Titel:
Verwertung eines schriftlichen Gutachtens und des Ergebnisses einer mündlichen Sachverständigenanhörung nach Richterwechsel
Normenkette:
ZPO § 160, § 160a Abs. 1, § 286, § 355 Abs. 1, § 402, § 412 Abs. 1, § 522 Abs. 2, § 543 Abs. 2
Leitsätze:
1. Zur Verwertung eines schriftlichen Gutachtens und des Ergebnisses einer mündlichen Sachverständigenanhörung nach erfolgtem Richterwechsel.
2. Es ist verfahrensrechtlich unbedenklich, einem mündlich angehörten Sachverständigen zum Zwecke der vorläufigen Protokollaufzeichnung vorübergehend das Diktiergerät zu übergeben, wenn gewährleistet ist, dass Unstimmigkeiten oder Missverständnisse über Wortlaut und Inhalt der Aufzeichnung unmittelbar geklärt werden können (Abgrenzung von OLG Hamm, BeckRS 2023, 40999 = r+s 2024, 425).
Kann der gerichtliche Sachverständige eine fortbestehende Berufsunfähigkeit nicht mit hinreichender Gewissheit ausschließen, ist der im Nachprüfungsverfahren nach einer Einstellungsmitteilung dem Versicherer obliegende Beweis einer nicht mehr bestehenden Berufsunfähigkeit nicht geführt. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gerichtsverfassung und Zivilverfahren, Privatversicherungsrecht, Sachverständigengutachten, Sachverständigenanhörung, Richterwechsel, Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme, Protokollierung, Diktiergerät, Divergenz
Vorinstanz:
LG Nürnberg-Fürth, Endurteil vom 27.10.2023 – 8 O 4238/20
Fundstellen:
MDR 2025, 128
BauR 2025, 291
DS 2025, 132
LSK 2024, 27488
BeckRS 2024, 27488
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27.10.2023, Aktenzeichen 8 O 4238/20, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages geleistet hat.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 105.258,40 € festgesetzt.
Gründe
1
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27.10.2023 sowie auf die einleitende Darstellung im Rahmen des nachfolgend abgedruckten Senatshinweises vom 05.08.2024 Bezug genommen.
2
Das Landgericht hat – nach Beweisaufnahme – die Beklagte zur Fortzahlung der Vertragsleistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung verurteilt, da das vom Versicherer durchgeführte Nachprüfungsverfahren nicht zur Beendigung der Leistungspflicht geführt habe.
3
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer Berufung.
4
Im Berufungsverfahren beantragt die Beklagte,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27.10.2023, Az. 8 O 4238/20, die Klage abzuweisen.
kostenpflichtige Berufungszurückweisung.
6
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 27.10.2023, Aktenzeichen 8 O 4238/20, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
7
Zur Begründung wird auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 05.08.2024 Bezug genommen. Dort war zur Sache ausgeführt worden:
Die Parteien streiten – nach einem Versicherer-Anerkenntnis aus 2016 – in Zusammenhang mit einem durchgeführten Nachprüfungsverfahren über das Fortbestehen von Leistungsansprüchen des Klägers aus einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die er im Jahre 2001 mit einem Laufzeitende zum 31.03.2027 bei der *** und *** Lebensversicherungs AG, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist, abgeschlossen hat.
Die Einzelheiten zum streitgegenständlichen Versicherungsschutz sind in der angefochtenen Entscheidung zutreffend wiedergegeben (LGU 2), der Versicherungsschein wurde als Schriftsatzanlage K 1 vorgelegt, die maßgeblichen „Bedingungen für die Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung, BUZVB (06.00)“ als Anlage B 1.
Mit Schreiben vom 18.10.2016 (Anlage K 3) hat die Beklagte ihre Leistungspflicht mit Rückwirkung zum 01.05.2016 anerkannt und dementsprechend die Vertragsleistungen (monatliche BU-Rente einschließlich Bonusrente 1.506,70 € bei Freistellung von der Beitragszahlungspflicht in Höhe von 112,66 € monatlich) in der Folgezeit erbracht.
Nach Durchführung eines bedingungsgemäßen Nachprüfungsverfahrens (vgl. § 10 BB-BUZ) hat die Beklagte mit Schreiben vom 05.06.2018 (Anlage K 5) dem Kläger mitgeteilt, dass nach den fachärztlichen Prüfungen keine Berufsunfähigkeit mehr bestehe und deshalb zum 31.07.2018 die Leistungen eingestellt würden. Das dieser Einschätzung zu Grunde liegende Neurologisch-Psychiatrische Fachgutachten des Dr. H. vom 25.05.2018 (Anlage K 6) wurde mit übersandt.
