Inhalt

VG München, Beschluss v. 04.03.2024 – M 8 S 24.648
Titel:

Zeitraum für Veräußerung nach ZwEWG bei Ausnahme zur Zweckentfremdung

Normenketten:
ZwEWG Art. 1 S. 2 Nr. 4, Art. 3 Abs. 2, Abs. 3
ZeS § 4 Abs. 1 S. 2 Nr. 4, Abs. 2 Nr. 2, § 13 Abs. 1, Abs. 2, Abs. 4
GG Art. 14 Abs. 1
Leitsatz:
Da weder das ZwEWG noch die ZeS die Termini "alsbald" und "vorübergehend" näher definieren, ist anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, in welchem Zeitraum eine Veräußerung im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer zügigen Erfüllung der Zweckrichtung des Gesetzes, nämlich einer Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum entgegen zu wirken, zu erwarten ist und welche Nachweise hierfür erforderlich sind. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz, Leerstand, Anforderungen an den Nachweis von Verkaufsbemühungen, Wohnraum, Vermarktungsbemühung, Veräußerungsbemühung, Nachweis, Bestimmtheit, Begründung, Auslegung, Zeitpunkt
Fundstelle:
BeckRS 2024, 27872

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 32.500,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin wendet sich im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen Wiederbelegungsanordnungen für 13 Wohnungen und die Androhung von Zwangsgeldern zur Durchsetzung dieser Anordnungen.
2
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Anwesens L. A. 55 (13 Wohneinheiten) / Le. str. 20 (18 Wohneinheiten), Fl.Nr. 531/31, Gemarkung N. welches mit einem Wohn- und Geschäftsgebäude bebaut ist.
3
Erstmalig mit Schreiben vom … Dezember 2014 wandte sich die Antragsgegnerin wegen einer mögliche Zweckentfremdung von Wohnraum an die Antragstellerin. Es folgten über Jahre hinweg diverse Schriftwechsel und behördliche (Zwangs-)Maßnahmen, insbesondere in Bezug auf Auskunftspflichten, Leerstände sowie Bau- und Sanierungsmaßnahmen.
4
Mit Schreiben vom … Dezember 2020 teilte der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit, dass der Verkauf des Anwesens geplant sei. Zum Nachweis wurde mit E-Mail vom ... März 2021 ein Vertriebsauftrag (vom … Februar 2021 – S. ... GmbH) sowie ein „Qualifizierter Verkaufsauftrag“ (vom … … Dezember 2020 – B … … … … GmbH) vorgelegt.
5
Mit Bescheid vom ... Juni 2021 wurde eine Wiederbelegungsanordnung vom … Mai 2021 (u.a. für die Wohnung „L. A. 55, 2. OG rechts) aufgrund der am … März 2021 vorgelegten, aber nicht berücksichtigten Nachweise aufgehoben.
6
Mit Schreiben vom … Juli 2021, … Oktober 2021, ... November 2021 und … Februar 2022 wurde die Antragstellerin um Sachstandsmitteilung bzw. Vorlage weiterer Nachweise gebeten. Am ... Dezember 2021 teilte die Antragstellerin mit, dass für die Liegenschaft ein Angebot vorliege. Ferner wurde am 22. Februar 2022 ein weiterer Alleinvertriebsauftrag (vom … Dezember 2021 – BG … I1. GmbH) vorgelegt.
7
Am 28. September 2022 wurde die Antragstellerin in Bezug auf Leerstände im streitgegenständlichen Anwesen angehört. Mit Schreiben vom … Oktober 2022 wurden diese mit Bau- bzw. Sanierungsmaßnahmen begründet.
8
Am … Februar 2023 führte die Antragsgegnerin einen Ortstermin durch. Daraufhin erfolgte am ... März 2023 eine Anhörung bezüglich des festgestellten Leerstands der Wohnungen L. A. 55: 1. OG links, 2. OG links, 6. OG links und 6. OG rechts und Le. str. 20: 1. OG links und rechts, 3. OG Mitte, 4. OG links, 5. OG links, 5. OG Mitte, 6. OG gesamt (links, Mitte und rechts), da die Antragsgegnerin beabsichtige, die unverzügliche Rückführung des Wohnraumes zu verlangen.
