Titel:
Kein Schadensersatz – auch kein Differenzschaden – bei Dieselfahrzeug mit Motor EA 288 (hier: VW Touran Comfortline BlueMotion Technology)
Normenketten:
BGB § 823 Abs. 2, § 826
Fahrzeugemissionen-VO Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
ZPO § 286, § 291
Leitsätze:
1. Zu – jeweils verneinten – (Schadensersatz-)Ansprüchen von Käufern eines Fahrzeugs, in das ein Diesel-Motor des Typs EA 288 eingebaut ist, vgl. auch BGH BeckRS 2022, 11891; BeckRS 2022, 18404; BeckRS 2023, 22177; BeckRS 2023, 26995; OLG Brandenburg BeckRS 2023, 24365; BeckRS 2023, 26097; BeckRS 2023, 27729; BeckRS 2023, 38244; OLG Braunschweig BeckRS 2024, 5362; OLG Dresden BeckRS 2022, 18927; BeckRS 2023, 28462; BeckRS 2023, 38952; BeckRS 2023, 38953; BeckRS 2022, 25164; BeckRS 2022, 21940; OLG Düsseldorf BeckRS 2023, 38254; OLG Karlsruhe BeckRS 2022, 10880; OLG Köln BeckRS 2024, 2723; OLG Rostock BeckRS 2024, 1951; OLG Stuttgart BeckRS 2023, 38147 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1); OLG Schleswig BeckRS 2022, 10559 (mit weiteren Nachweisen in Ls. 1); anders durch Versäumnisurteil OLG Köln BeckRS 2021, 2388; offen gelassen bei BGH BeckRS 2023, 27169. (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer Bedatung des Thermofensters mit einem Temperaturbereich von -24° C bis +70° C kann eine unzulässige Abschalteinrichtung iSd Legaldefinition des Art. 3 Nr. 10 Verordnung (EG) 715/2007 nicht angenommen werden, da Temperaturen außerhalb dieses Bereichs nicht zu den im Unionsgebiet üblichen Bedingungen für den Betrieb eines Fahrzeugs gehören. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
3. Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass es sich bei der hier genutzten Fahrkurvenerkennung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, befanden sich die maßgeblichen Entscheidungsträger der Herstellerin zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum (anders nachfolgend OLG München BeckRS 2024, 27999). (Rn. 46) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Diesel-Abgasskandal, EA 288, Schadensersatzanspruch, unzulässige Abschalteinrichtung, Thermofenster, Temperaturbereich von -24° C bis +70° C, Fahrkurvenerkennung, Differenzschaden, unvermeidbarer Verbotsirrtum, hypothetische Genehmigung
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Endurteil vom 10.10.2024 – 24 U 1727/24 e
Fundstelle:
BeckRS 2024, 28195
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Streitwert wird auf 19.924,22 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Der Kläger begehrt Schadensersatz wegen des Erwerbs eines Fahrzeugs mit einem Dieselmotor, welcher mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen sein soll.
2
Der Kläger erwarb mit Kaufvertrag vom 08.08.2017 ein von der Beklagten hergestelltes Fahrzeug der Marke Volkswagen, Typ Touran Comfortline BlueMotion Technology, mit der Fahrgestellnummer (…) zu einem Kaufpreis von 26.500,00 € (Anlage K 1). Zum Zeitpunkt der Fahrzeugübergabe betrug der Kilometerstand 13.500 km, am 16.02.2024 zum Schluss der mündlichen Verhandlung 104.837 km.
3
In dem Fahrzeug ist ein Diesel-Motor des Typs EA 288 der Schadstoffklasse Euro 6 mit eingebaut.
4
In der Steuerungssoftware des Motors dieses Fahrzeugs ist ein sog. Thermofenster enthalten.
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Das mit „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA288“ überschriebe interne Dokument der Beklagten enthält auf S. 4 u. a. folgende Ausführungen:
„Anwendungsbeschreibung: NSK: Bedatung, Aktivierung und Nutzung der Fahrkurven zur Erkennung des Precon und des NEFZ, um die Abgasnachbehandlungsevents (DeNOx-/ DeSOxEvents) nur Strecken gesteuert zu platzieren. Im normalen Fahrbetrieb strecken- und beladungsgesteuerte Platzierung der Events; Beladungssteuerung als führende Größe“
6
Der Kläger behauptet, dass das gegenständliche Fahrzeug mit mehreren als unzulässige Abschalteinrichtungen zu qualifizierenden Motorsteuerungsmodi ausgestattet sei. Das Fahrzeug verfüge unter anderem über eine Prüfstanderkennung, die Software fahre außerhalb der Prüfstandsituation die Abgaskontrolle herunter bzw. schalte diese komplett ab.