Damit war der Kläger nicht einverstanden. Mit seiner schließlich unter dem 03.06.2020 erhobenen Klage begehrt er einen ununterbrochenen, fortgesetzten Leistungsbezug (ab August 2018, vgl. Klageschrift, S. 7). Er stellt insbesondere in Abrede, dass eine signifikante Verbesserung seines Gesundheitszustands eingetreten sei.
Die Beklagte verteidigt die Rechtswirksamkeit ihrer Einstellungsmitteilung.
Das Landgericht hat ein psychiatrisches Sachverständigengutachten (Prof. Dr. S., Universitätsklinikum E.) vom 01.03.2022 (Bl. 137-165 d.A.) nebst schriftlichem Ergänzungsgutachten vom 09.07.2022 (Bl. 209-228 d.A.) eingeholt und zusätzlich den Sachverständigen noch mündlich angehört (vgl. Protokoll vom 23.06.2023, Bl. 266 ff. d.A.).
Sodann hat das Landgericht – nach Übergang ins schriftliche Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO (Bl. 292 d.A.) – mit Endurteil vom 27.10.2023 (Bl. 299 ff. d.A.) der Klage im vollen Umfang stattgegeben. Es hat dabei darauf abgestellt, dass die Nachprüfungsentscheidung der Beklagten materiell (inhaltlich) unzutreffend sei, denn nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Kläger unverändert bedingungsgemäß berufsunfähig, eine relevante Verbesserung seines Gesundheitszustands sei nicht gegeben (LGU 8-12).
Dagegen wendet sich die Beklagte mit ihrer – in zulässiger Form und Frist – eingelegten und begründeten Berufung. Sie rügt – unter verschiedenen Teilaspekten – diverse Unzulänglichkeiten der erstinstanzlichen Beweisaufnahme, die durch mehrfachen Richterwechsel erschwert worden sei, zudem könne das Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. wegen inhaltlicher Mängel keine tragfähige Entscheidungsgrundlage sein, vielmehr müsse gemäß § 412 ZPO ein neues Gutachten erholt werden (vgl. Berufungsbegründung vom 31.01.2024, Bl. 337-363 d.A.).
Der Kläger verteidigt das Ersturteil mit seiner Berufungserwiderung vom 21.02.2024 (Bl. 368 ff. d.A.).
Das Ersturteil hält den Berufungsangriffen stand.
Es wird zunächst Bezug genommen auf die detaillierten und mit erkennbarer Sorgfalt ausgearbeiteten Gründe des angefochtenen Urteils, die den Senat überzeugen.
Ergänzend ist zur kurzen Begründung der Bestätigung der angefochtenen Entscheidung (vgl. § 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) im Hinblick auf die Berufungsbegründung vom 31.01.2024 noch auszuführen:
1. Die Beklagte hat weder neue berücksichtigungsfähige Tatsachen vorgetragen (§ 529 Abs. 1 Nr. 2 ZPO) noch konkrete Anhaltspunkte aufgezeigt, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Tatsachenfeststellungen des Landgerichts begründen würden (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Es ist daher von dem im angefochtenen Urteil zugrunde gelegten Sachverhalt auszugehen. Dieser rechtfertigt weder eine andere Entscheidung noch ist eine Rechtsverletzung vorgetragen, auf der die erstinstanzliche Entscheidung beruhen würde (§ 513 Abs. 1 ZPO).
2. Die Berufungsangriffe der Beklagten sind nicht begründet und können deshalb den Bestand des angefochtenen Urteils nicht gefährden. Die monierten „unrichtigen Tatsachenfeststellungen“ lassen sich ebenso wenig feststellen wie die behaupteten „Rechts- und/oder Verfahrensfehler“.
Die Voraussetzungen für einen späteren Wegfall der – vormals anerkannten – Leistungspflicht hat der Versicherer darzulegen und zu beweisen. Das Beweismaß ist § 286 ZPO (Vollbeweis), auch bei psychischen Erkrankungen; allgemeine Regeln, wonach etwa eine Wahrscheinlichkeit von 80% im Bereich der Psychiatrie ausreiche, sind mit § 286 ZPO und der eindeutigen höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht vereinbar. Kann der gerichtliche Sachverständige eine fortbestehende Berufsunfähigkeit nicht mit hinreichender Gewissheit ausschließen, ist der Beweis einer nicht mehr bestehenden Berufsunfähigkeit nicht geführt (vgl. Neuhaus, Berufsunfähigkeitsversicherung, 4. Aufl., Kap. 14 Rn. 181).
