Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 17.10.2024 – 102 VA 81/24
Titel:

Ersuchen einer Landeszahnärztekammer um Einsicht in die Akten eines Haftpflichtprozesses

Normenketten:
EGGVG § 23 Abs. 1 S. 1, § 25 Abs. 2, § 26 Abs. 1, § 28 Abs. 1 S. 1, Abs. 3
AGGVG Art. 12 Nr. 3
GG Art. 35 Abs. 1
BayDSG Art. 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 Alt. 2, Abs. 4
ZPO § 299 Abs. 2
Leitsätze:
1. Ersucht eine Landeszahnärztekammer zum Zweck der Überprüfung eines berufsrechtlichen Verstoßes eines ihrer Mitglieder um Einsicht in die Akten eines Haftpflichtprozesses, handelt es sich nicht um ein Akteneinsichtsgesuch im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO , sondern um ein Amtshilfeersuchen des Art. 35 Abs. 1 GG. (Rn. 15)
2. Das um gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG angegangene Gericht hat im Rahmen der Prüfung der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts (§ 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG ) auch zu prüfen, ob dieser kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist. Dabei darf das Gericht allerdings nicht anstelle der zuständigen Justizbehörde eine eigene Ermessensentscheidung treffen (§ 28 Abs. 3 EGGVG). (Rn. 16 – 17)
Schlagworte:
Amtshilfeersuchen, Akteneinsicht, Landeszahnärztekammer, berufsrechtliche Prüfung, Verwaltungsakts, Haftpflichtprozess, gerichtliche Entscheidung, Ermessensentscheidung, gebundene Entscheidung, Sachverständigengutachten
Vorinstanz:
LG Aschaffenburg vom -- – 22 OH 6/17
Fundstellen:
BeckRS 2024, 27634
LSK 2024, 27634
NJOZ 2024, 1403
FDZVR 2024, 027634

Tenor

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 24. Mai 2024 wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
3. Der Geschäftswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller, ein Zahnarzt, der von einem Patienten (im Folgenden: Kläger) nach Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens gestützt auf den Vorwurf einer fehlerhaften Behandlung verklagt worden ist, wendet sich dagegen, dass der Landeszahnärztekammer Hessen (im Folgenden: LZK) zum Zweck der berufsrechtlichen Prüfung des Verhaltens des im selbständigen Beweisverfahren gerichtlich bestellten Sachverständigen die (noch nicht vollzogene) Einsicht in die Verfahrensakte des selbständigen Beweisverfahrens bewilligt wurde.
2
Im inzwischen abgeschlossenen selbständigen Beweisverfahren 22 OH 6/17 des Landgerichts Aschaffenburg erstattete der gerichtlich bestellte Sachverständige Professsor Dr. K. (unter dem 25. Januar 2020 und unter dem 15. Januar 2021) zwei schriftliche Gutachten, die er in der Sitzung vom 21. Mai 2021 erläuterte. Mit Schreiben vom 17. Oktober 2023 bat die vom Kläger um Prüfung des Gutachtens gebetene LZK um Einsicht in die Verfahrensakte. Nachdem der Antragsteller der Akteneinsicht mit Schriftsatz vom 1. Dezember 2023 entgegengetreten war, erließ das Landgericht Aschaffenburg eine Verfügung, der zufolge das berechtigte Interesse gemäß § 299 ZPO derzeit nicht hinreichend dargelegt bzw. glaubhaft gemacht worden sei, woraufhin die LZK ihren Antrag unter Bezugnahme auf § 299 ZPO mit Schreiben vom 3. Januar 2024 näher begründete. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 des hessischen Gesetzes über das Berufsrecht und die Kammern der Heilberufe (im Folgenden: Heilberufsgesetz) habe die LZK die Erfüllung der Berufspflichten der Kammerangehörigen zu überwachen, zu denen mit Blick auf die vom Antragsteller im selbständigen Beweisverfahren erhobenen Vorwürfe auch die gemäß § 13 Abs. 1 der Berufsordnung zu beachtende Pflicht gehöre, als Zahnarzt Gutachten neutral, unabhängig und sorgfältig zu erstatten. Gemäß § 57 Abs. 1 Heilberufsgesetz stelle der Kammervorstand Ermittlungen an, wenn Tatsachen bekannt würden, die den Verdacht eines Berufsvergehens rechtfertigten. Diese Bestimmungen zur berufsrechtlichen Prüfung gälten ausweislich eines beigefügten Schreibens des Hessischen Sozialministeriums vom 4. September 2013 an die LZK auch für den Fall, dass der Zahnarzt sein Gutachten als gerichtlich bestellter Sachverständiger erstattet hat. Um die Vorwürfe prüfen zu können, sei eine Einsichtnahme in die Verfahrensakte erforderlich, um die durch den Gutachter seinem Gutachten zugrunde gelegten Informationen und Unterlagen in die Überprüfung einbeziehen zu können. In welchem Stadium des Gerichtsverfahrens und mit welcher Absicht die berufsrechtliche Beschwerde erhoben worden sei, sei für die berufsrechtliche Prüfung unerheblich.