7
Die Reinigung des Dieselpartikelfilters (mittels sog. „Abgasrückführung“ – AGR) arbeite nur in bestimmten Temperaturbereichen, d.h. sie werde bei Außentemperaturen unterhalb von 17 Grad Celsius zurückgefahren und unterhalb von Temperaturen von 5 Grad Celsius komplett abgeschaltet, was bei normalem Betrieb zu einem Stickoxidausstoß des gegenständlichen Kfz führe, der um das Dreifache über den geltenden Grenzwerten liege.
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Der Kläger beantragt zuletzt,
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 26.500,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit abzüglich einer im Termin zur mündlichen Verhandlung zu beziffernden Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges Volkswagen Touran Comfortline BlueMotion Technology mit der Fahrgestellnummer (…) zu zahlen.
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Hilfsweise beantragt der Kläger (Bl. 153 d.A.):
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von EUR 3.975,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
10
Die Beklagte beantragt,
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Sie behauptet, dass in das Fahrzeug keine unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut seien, zumindest könne ihr kein Sittenwidrigkeitsvorwurf gemacht werden.
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Die Abgasrückführung sei bei einer Umgebungstemperatur zwischen -24 ° C bis +70 ° C zu 100% aktiv. Oberhalb und unterhalb dieses Thermofensters, also bei Umgebungstemperaturen kälter als – 24 ° C und wärmer als + 70 ° C, erfolge aus Motorschutzgründen und zur Gewährleistung eines sicheren Betriebs des Fahrzeugs keine Abgasrückführung.
13
Innerhalb des Thermofensters und der darin jeweils aktiven Motorbetriebsarten gebe es keine kontinuierliche Abstufung in Abhängigkeit zur Umgebungstemperatur, d. h. keine schrittweise Reduktion der Abgasrückführungsrate, die üblicherweise auch als sog. Abrampung bezeichnet werde.
14
Diese Korrektur der Abgasrückführungsrate stehe in keinem Zusammenhang mit dem Rollenprüfstand oder einer Prüfstandserkennung.
15
Ferner läge auch kein Verschulden vor, denn selbst bei unterstellter Unzulässigkeit des Thermofensters läge ein unvermeidbarer Verbotsirrtum bei der Beklagten vor.
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Wegen des Weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
18
1. Der Klagepartei steht kein Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich Nutzungsentschädigung wegen sittenwidriger vorsätzlicher Schädigung aus § 826 BGB zu (vgl. OLG München, Endurteil vom15.11.2023 – 7 U 1977/22, BeckRS 2023, 33959; BGH, Urteil vom 24.10.2023 – VI ZR 493/20, BeckRS 2023, 35039). Denn es fehlt bereits an einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten gegenüber der Klagepartei.
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a) Sittenwidrig ist ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt. Dafür genügt es im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde eine Pflicht verletzt und einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage getretenen Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann. Schon zur Feststellung der Sittenwidrigkeit kann es daher auf Kenntnisse, Absichten und Beweggründe des Handelnden ankommen, die die Bewertung seines Verhaltens als verwerflich rechtfertigen. Die Verwerflichkeit kann sich auch aus einer bewussten Täuschung ergeben. Insbesondere bei mittelbaren Schädigungen kommt es ferner darauf an, dass den Schädiger das Unwerturteil, sittenwidrig gehandelt zu haben, gerade auch in Bezug auf die Schäden desjenigen trifft, der Ansprüche aus § 826 BGB geltend macht (BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, NZV 2021, 525, 526 Rn. 11; BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 – VI ZR 2/20, NJW 2020, 2798, 2802 Rn. 29; BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 – VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962, 1963 Rn. 15 jeweils m.w.N.). Nach Maßgabe dessen hat der Bundesgerichtshof es als objektiv sittenwidrig angesehen, dass ein Fahrzeughersteller auf der Grundlage einer strategischen Entscheidung bei der Motorenentwicklung im eigenen Kosten- und damit auch Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts systematisch, langjährig und in großen Stückzahlen in Deutschland Fahrzeuge in Verkehr gebracht hat, deren Motorsteuerungssoftware bewusst und gewollt so programmiert war, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte mittels einer unzulässigen Abschalteinrichtung nur auf dem Prüfstand eingehalten wurden. Hiermit gehe einerseits eine erhöhte Belastung der Umwelt mit Stickoxiden und andererseits die Gefahr einher, dass bei einer Aufdeckung dieses Sachverhalts eine Betriebsbeschränkung oder -untersagung hinsichtlich der betroffenen Fahrzeuge erfolgen könnte. Ein solches Verhalten sei im Verhältnis zu einer Person, die eines der bemakelten Fahrzeuge in Unkenntnis der illegalen Abschalteinrichtung erwirbt, besonders verwerflich und mit den grundlegenden Wertungen der Rechts- und Sittenordnung nicht zu vereinbaren.