9
Daraufhin erklärte der Bevollmächtigte der Antragstellerin mit Schreiben vom 27. März 2023, dass das Anwesen modernisiert bzw. instandgesetzt werden solle, ein alsbaldiger Verkauf geplant sei und der Vertriebsauftrag mit der „BG …I. GmbH“ weiterhin liefe. Zum Nachweis der Verkaufsabsicht wurden mehrere Geheimhaltungsvereinbarungen (vom … Oktober 2020 – G. Immobilien, vom … Oktober 2020 – M … … I1. GmbH, vom … September 2022 – S … … GmbH, vom … März 2023 – I … P. GmbH, vom … März 2023 – Ai. I2. GmbH und vom … März 2023 – M. GmbH) sowie Vertraulichkeitsvereinbarungen/Provisionsregelungen (vom … März 2023 – M. H. I2. GmbH und vom … März 2023 – Betriebsberatung und Immobilienvermittlung R. L. ...) vorgelegt. Überdies wurde mitgeteilt, dass das Objekt auch der Antragsgegnerin (Kommunalreferat) zum Kauf …eboten worden sei. Ferner wurde eine Belegungsliste (Stand: … März 2023) übermittelt.
10
Auf Verlangen nach weiteren Nachweisen für die Verkaufsbemühungen (Schreiben vom ... Mai 2023) wurde mit Mail vom … Mai 2023 mitgeteilt, dass das Vermarktungs-Exposé nach Mitteilung der beauftragten Makler seit März 2023 bereits 15 mal weitergegeben worden sei. Ferner wurden weitere Geheimhaltungsvereinbarungen (vom … März 2023 – L. Vermögensanlagen, vom … April 2023 – zwischen der R. C … I3. GmbH und der M. & D* B** GmbH, vom … April 2023 – zwischen der R … C … I3. GmbH und der Immobilien H. GmbH, vom … April 2023 – zwischen der R … C … I3. GmbH und H. Immobilien und vom ... Mai 2023 – zwischen der R … C … I3. GmbH und der M. R. E. GmbH) und Vertraulichkeitsvereinbarungen/Provisionsregelungen (vom ... Mai 2023 – I. Immobilien & Hausverwaltung und vom … Mai 2023 – L. Immobilien Management) sowie eine „interne Aktennotiz“ vom … Mai 2023 vorgelegt, wonach die bereits im Jahr 2021 begonnenen Verkaufsbemühungen fortgesetzt würden.
11
Mit Bescheid vom … Juli 2023 (S-III-W/BS 113-9-23) wurde der Antragstellerin aufgegeben, den „im Betreff genannten Wohnraum“ (im Betreff: „L. A. 55: 1. OG links, 2. OG links, 6. OG links und 6. OG rechts, Le. str. 20: 1. OG links und rechts, 3. OG Mitte, 4. OG links, 5. OG links, 5. OG Mitte, 6. OG gesamt (links, Mitte und rechts“)) L. A. 55, 1. OG links, L. A. 22, 2. OG rechts, L. A. 55, DG links, L. A. 55, DG rechts, Le. str. 20, 1. OG links, Le. str. 20, 1. OG rechts, Le. str. 20, 3. OG Mitte, Le. str. 20, 4. OG links, Le. str. 20, 5. OG links, Le. str. 20, 5. OG Mitte, Le. str. 20, 6. OG links, Le. str. 20, 6. OG Mitte, Le. str. 20, 6. OG rechts unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen (Ziffer 1). Für den Fall, dass dieser Anordnung nicht innerhalb von sechs Monaten ab Zustellung des Bescheids Folge geleistet werde, wurde ein Zwangsgeld in Höhe von 5000 EUR je Wohnung angedroht (Ziffer 2). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die bescheidsgegenständlichen Wohnflächen baurechtlich als Wohnraum genehmigt seien (Baugenehmigungen vom … November 1957 und vom … Februar 1959). Die Wohnungen würden dem Zweckentfremdungsrecht unterliegen. Gründe, die einen Leerstand rechtfertigen könnten, seien nicht belegt und nicht ersichtlich. Zügige Umbau- und Sanierungsmaßnahmen lägen nicht vor. Verkaufsabsichten seien ebenfalls nicht glaubhaft dargelegt. Ein Verkauf des Gesamtanwesens sei in einem Zeitraum von fast 2,5 Jahren realisierbar gewesen. Das öffentliche Interesse am Erhalt des Wohnraums zu Wohnzwecken sei erheblich, ein weiterer Leerstand sei nicht mehr vertretbar. Zur Durchsetzung der Ziffer 1 der Anordnung sei die Androhung von Zwangsgeldern geboten. Die Frist zur Erfüllung sei den Umständen des Einzelfalles nach angemessen. Auf den Bescheid und seine Begründung im Übrigen wird verwiesen.