Diesen Beweis hat die Vorinstanz fehlerfrei für nicht erbracht angesehen.
Die Berufungsinstanz stellt einerseits keine vollständige zweite Tatsacheninstanz dar. Daher ist die Beweiswürdigung des Erstgerichts im Rahmen der §§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO im Wesentlichen darauf zu untersuchen, ob erhebliches Parteivorbringen übergangen worden ist, notwendige Beweise nicht erhoben worden sind, die Beweislast oder das Beweismaß verkannt worden sind oder im Rahmen der Würdigung gegen Denk- und Naturgesetze verstoßen worden ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 21.06.2016 – VI ZR 403/14, NJW-RR 2017, 219 Rn. 10 m.w.N.; Musielak/Voit/Ball, ZPO, 21. Aufl., § 529 Rn. 5).
Andererseits dient auch die Berufungsinstanz der Gewinnung einer fehlerfreien und überzeugenden und damit richtigen Entscheidung des Einzelfalls. Daher hat das Berufungsgericht die erstinstanzliche Überzeugungsbildung nicht nur auf Rechtsfehler zu überprüfen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 04.09.2019 – VII ZR 69/17, NJW-RR 2019, 1343 Rn. 11 m.w.N.).
Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der vom erstinstanzlichen Gericht aufgrund erhobener Beweise getroffenen Feststellungen sind allerdings nur begründet, wenn aus der Sicht des Berufungsgerichts eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass eine (ergänzende oder wiederholte) Beweisaufnahme in zweiter Instanz zu abweichenden Feststellungen führen wird (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2018 – VII ZR 170/17, NJW-RR 2018, 651 Rn. 15 m.w.N.). Lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit begründen eine solche Wahrscheinlichkeit nicht.
Um im Rahmen der Berufungsbegründung Zweifel an der Beweiswürdigung des Erstgerichts darzulegen (§ 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3, § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), genügt es regelmäßig nicht, der plausiblen Auffassung eines Sachverständigen lediglich die abweichende Meinung des Berufungsführers entgegenzuhalten (vgl. OLG Bamberg, BeckRS 2024, 15450; OLG Dresden, BeckRS 2020, 28356 Rn. 15).
Solange die Beweiswürdigung innerhalb der zuvor genannten Grenzen sachlich überzeugt, wird die Berufung keinen Erfolg haben (vgl. OLG Koblenz, BeckRS 2018, 28845 Rn. 9; Jäckel, Das Beweisrecht der ZPO, 3. Aufl., Rn. 857).
Dies ist hier der Fall, wie nachstehend im Einzelnen ausgeführt wird.
3. Das Nachprüfungsverfahren endet damit, dass der Versicherer dem Anspruchsberechtigten schriftlich mitteilt, er werde (weil nach seiner Auffassung die Leistungsvoraussetzungen nicht mehr oder nicht mehr voll gegeben seien) seine Leistungen einstellen. Die Rechtsprechung knüpft an diese Mitteilung recht strenge Anforderungen mit der Besonderheit, dass ein Verstoß dagegen die Leistungseinstellung unwirksam werden lässt. Eine formell ordnungsgemäße Änderungsmitteilung ist für ein Erlöschen der Leistungspflicht des Versicherers in der Berufsunfähigkeitsversicherung konstitutiv. Das heißt: Veränderungen in den Leistungsvoraussetzungen für die Berufsunfähigkeitsrente sind rechtlich ohne Bedeutung und vom Gericht nicht zu prüfen, wenn eine formell ordnungsgemäße Änderungsmitteilung fehlt. Kommt es nicht zu einer (formell ordnungsgemäßen) Mitteilung, besteht die anerkannte Leistungspflicht auch dann fort, wenn sich die maßgeblichen Umstände derart geändert haben, dass sie den Versicherer zur Leistungseinstellung berechtigt hätten. Bereits formelle Mängel können also dazu führen, dass der Versicherer weiter leisten und notfalls die Einstellungsmitteilung wiederholen muss. Formell ist die Mitteilung eine empfangsbedürftige Willenserklärung und hat in Textform zu erfolgen (Neuhaus, a.a.O., Kap.14 Rn. 107 f. m.w.N.).