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b) Die zuvor dargelegten Voraussetzungen wären in Bezug auf den streitgegenständlichen Motortyp EA288 nur dann erfüllt, wenn die Beklagte im Zusammenhang mit der Programmierung der Motorsteuerungssoftware des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine objektiv unzulässige Abschalteinrichtung, die dazu führt, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten werden, implementiert hätte und den hierdurch bedingten Gesetzesverstoß zumindest billigend in Kauf genommen hätte. Hiervon kann weder in Bezug auf ein in der Motorsteuerungssoftware enthaltenes sog. Thermofenster noch in Bezug auf eine durch die Fahrkurve initiierte Prüfzykluserkennung noch in Bezug auf sonstige vom Kläger behauptete Programmierungen der Fahrzeugsoftware ausgegangen werden.
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aa) Soweit der Kläger den gegenüber der Beklagten erhobenen Sittenwidrigkeitsvorwurf auf ein sog. Thermofenster gründet, vermag er hiermit schon deshalb nicht durchzudringen, da es sich bei der in dem Fahrzeug unstreitig vorhandenen temperaturgesteuerten Abgasrückführung (AGR) auf Grund des weiten Temperaturbereichs, in dem eine ungeminderte Abgasrückführung stattfindet, bereits tatbestandlich nicht um eine Abschalteinrichtung im Sinne der Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 handelt. Danach muss die AGR als Emissionskontrollsystem unter Betriebsbedingungen, die bei normalem Fahrzeugbetrieb vernünftigerweise zu erwarten sind, uneingeschränkt wirksam sein. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union verweist der Begriff „normaler Fahrzeugbetrieb“ auf die Verwendung des Fahrzeugs unter tatsächlichen Fahrbedingungen, wie sie im Unionsgebiet üblich sind (EuGH, Urteil vom 14. Juli 2022 – C-128/20, NJW 2022, 2605, 2607 Rn. 40).
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Unter Zugrundelegung dessen scheidet im vorliegenden Fall eine unzulässige Abschalteinrichtung in Form eines sog. Thermofensters aus. Die Beklagte hat unter ausführlicher Darlegung der technischen Hintergründe vorgetragen, dass bei dem streitgegenständlichen Motor die AGR bei einer Außentemperatur zwischen -24° C bis +70° C zu 100% aktiv sei. Lediglich oberhalb und unterhalb dieses weiten Temperaturbereichs erfolge keine Abgasrückführung. Auch finde innerhalb des „Thermofensters“ und der darin jeweils aktiven Motorbetriebsarten keine kontinuierliche Abstufung in Abhängigkeit zur Außentemperatur und damit keine schrittweise Reduktion der Abgasrückführungsrate (sog. Abrampung) statt. Diesem Vortrag der Beklagten ist die Klägerin nicht substantiiert entgegengetreten. Für die von ihr abweichend hiervon behauptete enge Bedatung des Thermofensters, nach der eine Abrampung der Abgasrückführungsrate bereits außerhalb eines Temperaturbereichs von +5° C bis +17° C stattfinden soll, fehlt es an jeglichen greifbaren tatsächlichen Anhaltspunkten. Die entsprechende Behauptung wird ersichtlich lediglich ins Blaue hinein aufgestellt.
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Ist danach von einer Bedatung des Thermofensters auszugehen, wie sie die Beklagte unter Angabe der Konstruktionsform und Wirkungsweise mit einem Temperaturbereich von -24° C bis +70° C mitgeteilt hat, kann eine unzulässige Abschalteinrichtung i.S. der Legaldefinition des Art. 3 Nr. 10 Verordnung (EG) 715/2007 nicht angenommen werden, da Temperaturbereiche unterhalb von -24° C und oberhalb von +70° C, was allgemein bekannt und damit im Sinne des § 291 ZPO offenkundig ist, nicht zu den im Unionsgebiet üblichen Bedingungen für den Betrieb eines Fahrzeugs gehören (so auch OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Dezember 2023 – 14 U 6/22, a.a.O. Rn. 49; OLG Hamm, Urteil vom 14. Dezember 2023 – 22 U 161/22, BeckRS 2023, 39321 Rn. 38; OLG München, Urteil vom 13. Dezember 2023 – 7 U 667/22, BeckRS 2023, 35936 Rn. 48; OLG Braunschweig, Urteil vom 16. November 2023 – 10 U 3/22, BeckRS 2023, 33404 Rn. 62; OLG Celle, Urteil vom 18. Oktober 2023 – 7 U 67/23, BeckRS 2023, 29170 Rn. 69; OLG Dresden, Urteil vom 12. September 2023 – 4 U 1689/22, BeckRS 2023, 25577 Rn. 19; OLG Hamm, Beschluss vom 7. September 2023 – I-49 U 1/23, BeckRS 2023, 24381 Rn. 25; OLG Koblenz, Urteil vom 14. Juli 2023 – 16 U 21/23, BeckRS 2023, 19535 Rn. 27; OLG Braunschweig, Beschluss vom 13. Juli 2023 – 7 U 4/21, BeckRS 2023, 17815; OLG Dresden, Beschluss vom 7. Juli 2023 – 3 U 1889/22, BeckRS 2023, 17836 Rn. 27).