3
Mit Verfügung vom 3. April 2024 genehmigte das Landgericht Aschaffenburg die beantragte Akteneinsicht, wobei die mit dem Zusatz „i. A.“ unterzeichnende Richterin darauf hinwies, dass ihr die Entscheidung „im Rahmen der Präsidialverfügung“ übertragen worden sei. Die LZK habe ihr rechtliches Interesse im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO dargelegt bzw. glaubhaft gemacht. Nur durch Einsicht in die Verfahrensakte könne die LZK die ihr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Heilberufsgesetz obliegende Überprüfung vornehmen, ob sich der Verdacht, der Sachverständige habe sein Gutachten nicht neutral, unabhängig und sorgfältig erstellt, bestätigt. Schutzwürdige Interessen des Sachverständigen oder der Beklagtenpartei, die gegen eine Akteneinsicht sprächen, seien nicht ersichtlich. Für die berufsrechtliche Prüfung sei es unerheblich, in welchem Stadium das Verfahren sei, zumal das Gutachten im inzwischen abgeschlossenen Beweissicherungsverfahren erstattet worden sei.
4
Gegen diese seinen Prozessbevollmächtigten am 25. April 2024 zugestellte Verfügung richtet sich der am selben Tag beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangene Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 24. Mai 2024, mit dem der Antragsteller die Aufhebung der Verfügung und die Ablehnung des Akteneinsichtsgesuchs erstrebt. Ein berechtigtes Interesse der LZK im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO liege nicht vor. Selbst wenn man darüber hinwegkäme, sei ermessensfehlerhaft versäumt worden, die zeitlichen Schranken des § 299 Abs. 2 ZPO zu prüfen. Die LZK habe nicht dargetan, weshalb sie sofort und nicht erst nach Abschluss des zivilgerichtlichen Verfahrens Akteneinsicht benötige. Der Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens sei irrelevant, da inzwischen beim Landgericht Aschaffenburg ein darauf bezogenes Klageverfahren anhängig sei. Bis zum rechtskräftigen Abschluss dieses Verfahrens, das nach Auffassung des Antragstellers noch weitere Instanzen durchlaufen werde, sei eine Einsichtnahme in die Akten ausgeschlossen. Der Kläger im haftungsrechtlichen Verfahren habe sich erst an die LZK gewandt, als sich abgezeichnet habe, dass all seine Einwendungen gegen die Ausführungen des Sachverständigen keinen Erfolg haben würden, um so außerhalb des Zivilprozesses den Beweiswert des Sachverständigengutachtens zu erschüttern. Dieses Vorgehen sei rechtsmissbräuchlich und habe jedenfalls im strengen Fristenregiment und den Beweisregeln der Zivilprozessordnung keinen Platz. Unter Umgehung der zivilprozessualen Gestaltungsmöglichkeiten solle der gerichtliche Sachverständige verunglimpft werden. Die Gewährung der Akteneinsicht wirke sich für den Antragsteller nachteilig aus; der Prozess gegen ihn könnte dadurch verzögert werden, was nicht zumutbar sei. Der LZK entstehe kein Nachteil, wenn sie die beantragte Akteneinsicht erst nach Abschluss des haftungsrechtlichen Verfahrens erhalte. Irgendwelche einzuhaltende Fristen habe die LZK nicht benannt; sie seien auch nicht existent. Unter Abwägung der wechselseitigen Interessen müsse das Akteneinsichtsgesuch daher abgelehnt werden.
