Titel:
Erfolglose Asylklage eines türkischen Kurden
Normenketten:
AsylG § 3b Abs. 1 Nr. 4
RL 2011/95/EU Art. 4 Abs. 4
Leitsatz:
Kurdische Volkszugehörige in der Türkei sind mitunter diskriminierendem Verhalten im Alltag ausgesetzt, woraus aber weder derzeit und in überschaubarer Zukunft in Ermangelung der erforderlichen Verfolgungsdichte eine an ihre Volkszugehörigkeit anknüpfende gruppengerichtete Verfolgung folgt. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Asylklage, Türkei, Kurde, Gruppenverfolgung, Individualverfolgung, Festnahme, Universität, Beleidigung, Polizeigewalt, Fesselung, Schläge, Polizeikontrolle, Diskriminierung, veröffentlichte Posts, polizeiliche Ermittlungen
Fundstelle:
BeckRS 2024, 27924
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben.
Tatbestand
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Der am ... 2001 in G./Türkei geborene Kläger ist türkischer Staatsbürger und durch gültigen Personalausweis ausgewiesen. Er ist kurdischer Volkszugehörigkeit.
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Am 28. November 2023 stellte er, nach seiner Einreise per Flugzeug aus der Türkei am 30. August 2023, einen Asylantrag. Zuvor waren am 18. Mai 2023 und am 22. Juni 2023 Anträge auf Erteilung eines Visums durch das Generalkonsulat I. und die Deutsche Botschaft A. abgelehnt worden. Das Generalkonsulat I. gab zur Begründung an, die Absicht und Bedingungen des geplanten Aufenthalts seien nicht glaubhaft.
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Nach seinen Angaben leben in Deutschland drei Onkel des Klägers und sein Bruder. Seine beiden Schwestern und die Eltern leben in der Türkei.
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1. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung am 10. Juni 2024 gab er an, nachdem er in der Türkei einen Anwalt eingeschaltet habe, sei ihm doch noch ein Visum erteilt worden, mit dem er eingereist sei. Er habe in Deutschland an einem Work und Holiday Programm teilnehmen wollen. Vom 1. August 2023 bis 24. August 2023 habe er in … … im … als Küchenhilfe gearbeitet. Seit das Visum abgelaufen sei, arbeite er dort nicht mehr. Auf diese Stelle habe er sich im Internet beworben. Er sei am 7. Dezember 2021, als er die Universität besucht habe, von der Polizei kontrolliert worden, nachdem er am Telefon mit seiner Mutter Kurdisch gesprochen habe. Bei einem Verhör in der Polizeidirektion von G. hätten ihm Polizisten gesagt, man wisse genau, dass er aus demselben Ort wie A. Ö. komme und dort alle Terroristen seien. Er sei befragt worden, ob er Personen aus seinem Dorf kenne, die bei der PKK seien. Er habe gesagt, er kenne diese Personen nicht und sei zum Studieren da. Danach hätten sie ihn geschlagen, um eine Aussage zu erpressen. Sie hätten aufgehört, als er geweint habe. Er sei zwei Stunden in der Zelle zurückgelassen worden. Dann habe ihn ein anderer Polizist freigelassen, weil sie in seinem Strafregister keine Einträge gefunden hätten. Am 8. Dezember 2021 habe er im Krankenhaus erfahren, dass sein Arm in dieser Situation gebrochen worden sei. Die Polizei habe seine Anzeige nicht entgegengenommen. Seitdem habe es mehrere solcher Vorfälle gegeben. Am 21. Juni 2023 habe er vor der Kommunalwahl zweimal auf F. gepostet, dass Kurden unterdrückt, diskriminiert und zu Unrecht festgenommen würden. Danach sei er per Flugzeug ausgereist. Die Polizei habe bei seinen Eltern nach ihm gesucht am 14. September 2023 und gesagt, gegen ihn liege ein Gewahrsamsbeschluss vor. Die Beiträge und seinen Account habe er später aus Angst gelöscht. In der Türkei sei er wegen seiner kurdischen Identität und weil er aus dem Dorf von A. Ö. komme diskriminiert worden. Er habe Angstzustände, weil er fürchte, abgeschoben zu werden, sei deswegen aber nicht in Behandlung. Der Kläger wurde aufgefordert, sein e-Devlet zu öffnen, das keine Einträge aufwies.
