Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 22.02.2024 – 102 AR 247/23 e
Titel:

Gerichtsstand für den Innenausgleich zwischen Gebäudeversicherer und Haftpflichtversicherer

Normenketten:
ZPO § 32, § 36 Abs. 1 Nr. 3, § 37, § 60
VVG § 78 Abs. 2, § 86, § 100, § 215
BGB § 823
SprengG § 24 Abs. 1
1.SprengV § 23 Abs. 6
Leitsätze:
Der Gerichtsstand aus unerlaubter Handlung im Sinne des § 32 ZPO umfasst nicht eine Klage des Gebäudeversicherers gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters/Pächters des versicherten Gebäudes, mit der wegen stillschweigend erklärten Regressverzichts des Gebäudeversicherers zugunsten des Mieters/Pächters der direkte Rückgriffsanspruch des Gebäudeversicherers gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG analog gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters/Pächters geltend gemacht wird. (Rn. 26 – 29)
1. Nimmt der Gebäudeversicherer eines Verpächters nach einem Brandschaden sowohl den Haftpflichtversicherer des Pächters als auch einen weiteren möglichen Verantwortlichen in Anspruch, liegt eine zulässige Streitgenossenschaft vor. (Rn. 19 – 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherer des Pächters durch den Gebäudeversicherer des Verpächters ist keine Klage aus einm Versicherungsvertrag. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gerichtsstandbestimmung, Gebäudeversicherer, Haftpflichtversicherer, Regressverzicht, Innenausgleich, fahrlässige Brandstiftung, unerlaubte Handlung, Anspruch aus dem Versicherungsvertrag
Vorinstanz:
LG München I vom -- – 27 O 8096/23
Fundstellen:
VersR 2024, 784
ZfIR 2024, 222
BeckRS 2024, 2764
FDZVR 2024, 002764
NJW-RR 2024, 411

Tenor

Als für den Rechtsstreit (örtlich) zuständiges Gericht wird das Landgericht Bayreuth bestimmt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin ist Feuerversicherer der B. AG (im Folgenden: Eigentümerin) für den in deren Eigentum stehenden Gebäudekomplex der Tanzgaststätte „…“ in B. Die R. AG war Pächterin der vorgenannten Immobilie und bei der in München ansässigen Antragsgegnerin zu 1) haftpflichtversichert. Im Mai 2017 kam es in der Immobilie zu einem Brand. Die Antragstellerin verlangt in ihrer Eigenschaft als Gebäudeversicherer von der Antragsgegnerin zu 1) als Haftpflichtversicherer der ehemaligen Pächterin des versicherten Objekts gemäß § 78 Abs. 2 VVG analog hälftigen Ausgleich für Leistungen, die sie an ihre Versicherungsnehmerin, die in Bayreuth ansässige Eigentümerin, infolge des Brandschadens an dem versicherten Gebäude erbracht hat. Der Antragsgegner zu 2) ist ein in Bayreuth wohnhafter Berufs-Pyrotechniker.
