zum 29. Juni 2022 beanspruchte.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts richtet sich die Frage des richtigen Zeitpunkts für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage nach dem Prozessrecht, so dass die Klägerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit einem Aufhebungsbegehren wie mit einem Verpflichtungsbegehren nur dann Erfolg haben kann, wenn sie im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Entscheidung einen Anspruch auf die erstrebte Aufhebung des Verwaltungsakts bzw. einen Anspruch auf die erstrebte Leistung hat. Ob ein solcher Anspruch jedoch besteht, das heißt, ob ein belastender Verwaltungsakt die Klägerin im Sinne des § 113 Abs. 1 VwGO rechtswidrig in ihren Rechten verletzt oder die Ablehnung eines begehrten Verwaltungsakts im Sinne des § 113 Abs. 5 VwGO rechtswidrig ist, beurteilt sich nach dem materiellen Recht, dem nicht nur die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Ermächtigungsgrundlage oder eines Anspruchs selbst, sondern auch die Antwort auf die Frage zu entnehmen ist, zu welchem Zeitpunkt diese Voraussetzungen erfüllt sein müssen (stRspr., vgl. BVerwG, U.v. 31.3.2004 – 8 C 5.03 – juris Rn. 35). Insbesondere bei zeitgebundenen Ansprüchen, d.h. bei Ansprüchen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt entstehen oder die sich auf einen bestimmten Zeitraum beziehen, ergibt sich der zeitliche Bezugspunkt nach dem Fachrecht, weil es andernfalls die Behörde oder das Gericht allein durch die Steuerung der Bearbeitungszeit in der Hand hätte, einen zunächst begründeten Antrag unbegründet werden zu lassen oder umgekehrt (vgl. VG Hannover, U.v. 1.10.2008 – 11 A 7719.06 – juris).
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2. Gemäß § 56 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 56 Abs. 5 Satz 1 i.V.m. § 56 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 IfSG in der zum Zeitpunkt der Isolation im Juli 2022 maßgeblichen Fassung mit Gültigkeit vom 20. März 2022 bis zum 29. Juni 2022 erhält ein Arbeitgeber, der für die zuständige Behörde die Entschädigung an seinen Arbeitnehmer auszahlt, auf Antrag eine entsprechende Erstattung, wenn sein Arbeitnehmer auf Grund des Infektionsschutzgesetzes als Ausscheider, Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern im Sinne von § 31 Satz 2 IfSG Verboten in der Ausübung seiner bisherigen Erwerbstätigkeit unterliegt oder unterworfen wird und dadurch einen Verdienstausfall erleidet. Das Gleiche gilt für Personen, die als Ausscheider, Ansteckungsverdächtige oder Krankheitsverdächtigte abgesondert wurden oder werden. Voraussetzung für einen Entschädigungsanspruch des Arbeitgebers ist ein vorrangiger, dem Arbeitnehmer der Klägerin zustehender Entschädigungsanspruch aus § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG, der dann aufgrund der im maßgeblichen Zeitpunkt geltenden Fassung des § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG auf die Klägerin übergegangen ist. § 56 Abs. 11 Satz IfSG in der maßgeblichen Fassung bestimmt u.a. weiter, dass Anträge nach Abs. 5 innerhalb einer Frist von zwei Jahren nach Einstellung der verbotenen Tätigkeit bzw. dem Ende der Absonderung bei der zuständigen Behörde zu stellen sind.
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a) Während der Isolation des Arbeitnehmers H. im beantragten Zeitraum vom 4. Mai 2022 bis zum 7. Mai 2022 zahlte die Klägerin die dem Arbeitnehmer zustehende anteilige arbeitsvertragliche Vergütung.
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b) Ungeachtet der Frage, ob dem geltend gemachten Anspruch der Klägerin ein vorrangiger Anspruch aus § 3 EFZG aufgrund der aktuellen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, U.v. 20.3.2024 – 5 AZR 234, 23 – juris) entgegensteht, scheitert ein Anspruch der Klägerin auf Verdienstausfallentschädigung bereits daran, dass der mit Formblatt vom 2. Juli 2024 gestellte Antrag bei der zuständigen Regierung von ... außerhalb der Frist des § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG gestellt wurde bzw. dort eingegangen ist.
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Da die Isolation des betroffenen Arbeitnehmers H. unstreitig am 12. Mai 2022 endete, wurde der Antrag bei der zuständigen Regierung von ... nach Ablauf des vom Gesetz gewährten zweijährigen Zeitraums gestellt.