Die formelle Wirksamkeit der im Versicherer-Schreiben vom 05.06.2018 (Anl. K 5) verkörperten Nachprüfungsentscheidung (Einstellungsmitteilung) der Beklagten hat das Landgericht sorgfältig geprüft und festgestellt (LGU 4-8). Diese Feststellung wird von der Berufungsführerin – interessengerecht – nicht angegriffen. Weil die Berufung mit ihren Angriffen nicht durchdringt (dazu sogleich), besteht in der aktuellen Verfahrenslage keine Veranlassung, sich mit den umfangreichen Darlegungen der Berufungserwiderung, warum – entgegen der Ansicht des Erstgerichts – die streitgegenständliche Nachprüfungsentscheidung der Beklagten sehr wohl an durchgreifenden formellen Mängeln leide, inhaltlich auseinanderzusetzen.
4. Die Berufungsangriffe des Versicherers gegen die der angefochtenen Entscheidung zu Grunde gelegten Ergebnisse des vom Landgericht – umfangreich und erschöpfend – erhobenen Sachverständigenbeweises zur Klärung der medizinischen Beweisfragen (hier: zum Fortbestehen der bedingungsgemäßen Berufsunfähigkeit und zur Verbesserung des Gesundheitszustands des Versicherten) überzeugen nicht (wie der Senat in einem vergleichbaren Parallelfall gegen denselben BU-Versicherer, vertreten durch dieselben Prozessbevollmächtigten wie vorliegend, erst jüngst entschieden hat: vgl. Az. 8 U 1402/23, § 522 Abs. 2 ZPO-Hinweis vom 09.02.2024 zur VR-Berufung, Zurückweisungsbeschluss vom 03.05.2024; dort aber betreffend einen anderen renommierten medizinischen Sachverständigen).
Im vorliegenden Fall sind weder die monierten „erheblichen, offenkundigen“ Mängel des Gutachtens des Sachverständigen Prof. Dr. S. festzustellen noch liegen die gesetzlichen Voraussetzungen der Einholung eines weiteren Gutachtens gemäß §§ 525, 412 ZPO vor.
a) Die Beklagte hatte bereits erstinstanzlich versucht, den vom Landgericht beauftragten Sachverständigen, Prof. Dr. S. (Facharzt für Psychiatrie, Leiter Forensische Psychiatrie, Psychiatrische und Psychotherapeutische Klinik, Universitätsklinikum E.) – ungeachtet einer Einstufung als „sehr qualifizierten Hochschullehrer“ – als praxisfern und oberflächlich arbeitend (im Rahmen von Gutachtenserstellungen) zu diskreditieren (vgl. etwa Schriftsatz vom 05.07.2023, S. 2, Bl. 275 d.A.).
In diesem Sinne versucht nunmehr die Berufungsbegründung der Beklagten, Zweifel am erstinstanzlichen Beweisergebnis zu formulieren und eine Neubegutachtung gemäß § 412 ZPO zu erreichen, indem – quasi einleitend und im Wege von generalisierenden Obersätzen – ausgeführt wird (ebda., S. 2-3, Bl. 338/339 d.A., Auszug):
Die Ausführungen des Landgerichts zur vermeintlich fehlenden Notwendigkeit der Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 Abs. 1 ZPO auf den Seiten 10 bis 12 der Urteilsausfertigung erscheinen nur auf den ersten Blick und nur für sich betrachtet plausibel. Sie berücksichtigen aber nicht die sich aus der sehr oberflächlichen und schematischen Fertigung des Hauptgutachtens vom 01.03.2022 ergebenden Mängel. Der Aufbau und die Struktur des psychiatrisch begründeten Gutachtens vom 01.03.2022 des Sachverständigen Prof. Dr. S. entspricht dem bei ihm üblichen Aufbau und der bei ihm üblichen Struktur. Genau diese Art der Erstellung des Hauptgutachtens, die auf einer nur oberflächlichen Begutachtung der versicherten Person, der unzureichenden Analyse der Befunde anderer Ärzte und Gutachter und einer standardisierten Darstellung, ungeachtet der Besonderheiten des versicherten Berufs, beruht, gibt uns seit vielen Jahren immer wieder Anlass, die Richtigkeit und Vollständigkeit der gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. zu rügen. Die tatsächlichen Hintergründe liegen auf der Hand:
Der Sachverständige Prof. Dr. S. ist ein erfahrener Arzt und Gutachter. Angesichts der besonderen Vielzahl der von ihm übernommenen Gutachtensaufträge erscheint es naheliegend, dass ihm neben seiner Tätigkeit als Arzt, Klinikdirektor und Hochschullehrer in der Regel nicht mehr genug Zeit verbleibt, um die zahlreichen psychiatrischen Gutachten auf der Grundlage einer sorgfältigen Auswertung der vorliegenden ärztlichen Berichte und Gutachten und einer ebenso sorgfältigen Befragung des jeweiligen Probanden, ohne die kein überzeugender psychopathologischer Befund unter Darlegung der Fremdbeobachtung erstellt werden kann, sorgfältig zu fertigen. Soweit der Sachverständige mit einem nicht unerheblichen argumentativen Geschick den Versuch unternimmt, nachträglich die sich aus der Erstbegutachtung ergebenden Mängel zu beheben und Lücken zu schließen, bleibt es aber dabei, dass seine gutachterlichen Feststellungen eher spekulativ wirken und jedenfalls nicht erkennbar das Ergebnis schrittweise im Rahmen der Begutachtung gewonnener Erkenntnisse sind. Wir möchten in diesem Sinne das von Prof. Dr. S. gefertigte Gutachten mit einem auf Sand gebauten Haus vergleichen, dass auf den ersten Blick ansehnlich wirkt, aber gerade nicht auf dem festen Boden eines den gutachterlichen Leitlinien entsprechenden Erkenntnisgewinns steht.
