Titel:
Haftung aus Betrieb eines Traktors für beim Mähen hochgeschleuderte Steine
Normenkette:
StVG § 7
Leitsätze:
2. die Motorkraft von Kraftfahrzeugen kann nicht nur zur Beförderung von Personen oder Sachen, sondern auch für andere Arbeitsvorgänge genutzt werden, die kaum noch als das bloße Auf- und Abladen des Ladegutes angesehen werden. Ein solches Sonderfahrzeug ist auch ein Lastzug, der mit Spezialaufbau für den Kiestransport und ua mit einer mechanischen Entladeeinrichtung versehen ist. Ob ein Unfall, der etwa beim Entladen unter Verwendung des Motors als Maschine verursacht worden ist, noch dessen Betrieb im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes zuzurechnen ist, hängt davon ab, vor welchen Gefährdungen § 7 StVG schützen will und ob die zum Unfall führende Benutzung dieser „Betriebseinrichtung“ noch diesem Schutzbereich angehört. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Verbindung mit dem „Betrieb“ als Kraftfahrzeug ist zu bejahen, wenn eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet (hier: Hochschleudern von Steinen durch einen mähenden Traktor, der zu nah an den Straßenrand geriet). (Rn. 14 – 18) (redaktioneller Leitsatz)
Wird ein Motorrad durch Steine beschädigt, die ein Mäh-Traktor aufschleudert, der entlang dem Straßenbankett eine angrenzende Wiese mäht, ist der Schaden laut Oberlandesgericht München beim Betrieb des Traktors entstanden, für den dessen Halter allein haftet. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Betriebsgefahr, Arbeitsmaschine, Hochgeschleuderte Steine
Vorinstanz:
LG Traunstein, Endurteil vom 07.02.2023 – 6 O 2244/21
Fundstellen:
NJW-RR 2024, 710
DAR 2024, 260
LSK 2024, 2792
BeckRS 2024, 2792
Tenor
I. Die Berufung der Beklagten vom 02.03.2023 gegen das Endurteil des LG Traunstein vom 07.02.2023 (Az. 6 O 2244/21) zurückgewiesen.
Auf die Berufung des Klägers vom 13.02.2023 wird das Endurteil des LG Traunstein vom 07.02.2023 (Az. 6 O 2244/21) in Nr. 1.-4. abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger 8.351,46 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.09.2021 zu bezahlen.
2. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an den Kläger vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 887,03 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 09.09.2021 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz.
Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
II. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
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Von der Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.Verb.m. § 544 II Nr. 1 ZPO).
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Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Klagepartei hat in der Sache weit überwiegend Erfolg, wohingegen die ebenfalls statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Beklagten keinen Erfolg hat.
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I. Das Landgericht hat zu Unrecht einen Anspruch des Klägers auf Schadensersatz aus § 7 I StVG verneint und ging zu Unrecht von einer Mithaftung des Klägers aus.
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Der Senat ist nach der von ihm durchgeführten vollständigen Wiederholung der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass das Motorrad des Klägers am 08.05.2021 gegen 17:50 Uhr auf der Staatsstraße 2093 von Palling Richtung Wiesmühl beschädigt wurde, als der Kläger mit einer Geschwindigkeit von etwa 80 km/h den in Fahrtrichtung des Klägers rechts gesehen in der angrenzenden Wiese befindlichen und dort nah am Bankett mähenden Traktor des Beklagten zu 1), der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert ist, ihm entgegenkommend passierte, weil der Beklagte zu 1) mit dem Mähwerk an das Bankett kam und dort Steine aufwirbelte, die seitlich das Motorrad trafen und beschädigten.