2
Mit ihrer zunächst nur gegen die Antragsgegnerin zu 1) beim Landgericht München I erhobenen Klage hat die Antragstellerin gestützt auf § 78 Abs. 2 VVG analog einen Zahlungsanspruch in Höhe von 559.752,89 € geltend gemacht. Zur Begründung hat sie vorgebracht, der Vorstandsvorsitzende der Pächterin habe sich am 11. Mai 2017 in der Gaststätte von dem Antragsgegner zu 2) verschiedene pyrotechnische Effekte vorführen lassen. Als der Antragsgegner zu 2) auf der Tanzfläche unterhalb eines Lüftungsschachts einen sogenannten „Bühnenblitz“ entzündet habe, sei ein Brand im Bereich des Lüftungsschachts entstanden. Von dort habe der Brand auf die gesamte Tanzgaststätte übergegriffen, die schließlich bis auf die Grundmauern niedergebrannt sei. Die angrenzenden Gebäudeteile seien schwer beschädigt worden. Allein das Abbrennen von pyrotechnischen Effekten in der Räumlichkeit, zumal unterhalb des Lüftungsschachts, sei als (leicht) fahrlässig zu bezeichnen. Im Übrigen seien die erforderlichen Genehmigungen zum Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen in geschlossenen Räumen nicht eingeholt worden. Für den entstandenen Schaden hafte die ehemalige Pächterin, der das Verhalten ihres Vorstands zuzurechnen sei, gemäß §§ 31, 581 Abs. 2, §§ 535, 280 Abs. 1 BGB, §§ 31, 823 BGB i. V. m. § 23 Abs. 6 1. SprengV, § 35 VStättV. Wegen des Regressverzichts des Gebäudeversicherers gegen den einfach fahrlässig handelnden Mieter bzw. Pächter sei ein Rückgriff der Antragstellerin gegen die Pächterin nicht möglich. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung stehe dem Gebäudeversicherer jedoch gemäß § 78 Abs. 2 VVG analog ein (hälftiger) Ausgleichsanspruch gegen den Haftpflichtversicherer des Mieters bzw. Pächters zu. Die Antragstellerin habe den regressfähigen Schaden in Höhe von insgesamt 1.119.505,77 € (Zeitwertschaden in Höhe von 1.109.583,55 € zuzüglich Gutachterkosten in Höhe von 9.922,22 €) vollständig reguliert. Mithin sei der ursprüngliche Schadensersatzanspruch ihrer Versicherungsnehmerin gemäß § 86 VVG in voller Höhe auf sie übergegangen. Sie mache vorliegend den Direktanspruch gemäß § 78 Abs. 2 VVG analog geltend.
3
In der Klageerwiderung hat die Antragsgegnerin zu 1) unter anderem vorgebracht, § 78 Abs. 2 VVG analog sei vorliegend nicht anwendbar, weil nicht der Mieter/Pächter, sondern der am Pachtvertrag unbeteiligte Dritte (Antragsgegner zu 2]) den Schaden verursacht habe. Dieser habe zum streitgegenständlichen Zeitpunkt eine Haftpflichtversicherung unterhalten. Wenn überhaupt ein Ausgleichsanspruch gemäß § 78 VVG analog in Frage komme, müsse sich dieser gegen jenen Haftpflichtversicherer richten.
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Daraufhin hat die Antragstellerin die Klage auf den Antragsgegner zu 2) erweitert und angekündigt, in der mündlichen Verhandlung folgende Klageanträge zu stellen:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 559.752,89 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5,00 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.
2. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an die Klägerin weitere 559.752,88 € zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5,00 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit.
5
Der Antragsgegner zu 2) sei verpflichtet gewesen, bei dem Umgang und dem Verkehr mit explosionsgefährlichen Stoffen Dritte vor Gefahren für Leben, Gesundheit und Sachgüter zu schützen. Diese Pflicht sei zumindest fahrlässig verletzt worden. Der Antragsgegner zu 2) hafte aus § 823 Abs. 2 BGB i. V. m. § 24 Abs. 1 SprengG und § 23 Abs. 6 der 1. SprengV. Der Anspruch gegen die Antragsgegnerin zu 1) gemäß § 78 Abs. 2 VVG analog sei der Höhe nach beschränkt auf die Hälfte des regressfähigen Schadens. Der Antragsgegner zu 2), der aufgrund unerlaubter Handlung für den gesamten Schaden hafte, sei daher gesamtschuldnerisch mit der Antragsgegnerin zu 1) in Höhe von 559.752,89 € in Anspruch zu nehmen, sowie darüber hinaus in Höhe weiterer 559.752,88 €. Der Vorstandsvorsitzende der Pächterin und der Antragsgegner zu 2), der bei der … AG haftpflichtversichert sei, hätten den Brandschaden gemeinsam herbeigeführt; die Verpflichtung, für die erforderlichen Genehmigungen zu sorgen, sei von beiden Personen missachtet worden.