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Ohnehin ist bereits höchstrichterlich entschieden, dass unabhängig davon, ob eine temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 3 Nr. 10, 5 Abs. 2 Satz 1 VO (EG) 715/2007 zu qualifizieren ist oder nicht, ohne das Vorliegen weiterer Umstände, die das Verhalten der für den Hersteller handelnden Personen in diesem Zusammenhang als besonders verwerflich erscheinen lassen, kein Anspruch aus § 826 BGB begründet werden kann (BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VIl ZR 126/21, BeckRS 2021, 33038 Rn. 12; BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, WM 2021, 652 Rn. 25; BGH, Beschluss vom 19. Januar 2021 – VI ZR 433/19, NJW 2021, 921 Rn. 13 ff.). Solche Umstände sind vorliegend nicht dargetan und auch sonst nicht ersichtlich.
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Insbesondere ist eine Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts nicht substantiiert dargelegt. Selbst wenn die Beklagte im Typgenehmigungsverfahren – erforderliche – Angaben zu den Einzelheiten der Abgasrückführung unterlassen haben sollte, wäre die Typgenehmigungsbehörde nach dem Amtsermittlungsgrundsatz gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 und 2 VwVfG gehalten gewesen, diese zu erfragen, um sich in die Lage zu versetzen, die Zulässigkeit der Abschalteinrichtung zu prüfen (BGH, Beschluss vom 29. September 2021 – VIl ZR 126/21, a.a.O. Rn. 20). Anhaltspunkte für wissentlich unterbliebene oder unrichtige Angaben der Beklagten im Typgenehmigungsverfahren, die noch dazu auf ein heimliches und manipulatives Vorgehen oder eine Überlistung des Kraftfahrt-Bundesamts und damit auf einen bewussten Gesetzesverstoß hindeuten würden (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 29. September 2021, a.a.O., Rn. 20), legt die Klägerin nicht dar.
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Außerdem kann ab der im April 2016 erfolgten Veröffentlichung des Berichts der Untersuchungskommission „Volkswagen“ nicht mehr daran gezweifelt werden, dass den zuständigen Behörden hinlänglich bekannt war, dass Thermofenster regelmäßig in Dieselfahrzeugen zum Einsatz kommen, und sie jedenfalls zum hier maßgeblichen Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags im August 2017 die Zulässigkeit des Einsatzes eines Thermofensters jedenfalls dann nicht in Frage gestellt haben, wenn der Hersteller – wie vorliegend erfolgt – dessen Notwendigkeit zum Motorschutz dargelegt hatte. Da angesichts dessen von Seiten der Beklagten berechtigter Weise davon ausgegangen werden durfte, dass die zuständige Typgenehmigungsbehörde über die Funktionsweise des sog. Thermofensters hinreichend informiert war und dieses gebilligt hat, kann von einem sittenwidrigen Verhalten bei Verwendung eines solchen nicht ausgegangen werden (BGH, Urteile vom 30. Juli 2020 – VI ZR 5/20, NJW 2020, 2798, vom 8. Dezember 2020 – VI ZR 244/20, VuR 2021, 79 und vom 23. März 2021 – VI ZR 1180/20, NJOZ 2021, 966).
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bb) Auch soweit die Klägerin unter Hinweis auf die „Entscheidungsvorlage: Applikationsrichtlinien & Freigabevorgaben EA288“ behauptet, dass das Fahrzeug den Prüfstandsbetrieb erkenne, kann hieraus ein sittenwidriges Handeln auf Seiten der Beklagten nicht hergeleitet werden.
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Zwar hat die Beklagte verschiedene Betriebsmodi des Emissionskontrollsystems für den Prüfzyklus und für den normalen Fahrbetrieb vorgesehen, soweit sie – jedenfalls zu Beginn der Produktion des streitgegenständlichen Motors – eine Prüfstandserkennung in die Motorsteuerungssoftware integriert hatte.