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1. Der Kläger bestätigte bei seiner Anhörung vor dem Senat, dass er bei der Vorbeifahrt auf Höhe des Traktors, der ihm im auf der aus seiner Sicht rechts der Straße befindlichen Wiese entgegenkam, ein Knistern hörte und kurz darauf einen Schmerz am rechten Schienbein spürte und auch sah, dass der Traktor mit dem Mähwerk nahe am Straßenbankett war, dass er nach kurzer Weiterfahrt an einem Bauernhof anhielt, sein Motorrad besichtigte und dabei Lackabplatzungen feststellte und beim Hochziehen der Hose (Jeans) an seinem rechten Bein eine frische blutende Wunde vorhanden war. Der Kläger gab auch an, dass er das Motorrad erst 4 Tage vorher als Neufahrzeug erworben hatte und die Laufleistung erst ca. 600 km betrug. Diese Angaben stehen in Übereinstimmung mit den Angaben des Klägers bei der Polizei am Unfalltag kurz nach dem Unfall (18:56 Uhr, Ermittlungsakte Bl. 11). Die Lebensgefährtin des Klägers, die Zeugin S., erinnerte sich, dass sie bei der Vorbeifahrt das Mähwerk ganz nah am Bankett der Straße wahrnahm und eine Staubwolke sah, ein Knistern hörte und der Kläger, mit dem sie über Funk verbunden war, „Aua“ rief. Außerdem schilderte sie, dass die Wahrnehmung der Staubwolke, das Knistern und der Ruf ihres Lebensgefährten „irgendwie eins“ waren und beim kurz darauf erfolgten Halt an einem Bauernhof der Kläger sein Hosenbein hochzog und sie unterhalb des Knies eine blutende Wunde sah. Auch diese Angaben stimmen im Kernbereich überein mit den Angaben der Zeugin vor dem Landgericht und bei ihrer polizeilichen Vernehmung am Unfalltag (19:08 Uhr, Ermittlungsakte Bl. 14). Auf Vorlesen ihrer Aussage beim Landgericht, wo die Rede davon ist, dass der Traktor in die Straße gekommen wäre, äußerte die Zeugin von sich aus – insoweit nicht protokolliert – und den Beklagten zu 1. entlastend, dass das so nicht stimme. Die Verletzung am rechten Bein des Klägers, konkret unterhalb des Knies rechts, wurde wie auch die Schäden am Motorrad von der Polizei am selben Tag nach dem Unfall fotografiert (Ermittlungsakte Bl. 16/22). Die Außenseite des rechten Beines des Klägers war auf dem Motorrad sitzend der Wiese zugeordnet. Eine derartige Verletzung kann ohne weiteres durch vom Mähwerk aufgewirbelte Steine verursacht werden. Wegen der hohen Rotationsgeschwindigkeit des Mähwerks ist die kinetische Energie auch kleinerer Steine entsprechend hoch und die Relativgeschwindigkeit kann je nachdem, aus welcher Richtung der Stein gegen den Kläger flog, durch die Geschwindigkeit des Motorrades noch erhöht werden, wovon vorliegend auszugehen ist, da der Traktor dem Motorrad entgegenkam. Deshalb ist es für den Senat plausibel, dass sich der Kläger diese Verletzung während der Vorbeifahrt am Traktor zugezogen hat.
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Der Sachverständige, von dessen Sachkunde sich der Senat bei der Anhörung im Termin vom 31.01.2024 überzeugen konnte und dem der Senat folgt, wies bereits in seinem schriftlichen Gutachten vom 07.07.2022 (Bl. 95/1-10 d.A.) darauf hin, dass sich die Beschädigungen mit dem Sachvortrag des Klägers einer Schadensverursachung durch Steinschlageinschläge in Einklang bringen lassen. Bei seiner Anhörung vor dem Landgericht im Termin vom 11.01.2023 (Bl. 126 d.A.) konkretisierte der Sachverständige dies dahingehend, dass es sich beim Schadensbild um das typische Bild eines Steinschlages handele und die Schadenszonen länglich geformt seien. Bei seiner Anhörung vor dem Senat schließlich gab der Sachverständige an, dass das Schadensbild dafür spricht, dass Steine durch das Mähwerk des Traktors aufgewirbelt wurden und bei einem Auftreffen der Winkel der Steine von vorne rechts ca. 90° betrage. Es sei nicht davon auszugehen, dass das Motorrad selbst bereits auf der Straße befindliche Steine aufwirbelte oder hochschleuderte. Die Rotationsgeschwindigkeit des Mähwerks gab der Sachverständige mit 250 km/h bis 300 km/h an und die Geschwindigkeit eines durch das Messer aufgenommenen Steins auf 200 km/h bis 250 km/h, wobei sich durch die Geschwindigkeit des entgegenkommenden Motorrades die Energie eines auftreffenden Steines noch erhöhe. Zwar befinden sich die Beschädigungen an der Scheibe des Motorrades in einer Höhe, die nicht eindeutig mit dem Mähvorgang in Einklang zu bringen ist, da am Mähwerk ein Schutz durch vorhanden ist. Der Sachverständige wies aber darauf hin, dass die Schadensverursachung auch durch einen Stein verursacht werden kann, der zunächst weggeschleudert wird, auf der Fahrbahn auftrifft, dann nach oben fliegt und gegen die Scheibe des Motorrades prallt. Richtig ist, was auch der Sachverständige bestätigte, dass die Beschädigungen auch durch Steinschläge entstanden sein können, die im normalen Fahrbetrieb vorkommen.