12
Am … Juli 2023 wurde der Bescheid dem Bevollmächtigten der Antragstellerin zugestellt.
13
Mit Schriftsatz vom 25. Juli 2023, bei Gericht eingegangen am darauffolgenden Tag, erhob die Antragstellerin durch ihren Bevollmächtigten Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München mit dem Ziel, den Bescheid der Beklagten vom … Juli 2023 aufzuheben. Über die Klage, die unter dem Aktenzeichen M 8 K 23.3754 geführt wird, ist noch nicht entschieden worden.
14
Mit weiterem Schriftsatz vom 9. Februar 2024, bei Gericht eingegangen am selben Tag, beantragt die Antragstellerin:
15
Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 25.07.2023, Az.: M 8 K 23.3754, gegen den Bescheid vom …07.2023, Az.: S-III-W/BS 113-9-23, wird angeordnet.
16
Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der auch gegen die Zwangsgeldandrohungen gerichteten Anfechtungsklage sei angezeigt. Der bescheidsgegenständliche Wohnraum solle nachgewiesenermaßen alsbald veräußert werden, sodass keine Zweckentfremdung vorliege. Mit den vorgelegten Vereinbarungen mit entsprechenden Immobilienmaklern und einer Aktennotiz der Vertreterin der Antragstellerin habe die Antragstellerin nach außen erkennbar ihr ernsthaftes Bemühen dargetan, den streitgegenständlichen Wohnraum alsbald veräußern zu wollen. Auch das Angebot an das Kommunalreferat mache den Veräußerungswillen deutlich. Überdies sei die im streitgegenständlichen Bescheid benannte Wohneinheit „L. A. 55, 2. OG rechts“ (Ziff. 1 sowie Gründe I., wohl fälschlicherweise im Bescheid „L. A. 22“), wie im Übrigen die Antragsgegnerin selbst auf Seite 8 des Bescheids ausführe, vermietet, so dass eine Zweckentfremdung ausscheide.
17
Die Antragsgegnerin beantragt mit Schriftsatz vom 27. Februar 2024,
18
den Antrag abzulehnen.
19
Der unstreitige Leerstand stelle eine Zweckentfremdung dar. Weder bei Bescheidserlass noch im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens seien die für einen möglichen Ausschluss der Zweckentfremdung erforderlichen Nachweise vorgelegt worden. Unabhängig davon, dass bei einzelnen Wohneinheiten seit Erwerb der Liegenschaft durch die Antragstellerin bereits ein Leerstand vorliege und dieser zuvor mit einer nie durchgeführten Sanierung begründet worden sei, seien auch die nunmehr vorgetragenen Verkaufsbemühungen nicht nachgewiesen. Die Antragstellerin verweise lediglich auf einen Makleralleinvertriebsauftrag aus dem Jahr 2021 und eine Reihe von Geheimhaltungsvereinbarungen mit verschiedenen Maklern aus dem Jahr 2023. Aus letzteren ergebe sich jedoch schon keinerlei Verpflichtung der Makler, tätig zu werden.
20
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die beigezogene Behördenakte, auch im Verfahren M 8 K 23.3754 Bezug genommen.
II.