Diese Bemühungen der Berufungsführerin bleiben ohne Erfolg.
Der Sachverständige Prof. Dr. S. ist dem Senat aus einer Vielzahl von Verfahren, in denen es – auch und gerade aus dem Bereich der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung – um medizinische Beweisfragen auf dem Gebiet der Psychiatrie ging, bekannt. Seine besondere Sachkunde und seine forensische Erfahrung werden letztlich von der Beklagten nicht ernstlich in Zweifel gezogen.
Die monierten – vorgeblich standardmäßig vorkommenden – Oberflächlichkeiten, Lückenhaftigkeiten oder Begründungsmängel in seinen Gutachten sind dem Senat weder untergekommen noch sonst bekannt geworden.
Die Beklagte selbst trägt auch nicht vor, dass ein „Ursprungsgutachten“ des Sachverständigen nach wiederholten Beanstandungen und dadurch veranlassten schriftlichen oder mündlichen Ergänzungen im Ergebnis hätte berichtigt und in sein (prozessrechtliches) Gegenteil verkehrt werden müssen. Derartiges ist dem Senat auch nicht bekannt. Ebenso wenig trägt die Beklagte vor, dass jemals ein „Obergutachten nach § 412 ZPO“ das vorangehende Gutachtensergebnis des Prof. Dr. S. zu Fall gebracht hätte. Auch solches ist dem Senat nicht erinnerlich.
Bezeichnenderweise ist zu dem Berufungsvorbringen der Beklagten, die Arbeitsweise des hier vom Landgericht beauftragten Sachverständigen in Zusammenhang mit der Erstellung von Gutachten gebe ihr „seit vielen Jahren immer wieder Anlass, die Richtigkeit und Vollständigkeit der gutachterlichen Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. zu rügen“, Folgendes festzustellen:
Nach Erlass des Beweisbeschlusses vom 19.10.2021 (Bl. 77 ff. d.A.) und der Benennung des Sachverständigen war es der Kläger/Versicherungsnehmer, der Bedenken gegen die Person des Sachverständigen äußerte (vgl. KV-Schriftsätze vom 21.10.2021, Bl. 85 d.A., und vom 30.11.2021, Bl. 95 d.A.), allerdings ausdrücklich nicht gestützt auf Qualitätsbedenken, als vielmehr auf die – vermutete – berufliche Zusammenarbeit von Prof. Dr. S. mit dem von der Beklagten im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens beauftragten Gutachter Dr. H. In dieser Prozesssituation war es – noch – die beweispflichtige Beklagte, die die Auswahlentscheidung des Gerichts verteidigte und gegen Prof. Dr. S. keinerlei Bedenken erhob (vgl. BV-Schriftsätze vom 09.11.2021, Bl. 88 d.A., und vom 16.11.2021, Bl. 93 d.A.). Erst als dann das Ergebnis des erholten Gutachtens nicht im Sinne des Versicherers / der Beklagten ausgefallen ist, werden die vorgeblich seit Jahren bekannten Unzulänglichkeiten des Sachverständigen in den Vordergrund gerückt. All dies spricht für sich selbst.
b) Im Streitfall hat der Sachverständige zweimal schriftlich ausführlich seine Bewertungen und Einordnungen dargelegt und sich darüber hinaus auch noch einer ergänzenden mündlichen Anhörung und Befragung unterzogen.