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Der Beklagte zu 1) bestätigte den Mähvorgang und dass er vom Kläger kurz nach dem Vorfall zur Rede gestellt wurde, meinte aber, dass er immer einen ausreichenden Abstand von etwa einem dreiviertel bis 1 m zur Straße lasse. Für das Mähen dieses unmittelbar an den Straßenrand angrenzenden Grünstreifens sei das örtliche Straßenbauamt zuständig.
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Insgesamt ist der Senat aufgrund der dargestellten Erwägungen mit der nach § 286 ZPO erforderlichen Sicherheit davon überzeugt, dass die dokumentierten Schäden am Motorrad des Klägers durch Steinschläge während der Vorbeifahrt am Traktor des Beklagten zu 1) verursacht wurden, welcher zu nahe ans Bankett geriet und Steine aufgewirbelte.
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2. Das Aufwirbeln und Schleudern der Steine gegen das Motorrad des Klägers ist dem Betrieb des Traktors zuzurechnen, § 7 I StVG.
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a) Der BGH führt im Urteil v. 21.09.2020, Az. VI ZR 726/20 u.a. aus: „Maßgeblich ist dabei wie in dem vom Senat bereits entschiedenen Fall des Arbeitseinsatzes eines Traktors mit Kreiselschwader auf einer gemähten Wiese (Senatsurteil vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, VersR 2015, 638 Rn. 14), dass sich das Unfallgeschehen weder auf einer öffentlichen noch einer privaten Verkehrsfläche ereignete und die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Traktors lediglich dem Bestellen der landwirtschaftlichen Fläche diente. Dass der Schaden auf einem Privatgelände eingetreten ist, steht einer Haftung nach § 7 Abs. 1 StVG nach der ständigen Senatsrechtsprechung zwar nicht grundsätzlich entgegen (vgl. nur Senatsurteile vom 20. Oktober 2020 – VI ZR 158/19, VersR 2021, 60 Rn. 15; vom 24. März 2015 – VI ZR 265/14, VersR 2015, 638 Rn. 10 m.w.N.). Bei der Beurteilung der haftungsrechtlichen Natur des Einsatzes eines Kraftfahrzeuges mit Arbeitsfunktion unter Schutzzweckgesichtspunkten ist es jedoch von Bedeutung, ob der Arbeitseinsatz auf oder in örtlicher Nähe zu Straßenverkehrsflächen stattfindet, wie es – anders als vorliegend – in den Fällen, in denen eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtete und der Senat das Schadensereignis als vom Schutzzweck des § 7 StVG erfasst angesehen hat, der Fall war (vgl. Senatsurteile vom 18. Januar 2005 – VI ZR 115/04, VersR 2005, 566: Hochschleudern eines Steins durch ein auf dem Seitenstreifen entlangfahrendes Mähfahrzeug; vom 5. Juli 1988 – VI ZR 346/87, BGHZ 105, 65: Auswerfen von Streugut aus einem Streukraftfahrzeug).“
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Nach der Rechtsprechung des Senats gelten insoweit folgende Grundsätze:
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Schäden, die durch die unmittelbare körperliche Einwirkung eines Kraftfahrzeugs, seiner Aufbauten, seiner Ladung oder von Teilen davon entstanden sind, hat schon das Reichsgericht ausdrücklich dem Kraftfahrzeugbetrieb zugerechnet (RGZ 160, 129 [131]). Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (vgl. etwa BGH DAR 1975, 271 = VersR 1975, 945; BGHZ 105, 65; 113, 164; NJW 1995, 1886) ist das Haftungsmerkmal „bei dem Betrieb“ entsprechend dem Schutzzweck der Vorschrift weit auszulegen. Es umfasst alle durch den Kraftfahrzeugverkehr beeinflussten Schadensabläufe, wobei genügt, dass sich eine von dem Kraftfahrzeug ausgehende Gefahr ausgewirkt hat und das Schadensgeschehen in dieser Weise durch das Kraftfahrzeug (mit-)geprägt worden ist.