29
Die Prüfstandserkennung beeinflusst nach den vorgetragenen technischen Details den Katalysator (NSK), indem dieser stets am Ende der Vorkonditionierung (also streckengesteuert) regeneriert wird, wohingegen die Regeneration im Normalbetrieb sowohl strecken- als auch beladungsabhängig vorgenommen wird. Hierdurch kommt es indessen nicht zu einer Verringerung der Emissionskontrolle im Normalbetrieb, sondern lediglich zu einer Verstärkung derselben im NEFZ.
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Diese Funktion war dem Kraftfahrt-Bundesamt allerdings bekannt. Die Beklagte hat unwidersprochen vorgetragen, dem Kraftfahrt-Bundesamt bereits im Herbst 2015 den technischen Sachverhalt beschrieben und offen gelegt zu haben, womit für die Annahme einer Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts kein Raum bleibt.
31
Dieses Wissen hat das Kraftfahrt-Bundesamt nicht veranlasst, nach intensiver Prüfung von Fahrzeugen mit dem Dieselmotor EA288 eine unzulässige Abschalteinrichtung festzustellen bzw. einen Rückruf anzuordnen. Vielmehr hat das Kraftfahrt-Bundesamt in durch die Beklagte vorgelegten Auskünften an verschiedene Gerichte (Anlage B 15) mitgeteilt, dass Fahrzeuge mit dem Motor EA288 keine unzulässigen Abschalteinrichtungen aufweisen.
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Wie sich aus diesen Auskünften ergibt, haben die Prüfungen des Kraftfahrt-Bundesamts zu dem Ergebnis geführt, dass bei Deaktivierung der Prüfstandserkennung der relevante Grenzwert unter den Bedingungen der regulären Typprüfung eingehalten wird. Dass dies auch für das streitgegenständliche Fahrzeug gilt, lässt sich daraus ableiten, dass es unstreitig weder zu einem amtlichen Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts gekommen ist noch ein verpflichtendes Software-Update erforderlich gewesen wäre (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 28. September 2021 – 24 U 208/20, BeckRS 2021, 30025 Rn. 29 ff; OLG Naumburg, Urteil vom 13. September 2021 – 12 U 26/21, BeckRS 2021, 31038 Rn. 54).
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Soweit sich die Klägerin unter Verweis auf Messungen, insbesondere der DUH, darauf stützt, dass Fahrzeuge mit EA288-Motor im normalen Fahrbetrieb von den geltenden Grenzwerten abweichende höhere Abgaswerte aufweisen würden und hieraus den Schluss ziehen will, dass dies nur durch das Vorhandensein unzulässiger Abschalteinrichtungen zu erklären sei und diese ohne Weiteres ein sittenwidriges Verhalten implizierten, ist zu berücksichtigen, dass der im Jahr der Erstzulassung des streitgegenständlichen Fahrzeugs maßgebliche Testzyklus (NEFZ) mit dem Straßenbetrieb (RDE-Messungen gelten ohnehin erst für den neuen WLTP-Zyklus) nicht gleichgesetzt werden kann und es allgemein bekannt ist, dass Fahrzeuge im normalen Fahrbetrieb – auch ohne Beeinflussung des Messverfahrens – höhere Emissionen aufweisen, als im für die Prüfung der Einhaltung der Werte der Euro 5-Norm bzw. Euro 6-Norm maßgeblichen NEFZ (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 16. Juni 2020 – 16a U 228/19, BeckRS 2020, 15982 Rn. 87). Auf Grund dessen könnte eine Abweichung der Abgaswerte nur dann einen Anhaltspunkt für die in sittenwidriger Weise erfolgte Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung liefern, wenn es unter den für den Prüfzyklus maßgebenden Bedingungen (Umgebungstemperatur, Luftfeuchtigkeit, Geschwindigkeit, Widerstand etc.) im Straßenverkehr zu einer Abweichung von dem Prüfstandbetrieb käme (vgl. BGH, Urteil vom 13. Juli 2021 – VI ZR 128/20, MDR 2021, 1190 Rn. 23; BGH, Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20, NJW 2021, 1814, 1817 Rn. 27). Entsprechendes hat die Klägerin nicht belastbar aufgezeigt. Die durch sie lediglich vorgetragene Abweichung von Messwerten im Realbetrieb von den Messwerten nach NEFZ ist als Indiz für eine Manipulationssoftware, die die Voraussetzungen des § 826 BGB erfüllen könnte, angesichts der gravierenden Unterschiede der Bedingungen, unter denen die Messung erfolgt, von vornherein ungeeignet (BGH, Beschluss vom 15. September 2021 – VII ZR 2/21, BeckRS 2021, 37995 Rn. 30).