21
Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
22
1. Im Rahmen einer Entscheidung über einen Antrag gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO trifft das Gericht ausschließlich eine eigene Ermessensentscheidung darüber, welche Interessen höher zu bewerten sind – die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsaktes oder die für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung streitenden Interessen (vgl. Hoppe in: Eyermann, VwGO, 15. Aufl. 2019, § 80 Rn. 88). Dabei stehen sich das Suspensivinteresse des Antragstellers und das Interesse insbesondere der Antragsgegnerin, den Verwaltungsakt sofort vollziehen zu können, grundsätzlich gleichwertig gegenüber. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache als wesentliches, aber nicht alleiniges Indiz zu berücksichtigen (Hoppe, a.a.O., § 80 Rn. 85 ff.). Fällt die Erfolgsprognose zu Gunsten des Antragstellers aus, erweist sich der angefochtene Verwaltungsakt also nach summarischer Prüfung gegenüber dem Antragsteller als rechtswidrig, besteht in der Regel kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Hat dagegen die Anfechtungsklage mit hoher Wahrscheinlichkeit keinen Erfolg, so ist das im Rahmen der vorzunehmenden Interessensabwägung ein starkes Indiz für ein überwiegendes Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsaktes (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011 – 14 CS 11.535 – juris Rn. 18). Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine reine Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 26.7.2011, a.a.O.).
23
Daran gemessen kommt vorliegend die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom … Juli 2023 (M 8 K 23.3754) nicht in Betracht. Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage, § 80 Abs. 5 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 3 Abs. 3 ZwEWG, § 13 Abs. 4 ZeS i.V.m. Art. 21a Satz 1 VwZVG, gegen den zweckentfremdungsrechtlichen Grundbescheid (Wiederbelegungsanordnung) und die damit verbundenen Zwangsgeldandrohungen vom … Juli 2023 hat keinen Erfolg, da das öffentliche Vollzugsinteresse der Antragsgegnerin das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin überwiegt. Nach der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen, aber auch ausreichenden summarischen Prüfung bestehen gegen den Bescheid keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Bescheid genügt auch hinsichtlich der Wohnung „L. A. 55, 2.OG links“ (gerade noch) den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG (2.). Die von der Antragstellerin vorgelegten Unterlagen sind jedenfalls nicht ausreichend, um i.S. von § 4 Abs. 2 Nr. 2. Alt. 4 ZeS nachzuweisen, dass der inmitten stehende Wohnraum alsbald veräußert werden soll und deshalb vorübergehend leer steht und mithin keine Zweckentfremdung vorliegt (3.).
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2. Gemäß Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Inhaltlich hinreichende Bestimmtheit setzt voraus, dass insbesondere für den Adressaten des Verwaltungsakts die von der Behörde getroffene Regelung so vollständig, klar und unzweideutig erkennbar ist, dass er sein Verhalten danach richten kann. Es reicht aus, wenn sich die Regelung aus dem gesamten Inhalt des Bescheids, insbesondere seiner Begründung, sowie den weiteren, den Beteiligten bekannten oder ohne weiteres erkennbaren Umstände unzweifelhaft erkennen lässt. Im Einzelnen richten sich die Anforderungen an die notwendige Bestimmtheit nach den Besonderheiten des jeweils anzuwendenden und mit dem Verwaltungsakt umzusetzenden materiellen Rechts (BVerwG, U.v. 3.12.2003 – 6 C 20/02 – NVwZ 2004, 878 m.w.N.). Die Frage, was „hinreichend“ bestimmt ist, ist nicht zuletzt aus der Perspektive eines objektiven, verständigen Adressaten zu beurteilen (Schröder in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: August 2022, § 37 Rn. 22). Ob der Verwaltungsakt die Kriterien des Art. 35 BayVwVfG erfüllt, ist entsprechend den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Maßstäben nach dem objektiven Erklärungswert zu beurteilen. Maßgebend ist, wie der Empfänger die Erklärung unter Berücksichtigung der ihm erkennbaren Umstände bei objektiver Würdigung verstehen muss; Unklarheiten gehen zu Lasten der Verwaltung (vgl. BVerwG, U.v. 5.11.2009 – 4 C 3/09 – NVwZ 2010, 133).
25
Dieses berücksichtigend ist der streitgegenständliche Bescheid auch hinsichtlich der Wohneinheit „L. A. 55, 2.OG links“ hinreichend bestimmt i.S.d. des Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG. Bei Würdigung der Anordnung aus Sicht eines objektiven, verständigen Adressaten wird insbesondere unter Berücksichtigung des streitgegenständlichen Sachverhalts hinreichend deutlich, dass die Wohneinheit „L. A. 55, 2.OG links“ und nicht „L. A. 22 bzw. 55, 2.OG rechts“ Gegenstand der Verfügung ist.