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Hinsichtlich der Angaben des Klägers im Einzelnen wird auf die Niederschrift über die Anhörung beim Bundesamt Bezug genommen.
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2. Mit Bescheid vom 14. Juni 2024 (Az. 10408446-163), dem Kläger am 20. Juni 2024 zugestellt, lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) den Asylantrag insgesamt ab (Ziffern 1-3) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe des Bescheids bzw. nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens zu verlassen. Anderenfalls wurde ihm die Abschiebung in die Türkei oder einen anderen aufnahmebereiten oder zur Rückübernahme des Klägers verpflichteten Staat angedroht (Ziffer 5). Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Ziffer 6).
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen angeführt, die geschilderte Polizeigewalt und die Diskriminierung durch die Bevölkerung sei nicht gravierend genug, um zu einer Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft oder der Asylanerkennung zu führen. Es sei auch keine Betroffenheit in asylrechtlich geschützten Belangen ersichtlich. Denn der Kläger sei nach seinem Vortrag nicht gezielt von der Polizei gesucht worden. Sippenhaft werde in der Türkei außerdem bis auf sehr wenige, insbesondere hochrangige Fälle nicht praktiziert. Er sei niemals von der Polizei verhaftet worden und habe die Türkei über den Flughafen A. legal und ohne Probleme verlassen. Diese behördlich kontrollierte Ausreise mache deutlich, dass die türkischen Grenzbehörden an seiner Person kein Interesse gehabt hätten. Auch nach der Veröffentlichung des vorgebrachten Beitrags in den sozialen Medien habe der Kläger noch mehrere Monate ohne Probleme in der Türkei gelebt. Außerdem weise sein e-Devlet keine Einträge auf. Eine landesweite Gruppenverfolgung der Kurden in der Türkei gebe es nicht. Konkrete Ereignisse habe der Kläger auch nicht geschildert. Zudem sei interner Schutz in der Türkei denkbar. Dass er aus dem Dorf von A. Ö. komme, ergebe sich auch nicht aus seinem Personalausweis. Auch subsidiärer Schutz sei dem Kläger nicht zu gewähren. Abschiebungsverbote lägen angesichts der derzeitigen humanitären Bedingungen in der Türkei nicht vor. Denn der Kläger sei gesund, jung und arbeitsfähig. Er habe Familie in der Türkei und könne Reintegrationshilfen in Anspruch nehmen. Aus seiner Angabe, er leide unter Angstzuständen, folge ohne Vorlage eines aussagekräftigen Attests weder zu einem Abschiebungsverbot noch die Pflicht zu weiterer Sachverhaltsaufklärung. Dem Erlass einer Abschiebungsandrohung stehe es nicht entgegen, dass der Kläger einen Bruder in Deutschland habe. Denn dieser habe ebenfalls einen Asylantrag gestellt und verfüge über keinen gesicherten Aufenthaltsstatus. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots sei mangels besonderer schutzwürdiger Umstände auf 30 Monate festgesetzt worden.
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3. Dagegen ließ der Kläger am 3. Juli 2024 Klage zum Verwaltungsgericht Würzburg erheben und sinngemäß beantragen,
- 1.
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Der Bescheid der Beklagten vom 14. Juni 2024 wird aufgehoben,
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die Beklagte wird verpflichtet, festzustellen, dass der Kläger Asylberechtigter ist,
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hilfsweise verpflichtet, die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen,
- 4.
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hilfsweise verpflichtet, subsidiären Schutz zuzuerkennen,
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hilfsweise verpflichtet, Abschiebeverbote im Hinblick auf die Türkei festzustellen.
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Eine Klagebegründung wurde angekündigt, aber nicht vorgelegt.
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4. Die Beklagte beantragte,
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Zur Begründung wurde auf die Gründe des angefochtenen Bescheids verwiesen.