34
Aus dem etwaigen Vorhandensein einer Prüfstandserkennung kann im vorliegenden Fall somit nicht der Schluss auf ein sittenwidriges Handeln auf Seiten der Beklagten gezogen werden, da die Auffassung, dass eine unzulässige Abschalteinrichtung eine Grenzwertrelevanz voraussetzt, zumindest vertretbar und damit das Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung jedenfalls nicht evident war (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 21. März 2022 – VIa ZR 334/21, BeckRS 2022, 10201 Rn. 22). Für die hier maßgeblichen Prüfverfahren (Vorliegen unzulässiger Abschalteinrichtungen) ist das Kraftfahrt-Bundesamt die zuständige Fachbehörde. Kommt eine solche Fachbehörde im Rahmen einer komplexen tatsächlichen wie rechtlichen Überprüfung und noch einmal im Rahmen einer anlassbezogenen ergänzenden Überprüfung – wie vorliegend – zu der Überzeugung, dass keine unzulässigen Abschalteinrichtungen zum Einsatz kommen, kann unabhängig von der Richtigkeit dieser Beurteilung zu Lasten des betroffenen Fahrzeugherstellers jedenfalls nicht von einem sittenwidrigen oder vorsätzlichen Handeln ausgegangen werden (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 7. Juli 2021 – 17 U 63/19, BeckRS 2021, 21740).
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cc) Schließlich vermag auch der Vortrag der Klägerin zur Ausgestaltung der On-Board-Diagnose keine Anhaltspunkte für eine Täuschung zu begründen. Da das On-Board-Diagnose-System lediglich die werkseitig vorgesehene Funktionsweise des Fahrzeugmotors nachvollzieht, kann aus dem Ausbleiben einer Fehlermeldung nicht der Schluss darauf gezogen werden, dass dessen Ausgestaltung in Kenntnis einer vermeintlich unzulässigen Abschalteinrichtung erfolgt ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 8. Juni 2021 – 19 U 1567/19, BeckRS 2021, 15648 Rn. 39; OLG Karlsruhe, Urteil vom 23. Juni 2021 – 6 U 142/20, BeckRS 2021, 19764 Rn. 88 f.).
36
2. Dem Kläger steht auch auf Grund sonstiger Anspruchsgrundlagen kein Schadensersatzanspruch zu. Insbesondere steht dem Kläger gegen die Beklagte auch kein Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV zu.
37
Zwar hat der Bundesgerichtshof (Urteile vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, VIa ZR 533/21 und VIa ZR 1031/22) entschieden, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) 715/2007 ausgestatteten Kraftfahrzeugs ein Anspruch auf Ersatz des Differenzschadens gegen den Fahrzeughersteller zustehen kann, da die Bestimmungen der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB darstellen und als solche das Interesse des Fahrzeugkäufers gegenüber dem Fahrzeughersteller, nicht durch den Kaufvertragsabschluss eine Vermögenseinbuße im Sinne der Differenzhypothese zu erleiden, erfassen.
38
Allerdings sind die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV im vorliegenden Fall nicht gegeben.
39
a) Das in dem Fahrzeug unstreitig implementierte „Thermofenster“ stellt bereits wie zuvor dargelegt keine unzulässige Abschalteinrichtung dar, weshalb von vornherein die Verletzung eines Schutzgesetzes ausscheidet.
40
Ungeachtet dessen fehlt es diesbezüglich auch an dem gemäß § 823 Abs. 2 Satz 2 BGB erforderlichen Verschulden der Beklagten.
41
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV ist ein schuldhaftes Handeln des Anspruchsgegners, wobei ein fahrlässiger Verstoß genügt (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, NJW 2023, 2259, 2264 Rn. 36, 38). Das Verschulden des Fahrzeugherstellers wird innerhalb des § 823 Abs. 2 BGB im Fall eines objektiven Verstoßes gegen §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV vermutet. Dementsprechend muss der Fahrzeughersteller, wenn er eine Übereinstimmungsbescheinigung trotz der Verwendung einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgegeben und dadurch §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV verletzt hat, im Fall der Inanspruchnahme nach § 823 Abs. 2 BGB Umstände darlegen und beweisen, die sein Verhalten zum maßgeblichen Zeitpunkt des Kaufs des Fahrzeugs durch den Anspruchsteller ausnahmsweise nicht als fahrlässig erscheinen lassen. Beruft sich der Fahrzeughersteller auf einen unvermeidbaren Verbotsirrtum, muss er sowohl den Verbotsirrtum als solchen als auch die Unvermeidbarkeit des Verbotsirrtums darlegen und erforderlichenfalls beweisen (BGH, Urteil vom 25. September 2023 – VIa ZR 1/23, NJW 2023, 3796, 3797 Rn. 13; BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, a.a.O. Rn. 59, 63). Seine Darlegungs- und Beweislast bezieht sich in diesem Zusammenhang auf den Umstand, dass sich sämtliche seiner verfassungsmäßig berufenen Vertreter i. S. d. § 31 BGB über die Rechtmäßigkeit der vom Käufer dargelegten und erforderlichenfalls nachgewiesenen Abschalteinrichtung mit allen für die Prüfung nach Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 bedeutsamen Einzelheiten im Irrtum befanden oder im Falle einer Ressortaufteilung den damit verbundenen Pflichten genügten (BGH, Urteil vom 25. September 2023 – VIa ZR 1/23, a.a.O. Rn. 14). Unvermeidbar ist ein Verbotsirrtum etwa, wenn der Schädiger die Rechtslage unter Einbeziehung der höchstrichterlichen Rechtsprechung sorgfältig geprüft hat und er bei Anwendung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt mit einer anderen Beurteilung durch die Gerichte nicht zu rechnen brauchte (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, a.a.O. Rn. 63 m.w.N.).