5
Mit Verfügung vom 29. Mai 2024 hat der Senatsvorsitzende dem Antragsgegner und der LZK Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
6
Mit Schreiben vom 6. Juni 2024 führte die LZK (unter Wiederholung ihrer Argumentation im Übrigen) aus, nach § 49 Abs. 2 Heilberufsgesetz sei ein berufsgerichtliches Verfahren nicht mehr zulässig, wenn seit einem Verstoß gegen Berufspflichten, der keine schwerere berufsgerichtliche Maßnahme als Warnung, Verweis, zeitweise Entziehung des Wahlrechts oder Geldbuße gerechtfertigt hätte, mehr als fünf Jahre verstrichen seien. Eine zeitnahe Akteneinsicht sei daher nicht unerheblich, da vorliegend zu erwarten sei, dass die LZK im Falle der Bestätigung des Vorwurfs vor dem Heilberufsgericht eine Warnung, einen Verweis oder eine Geldbuße beantragen könne. Vor dem Hintergrund der vom Antragsteller angekündigten Prozessdauer könne die LZK daher nicht auf den rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens verwiesen werden. Das beanstandete Gutachten und damit der mögliche Berufsverstoß sei bereits im Jahr 2020 erfolgt, weshalb die Frist bereits seit Längerem laufe.
7
Der Antragsgegner beantragt, den Antrag als unbegründet zu verwerfen. Zwar sei die LZK keine dritte Person im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO, sondern eine vom Anwendungsbereich dieser Vorschrift grundsätzlich nicht erfasste Behörde; ihr Recht auf Akteneinsicht ergebe sich jedoch aus Art. 35 Abs. 1 GG, dessen Voraussetzungen ‒ hinreichend bestimmtes Ersuchen und Angewiesensein auf die beantragte Hilfeleistung ‒ vorlägen. Die etwaige Hoffnung des Klägers, das von ihm geführte zivilgerichtliche Verfahren beeinflussen zu können, sei für die LZK nicht ausschlaggebend. Der Ausgang des Zivilverfahrens sei für die LZK nicht maßgeblich und könne in Anbetracht der von ihr einzuhaltenden Fristen auch nicht abgewartet werden. Das Amtshilferecht ergebe sich unmittelbar aus der Verfassung und stehe auch nicht im Ermessen der ersuchten Behörde. Dass der angegriffene Bescheid auf § 299 Abs. 2 ZPO statt auf Art. 35 Abs. 1 GG gestützt worden sei, sei unerheblich, da das Landgericht die maßgeblichen tatsächlichen Voraussetzungen für eine Einsichtsgewährung nach der zutreffenden Vorschrift zusammengetragen und erkannt habe. Auf der Grundlage des vom Landgericht zutreffend festgestellten Sachverhalts sei nach Art. 35 Abs. 1 GG zwingend die begehrte Amtshilfe zu gewähren.
8
Mit Verfügung vom 26. August 2024 hat der Senatsvorsitzende darauf hingewiesen, dass die vom Antragsgegner geäußerte Auffassung, Grundlage des Akteneinsichtsgesuchs sei nicht § 299 Abs. 2 ZPO, sondern Art. 35 Abs. 1 GG, zutreffend sein dürfte, und dem Antragsteller sowie der LZK Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
9
Mit Schriftsatz vom 9. September 2024 vertrat der Antragstellervertreter die Auffassung, die Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 1 GG seien mangels Bedarfs der LZK für die beantragte Amtshilfeleistung nicht gegeben. Die LZK benötige nur das Gutachten und die ergänzende Stellungnahme. Diese Unterlagen könne sie sich vom Kläger im haftungsrechtlichen Verfahren vorlegen lassen, der das Verfahren bei der LZK angestoßen habe; einer Einsichtnahme in die gesamte Gerichtsakte bedürfe es nicht. Zudem komme Art. 35 Abs. 1 GG als Grundlage für den Datenaustausch selbst nicht in Betracht, wie sich aus den in der Verfügung vom 26. August 2024 angeführten Entscheidungen ergebe.