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Die Gefährdungshaftung aus § 7 StVG setzt überdies einen Betrieb auf öffentlicher Straße anders als § 1 I StVG nicht voraus (BGHZ 5, 320). Die Anwendbarkeit der §§ 7 ff StVG ist nicht auf den Straßenverkehr beschränkt, sondern gilt für jedes Schadensereignis, das ursächlich mit dem Betrieb des Kraftfahrzeuges zusammenhängt, also auch auf nicht öffentlichen Wegen oder auf Kasernengelände (vgl. BGH NJW 81, 623 = VersR 81, 252). Anders als etwa Autoscooter (dazu BGH VersR 1977, 335) kann sich etwa eine Pistenraupe (vgl. grundlegend Senat, Urt. v. 08.07.2011, Az. 10 U 5433/08 [Juris] nicht nur auf einem bestimmten Standort fortbewegen (vgl. zum Betrieb von Go-Karts OLG Hamm, NZV 2003, 32; LG Karlsruhe VersR 1976, 252).
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Erforderlich ist allerdings, dass ein Zusammenhang mit der Bestimmung des Kraftfahrzeuges als einer der Fortbewegung und dem Transport dienenden Maschine besteht; eine Haftung nach § 7 I StVG entfällt, wo die Fortbewegungs- und Transportfunktion des Kraftfahrzeugs keine Rolle mehr spielt und das Fahrzeug nur noch als Arbeitsmaschine eingesetzt wird. Eine Verbindung mit dem „Betrieb“ als Kraftfahrzeug ist etwa zu bejahen, wenn eine „fahrbare Arbeitsmaschine“ gerade während der Fahrt bestimmungsgemäß Arbeiten verrichtet (BGH NZV 2005, 306; OLG Stuttgart DAR 2003, 462 und OLG Rostock DAR 1998, 474; Senat, Urt. v. 08.07.2011 – 10 U 5433/08 [juris]).
