Inhalt

LArbG Nürnberg, Beschluss v. 25.06.2024 – 4 Ta 49/24
Titel:

vertraglich vereinbarte Kostenübernahme – Kostenfestsetzungsverfahren

Normenketten:
ZPO §§ 103 ff.
ArbGG § 12a Abs. 1
Leitsätze:
1. Der gesetzliche Ausschluss der Erstattungsfähigkeit aufgewandter Anwaltskosten in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG steht der Rechtswirksamkeit einer vertraglich vereinbarten Kostenübernahme nicht entgegen. Eine solche Vereinbarung kann auch in einem gerichtlichen Vergleich erfolgen. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine von § 12a Abs. 1 S. 1 ArbGG abweichende Vereinbarung kann nicht im Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO durchgesetzt werden. Das Kostenfestsetzungsverfahren dient ausschließlich der Festsetzung gesetzlicher Prozesskosten. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Vergleichsvereinbarung, Kostenfestsetzungsantrag, Festsetzung gesetzlicher Prozesskosten, gesetzlicher Ausschluss, Erstattungsfähigkeit, vertraglich vereinbarte Kostenübernahme
Vorinstanz:
ArbG Bamberg, Beschluss vom 11.04.2024 – 1 Ca 628/23
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28236

Tenor

1. Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 11.04.2024, Aktenzeichen 1 Ca 628/23, wird auf Kosten des Beschwerdeführers zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.001,38 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit gerichtlichem Beschluss vom 11.12.2023 wurde zwischen den Parteien das Zustandekommen eines Vergleichs gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt, wonach sich die Beklagte zur Zahlung eines Betrages i.H.v. 22.000,00 € verpflichtete und die Kosten des Rechtsstreits durch den Kläger i.H.v. 14% und die Beklagte i.H.v. 86% getragen wurden.
2
Mit Antrag vom 12.12.2023, eingegangen beim Arbeitsgericht Bamberg am 19.12.2023, beantragte die Prozessbevollmächtigte des Klägers Kostenfestsetzung. Der Kostenfestsetzungsantrag beinhaltete die außergerichtlichen Verfahrenskosten der anwaltlichen Vertretung des Klägers.
3
Mit Schreiben des Arbeitsgerichts Bamberg vom 06.02.2024 wurde die Beklagte zur beabsichtigten Kostenfestsetzung angehört.
4
Mit Beschluss vom 11.04.2024 hat das Arbeitsgericht Bamberg den Kostenfestsetzungsantrag des Klägers zurückgewiesen und darauf hingewiesen, dass im arbeitsgerichtlichen Verfahren grundsätzlich kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Entschädigung wegen Zeitversäumnis und auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes besteht.
5
Mit Schriftsatz vom 25.04.2024, beim Arbeitsgericht Bamberg am 25.04.2024 eingegangen, legte der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.04.2024 sofortige Beschwerde ein. Der Kläger hat geltend gemacht, dass in Z. 2 des gerichtlichen Vergleichs eine gesonderte Vereinbarung über die zu tragenden Rechtsanwaltskosten vorgenommen worden sei. Diese seien im Rahmen der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen.
6
Das Arbeitsgericht Bamberg hat der sofortigen Beschwerde mit Beschluss vom 28.05.2024 nicht abgeholfen und diese dem Landesarbeitsgericht Nürnberg zur weiteren Entscheidung vorgelegt.
7
Die Parteien haben gesondert Gelegenheit zur Stellungnahme zum Nichtabhilfebeschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 28.05.2024 erhalten.
8
Hinsichtlich des weitergehenden Vorbringens der Parteien wird auf die zwischen ihnen im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
II.
9
1. Die von dem Kläger eingelegte Beschwerde ist statthaft, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, und auch im Übrigen zulässig. Insbesondere ist die sofortige Beschwerde form- und fristgerecht gemäß § 569 Abs. 1 und 2 ZPO eingelegt worden.
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2. Die Beschwerde ist sachlich nicht begründet.