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Mit an das Landgericht München I gerichtetem Schriftsatz vom 7. Dezember 2023 hat die Antragstellerin beantragt, gemäß § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO das örtlich zuständige Gericht zu bestimmen und das Gesuch an das „hierfür zuständige Oberlandesgericht“ weiterzuleiten. Sie hat ausgeführt, mit der Klageerweiterung werde nunmehr auch der Antragsgegner zu 2), der seinen allgemeinen Gerichtsstand im Bereich des Landgerichts Bayreuth habe, gemäß § 823 Abs. 1 und 2 BGB, gerichtet auf den gesamten übergegangenen Schadensersatzanspruch, in Anspruch genommen. Mangels eines gemeinsamen Gerichtsstands beider Antragsgegner sei die Bestimmung des zuständigen Gerichts erforderlich. Es liege eine einfache Streitgenossenschaft vor. Die maßgeblichen Ansprüche beruhten auf demselben tatsächlichen und rechtlichen Grund, auch wenn die Antragsgegner nur in Höhe der hälftigen Klageforderung gesamtschuldnerisch hafteten. Der haftungsbegründende Pflichtverstoß sei ganz überwiegend deckungsgleich, da sowohl der Vorstand der Versicherungsnehmerin der Antragsgegnerin zu 1) als auch der Antragsgegner zu 2) vor Zündung der pyrotechnischen Effekte nicht die erforderlichen behördlichen Genehmigungen eingeholt hätten. Es erscheine zweckmäßig, das Landgericht Bayreuth, bei dem der Antragsgegner zu 2) seinen allgemeinen Gerichtsstand habe und an dessen Ort sich das bei dem Brand zerstörte Gebäude befunden habe, als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen.
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Mit Verfügung vom 8. Dezember 2023 hat das Landgericht München I die Akten dem Bayerischen Obersten Landesgericht mit der Bitte um Entscheidung über den Antrag gemäß § 36 ZPO übermittelt.
8
Die Beteiligten sind vom Senat angehört worden. Die Antragsgegnerin zu 1) hat mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2023 beantragt, das Landgericht München I als gemeinsamen Gerichtsstand zu bestimmen. Aufgrund Streitverkündung vom selben Tag sei die … AG mit Sitz in München in den Prozess einbezogen worden, die dem Antragsgegner zu 2) voraussichtlich gemäß § 100 VVG Abwehrschutz erteilen werde. Damit liege der Schwerpunkt des Verfahrens in München; die örtliche Belegenheit der Sache sei im vorliegenden Verfahren nicht relevant.
9
Der Antragsgegner zu 2) hat keine Stellungnahme abgegeben.
10
Am 15. Dezember 2023 hat das Landgericht München I mitgeteilt, dass mit Verfügung vom selben Tag die Zustellung einer Streitverkündungsschrift an die … AG veranlasst worden sei.
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Mit Schriftsatz vom 19. Januar 2024 hat sich der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners zu 2) auch für die Streitverkündete, die … AG, bestellt und mitgeteilt, dass diese dem Rechtsstreit auf Beklagtenseite beitrete.
II.
12
Auf den zulässigen Antrag bestimmt der Senat das Landgericht Bayreuth als das für den Rechtsstreit örtlich zuständige Gericht.
13
1. Die Voraussetzungen für die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO durch das Bayerische Oberste Landesgericht sind gegeben.
14
a) Ein Gesuch der Antragstellerin auf Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 37 Abs. 1 ZPO liegt vor. Unschädlich ist, dass die Antragstellerin in diesem Zusammenhang den Antrag gestellt hat, dass „das zuständige Oberlandesgericht“ entscheiden möge. Prozessuale Anträge sind der Auslegung zugänglich. Im Zweifel ist dasjenige gewollt, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der wohlverstandenen Interessenlage entspricht (BGH, Urt. v. 16. Mai 2017, XI ZR 586/15, NJW 2017, 2340 Rn. 11; BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 123/23 e, juris Rn. 20; Beschluss vom 19. August 2022, 102 AR 77/22, juris Rn. 8). Mithin kann der Antrag dahin ausgelegt werden, dass die Antragstellerin eine Zuständigkeitsbestimmung durch das hierfür zuständige Gericht begehrt. Sie hat auch keine Einwendungen gegen die Eingangsverfügung des für das Bestimmungsverfahren zuständigen Bayerischen Obersten Landesgerichts erhoben.