In Übereinstimmung mit dem Erstgericht ist der Senat nach eigener Prüfung und Bewertung zu dem Schluss gekommen, dass insgesamt die Begutachtung des Sachverständigen Prof. Dr. S. sorgfältig und erschöpfend durchgeführt und dann auch plausibel und gut nachvollziehbar begründet wurde.
Insbesondere mit dem von Versichererseite im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens eingeholten Gutachten des Dr. H. vom 25.05.2018 (Anlage K 6), auf welches die streitgegenständliche Einstellungsmitteilung der Beklagten vom 05.06.2018 (Anlage K 5) maßgeblich gestützt wurde, hat sich der Sachverständige intensiv auseinandergesetzt (vgl. HGA, S. 7 ff., Bl. 143 ff. d.A.; S. 25, Bl. 161 d.A.; Protokoll über die mündliche Anhörung vom 23.06.2023, S. 3-6, Bl. 268 ff. d.A.) und hierbei auch die von Beklagtenseite dazu noch vorgebrachten umfangreichen Zusatzfragen (vgl. BV-Schriftsatz vom 20.05.2022, S. 10-12, Bl. 181/182 d.A.) penibel abgearbeitet (vgl. ErgGA, S. 5 ff., Bl. 213 ff. d.A.).
Der Sachverständige hat den Kläger am 28.02.2022 persönlich untersucht und anamnestisch befragt (HGA, S. 11, Bl. 147 d.A.) sowie alle vorliegenden Behandlungsberichte und Befunde, einschließlich eines Klinisch-Psychologischen Zusatzgutachtens von Dipl.-Psych. Dr. S. vom 28.02.2022 (Bl. 117-129 d.A.), ausgewertet. Der Sachverständige hat darüber hinaus am 23.06.2023 im Sitzungssaal des Prozessgerichts sein ergänzendes mündliches Gutachten erstattet und sich den Fragen der Parteien gestellt (vgl. Protokoll, Bl. 266-272 d.A.).
Weitere Fragen oder konkrete Beanstandungen wurden danach von Beklagtenseite nicht mehr vorgebracht, allerdings hat der Beklagtenvertreter – ohne weitere Begründung – den Antrag auf „Einholung eines neuen Gutachtens“ ausdrücklich aufrechterhalten (vgl. Protokoll, S. 6-7). Es wurden das Ergebnis der Beweisaufnahme erörtert, die Sachanträge gestellt und antragsgemäß hat das Gericht dann der Beklagten noch eine dreiwöchige Schriftsatzfrist eingeräumt, um weiter zum Ergebnis der Beweisaufnahme vorzutragen (vgl. Protokoll, S. 7). Der nachgelassene Schriftsatz der Beklagten vom 05.07.2023 und der – ankündigungsgemäß (vgl. Protokoll, S. 7) – nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingetretene Richterwechsel boten dann Veranlassung, mit Zustimmung der Parteien (KV Bl. 290 d.A., BV Bl. 291 d.A.) ins schriftliche Verfahren nach § 128 Abs. 2 ZPO zu wechseln (Beschluss vom 29.08.2023, Bl. 292 d.A.: Bestimmung des 06.10.2023 als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, und des 27.10.2023 als Termin zur Verkündung der Entscheidung).
Ein – erfolgloser – Versuch der Beklagten, die (neue) zuständige Einzelrichterin der Zivilkammer auszutauschen, wurde mit der im Schriftsatz vom 05.10.2023 (Bl. 295 d.A.) vorgebrachten Anregung, der Zivilkammer den Rechtsstreit zur Entscheidung über eine Übernahme nach § 348a Abs. 2 ZPO vorzulegen, unternommen. Mit dieser „Anregung“ hat sich das Landgericht in der angefochtenen Entscheidung auseinandergesetzt (LGU 12-13). Es wurde dann aber planmäßig am 27.10.2023 das nunmehr angefochtene Endurteil erlassen (Bl. 299 ff d.A.; nachgeheftet Verkündungsprotokoll Bl. 314 d.A.).
All dies belegt eine pflichtgemäße und nicht zu beanstandende Vorgehensweise des Sachverständigen und des erstinstanzlich zuständigen Prozessgerichts im Rahmen der Beweisaufnahme.
Auf der Grundlage dieser überzeugenden Ausführungen eines klinisch und forensisch sehr erfahrenen Sachverständigen gelangt der Senat nach eigener Würdigung zu der Feststellung, dass bei dem Kläger – bezogen auf den Zeitpunkt der streitgegenständlichen Nachprüfungsentscheidung des Versicherers – unverändert die bedingungsgemäßen Voraussetzungen für die eingeklagten vertraglichen Leistungsansprüche gegeben sind und deshalb eine Leistungspflicht der Beklagten fortbesteht.