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Die technische Entwicklung hat es mit sich gebracht, dass die Motorkraft von Kraftfahrzeugen nicht nur zur Beförderung von Personen oder Sachen, sondern auch für andere Arbeitsvorgänge genutzt wird, die kaum noch als das bloße Auf- und Abladen des Ladegutes angesehen werden. Ein solches Sonderfahrzeug ist auch ein Lastzug, der mit Spezialaufbau für den Kiestransport und u.a. mit einer mechanischen Entladeeinrichtung versehen war. Ereignet sich ein Unfall bei der Ingebrauchnahme von Betriebseinrichtungen dieser Fahrzeuge, die nicht unmittelbar der Beförderung dienen, so versteht es sich nicht von selbst, dass auch das „bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges“ im Sinne von § 7 StVG geschehen ist. Ob ein Unfall, etwa beim Entladen unter Verwendung des Motors als Maschine verursacht worden ist, noch dessen Betrieb im Sinne des Straßenverkehrsgesetzes zuzurechnen ist, hängt davon ab, vor welchen Gefährdungen § 7 StVG schützen will und ob die zum Unfall führende Benutzung dieser „Betriebseinrichtung“ noch diesem Schutzbereich angehört. Es kann dabei nur um die Gefahr gehen, die von dem Kraftfahrzeug kraft seiner Eigenschaft als einer dem Verkehr dienenden Maschine ausgeht, § 1 II StVG. Die verkehrstechnische Auffassung des Begriffes „Betrieb“ ist entwickelt worden, um das Fortwirken der durch das in den Verkehrsraum gebrachte Kraftfahrzeug geschaffenen Gefahrenlage auf öffentlichen Verkehrsflächen zum Schutze der Verkehrsteilnehmer zu erfassen, auch wenn das „in Betrieb“ genommene Kraftfahrzeug zum Ruhen gekommen ist (BGHZ 29, 163). Der BGH führte in der in VersR 1978, 827 veröffentlichten Entscheidung u.a. aus: „Richtig ist zwar, daß zum ‚Betrieb‘ eines Kraftfahrzeuges nicht nur seine Fortbewegung, sondern auch das Beladen und Entladen gehört, und dies auch dann, wenn letzteres mit den Einrichtungen erfolgt, mit denen Sonderfahrzeuge (hier: Kesselwagen) ausgerüstet sind (vgl. RGZ 132, 262, 265; 160, 129, 132). Unfälle, die mit dem Entlade-Vorgang zusammenhängen (das Öl läuft auf die Straße, weil der Abfüllschlauch undicht ist; jemand stolpert über den Schlauch u. dgl.), stehen daher mit dem Betrieb im äußeren und inneren Zusammenhang.“
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Bringt ein im öffentlichen Verkehrsraum befindlicher Lkw (mittels Motorkraft, jedoch unerheblich, vgl. Greger, Haftungsrecht des Straßenverkehrs, 5. Aufl., § 3 Rz. 124, 125) sein transportiertes Gut in den öffentlichen Verkehrsraum, ist von einer Haftung nach § 7 StVG auszugehen (Senat, Urteil v. 19.06.2015, Az. 10 U 284/15). Der Verkehr muss davor geschützt werden, dass von im öffentlichen Verkehrsraum befindlichen Kraftfahrzeugen Ladegut in den öffentlichen Verkehrsraum gebracht wird, wobei es gleichgültig ist, ob dies durch einen Defekt in der Betriebseinrichtung, etwa einen undichten Schlauch erfolgt oder das Ladegut durch die beim Entladen tätigen Personen versehentlich gleich in den Verkehrsraum gepumpt wird, wobei es auch keinen Unterschied macht, ob diese Personen nun beim Bedienen der Betriebsvorrichtung allesamt noch auf öffentlichem Verkehrsgrund oder schon auf privatem Grund stehen. Zum Betrieb eines Kraftfahrzeugs gehört es auch, wenn ein Fahrzeug gegen einen Stein prallt, der beim Beladen eines Lkw auf die Straße gefallen ist (OLG Stuttgart VkBl. 1960, 40) oder ein Fußgänger von einem Sprengring getroffen wird, der beim Abladen eines Reserverades von diesem abspringt (OLG Kassel VersR 1952, 435) oder beim Kippen eines Lkw herabstürzendes Ladegut Fußgänger verletzt (BGH VersR 1956, 422). Das Entladen ist dann Teilnahme am Straßenverkehr, wenn den öffentlichen Verkehrsraum entladen wurde. Der Halter haftet auch für die Gefahr, die das Kraftfahrzeug beim Entladen in dem in Anspruch genommenen Verkehrsraum für andere Verkehrsteilnehmer darstellt (BGHZ 71, 212 [215 f.]; BGH VersR 1988, 1053). Das gilt auch für Gefahren, die von dem Ladegut selbst ausgehen (vgl. OLG Köln NZV 1991, 391; OLG Dresden MDR 2014, 402). Auch der Halter eines Arbeitswagens mit Hebebühne, der zum ständigen Einsatz im Straßenverkehr bestimmt ist, haftet nach Maßgabe des § 7 I StVG, wenn es im Zusammenhang mit dem Betrieb der Hebebühne im öffentlichen Verkehrsraum bei abgestelltem Arbeitswagen zu einem Verkehrsunfall kommt (KG, VerkMitt. 1990 Nr. 1).