II.
10
Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig, aber unbegründet.
11
1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
12
a) Bei der angegriffenen Verfügung vom 3. April 2024 handelt es sich weder um eine in richterlicher Unabhängigkeit getroffene Entscheidung noch (trotz der gewählten Bezeichnung) um eine justizinterne Anweisung, sondern um eine regelnde Maßnahme der Justizverwaltung mit Außenwirkung, mithin um einen Justizverwaltungsakt im Sinne des § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG. Das ergibt sich sowohl aus seinem Inhalt (Entscheidung über das Gesuch eines Dritten auf Einsicht in eine gerichtliche Verfahrensakte) als auch aus dem Umstand, dass die Richterin die Verfügung mit dem Zusatz „i. A.“ (im Auftrag) unterzeichnet und sich für ihre Entscheidungszuständigkeit auf eine „Präsidialverfügung“ bezogen hat. Damit ist, der erteilten Rechtsbehelfsbelehrungentsprechend, der Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß §§ 23 ff. EGGVG der statthafte Rechtsbehelf.
13
b) Dieser Antrag ist innerhalb der Monatsfrist des § 26 Abs. 1 EGGVG bei dem gemäß § 25 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG zuständigen Bayerischen Obersten Landesgericht gestellt worden. Indem er ausgeführt hat, dass die gewährte Akteneinsicht sowohl zu einer Verlängerung des gegen ihn geführten Haftungsprozesses als auch zu einer Beeinträchtigung seiner Verteidigungsmöglichkeiten in diesem Prozess führen könne, hat der Antragsteller die Möglichkeit einer Verletzung in eigenen Rechten im Sinne des § 24 Abs. 1 EGGVG dargelegt.
14
2. Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da der angegriffene Justizverwaltungsakt trotz Heranziehung einer nicht einschlägigen Rechtsgrundlage durch die Justizbehörde nicht rechtswidrig ist (§ 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG) und der Senat in der Lage ist, über das als Amtshilfeersuchen zu behandelnde Akteneinsichtsgesuch abschließend zu entscheiden.
15
a) Zutreffend hat der Antragsgegner ausgeführt, dass es sich bei dem Antrag der LZK vom 17. Oktober 2023 nicht um ein Akteneinsichtsersuchen eines Dritten im Sinne des § 299 Abs. 2 ZPO, sondern um ein Amtshilfeersuchen im Sinne des Art. 35 Abs. 1 GG handelt, nach welcher Vorschrift sich alle Behörden des Bundes und der Länder gegenseitig Rechts- und Amtshilfe leisten. Dem weiten Behördenbegriff des Art. 35 Abs. 1 GG unterfällt nicht nur die ersuchte Justizbehörde (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 27. April 1971, 2 BvL 31/71, BVerfGE 31, 43 [juris Rn. 16 bis 18]), sondern auch die LZK, die als Körperschaft des öffentlichen Rechts mit der ihr gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 Heilberufsgesetz übertragenen Überwachung der Erfüllung der Berufspflichten durch die ihr angehörenden Zahnärzte eine Aufgabe der öffentlichen Verwaltung wahrnimmt (vgl. Dederer in Dürig/Herzog/Scholz, GG, 104. EL April 2024, Art. 5 Rn. 33).