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5. Mit Beschluss vom 4. Juli 2024 hat die Kammer den Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen. Mit Schreiben vom 4. Juli 2024 wurde dem Kläger eine Frist zur Vorlage weiterer Erklärungen und Beweismittel bis zum 31. Juli 2024 gesetzt. Es erfolgte kein weiterer Vortrag.
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Die Erkenntnismittelliste Türkei, Stand: Juni 2024, war Gegenstand des Verfahrens. Zudem wurde der aktualisierte Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 20. Mai 2024 in der mündlichen Verhandlung zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakten, wegen des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf das Protokoll vom 8. August 2024 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die Klage ist unbegründet, da der angegriffene Bescheid vom 14. Juni 2024 rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1. Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid, macht sich diese zu eigen und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen vollständigen Darstellung ab (§ 77 Abs. 3 AsylG).
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2. Die Fluchtgründe, die der Kläger in der mündlichen Verhandlung geschildert hat, lassen sich im Wesentlichen in vier Komplexe einteilen: Diskriminierungen innerhalb und außerhalb der Universität wegen seiner kurdischen Volkszugehörigkeit (a). Die Festnahme des Klägers durch die Polizei im Dezember 2021 (b), eine Polizeikontrolle bei einer Busfahrt im Januar 2023 (c) und polizeiliche Ermittlungen wegen veröffentlichter F. -Posts im September 2023 (d). Die Zuerkennung internationalen Schutzes, eine Asylanerkennung oder ein Abschiebungsverbot (Ziffern 1-4 des Bescheids) ergibt sich hieraus nicht. Dazu wird ergänzend das Folgende ausgeführt:
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a) Soweit der Kläger eine Benachteiligung als Kurde geltend macht, ist festzuhalten, dass Diskriminierung im Alltag, der kurdische Volkszugehörige in der Türkei ausweislich der zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel ausgesetzt sein können, nicht das Maß einer Gruppenverfolgung i.S.v. § 3b Abs. 1 Nr. 4 AsylG erreichen (SächsOVG, U.v. 6.3.2024 – 5 A 3/20.A – juris Ls. 1 und Rn. 41 ff. m.w.N.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 20.5.2024, S. 10). Kurdische Volkszugehörige in der Türkei sind zwar mitunter diskriminierendem Verhalten im Alltag ausgesetzt. Daraus folgt derzeit und in überschaubarer Zukunft jedoch keine an ihre Volkszugehörigkeit anknüpfende gruppengerichtete Verfolgung. Es fehlt insoweit – auch wenn vereinzelt durchaus von schweren Gewalttaten i.S.v. § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG berichtet wird – unter Berücksichtigung der vorliegenden Erkenntnismittel jedenfalls an der für die Annahme einer Gruppenverfolgung erforderlichen kritischen Verfolgungsdichte (vgl. zur Gruppenverfolgung BVerfG, B.v. 23.1.1991 – 2 BvR 902/85, 2 BvR 515/89, 2 BvR 1827/89 – BVerfGE 83, 216 m.w.N.; BVerwG, B.v. 24.2.2015 – 1 B 31/14 – juris). Selbst wenn man die berichteten diskriminierenden Verhaltensweisen gemäß § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG kumuliert betrachtet, ergibt sich daraus nicht, dass jedem kurdischen Volkszugehörigen in der Türkei einzig aufgrund seiner kurdischen Volkszugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung droht.
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Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Angaben des Klägers zu seinem individuellen Verfolgungsschicksal. Bei den geschilderten Beleidigungen an der Universität und der Unterstellung, er sei Terrorist, handelt es sich um strukturell in der türkischen Gesellschaft verankerte Diskriminierungen, die nicht die Anforderungen an eine Gruppenverfolgung erfüllen. Dasselbe gilt für seinen Vortrag, er habe keinen Platz für ein Erasmus-Studium bekommen und vermute, dies hänge mit seiner kurdischen Volkszugehörigkeit zusammen.