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Aus der Entscheidung des BGH vom 24.03.2015, Az. VI ZR 265/14 (NJW 2015, 1681) ergibt sich nichts anderes. Dort entstand der Schaden außerhalb einer öffentlichen oder privaten Verkehrsfläche (ebenso wie in dem vom LG Fulda – PVR 2003, 256 – entschiedenen Fall, wo bei einer Zementlieferung per Silofahrzeug mit Pumpgebläse zum Befüllen eines Zementsilos während des Pumpvorgangs der Filterdeckel auf dem Lagersilo platzte, deshalb Zementstaub austrat und auf Nachbargrundstücken abregnete) und nach Abschluss des Arbeitsvorganges, während vorliegend bei andauerndem Mähvorgang möglicherweise Steine in den öffentlichen Verkehrsraum geschleudert wurden und das Motorrad beschädigten. Dies ist der entscheidende Gesichtspunkt für die Bejahung des fortbestehenden haftungsrechtlichen Zusammenhanges mit dem Straßenverkehr entsprechend der Schutzfunktion des § 7 StVG. In der in VersR 1975, 945 = DAR 1975, 271 veröffentlichten Entscheidung des BGH (ein Lkw entlud Futter mittels Motorkraft über einen Schlauch in ein Silo, welches dabei beschädigt wurde, was u.a. zum Tod von Hühnern führte) wurde eine Haftung aus § 7 StVG ebenfalls deshalb verneint, weil sich der Schaden nicht im öffentlichen Verkehrsraum ereignete („… Um eine solche Gefahrenlage hat es sich im Streitfall nicht gehandelt. Das Fahrzeug stand auf dem Privatgrundstück des Klägers und war dort kein Hindernis für andere Verkehrsteilnehmer.“ …).
18
Die eingangs dargestellte Auffassung des Senats wird bestätigt durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs, Urteil vom 18.07.2023, Az VI ZR 16/23.
19
b) Die Auffassung des Landgerichts zu einer Mithaftung des Klägers ebenfalls aus Betriebsgefahr teilt der Senat nicht. Dass der Kläger in der Annäherung hätte erkennen können, dass das Mähwerk so weit an den Rand und in das Bankett geraten wird und so eingestellt bzw. gebaut ist, dass dadurch Steine auf die Staatsstraße geschleudert werden oder sich dies ihm durch vorherige Staubwolken so aufgedrängt hätte, dass er darauf rechtzeitig unfallverhütend hätte reagieren können, hat die Beweisaufnahme nicht ergeben, weshalb von einer alleinigen Haftung der Beklagten auszugehen ist (vgl. auch OLG Saarbrücken, Urt. v. 20.09.2005, Az. 4 U 386/04). Es bedarf daher keiner Entscheidung, ob der Beklagten zu 1), der die Mäharbeiten verrichtete, überhaupt den Entlastungsbeweis nach § 18 I 2 StVG führen kann.
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3. Die Schadenshöhe ist mit Ausnahme der Unkostenpauschale zwischen den Parteien nicht streitig. Letztere beträgt nach der ständigen Rechtsprechung des Senats, wovon auch das Landgericht ausging, 25 €. Hinsichtlich der darüber hinaus begehrten weiteren 5 € hat das Landgericht die Klage zu Recht abgewiesen und die Berufung der Klägerin war insoweit zurückzuweisen. Die Berufung der Beklagten war ebenfalls zurückzuweisen.
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II. Die Kostenentscheidung beruht für beide Instanzen auf § 92 II Nr. 1 ZPO.
22
III. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.Verb.m. § 544 II Nr. 1 ZPO.
23
IV. Die Revision war nicht zuzulassen. Gründe, die die Zulassung der Revision gem. § 543 II 1 ZPO rechtfertigen würden, sind nicht gegeben. Mit Rücksicht darauf, dass die Entscheidung einen Einzelfall betrifft und in Übereinstimmung mit der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung steht, kommt der Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung zu noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.