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Zwar wird die streitgegenständliche Wohnung „L. A. 55, 2.OG links“ sowohl im verfügenden Teil, als auch in der Begründung des Bescheids mehrfach als „L. A. 22, 2.OG rechts“ (vgl. etwa S. 2, 3 und 11 des Bescheids) und (einmal) als „L. A. 55, 2. OG rechts“ (vgl. S. 3 des Bescheids) bezeichnet. Hierbei handelt es sich bei gebotener Auslegung jedoch um unschädliche Schreib- bzw. Übertragungsfehler (wohl vom Bescheid vom … Mai 2021). In Ziffer 1 des streitgegenständlichen Bescheids wird der Antragsgegnerin aufgegeben, den „im Betreff genannten Wohnraum“ (…) „unverzüglich wieder Wohnzwecken zuzuführen“. Im Betreff des Bescheids wird die Wohnung als „L. A. 55, 2. OG links“ bezeichnet. Der den Betreff wiederholende Teil der Ziffer 1, in dem alle 13 streitgegenständlichen Wohnungen nochmals aufgezählt werden, ist hinsichtlich dieser Wohneinheit offensichtlich fehlerhaft. Die dort verwendete Adresse „L. A. 22“ steht und stand nie inmitten.
27
Aus der (sehr umfänglichen) Begründung des Bescheids, die das gesamte Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Liegenschaft ab dem Jahr 2014 referiert, lässt sich zudem unzweifelhaft herauslesen, dass zum Verfügungszeitpunkt die Wohnung „L. A. 55, 2.OG links“ unstreitig leer stand (die Antragstellerin hatte die Wohnung in der von ihr übermittelten „Belegungsliste“ vom ... März 2023 als leerstehend ausgewiesen) und Gegenstand des Verfahrens war (vgl. etwa S. 9 und 10 des Bescheids), während die Wohnung „L. A. 55, 2.OG rechts“ dagegen unstreitig belegt war. Diese Wohnung war bereits ab dem Jahr 2021 nicht mehr Gegenstand des zweckentfremdungsrechtlichen Verfahrens (vgl. S. 8 des Bescheids). Folgerichtig wurde die Antragstellerin am ... März 2023 ausschließlich zum Leerstand der Wohnung „L. A. 55, 2.OG links“ angehört, während die Wohneinheit „L. A. 55, 2. OG rechts“ keine Rolle mehr spielte.
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Dass die Antragsgegnerin die Anordnung selbst so aufgefasst hat, dass die Wohneinheit „L. A. 55, 2.OG links“ und nicht „L. A. 22 bzw. 55, 2.OG rechts“ gemeint ist, zeigt sich ferner sowohl an der Klageschrift vom 25. Juli 2023 (M 8 K 23.3754, dort S. 2) als auch dem Schriftsatz vom 9. Februar 2024. Die … … … … … … … … … … … … *er streitgegenständlichen Wohnflächen L. A. 55: (…), 2. OG links, (…) zu Wohnnutzung unter Bezugnahme auf den Tatbestand der Zweckentfremdung aufgegeben worden sei“. Die in der Antragsbegründung erfolgten weiteren Ausführungen zur „L. A. 22 / 55, 2. OG rechts“ sind in diesem Zusammenhang als klarstellende Hilfsausführungen zu werten.
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3. Rechtsgrundlage für die Wiederbelegungsanordnung (Ziff. 1 des streitgegenständlichen Bescheids) ist Art. 3 Abs. 2 ZwEWG, § 13 Abs. 1 und 2 ZeS. Danach kann eine Gemeinde anordnen, dass eine nicht genehmigungsfähige Zweckentfremdung beendet und der Wohnraum wieder Wohnzwecken zugeführt wird. Dem Verfügungsberechtigten und dem Nutzer kann hierbei aufgegeben werden, die Zweckentfremdung in angemessener Frist zu beenden und den Wohnraum wieder Wohnzwecken zuzuführen, § 13 Abs. 2 ZeS.
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3.1. Nach § 4 Abs. 1 Satz 1 ZeS wird Wohnraum zweckentfremdet, wenn er durch den Verfügungsberechtigten und/oder den Mieter anderen als Wohnzwecken zugeführt wird. Eine Zweckentfremdung liegt insbesondere dann vor, wenn der Wohnraum länger als drei Monate leer steht, Art. 1 Satz 2 Nr. 4 ZwEWG, § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZeS.