15
b) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für die Bestimmungsentscheidung gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO zuständig, weil das im Instanzenzug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht über den Landgerichten München I und Bayreuth in der hier vorliegenden bürgerlichen Rechtsstreitigkeit der Bundesgerichtshof ist.
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c) Die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO kommt über den Wortlaut der Vorschrift („verklagt werden sollen“) hinaus auch noch in Betracht, wenn gegen alle Beklagten bereits eine Klage vor demselben Gericht erhoben worden ist (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020, X ARZ 156/20, NJW-RR 2020, 1070 Rn. 10; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 17; jeweils m. w. N.).
17
d) Der Verfahrensstand steht einer Zuständigkeitsbestimmung nicht entgegen. Der Rechtsstreit ist bei dem Landgericht München I noch nicht so weit fortgeschritten, dass dem bestimmenden Gericht eine echte Auswahl unter den grundsätzlich bestimmbaren Gerichten aus Gründen der Prozesswirtschaftlichkeit nicht mehr möglich wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Oktober 1983, I ARZ 334/83, BGHZ 88, 331 [juris Rn. 9]; BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 18; Beschluss vom 23. Juli 2020, 1 AR 56/20, NJW-RR 2020, 1134 Rn. 20; Beschluss vom 4. Mai 2020, 1 AR 26/20, juris Rn. 20).
18
e) Nach dem insoweit allein maßgeblichen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 154/23 e, juris Rn. 20; Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 19; Beschluss vom 28. Oktober 1997, 1Z AR 74/97, NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]) Vorbringen der Antragstellerin sollen die Beklagten als Streitgenossen im Sinne von § 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
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Für das Vorliegen einer Streitgenossenschaft erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich aus dem Vortrag der Antragstellerin in tatsächlicher Hinsicht nachvollziehbar ableiten lässt, dass die behaupteten Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt; Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der gegen die Streitgenossen erhobenen Ansprüche ist nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, NJW 2018, 2200 Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 154/23 e, juris Rn. 21; Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 20). Darauf, ob das tatsächliche Vorbringen zutrifft, kommt es im Verfahren auf Zuständigkeitsbestimmung ebenso wenig an (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 20; Beschluss vom 26. April 2002, 1Z AR 30/02, juris Rn. 9; NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]) wie auf die Schlüssigkeit der Klage im Übrigen (BayObLG, Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 20; Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 44; Beschluss vom 12. September 2019, 1 AR 67/19, juris Rn. 24; NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]).
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Streitgenossenschaft im Sinne von § 60 ZPO ist hier auf der Grundlage des Vorbringens der Antragstellerin anzunehmen. Die gegen die Antragsgegner gerichteten Ansprüche sind ihrem Inhalt nach gleichartig, da sie jeweils darauf gerichtet sind, die Antragstellerin, die den gesamten Schaden reguliert hat, von den negativen Folgen des Schadensfalls im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) teilweise und zum Antragsgegner zu 2) insgesamt zu befreien. Die gegen die Antragsgegner gerichteten Ansprüche werden aus demselben tatsächlichen Geschehen hergeleitet, denn sie werden darauf gestützt, dass sowohl der Vorstandsvorsitzende der Pächterin, für die die Antragsgegnerin zu 1) Ausgleich zu leisten habe, als auch der Antragsgegner zu 2) verantwortlich seien für die Entstehung des Brandes am versicherten Objekt. Dass einzelne Sachverhaltselemente nur im Verhältnis zu den einzelnen Antragsgegnern von Bedeutung sein mögen, ist unschädlich (vgl. BGH NJW 2018, 2200 Rn. 13; BayObLG, Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 43; Beschluss vom 18. Juli 2019, 1 AR 52/19, NZI 2019, 732 Rn. 20). Die Anspruchsgründe sind auch in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen gleichartig, denn die behaupteten, mit den Klageanträgen Ziffern 1 und 2 geltend gemachten Ansprüche werden entweder, so im Verhältnis zum Antragsgegner zu 2), direkt auf gemäß § 86 VVG auf die Antragstellerin übergegangene deliktische Ansprüche der Eigentümerin des Objekts gegen den Antragsgegner zu 2) gestützt, oder aber die behaupteten deliktischen Ansprüche der Eigentümerin auch gegen ihre vormalige Pächterin sind Vorfrage für den geltend gemachten Ausgleichsanspruch nach § 78 Abs. 2 VVG analog der Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin zu 1) als Haftpflichtversicherer der vormaligen Pächterin. Auf demselben Rechtsverhältnis müssen die Ansprüche nicht beruhen (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Mai 2011, X ARZ 101/11, NJW-RR 2011, 1137 Rn. 18; BayObLG, Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 43).