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Den Nachweis für einen unvermeidbaren Verbotsirrtum kann der Fahrzeughersteller zum einen mittels einer tatsächlich erteilten EG-Typengenehmigung führen, wenn diese Genehmigung die verwendete unzulässige Abschalteinrichtung in allen ihren maßgeblichen Einzelheiten umfasst (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, a.a.O. Rn. 64). Zum anderen kann der Fahrzeughersteller sich dadurch entlasten, dass er darlegt und erforderlichenfalls nachweist, dass seine Rechtsauffassung bei entsprechender Nachfrage von der für die EG-Typengenehmigung oder für anschließende Maßnahmen zuständigen Behörde bestätigt worden wäre (hypothetische Genehmigung, vgl. dazu BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, a.a.O. Rn. 65). Steht fest, dass eine ausreichende Erkundigung des einem Verbotsirrtum unterliegenden Schädigers dessen Fehlvorstellung bestätigt hätte, scheidet eine Haftung nach § 823 Abs. 2 BGB infolge eines unvermeidbaren Verbotsirrtums auch dann aus, wenn der Schädiger eine entsprechende Erkundigung nicht eingeholt hat (BGH, Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, a.a.O. Rn. 65). Soweit nämlich die zuständige Typgenehmigungsbehörde in Kenntnis der aus ihrer Sicht zur Beurteilung relevanten Einzelheiten und nach umfangreichen Untersuchungen keine Zweifel an der Rechtmäßigkeit einer bestimmten Funktion hat und eine diese Sichtweise in Frage stellende, entgegenstehende Rechtsprechung nicht existiert, liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass ein Fahrzeughersteller, und zwar in Person sämtlicher seiner verfassungsmäßig berufenen Vertreter im Sinne des § 31 BGB, nicht darauf vertraut hat, sich im Rahmen des gesetzlich Zulässigen zu bewegen (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Dezember 2023 – 14 U 6/22, a.a.O. Rn. 64). Für das Vorstellungsbild auf Seiten des beklagten Fahrzeugherstellers ist dabei auf den Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch die Klagepartei abzustellen (BGH, Urteil vom 25. September 2023 – VIa ZR 1/23, a.a.O. Rn. 15).
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Unter Zugrundelegung dessen ist in Bezug auf das sog. Thermofenster von einem unvermeidbaren Verbotsirrtum auf Seiten der Beklagten im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs durch die Klägerin im August 2017 auszugehen.
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Das Gericht ist davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass das Kraftfahrt-Bundesamt das streitgegenständliche „Thermofenster“ auch bei einer die konkrete technische Ausgestaltung umfassend offenlegenden Nachfrage zum Erwerbszeitpunkt genehmigt hätte. Diese Überzeugung ergibt sich ohne Weiteres auf der Grundlage der zuvor dargestellten ständigen Verwaltungspraxis des Kraftfahrt-Bundesamts zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags im Jahr 2017, wonach Thermofenster grundsätzlich nicht als kritisch erachtet wurden, wenn sich der Hersteller für dessen Verwendung wie vorliegend auf Gründe des Motorschutzes berufen konnte, wobei im vorliegenden Fall noch hinzukommt, dass der Wirkbereich des Thermofensters, in dem die Abgasrückführung noch in vollem Umfang aktiv ist, derart weit angelegt ist, dass davon auszugehen ist, dass die rechtliche Auffassung der Beklagten von der Zulässigkeit des Thermofensters vom Kraftfahrt-Bundesamt auch auf der Grundlage des Urteils des EuGH vom 14. Juli 2022 – C-128/20 – (NJW 2022, 2605, 2607 Rn. 40) bestätigt worden wäre (so auch OLG Karlsruhe Urteil vom 19. Dezember 2023 – 14 U 6/22, BeckRS 2023, 36527 Rn. 77 ff.; KG, Urteil vom 11. Dezember 2023 – 20 U 49/22, BeckRS 2023, 37702 Rn. 5; OLG Stuttgart, Urteil vom 7. Dezember 2023 – 24 U 73/22, BeckRS 2023, 39487 Rn. 76 ff.; OLG Frankfurt a. M., Beschluss vom 4. Dezember 2023 – 17 U 225/22, BeckRS 2023, 37714 Rn. 57; OLG Hamm, Beschluss vom 7. September 2023 – I-49 U 1/23, BeckRS 2023, 24381 Rn. 47; OLG Koblenz, Urteil vom 27. Juli 2023 – 6 U 1270/22, BeckRS 2023, 19536 Rn. 29).