16
b) Der Umstand, dass die Justizbehörde ihre Entscheidung unzutreffenderweise auf § 299 Abs. 2 ZPO gestützt hat, kann dem Antrag nicht zum Erfolg verhelfen. Die Verwaltungsgerichte haben umfassend zu prüfen, ob das materielle Recht die durch einen Verwaltungsakt getroffene Regelung trägt oder nicht, wozu auch die Prüfung gehört, ob ein angegriffener Verwaltungsakt kraft einer anderen als der angegebenen Rechtsgrundlage rechtmäßig ist (BVerwG, Urt. v. 30. Juni 1989, 4 C 40/88, BVerwGE 82, 185 [juris Rn. 20] m. w. N. aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts). Für den Senat, der mit der gerichtlichen Prüfung eines Justizverwaltungsakts funktional die Aufgabe eines Verwaltungsgerichts wahrnimmt, kann insoweit nichts anderes gelten.
17
Diese Prüfung darf allerdings nicht dazu führen, dass der Senat anstelle der zuständigen Justizbehörde eine eigene Ermessensentscheidung trifft, was § 28 Abs. 3 EGGVG verletzen würde; der Austausch der Rechtsgrundlage durch das Gericht ist also nicht möglich, wenn die Anwendung der „neuen“ Rechtsgrundlage Ermessenserwägungen voraussetzt, welche die Justizbehörde noch nicht vorgenommen hat (BGH NZI 2021, 598 Rn. 17; BayObLG, Beschluss vom 18. September 2024, 102 VA 16/24, juris Rn. 58; vgl. auch VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 15. Mai 1991, 8 S 1068/91, juris Rn. 10).
18
c) Im vorliegenden Fall ist die Bewilligung von Akteneinsicht jedoch eine gebundene Entscheidung. Der Senat ist deshalb in der Lage, selbst die Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheids festzustellen.
19
aa) Die Voraussetzungen des Art. 35 Abs. 1 GG liegen vor. Entgegen den Ausführungen des Antragstellervertreters scheitert das Amtshilfeersuchen nicht daran, dass die LZK der erbetenen Informationen gar nicht bedürfte.
20
(1) Zum einen geht es nicht an, die LZK als Körperschaft des öffentlichen Rechts hinsichtlich des Gutachtens, des Ergänzungsgutachtens und der Ausführungen, mit denen der Sachverständige sein Gutachten mündlich erläutert hat, vorrangig an den Kläger des zivilgerichtlichen Verfahrens zu verweisen und damit zu begründen, dass die LZK diese Unterlagen vom Amtsgericht Aschaffenburg nicht benötige. Wie dargelegt, handelt die LZK hier in Erfüllung einer Aufgabe der öffentlichen Verwaltung. Benötigt sie diesbezüglich bei einer Behörde vorhandene Informationen, kann dem nicht entgegengehalten werden, sie könne sich diese Informationen ebenso gut bei einer Privatperson beschaffen, auf deren personenbezogene Daten sich das Auskunftsersuchen nicht im Sinne des Art. 4 Abs. 2 Satz 1 BayDSG bezieht; dass der Kläger des zivilgerichtlichen Verfahrens das Prüfverfahren der LZK angestoßen hat, ändert daran nichts.
21
(2) Zum anderen und vor allem aber hat die LZK entgegen den Ausführungen des Antragstellervertreters von Anfang an dargelegt, dass sie nicht nur die Gutachten und die Ausführungen des Sachverständigen in der mündlichen Verhandlung benötige, sondern die „Einsichtnahme in die Gerichtsakte […] um die durch den Gutachter seinem Gutachten zugrunde gelegten Informationen und Unterlagen in diese Überprüfung einbeziehen zu können“. Dieser nachvollziehbaren und den Senat überzeugenden Argumentation ist der Antragsteller nicht entgegengetreten.
22
bb) Zutreffend hat der Antragsteller allerdings darauf hingewiesen, dass Art. 35 Abs. 1 GG zwar alle Behörden verpflichtet, einander Amtshilfe zu leisten, aber wegen des damit verbundenen Grundrechtseingriffs nicht als Rechtsgrundlage für die hier inmitten stehende Datenübermittlung dienen kann; insofern bedarf es nach dem sogenannten „Doppeltürmodell“ sowohl für die ersuchende als auch für die ersuchte Behörde einer den Datentransfer erlaubenden Vorschrift (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. Mai 2020, 1 BvR 1873/13 ‒ Bestandsdatenauskunft II, BVerfGE 155, 119 [juris Rn. 93]; BayObLG, Beschluss vom 27. Januar 2021, 1 VA 37/20, FamRZ 2021, 891 [juris Rn. 39]).