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Soweit die Antragsgegnerin zu 1) hälftig und der Antragsgegner zu 2) für den Schaden in voller Höhe einstehen soll, steht dies der Annahme einer Streitgenossenschaft für den Rechtsstreit in seinem gesamten Umfang nicht entgegen. Die „Mehrforderung“ gegenüber dem einzelnen Streitgenossen gemäß Klageantrag 2) beruht auf demselben Sachverhalt und rechtlichen Grund, der auch Grundlage des gegen beide Antragsgegner als Gesamtschuldner gerichteten Klageantrags 1) auf Bezahlung hälftigen Ausgleichs bzw. hälftigen Schadensersatzes ist. Es besteht somit ein Zusammenhang im Sinne von § 60 ZPO, sodass gegen die Zuständigkeitsbestimmung auch nicht eingewendet werden kann, für den Klageantrag Ziffer 2, der nur gegen den Antragsgegner zu 2) gerichtet ist, stünde ein zuständiges Gericht, nämlich das Landgericht Bayreuth, zur Verfügung (vgl. BGH, Beschluss vom 27. November 2018, X ARZ 321/18, NJW-RR 2019, 238 Rn. 20 ff; Beschluss vom 24. Juni 2008, X ARZ 69/08, NJW-RR 2008, 1516 Rn. 13; BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 123/23 e, juris Rn. 29; Toussaint in BeckOK ZPO, 51. Ed. Stand: 1. Dezember 2023, § 36 Rn. 15)
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f) Ein gemeinschaftlicher besonderer Gerichtsstand beim Landgericht Bayreuth ist nicht begründet.
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aa) Für die Klage gegen den Antragsgegner zu 2) besteht nur in Bayreuth ein Gerichtsstand gemäß §§ 12, 13 ZPO und § 86 VVG, § 32 ZPO. § 32 ZPO gilt auch für im Wege der Legalzession nach § 86 VVG auf die Antragstellerin übergegangene deliktische Ansprüche der Eigentümerin gegen den Antragsgegner zu 2) (BayObLG, Beschluss vom 9. Januar 2023, 102 AR 150/22, juris 29; Toussaint in BeckOK ZPO, § 32 Rn. 6), wie sie vorliegend streitgegenständlich sind. Da die Antragstellerin gegen den Antragsgegner zu 2) deliktische Ansprüche aus übergegangenem Recht der Eigentümerin geltend macht, ist § 215 Abs. 1 Satz 2 VVG nicht einschlägig.
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bb) Ein Gerichtsstand in Bayreuth für die Klage auf Ausgleich gemäß § 78 Abs. 2 VVG analog gegen die Antragsgegnerin zu 1) am Sitz der Versicherungsnehmerin der Antragstellerin in Bayreuth gemäß § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG ist nicht eröffnet.