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Die Antragstellerin hat die streitgegenständlichen Wohnungen zu dem für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der zweckentfremdungsrechtlichen Grundverfügung nach § 13 Abs. 2 ZeS maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheidserlasses (vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 20.11.2023 – 12 ZB 22.80 – juris Rn. 21; B.v. 28.10.2021 – 12 BV 20.1146 – juris Rn. 51, 55) i.S. von Art. 1 Satz 2 Nr. 3 ZwEWG bzw. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 ZeS zweckentfremdet. Eine Zweckentfremdung liegt auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch vor, sodass offenbleiben kann, ob hinsichtlich der Bewertung des Vollzugs- und Aufschubinteresses auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts abzustellen ist (vgl. BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 12 CS 18.2037 – n.V.; Puttler, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 5. Aufl. 2018, § 80 Rn. 162).
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Die 13 streitgegenständlichen Wohnungen – L. A. 55: 1. OG links, 2. OG links, 6. OG links und 6. OG rechts, Le. str. 20: 1. OG links und rechts, 3. OG Mitte, 4. OG links, 5. OG links, 5. OG Mitte, 6. OG gesamt (links, Mitte und rechts) – standen bei Bescheidserlass und stehen gegenwärtig unstreitig länger als drei Monate leer.
33
3.2. Einen Ausnahmetatbestand nach § 4 Abs. 2 ZeS, insbesondere nach § 4 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 4 ZeS, wonach eine Zweckentfremdung nicht vorliegt, wenn Wohnraum nachweislich alsbald veräußert werden soll und deshalb vorübergehend leer steht, konnte die Antragstellerin jedenfalls nicht ausreichend nachweisen.
34
Weder das ZwEWG, das diesen Ausnahmetatbestand nicht vorsieht, noch die ZeS definieren die hier verwendeten Termini „alsbald veräußert werden soll“ und „vorübergehend“ näher, ebenfalls nicht den Begriff „nachweislich“. Daher ist zur Ausfüllung dieser unbestimmten Rechtsbegriffe anhand der Umstände des Einzelfalls zu prüfen, in welchem Zeitraum eine Veräußerung im Hinblick auf das öffentliche Interesse an einer zügigen Erfüllung der Zweckrichtung des Gesetzes, nämlich einer Gefährdung der Versorgung der Bevölkerung mit Wohnraum entgegen zu wirken (vgl. BayVGH, B.v. 26.11.2015 – 12 CS 15.2257 – BeckRS 2015, 55606 Rn. 20), zu erwarten ist und welche Nachweise hierfür erforderlich sind.
35
Ferner ist bei der Auslegung zu beachten, dass aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG (grundsätzlich) kein Recht darauf folgt, Wohnungen, welche dem Zweckentfremdungsrecht unterliegen, (an einen Selbstnutzer) in unbewohnten Zustand veräußern zu können (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 2.3.2023 – OVG 5 S 37/22 – BeckRS 2023, 3822 Rn. 14 – das dort geltende Zweckentfremdungsrecht kennt diesen Ausnahmetatbestand nicht). Auch vermieteter Wohnraum kann veräußert werden (VG Berlin, B.v. 20.7.2021 – 6 L 211/21 – BeckRS 2021, 20806 Rn. 32). Dem gewichtigen öffentlichen Interesse an der Erhaltung von Wohnraum steht hier lediglich das weniger schützenswerte Interesse des Verfügungsberechtigten an einer günstigeren Verwertung des Eigentums gegenüber. Die Vorschrift wird daher insgesamt restriktiv zu handhaben sein.
36
Vor diesem Hintergrund werden – auch bei Berücksichtigung der von der Antragstellerin angeführten „schwierigen Lage auf dem Immobilienmarkt“ – an die Nachweise der Veräußerungsabsicht im vorliegenden Fall strenge Anforderungen zu stellen sein, zumal seit dem erstmaligen Erklären der Veräußerungsabsicht mit Schreiben vom … Dezember 2020 bis zum Bescheidserlass am … Juli 2023 ein Zeitraum von 2,5 Jahren bzw. bis zum Entscheidungszeitpunkt der Kammer ein Zeitraum von mehr als 3 Jahren vergangen ist, ohne dass die Vermarktung realisiert wurde.