23
Die von der LZK begehrte Akteneinsicht lässt sich jedoch auf Art. 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Alt. 2 i. V. m. Abs. 4 Sätze 1 und 2 BayDSG stützen. Danach ist eine Übermittlung personenbezogener Daten zulässig, wenn sie zur Erfüllung einer der empfangenden öffentlichen Stelle obliegenden Aufgaben erforderlich ist, wobei die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung die ersuchende Stelle trägt, während die ersuchte Stelle nur zu prüfen hat, ob das Ersuchen im Rahmen der Aufgaben des Empfängers liegt.
24
Die Verantwortung für die Zulässigkeit der Übermittlung trägt die ersuchte Stelle hingegen nur, wenn besonderer Anlass zur Prüfung der Zulässigkeit besteht (Art. 5 Abs. 4 Satz 3 BayDSG). Für den Fall, dass weitere, auf den Anlass der Übermittlung nicht bezogene personenbezogene Daten der betroffenen Person oder Dritter mit übermittelt werden, ist ferner Art. 5 Abs. 2 BayDSG zu beachten, wonach eine solche Übermittlung nur zulässig ist, wenn die Trennung der Daten nicht oder nur mit unverhältnismäßigem Aufwand möglich ist und soweit nicht schutzwürdige Interessen der betroffenen Person oder Dritter offensichtlich überwiegen.
25
An diesen Vorgaben gemessen, ist die vom Landgericht Aschaffenburg bewilligte Akteneinsicht rechtmäßig.
26
(1) Das Ersuchen um Akteneinsicht liegt im Aufgabenbereich der ersuchenden LZK (Art. 5 Abs. 4 Satz 2 BayDSG). Dieser obliegt es nach den oben genannten Vorschriften als Aufgabe der öffentlichen Verwaltung, die Einhaltung der berufsrechtlichen Bestimmungen durch ihre Angehörigen zu überwachen und Verstöße zu ermitteln und gegebenenfalls zu ahnden oder einer Ahndung zuzuführen. Der Erfüllung dieser Aufgabe dient die begehrte Akteneinsicht.
27
(2) Anders als im Fall, der dem genannten Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 27. Januar 2021 (FamRZ 2021, 891 [juris Rn. 61]; ebenso BayObLG, Beschluss vom 6. August 2020, 1 VA 33/20, FamRZ 2020, 1942 [juris Rn. 57 und 64]) zugrunde lag, bestand hier für die ersuchte Stelle kein besonderer Anlass im Sinne des Art. 5 Abs. 4 Satz 3 BayDSG, die Zulässigkeit der Übermittlung selbst zu prüfen.
28
(a) Im Unterschied zum Sozialhilfeträger im dem Beschluss vom 27. Januar 2021 zugrunde liegenden Fall hat die LZK nicht durch ein besonders weit gefasstes Ersuchen bei gleichzeitigem Fehlen jeder Begründung zu erkennen gegeben, dass sie der zunächst ihr zugewiesenen Verantwortung zur Prüfung der Zulässigkeit der Datenübermittlung nicht Rechnung getragen hätte. Vielmehr hat die LZK gegenüber dem Landgericht Aschaffenburg nicht nur eingehend begründet, zur Erfüllung welcher öffentlich-rechtlichen Aufgabe das Ersuchen gestellt wird, sondern auch, warum eine Einsichtnahme nicht nur in die Gutachten, sondern in die Gerichtsakte erforderlich sei.
29
(b) Zudem hat das Bayerische Oberste Landesgericht in seinem Beschluss vom 27. Januar 2021 eine eigene Prüfungspflicht der ersuchten Stelle im Sinne des Art. 5 Abs. 4 Satz 3 BayDSG damit begründet, dass die begehrte Übersendung der vollständigen Jahresberichte eines Betreuers zur Übermittlung besonders sensibler Daten zu den privaten Lebensverhältnissen des Betroffenen führte. Davon kann hier weder mit Blick auf den Gutachter noch mit Blick auf den Antragsteller die Rede sein.