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Zwar findet § 215 Abs. 1 VVG auch dann Anwendung, wenn Versicherungsnehmer des Versicherungsvertrags eine juristische Person ist (BGH, Urt. v. 8. November 2017, IV ZR 551/15, BGHZ 216, 358 Rn. 17; Looschelders in Langheid/Wandt, Münchener Kommentar zum VVG, 3. Aufl. 2024, § 215 Rn. 6). Inhaltlich ist die Vorschrift nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung überdies weit auszulegen. Eine Klage „aus dem Versicherungsvertrag“ umfasst alle Ansprüche, bei denen das Bestehen, Nichtbestehen oder Nichtmehrbestehen eines Versicherungsverhältnisses auch nur die Rolle einer klagebegründenden Behauptung spielt (vgl. BGH, Urt. v. 8. März 2017, IV ZR 435/15, BGHZ 214, 160 Rn. 15 m. w. N.). Der Anwendungsbereich erstreckt sich auf Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Anbahnung, dem Abschluss, der Durchführung oder der Rückabwicklung eines Versicherungsvertrags und erfasst auch Ansprüche aus gesetzlichen Schuldverhältnissen, sofern diese im Zusammenhang mit einem Versicherungsvertrag stehen. Indes ist der von der Antragstellerin geltend gemachte Ausgleichsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu 1) nicht als eine Klage „aus dem Versicherungsvertrag“ der Antragstellerin mit der Eigentümerin im Sinne des § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG anzusehen. Der Ausgleichsanspruch hat zwar zur Voraussetzung, dass mehrere Versicherungsverträge bestehen, durch die dasselbe Interesse gegen dieselbe Gefahr versichert ist. Er dürfte seine Grundlage aber nicht unmittelbar in diesen Verträgen finden, sondern beruht auf einem gesetzlich angeordneten Gesamtschuldverhältnis zwischen den Versicherern (BayObLG, Beschluss vom 20. Juli 2022, 102 AR 56/22, MDR 2022, 1159 [juris Rn. 36]). Jedenfalls gehört die Antragstellerin als Gläubigerin eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG nicht zu dem Personenkreis, dem § 215 Abs. 1 Satz 1 VVG das Privileg eines zusätzlichen Wahlgerichtsstands am Wohnsitz oder Sitz des Versicherungsnehmers gewährt (BayObLG, Beschluss vom 26. Mai 2023, 101 AR 157/22, juris Rn. 59 ff.). Sinn und Zweck des § 215 Abs. 1 VVG ist es, dem Versicherungsnehmer eine wohnortnahe Klagemöglichkeit zu verschaffen (Satz 1) und ihn vor einer wohnsitzfernen Inanspruchnahme zu schützen (Satz 2). Demgegenüber handelt es sich bei dem Ausgleichsanspruch aus § 78 Abs. 2 VVG um den eigenständigen Anspruch eines Versicherers gegen einen anderen. Bei der Geltendmachung eines Anspruchs gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 VV kann der Zweck des § 215 VVG von vornherein nicht erreicht werden (vgl. Dickmann, VersR 2013, 1227 [1229]).
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cc) Ein Gerichtsstand in Bayreuth für die Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) ergibt sich auch nicht aus § 86 VVG, § 32 ZPO. Im Verhältnis zur Antragsgegnerin zu 1) macht die Antragstellerin keine auf sie übergegangenen Ansprüche der Eigentümerin gegen den Haftpflichtversicherer der Pächterin geltend; das Bestehen eines Direktanspruchs der geschädigten Eigentümerin gegen den beklagten Haftpflichtversicherer ist nicht ersichtlich. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs geht die Ausgleichsregelung des § 78 Abs. 2 VVG der Bestimmung des § 86 Abs. 1 Satz 1 VVG grundsätzlich vor (vgl. BGH, Urt. v. 13. März 2018, VI ZR 151/17, VersR 2018, 726 Rn. 22; Urt. v. 23. November 1988, IVa ZR 143/87, VersR 1989, 250 [juris Rn. 10] zu §§ 59 und 67 VVG a. F.; BayObLG MDR 2022, 1159 [1160; juris Rn. 32] m. w. N.; OLG Frankfurt, Urt. 17. Dezember 2019, 8 U 73/18, juris Rn. 57; Car in BeckOK VVG, 22. Ed. Stand: 1. Februar 2024, § 78 Rn. 45). In der Gebäudeversicherung ergibt die ergänzende Vertragsauslegung einen Regressverzicht des Versicherers für die Fälle, in denen der Mieter einen Schaden am Gebäude durch einfache Fahrlässigkeit verursacht hat; dem Versicherer ist der Regress auch dann verwehrt, wenn der Mieter eine Haftpflichtversicherung unterhält, die Ansprüche wegen Schäden an gemieteten Sachen deckt (vgl. BGH, Beschl. 26. Oktober 2016, IV ZR 52/14, NJW-RR 2017, 22 Rn. 13; Urt. v. 13. September 2006, IV ZR 273/05, BGHZ 169, 86 [juris Rn. 9 ff.]).