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Dieser Umstand führt zum Ausschluss des geltend gemachten Anspruchs der Klägerin auf Verdienstausfallentschädigung. Bei der Frist des § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG handelt es sich um eine materielle Ausschlussfrist (BT-Drs. 19/27291, 62), die den Anspruch materiell erlöschen lässt, soweit in dem vom Gesetzgeber gewährten Zeitraum bis dahin kein Antrag gestellt wurde (vgl. Sangs/Eibenstein, Infektionsschutzgesetz, 1. Aufl. 2022, § 56 Rn. 142; Kümper in Kießling, Infektionsschutzgesetz, 3. Aufl. 2022, § 56 Rn. 2, 48a; Gerhardt, Infektionsschutzgesetz, 6. Aufl. 2022, § 56 Rn. 39). Da der Gesetzgeber selbst vom Vorliegen einer materiellen Ausschlussfrist in § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG ausgeht, ist es nicht mehr vertretbar, die im Gesetz geregelte Frist von zwei Jahren lediglich als bloße Ordnungsfrist zu betrachten, was eine verspätete positive Verbescheidung zugunsten der Klägerin im Ermessenswege zulassen könnte.
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Die Annahme einer bloßen Ordnungsfrist die auch eine (positive) Verbescheidung verspätet gestellter Anträge ermöglichen würde, ist auch nicht aus Billigkeitsgründen erforderlich (vgl. Eckart/Kruse in BeckOK, Infektionsschutzgesetz, Eckart/Winkelmüller, 21. Ed., Stand: 1.4.2024, § 56 Rn. 84). Für den jeweils betroffenen Arbeitgeber dürfte es unschwer möglich sein, ihm eventuell zustehende Anträge auf Verdienstausfallentschädigung innerhalb des großzügig bemessenen Zeitraums von zwei Jahren nach Ende der Absonderung der betroffenen Arbeitnehmerin bzw. des betroffenen Arbeitnehmers rechtzeitig zu stellen. Das Ende der Absonderung, welche die Frist des § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG anlaufen lässt, ist dem jeweiligen Arbeitgeber bekannt. Einer gesonderten Belehrung über die Frist des § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG bedarf es nicht, zumal es sich um eine gesetzliche Ausschlussfrist handelt und das zuständige Bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege in seinen FAQs zum Anspruch auf Verdienstausfallentschädigung nach § 56 f. IfSG hierauf mehrfach ausdrücklich hingewiesen hat.
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Da einem möglichen Anspruch der Klägerin auf Verdienstausfallentschädigung mithin bereits die materielle Ausschlussfrist des § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG entgegensteht, ist der geltend gemachte Anspruch aus § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG i.V.m. § 56 Abs. 1 IfSG ausgeschlossen. Auch der geltend gemachte Anspruch auf Prozesszinsen besteht daher nicht. Die Auswirkungen der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 20. März 2024 zur Frage, ob der Arbeitgeber nach § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) auch bei asymptomatischem Verlauf einer Infektion mit dem Virus SARS-CoV-2 zur Zahlung des Arbeitslohns verpflichtet ist und dies einen Anspruch nach § 56 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 IfSG ausschließt, stellt sich im vorliegenden Verfahren daher nicht.
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3. In der Konsequenz besteht somit auch kein Anspruch auf Erstattung der für die Arbeitnehmer H. im Mai 2022 abgeführten Sozialversicherungsbeiträge gem. § 57 Abs. 1 Satz 4 Halbs. 2 IfSG, da hierfür ein Anspruch gem. § 56 Abs. 5 Satz 3 i.V.m. § 56 Abs. 1 IfSG zwingende Voraussetzung wäre (vgl. VG Würzburg, U.v. 15.11.2021 – W 8 K 21.864 – juris Rn. 32). Da einem Anspruch der Klägerin aus § 56 Abs. 5 Satz 3 IfSG i.V.m. § 56 Abs. 1 IfSG bereits die materielle Ausschlussfrist des § 56 Abs. 11 Satz 1 IfSG entgegensteht, besteht in der Folge auch kein Erstattungsanspruch der Klägerin nach § 57 Abs. 1 IfSG.
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4. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht, da ein Rückgriff auf allgemeine Entschädigungs- bzw. Erstattungsregelungen aufgrund der abschließenden Regelungen im Infektionsschutzgesetz ausscheidet. Dies gilt auch für den geltend gemachten Anspruch auf Aufopferung. Soweit Spezialvorschriften wie hier im Infektionsschutzrecht vorhanden sind, ist es unerheblich, ob es sich dabei ganz oder teilweise um einen Anwendungsfall der Aufopferung handelt. Die im Recht der Aufopferung besonders betonte Subsidiarität steht einem Anspruch der Klägerin damit entgegen (BGHZ 20,81; 28,301; 45, 76).
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5. Nach allem war die Klage daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat die Klägerin die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs. 1 Satz 3, § 167 Abs. 2 i.V.m. § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).