37
Es kann dahinstehen, ob der in § 4 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 4 ZeS verwandte Begriff „alsbald“ in diesem Kontext „ohne schuldhaftes Zögern“ bedeuten soll. Jedenfalls ist der Antragsgegnerin darin zuzustimmen, dass die bisher vorgelegten Unterlagen nicht ausreichend sind, um nachzuweisen, dass der Wohnraum „alsbald“ i.S.d. § 4 Abs. 2 Nr. 2, Alt. 4 ZeS veräußert werden soll(te).
38
Die diversen „Geheimhaltungsvereinbarungen“ sind hierzu von vornherein nicht geeignet, da ihnen keine konkrete Verpflichtung der beauftragten Makler bzw. Vermittler zum Tätigwerden entnommen werden kann, geschweige denn eine hinreichend konkrete, nachprüfbare Übersicht über die erfolgten Verkaufsbemühungen. Gleiches gilt für die interne Aktennotiz.
39
Auch die vorgelegten „Vertriebsaufträge“ waren bei Bescheidserlass nicht (mehr) bzw. sind nicht (mehr) geeignet, zu belegen, dass keine Zweckentfremdung vorliegt. Die Absicht des Verfügungsberechtigten, den Wohnraum „alsbald“ zu veräußern, kann einen Leerstand nach § 4 Abs. 2 Nr. 2, 4. Alt. ZeS nur „vorübergehend“ rechtfertigen. Sofern sich die Veräußerungsabsicht nicht innerhalb eines den Umständen des Einzelfalles angemessenen Zeitraums in einem Verkauf realisiert, liegt kein „vorübergehender“ Leerstand mehr vor, sodass eine Zweckentfremdung gegeben ist. Da – wie bereits ausgeführt – auch vermieteter Wohnraum veräußert werden kann, liegt hierin keine unangemessene Benachteiligung des Verfügungsberechtigten. Anderenfalls hätte es der Eigentümer in der Hand, Wohnungen auf beliebige Dauer nur mit dem Hinweis auf die „Veräußerungsabsicht“ dem Wohnungsmarkt zu entziehen, um zur Gewinnmaximierung eine „günstige Marktlage“ abzuwarten und dann leerstehenden Wohnraum zu verkaufen. Gegenwärtig stehen 13 von 31 Wohnungen der Liegenschaft leer, d.h. ca. 40% des Gesamtanwesens. Mit jeder weiteren unbelegten Wohnung steigt der Verkaufswert. Der Eindruck, dass die Antragstellerin die Wohnungen bewusst leer stehen lässt, um am Markt einen höheren Preis zu erzielen, drängt sich hier geradezu auf.
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Eingedenk der Umstände des Einzelfalls, insbesondere der langen Verfahrensdauer hätte die Antragstellerin andere konkrete Unterlagen bzw. Belege vorlegen müssen, die die Gründe für die nicht erfolgte Vermarktung (zu einem marktüblichen Preis) nachvollziehbar, stichhaltig und überprüfbar belegen oder aber den Nachweis über konkrete Vertragsverhandlungen, eines Notartermins für die Beurkundung oder eine entsprechende Bestätigung des zuständigen Notars (vgl. zu letzterem BayVGH, B.v. 8.10.2018 – 12 CS 18.2037 – n.V.).
41
3.3. Die nur im Rahmen des § 114 VwGO überprüfbare, von der Antragsgegnerin getroffene Ermessensentscheidung ist nicht zu beanstanden. Die Antragsgegnerin hat sich unter Berücksichtigung der Zweckrichtung des Zweckentfremdungsrechts und der angespannten Lage auf dem Münchner Wohnungsmarkt mit den Umständen des Einzelfalls in angemessener und ausreichender Weise auseinandergesetzt.
42
4. Bedenken hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohungen, auch hinsichtlich der Bestimmtheit, bestehen nach summarischer Prüfung ebenfalls nicht (Art. 19 VwZVG i.V.m Art. 29 ff. VwZVG). Insbesondere ist weder die Höhe der angedrohten Zwangsgelder noch die gesetzte Frist zur Wiederbelegung zu beanstanden.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
44
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.