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b) Auch die Schilderung des Klägers, wonach er am 7. Dezember 2021 von der Polizei festgenommen worden und massiv geschlagen worden sei, führt nicht zur Zuerkennung internationalen Schutzes bzw. zur Asylberechtigung.
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Zwar handelt es sich bei der geschilderten Gewalttat der Polizei (Fesselung an einem Stuhl und Schläge auf Gesicht und Beine, die zu einem Riss bzw. Bruch am Handknochen führten) um eine solche, die – ihre Wahrheit unterstellt – unter § 3a Abs. 1 Nr. 1 AsylG gefasst werden kann.
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Selbst unter Heranziehung der Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 13. Dezember 2011 ist aber nicht davon auszugehen, dass dem Kläger bei Rückkehr in der Türkei mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit erneut eine solche Tat droht. Denn auch seiner Schilderung zufolge ist der Kläger am 7. Dezember 2021 zufällig in die Polizeikontrolle geraten, weil er auf Kurdisch telefoniert hat. In den beinahe zwei Jahren bis zu seiner Ausreise nach Deutschland hat er in der Türkei nichts Vergleichbares mehr erlebt und konnte sein Studium fortsetzen. Er konnte auch ungehindert mit einem Visum nach Deutschland ausreisen. Dass die türkischen Sicherheitsbehörden ihn gezielt suchen und bei seiner Rückkehr verfolgen würden, ist auf Grundlage der Geschehnisse am 7. Dezember 2021 nicht zu befürchten. Dafür spricht auch, dass der Kläger selbst ursprünglich geplant hatte, nach seinem Work and Holiday Programm im September 2023 wieder in die Türkei zurückzukehren und sich erst nach seiner Ausreise entschlossen hat, Asyl zu beantragen.
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c) Auch aus der geschilderten Polizeikontrolle bei einer Busfahrt im Januar 2023 folgt nichts anderes. Selbst wenn es zutreffen sollte, dass der Kläger hier allein wegen seiner Herkunft kontrolliert worden ist, folgt hieraus keine Schutzberechtigung. Die in diesem Rahmen durchgeführte Kontrolle, bei der der Kläger als einziger Fahrgast sein gesamtes Gepäck öffnen musste, ist als Diskriminierung wegen der kurdischen Volkszugehörigkeit des Klägers einzuordnen, die nicht das Maß flüchtlingsrelevanter Verfolgung erreicht.
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Die Kontrolle beruhte nach den Angaben des Klägers darauf, dass nach Abgleich seiner Passdaten mit einer Datenbank auf einem Laptop der Polizisten sichtbar geworden sei, dass der Kläger aus Ö., dem Geburtsort A. Ö.s, des Gründers der PKK stamme. Dies sei auch Ursache des Vorfalls unter b) gewesen. In der Tat ergibt sich aus dem Ausdruck seiner Geburtsurkunde, die er dem Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung übergeben hat, dass der Kläger in G. geboren, sein Heimatort allerdings Ö. ist. Diese Information ist zwar nicht dem Ausweis des Klägers zu entnehmen, der allein den Geburtsort enthält, für die Behörden allerdings abrufbar. Die Geburtsurkunde lässt sich zwar nicht mittels des aufgedruckten QR-Codes bzw. Barcodes verifizieren. Der Einzelrichter kann einen technischen Defekt aber nicht ausschließen und geht deshalb von der Richtigkeit der Angaben aus.
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Auch in diesem Fall ergibt sich aber keine andere Einschätzung des Schutzbedarfs des Klägers. Denn zwar liegt es in der Tat nahe, dass türkische Behörden einem Mann, der aus dem sehr kleinen Heimatdorf des PKK-Führers stammt, kritisch begegnen. Flüchtlingsrelevante Verfolgung hat der politisch nicht aktive Kläger hieraus aber nicht zu befürchten. So ist auch die Kontrolle auf der Busfahrt letzten Endes folgenlos geblieben.