30
(3) Auch Art. 5 Abs. 2 BayDSG steht der Rechtmäßigkeit der gewährten Akteneinsicht schließlich nicht entgegen.
31
(a) Diese Bestimmung eröffnet kein (Rechtsfolge-)Ermessen; vielmehr hängt die zwingende Rechtsfolge („ist unzulässig“) davon ab, ob (tatbestandliche) unbestimmte und ausfüllungsbedürftige Rechtsbegriffe („nur mit unvertretbarem Aufwand“; offensichtliches Überwiegen schutzwürdiger Interessen der betroffenen Person oder Dritter) erfüllt sind oder nicht.
32
Diese Beurteilung obliegt dem Senat, denn die Regeln über die eingeschränkte Kontrolle des Verwaltungsermessens gelten nicht ohne Weiteres für die Auslegung und Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe (BVerfG, Beschluss vom 31. Mai 2011, 1 BvR 857/07, BVerfGE 129, 1 [juris Rn. 70]; BVerwG, Urt. v. 22. September 2016, 4 C 6/15, BVerwGE 156, 136 [juris Rn. 17]).
33
(b) Eine Trennung der den Antragsteller betreffenden persönlichen Daten von den personenbezogenen Daten des Sachverständigen, dessen Verhalten die LZK überprüfen will, ist schon deshalb nicht möglich, weil die vom Sachverständigen vorgenommene und von der LZK zu überprüfende Begutachtung gerade auf eine zahnärztliche Behandlung durch den Antragsteller bezogen ist.
34
(c) Es ist auch nicht so, dass schutzwürdige Interessen des Antragstellers das Interesse der LZK an der Akteneinsicht (zum jetzigen Zeitpunkt) im Sinne des Art. 5 Abs. 2 BayDSG offensichtlich überwögen.
35
Als ein solches Interesse macht der Antragsteller geltend, die Gewährung der Akteneinsicht drohe seine Rechtsverteidigung im zivilgerichtlichen Verfahren zu beeinträchtigen und dieses zu verlängern.
36
Dies sind jedoch keine im hiesigen Verfahren als schutzwürdig anzuerkennende Interessen; denn die etwaige Feststellung einer berufsrechtlichen Verfehlung des Sachverständigen durch die LZK beeinträchtigte die Position des Antragstellers im zivilgerichtlichen Verfahren nicht unmittelbar. Insofern ist die Befürchtung des Antragstellers, die Akteneinsicht könne dazu führen, dass der Beweiswert des Sachverständigengutachtens „außerhalb des Zivilprozesses“ erschüttert wird, unzutreffend. Die Akteneinsicht könnte gegebenenfalls nur dann zu einer Erschütterung des Beweiswerts des Gutachtens führen, wenn eine etwaige Beanstandung durch die LZK ‒ nach den für diesen geltenden Bestimmungen ‒ in den Zivilprozess eingeführt würde. Ein etwaiges Interesse des Antragstellers daran, dass bestimmte Inhalte auch dann nicht in den Zivilprozess eingeführt werden, wenn dies nach den zivilprozessualen Bestimmungen zulässig ist, wäre jedoch nicht schutzwürdig; keinesfalls würde ein solches Interesse das Interesse der LZK an der Akteneinsicht offensichtlich überwiegen.
III.
37
1. Ein Ausspruch zur Kostentragung ist nicht veranlasst, weil der Antragsteller bereits nach den gesetzlichen Bestimmungen (§ 1 Abs. 1 und 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG) verpflichtet ist, die gerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen.
38
2. Die Voraussetzungen, unter denen gemäß § 29 Abs. 2 EGGVG die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist, liegen nicht vor.
39
3. Die nach § 1 Abs. 1 und 2 Nr. 19, § 3 Abs. 1 und 2 GNotKG i. V. m. Nr. 15301 KV GNotKG erforderliche Geschäftswertfestsetzung beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.