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b) Auch in Bezug auf die Ausstattung des Fahrzeugs mit einer Fahrkurvenerkennung fehlt es an dem nach § 823 Abs. 2 Satz 2 BGB erforderlichen Verschulden der Beklagten.
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Selbst wenn davon auszugehen wäre, dass es sich bei der Fahrkurvenerkennung um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt, ist das Gericht davon überzeugt (§ 286 ZPO), dass sich die maßgeblichen Entscheidungsträger der Beklagten zum Zeitpunkt des Kaufvertragsabschlusses in einem unvermeidbaren Verbotsirrtum befanden. Auch in diesem Zusammenhang kann sich die Beklagte auf eine hypothetische Genehmigung des Kraftfahrt-Bundesamts bezogen auf den Zeitpunkt des hier maßgeblichen Kaufvertragsabschlusses im August 2017 stützen.
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aa) Nach ihrem insoweit nicht bestrittenen Vortrag hat die Beklagte dem Kraftfahrt-Bundesamt bereits im Herbst 2015 die Funktionsweise der sog. Fahrkurvenerkennung offengelegt.
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Hinzu kommt, dass das Kraftfahrt-Bundesamt nach der Offenlegung der Fahrkurvenerkennung durch die Beklagte umfangreiche eigene Untersuchungen an Fahrzeugen mit dem Motortyp EA288 durchgeführt hat und deren Verwendung in der Folgezeit nicht beanstandet hat. Die durchgeführten Untersuchungen und die daraus resultierende Einschätzung des Kraftfahrt-Bundesamts, Fahrzeuge mit dem Motortyp EA 288 seien nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestattet, ergeben sich insbesondere aus dem aus April 2016 stammenden Bericht der Untersuchungskommission „Volkswagen“.
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Für die Beklagte bestand auch kein Anlass, die rechtliche Bewertung des Kraftfahrt-Bundesamts zu dem hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erwerbs des Fahrzeugs durch die Klägerin in Zweifel zu ziehen.
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bb) Auf das Vorstellungsbild der satzungsmäßigen Organe der Beklagten und der ihnen im Rahmen des § 31 BGB gleichzustellenden Leitungspersonen hinsichtlich des Zusammenwirkens der unmittelbar und mittelbar durch die Umgebungstemperatur beeinflussten Parameter für die Abgasrückführung befassten Personen kommt es nicht an.
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Sämtliche in der Organisation der Beklagten mit der Frage der Zulässigkeit von Emissionskontrollsystemen befassten Personen durften jedenfalls ab dem Zeitpunkt der erfolgten Abstimmung mit dem Kraftfahrt-Bundesamt von der Zulässigkeit der (weiteren) Verwendung der Fahrkurvenerkennung ausgehen. Eines darüberhinausgehenden Vortrags zum Vorstellungsbild einzelner, konkret namentlich zu benennender Personen in der Organisation der Beklagten bedurfte es bei dieser Sachlage zur schlüssigen Darlegung eines Verbotsirrtums nicht (OLG Karlsruhe, Urteil vom 19. Dezember 2023 – 14 U 6/22, a.a.O. Rn. 64; OLG Stuttgart, Urteil vom 13. November 2023 – 16a U 1086/22, BeckRS 2023, 36044 Rn. 31).
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Da damit ein Anspruch auf Schadensersatz aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV bereits mangels Verschuldens ausscheidet, kommt es auf die Frage, in welcher konkreten Höhe innerhalb der nach der Rechtsprechung des Bundesgerichthofs zu Grunde zu legenden Bandbreite von 5 bis 15% des Kaufpreises (vgl. BGH Urteil vom 26. Juni 2023 – VIa ZR 335/21, a.a.O. Rn. 73) der Klägerin durch die Ausstattung des Fahrzeugs mit einer Fahrkurvenerkennung ein Differenzschaden überhaupt entstanden sein könnte, nicht mehr an.
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Die Klage ist daher unbegründet und war abzuweisen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.