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d) Zur Gewährung eines Schutzstatus führen auch nicht die vom Kläger behaupteten Veröffentlichungen auf F. vor den Präsidentenwahlen in der Türkei. Er bringt hierzu vor, am 14. September 2023 sei die Polizei deswegen bei seinen Eltern gewesen und habe eine Akte dabeigehabt, auf der sein Name stehe und in der Kopien der F. -Posts enthalten seien. In diesen Posts habe er sich über die Ungerechtigkeiten gegenüber Kurden geäußert, denen ihre Rechte genommen würden. Er selbst habe keine Unterlagen hierzu, seinen F. -Account habe er aus Angst gelöscht. Eine Mitteilung oder einen Haftbefehl habe er in diesem Zusammenhang nicht erhalten. Solche Dokumente würden in der Türkei geheim gehalten.
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Die Veröffentlichung dieser Beiträge ist aus Sicht des Einzelrichters schon nicht glaubhaft. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung zahlreiche Unterlagen zu seinem Asylantrag vorgelegt. Zu den F. -Posts konnte er hingegen keine Informationen vorlegen. Bei seiner Anhörung beim Bundesamt hat der Kläger angegeben, die Posts seien im Zusammenhang mit der Kommunalwahl in der Türkei veröffentlicht worden (die erst im Jahr 2024 stattfand). In der mündlichen Verhandlung hat er die Posts – zeitlich passend – auf die Präsidentschaftswahlen 2023 bezogen. Beim Bundesamt hat er mit dem 21. Juni 2023 ein genaues Datum der Posts angegeben, das kurz nach den Präsidentschaftswahlen liegt, in der mündlichen Verhandlung aber zunächst von einer Veröffentlichung im Mai – vor den Wahlen – gesprochen. Auf Nachfrage hat er erläutert, in jedem Fall seien die Veröffentlichungen im Mai oder Juni im Zusammenhang mit den Wahlen erfolgt. In der Zusammenschau dieser Umstände – die jeweils für sich genommen auch auf Versehen beruhen könnten – geht der Einzelrichter davon aus, dass der Kläger die F. -Posts nicht veröffentlicht hat.
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Geht man gegenteilig davon aus, dass der Kläger tatsächlich entsprechende Posts veröffentlicht hat, ist ebenfalls anzunehmen, dass allein die Veröffentlichung keine beachtlich wahrscheinliche politische Verfolgung des Klägers nach sich ziehen wird. So ist den Erkenntnismitteln zwar durchaus zu entnehmen, dass eine sehr weite Auslegung des Terrorismusbegriffs in der Türkei mitunter zu Strafverfahren führt (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in der Republik Türkei vom 20.5.2024, S. 8 ff). Allerdings werden hier insbesondere (partei-)politische Beiträge oder solche mit PKK-Bezug eingeordnet. Der Kläger bringt vor, allgemein im Zusammenhang mit einer Wahl Kritik an der Regierung und der Situation der Kurden geübt zu haben. Es ist nicht davon auszugehen, dass ihm allein deshalb staatliche Verfolgung von einem Schweregrad droht, die zur Flüchtlingsanerkennung führen würde.
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Es erscheint zudem unschlüssig, warum einerseits Polizisten in der Türkei die Eltern des Klägers aufgesucht und ihn zur Vorsprache aufgefordert haben, andererseits aber danach schriftliche Informationen zum laufenden Verfahren unterblieben sein sollten, um den Kläger nicht vorzuwarnen.
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Nach alledem folgt auch aus dem Vortrag zu den F. -Posts keine beachtliche Wahrscheinlichkeit flüchtlingsrelevanter Verfolgung.
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3. Des Weiteren sind auch die Regelungen des Bescheids zur Abschiebungsandrohung und der Ausreisefrist (Ziffer 5 des Bescheids) rechtlich nicht zu beanstanden. Insbesondere führt es nicht zur Unzumutbarkeit der Abschiebung, dass der Bruder und drei Onkel des Klägers in Deutschland leben. Eine Trennung der Kernfamilie aus Eltern und minderjährigen Kindern droht im Fall des volljährigen Klägers nicht.
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4. Das in Ziffer 6 des streitgegenständlichen Bescheids angeordnete und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot findet seine Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 AufenthG, ist auch im Übrigen rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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5. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG abzuweisen.