Nachdem der Sachverständige für alle Teiltätigkeiten des Klägers im versicherten Beruf „50% BU“ (HGA, S. 25; ErgGA, S. 13-14) feststellt bzw. eine „Restleistungsfähigkeit von kleiner 50%“ attestiert (ErgGA, S. 18 a.E.) und im Rahmen seiner abschließenden mündlichen Ausführungen bekräftigt hat, dass er „trotz einer Abwägung des negativen und des positiven Leistungsbildes weiterhin zu einer Berufsunfähigkeit von etwas über 50% in der Gesamtschau“ komme (vgl. Protokoll vom 23.06.2023, S. 4), hat die Beklagte den ihr als Versicherer obliegenden Nachweis nicht geführt, dass die Voraussetzungen ihrer Leistungspflicht nachträglich mit Wirkung zum 31.07.2018 entfallen sind.
Die Angriffe der Berufung rechtfertigen kein anderes Ergebnis.
Sie beschränken sich darauf, mit den Feststellungen des Landgerichts „nicht einverstanden“ zu sein und wiederholt zu behaupten, das Gutachten leide an „Widersprüchen“ und „Mängeln“.
Diese Sichtweise ist der Beklagten als Berufungsführerin unbenommen, stellt aber das Beweisergebnis nicht in berufungsrechtlich relevanter Art und Weise in Frage.
Weder das Landgericht noch der erkennende Senat sind gehalten (gewesen), nach § 412 Abs. 1 ZPO ein neues Gutachten durch einen anderen Sachverständigen anzuordnen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen ersichtlich nicht vor. Die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. S. sind umfassend und überzeugend. Das Beweisthema wurde vollständig abgearbeitet.
Die Beweiswürdigung des Erstgerichts und des Senats beruht auf den Gutachten des gerichtlich beauftragten Sachverständigen (§ 286 ZPO).
Allein die Hoffnung, dass ein „Obergutachter“ ein dem Versicherer/Berufungsführer günstigeres Ergebnis feststellen könnte, veranlasst nicht die Fortsetzung der Beweisaufnahme (vgl. Jäckel, a.a.O., Rn. 606).
c) Soweit das Rechtsmittel auf den Umstand des wiederholten Richterinnenwechsels abstellt (Berufungsbegründung, S. 26-27), ist dieses Vorbringen nicht geeignet, den Bestand des Ersturteils zu gefährden.
Dem in § 355 Abs. 1 ZPO niedergelegten formellen Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme zufolge hat der erkennende Richter bzw. der Spruchkörper die Beweisaufnahme selbst durchzuführen, ohne Dazwischentreten einer Mittelsperson (persönliche Unmittelbarkeit). Diesem Richter obliegt die Urteilsfindung (§ 309; vgl. Jäckel, a.a.O., Rn. 340).
Man darf die formelle Unmittelbarkeit nicht zu gering schätzen und unter dem Deckmantel vermeintlicher Verfahrensbeschleunigung nicht leichtfertig preisgeben. Der formelle Unmittelbarkeitsgrundsatz korrespondiert eng mit § 286 ZPO und der freien Beweiswürdigung. Er mag keinen Verfassungsrang haben, sichert aber die Möglichkeit persönlicher Beurteilung durch das erkennende Gericht aufgrund eigener Anschauung der Beweismittel und damit die zuverlässige Sachverhaltsrekonstruktion und Wahrheitsfindung. Ein Auseinanderreißen von mündlicher Verhandlung, Beweiserhebung und Verhandlung über das Beweisergebnis birgt die Gefahr von Missverständnissen und zusätzlichen Fehlerquellen (vgl. Jäckel, a.a.O., Rn. 342 m.w.N.).
Ein Richterwechsel gebietet die Wiederholung der Beweisaufnahme, wenn es auf die persönliche Wahrnehmung aller erkennenden Richter ankommt, insbesondere auf die Glaubwürdigkeit. Zeugen und Parteien sind daher in der Regel nochmals zu vernehmen (§§ 398, 451 ZPO). Nur ausnahmsweise kann es ausreichen, dass der persönliche Eindruck in einem früheren Vernehmungsprotokoll wiedergegeben wurde und die Parteien hierauf zurückgreifen können. Weniger problematisch sind das aktenkundige Ergebnis eines Augenscheins (§ 160 Abs. 3 Nr. 5 ZPO) und ein Sachverständigengutachten. Sie können auch durch den neuen Richter bzw. die abweichend besetzte Kammer verwertet werden (vgl. Jäckel, a.a.O., Rn. 343, 344 m.w.N.).