11
Der Beschluss des Arbeitsgerichts Bamberg vom 11.04.2024 ist rechtlich nicht zu beanstanden.
12
2.1. Zwar bleibt es den Parteien eines Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht unbenommen, entgegen der gesetzlichen Regelung in § 12a Abs. 1 Satz ArbGG, wonach in Urteilsverfahren des ersten Rechtszuges kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung unter anderem der entstandenen Rechtsanwaltskosten besteht, eine Vereinbarung zu treffen, dass diese Kosten gleichwohl erstattet werden sollen. Eine solche Vereinbarung kann – wie der Kläger geltend macht – auch in einem gerichtlichen Vergleich erfolgen. Gegen die materiell-rechtliche Wirksamkeit dieser Vereinbarung bestehen keine Bedenken. Der gesetzliche Ausschluss der Erstattungsfähigkeit aufgewandter Anwaltskosten steht nach allgemeiner Rechtsauffassung der Rechtswirksamkeit einer vertraglich vereinbarten Kostenübernahme nicht entgegen.
13
2.2. Unabhängig davon, was zwischen den Parteien streitig ist, ob durch die Regelung in Z. 2 des gerichtlichen Vergleichs vom 11.12.2023 tatsächlich eine Vereinbarung über die Erstattung aufgewandter Rechtsanwaltskosten getroffen wurde, kann eine – etwaige – materiell-rechtlich wirksame Vereinbarung über die Erstattung der nach § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG gesetzlich nicht erstattungsfähigen Kosten jedoch nicht im Kostenfestsetzungsverfahren durchgesetzt werden. Das vereinfachte Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 ff. ZPO dient allein der Festsetzung gesetzlicher Prozesskosten, nicht auch der Festsetzung darüber hinaus vertraglich vereinbarter Erstattungsansprüche, die von Gesetzes wegen nicht vorgesehen sind (vgl. LAG Düsseldorf v. 27.05.2004 – 16 Ta 274/04 m. w. Nw.; OLG Koblenz v. 06.09.2001 – 14 W 620/01; Dreher in Düwell/Lipke, ArbGG, § 12a Rn. 6; GMP/Künzl, 10. Aufl. 2022, ArbGG § 12a Rn. 30).
14
2.3. Selbst wenn dieser Auffassung nicht gefolgt und eine Festsetzung in einem Prozessvergleich übernommener, gesetzlich ausgeschlossener Rechtsanwaltskosten (§ 12 a Abs. 1 ArbGG) nach §§ 103 ff. ZPO für möglich erachtet werden würde, kann dies nur dann zu einer Berücksichtigung im Festsetzungsverfahren führen, wenn Zweifel an der Übernahme nicht bestehen (vgl. LAG Nürnberg v. 08.02.1999 – 4 Ta 13/99; v. 02.08.2000 – 1 Ta 198/00). Da die Übernahme von Rechtsanwaltskosten kraft Gesetzes ausdrücklich ausgeschlossen ist, bedarf es für die materiell-rechtliche Übernahme einer klaren und zweifelsfreien Vereinbarung. An einer solchen fehlt es jedenfalls dann, wenn der vom Kostengläubiger begehrte Festsetzungsanspruch nur im Wege komplexer Auslegungsschritte oder durch gesonderte Ermittlung des Parteiwillens getroffen werden könnte. Dafür ist das rationelle Festsetzungsverfahren nach den §§ 103 ff. ZPO nicht eröffnet.
15
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist vorliegend festzustellen, dass der Regelung in Z. 2 des gerichtlichen Vergleichs vom 11.12.2023 jedenfalls nicht mit der erforderlichen Klarheit zu entnehmen ist, dass zu den Kosten des Rechtsstreits auch die Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten zählen sollten. Folglich scheidet eine Festsetzung auch unter diesem Gesichtspunkt von vornherein aus.
16
Nach alledem erweist sich die Entscheidung des Rechtspflegers im Ergebnis als richtig; die Kostenfestsetzung zugunsten des Klägers ist zu Recht abgelehnt worden.
III.
17
1. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts kann ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter erfolgen, § 78 Satz 3 ArbGG.
18
2. Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.
19
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens bemisst sich nach dem streitgegenständlichen Erstattungsbetrag.