27
dd) Für die Klage der Antragstellerin als Gebäudeversicherer auf Ausgleich gemäß § 78 Abs. 2 VVG analog gegen die Antragsgegnerin zu 1) als Haftpflichtversicherer der Pächterin ist schließlich auch kein deliktischer Gerichtsstand am Ort des Schadenseintritts in Bayreuth eröffnet, § 32 ZPO. Nach dem Vorbringen der Antragstellerin ergibt sich zwar eine Haftung der Pächterin aus Delikt. Der Ausgleichsanspruch nach § 78 Abs. 2 VVG analog, auf den die Antragstellerin ihr Begehren stützt, ist aber kein solcher aus „unerlaubter Handlung“ im Sinne des § 32 ZPO.
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Nach der vom Bundesgerichtshof vertretenen Lösung handelt es sich bei dem Innenausgleichsanspruch in entsprechender Anwendung des § 78 Abs. 2 VVG vielmehr um einen eigenständigen Anspruch des Gebäudeversicherers gegen den Haftpflichtversicherer (Dickmann, VersR 2013, 1227 [1228]). Die Ausgleichspflichten der Versicherer entstehen als selbständige Ansprüche im Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalls unabhängig von der nachfolgenden Regulierung und dem nachfolgenden Verhalten des Versicherungsnehmers nach Eintritt des Versicherungsfalls (BGHZ 169, 86 [juris Rn. 6, 22 ff., 25]). Dem Gebäudeversicherer, dem der Regress gegen den Mieter verwehrt ist, steht gegen dessen Haftpflichtversicherer entsprechend den Grundsätzen der Mehrfachversicherung gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 VVG ein direkter Anspruch auf anteiligen Ausgleich zu (BGH NJW-RR 2017, 22 Rn. 13; BGHZ 169, 86 [juris Rn. 6, 22 ff.] zu § 59 Abs. 2 VVG a. F.). Andernfalls könnte der Mieter nach der Regulierung durch den Gebäudeversicherer als Dritter für den Gebäudeschaden schon bei leichter Fahrlässigkeit in Regress genommen werden, obwohl er wirtschaftlich entweder direkt über die umgelegte Gebäudeversicherungsprämie oder indirekt über die Miete die Last aus der Versicherung trägt (BGH NJW-RR 2017, 22 Rn. 19; Dickmann, VersR 2013, 1227 [1228]). Dem Gebäudeversicherer wird bei einem auf die Fälle einfacher Fahrlässigkeit beschränkten, vollständigen Regressverzicht der Vorteil einer direkten Inanspruchnahme des Haftpflichtversicherers des Mieters über die analoge Heranziehung der Vorschriften über den Versicherer-Innenausgleich bei Mehrfachversicherung gewährt (BGH NJW-RR 2017, 22 Rn. 17).
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Das so genannte versicherungsrechtliche Modell des Regressverzichts des Gebäudeversicherers (vgl. BGH NJW-RR 2017, 22 Rn. 19) zugrunde gelegt, ist ein deliktischer Gerichtsstand gemäß § 32 ZPO in Bayreuth für die Klage auf Ausgleich gegen die Antragsgegnerin zu 1) zu verneinen (ausführlich zur Problematik Dickmann, VersR 2013, 1227 [1228 f.]; vgl. auch Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 20. Aufl. 2023, § 32 Rn. 9 und Patzina in Münchener Kommentar zur ZPO, 6. Aufl. 2020, § 32 Rn. 17, die die Anwendbarkeit des § 32 ZPO auf gesetzliche Ausgleichsansprüche verneinen, auch wenn die zugrunde liegende Haftung auf eine unerlaubte Handlung zurückgeht; vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 32 Rn. 15, der die Anwendbarkeit des § 32 ZPO für gesetzliche Ausgleichsverhältnisse verneint, außer für den deliktischen Gesamtschuldnerregress gemäß §§ 840, 426 BGB; zum Innenausgleich zweier Haftpflichtversicherer nach § 78 VVG im Anwendungsbereich der Brüssel-Ia-VO: OLG Karlsruhe, Urt. v. 20. August 2021, 12 U 155/21, VersR 2021, 1486 Rn. 39 ff., das es offenlässt, ob der Ausgleichsanspruch gemäß § 78 VVG als Anspruch aus unerlaubter Handlung im Sinne des Art. 7 Nr. 2 Brüssel-Ia-VO oder als „vertraglicher Anspruch“ zu qualifizieren ist; vgl. auch OLG Celle, Urt. v. 22. März 1990, 5 U 129/88, VersR 1991, 234 „A.“ und „B. I.“, das einen Gerichtsstand nach Art. 5 Nr. 3 Brüssel-I-VO für einen Ausgleichsanspruch zwischen zwei Versicherern bejaht).
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2. Der Senat bestimmt das Landgericht Bayreuth als das für den Rechtsstreit örtlich zuständige Gericht.
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Die Auswahl erfolgt nach Gesichtspunkten der Zweckmäßigkeit (Sachdienlichkeit) und unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Prozesswirtschaftlichkeit, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. November 2008, 1 BvR 2788/08, NJW 2009, 907 [juris Rn. 12 m. w. N.]; BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 154/23 e, juris Rn. 34; Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 39).
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Der Senat wählt unter den danach in Betracht kommenden Gerichten das Landgericht Bayreuth. Zwar ist der Rechtsstreit bereits beim Landgericht München I anhängig und der Antragsgegner zu 2) hat der Auswahl dieses vom Antragsgegner zu 1) bevorzugten Gerichts nicht widersprochen. Überdies hat der Prozessbevollmächtigte des Antragsgegners zu 2) erklärt, auch die Streitverkündete zu vertreten; diese werde dem Rechtsstreit als Nebenintervenientin auf Beklagtenseite beitreten. Allerdings sprechen gewichtigere Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte dafür, das Landgericht Bayreuth zu wählen. Zwar ist der Aspekt der Belegenheit des beschädigten Gebäudekomplexes in Bayreuth von eher untergeordneter Bedeutung, da die ehemalige Tanzgaststätte nach dem Vorbringen der Antragstellerin im Jahr 2017 vollständig niederbrannte. Jedoch hat der Antragsgegner zu 2) dort seinen allgemeinen Gerichtsstand und seine Anhörung könnte für die Überzeugungsbildung des Streitgerichts bedeutsam sein. Die Antragsgegnerin zu 1) hat zudem den Vorstandsvorsitzenden der Pächterin und eine weitere im Raum Bayreuth wohnhafte Person als Zeugen benannt. Der Antragsgegnerin zu 1) als überregional tätiger Versicherungsgesellschaft ist eine Verteidigung vor dem Landgericht Bayreuth ohne Weiteres zumutbar.
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3. Mit dieser Entscheidung geht die Rechtshängigkeit ohne Weiteres auf das bestimmte Gericht über (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Oktober 2020, X ARZ 124/20, WM 2021, 40 Rn. 65; BayObLG, Beschluss vom 23. Juli 2020, 1 AR 66/20, NJW-RR 2020, 1006 Rn. 21; Toussaint in BeckOK, ZPO, § 37 Rn. 14; Schultzky in Zöller, ZPO, § 37 Rn. 7; Smid/Hartmann in Wieczorek/Schütze, ZPO, 5. Aufl. 2020, § 37 Rn. 22).