Dies lässt sich auch schon der ratio legis des § 411a ZPO entnehmen.
Ein Richterwechsel nach einer Beweiserhebung erfordert nicht grundsätzlich deren Wiederholung, denn eine frühere Aussage könnte, wenn sie nur zuverlässig protokolliert ist, auch urkundenbeweislich verwertet werden. Bei der Beweiswürdigung darf nur das berücksichtigt werden, was auf der Wahrnehmung aller an der Entscheidung beteiligten Richter beruht oder aktenkundig ist und wozu die Parteien sich erklären konnten; kommt es auf nicht protokollierte Eindrücke an, ist die Beweiserhebung nach einem Richterwechsel daher zu wiederholen. Die Beachtung des § 355 ZPO ist nach § 295 ZPO verzichtbar und damit heilbar (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 35. Aufl, § 355 Rn. 4 f. m.w.N.).
Diese allgemein anerkannten Grundsätze zur Auslegung und Anwendung des § 355 ZPO gebieten deshalb im hier zu beurteilenden Fall des Sachverständigengutachtens keine Wiederholung oder Fortsetzung der erstinstanzlichen Beweisaufnahme.
Die schriftlichen Gutachten / Ergänzungsgutachten samt allen dort behandelten Drittbefunden sind hier im vollen Umfang aktenkundig. Über die mündliche Anhörung des Sachverständigen wurde ein ausführliches, sieben Druckseiten umfassendes Protokoll errichtet. Die persönliche Glaubwürdigkeit oder sonstige persönliche Eigenschaften des Sachverständigen Prof. Dr. S. sind ersichtlich ohne Relevanz für die Entscheidung über die Beweisfrage des Fortbestehens bedingungsgemäßer Berufsunfähigkeit des Klägers.
Die von der Berufungsführerin gezogene Parallele zum Erfordernis der erneuten Vernehmung eines Zeugen bei Zweifeln an dessen Glaubwürdigkeit wirkt bemüht und konstruiert. Aus Rechtsgründen könnte – wie oben dargelegt – eine derartige Gleichbehandlung von Zeugen und Sachverständigen nur dann geboten sein, wenn ausnahmsweise – wie hier nicht – die Person des Sachverständigen und dessen Auftreten vor Gericht einen unmittelbaren und entscheidungserheblichen Erkenntnisgewinn verspräche.
d) Schließlich ist es berufungsrechtlich auch unschädlich, wenn der Sachverständige – wie von der Berufungsbegründung (am Rande) thematisiert (S. 27) – tatsächlich den mündlichen Teil seines Gutachtens im Verhandlungstermin vom 23.06.2023 „selbst diktiert“ hätte.
Der Senat teilt ausdrücklich nicht die jüngst veröffentlichte Auffassung des Oberlandesgerichts Hamm (Urteil vom 19.12.2023, 7 U 73/23, juris). Die dort formulierten Bedenken gegen die „Übernahme der Protokollführung über die Beweisaufnahme, konkret die Protokollierung des mündlichen Gutachtens durch den Sachverständigen selbst“ (vgl. LS 1) überzeugen weder in der Begründung noch im Ergebnis. Soweit für den erkennenden Senat derzeit ersichtlich, ist dies eine vereinzelt gebliebene obergerichtliche Meinung zu einem konkreten Einzelfall. Auch die hierzu veröffentlichten Anmerkungen (Ullrich, IBR 2024, 387; Figgener/Quaisser, NJW-Spezial 2024, 139) enthalten über die bloße Wiedergabe der Entscheidung des OLG Hamm hinaus keine weiterführenden und/oder überzeugenden Argumente.
Ausweislich des Sitzungsprotokolls (Bl. 266-272 d.A.) wurde „von der Zuziehung eines Protokollführers gem. § 159 Abs. 1 ZPO abgesehen“ und das Protokollierte vorläufig auf einen Tonträger aufgezeichnet (vgl. § 160a Abs. 1 ZPO; Übertragungsvermerk der Geschäftsstelle, Prot. S. 7 a.E.).
§ 160a ZPO regelt die Zulassung technischer Hilfsmittel für eine Aufzeichnung des Protokollinhalts außerhalb des eigentlichen Protokolls während der Verhandlung und Regelung der nachträglichen Anfertigung des Protokolls in einem solchen Fall. Auch das nach vorläufiger Aufzeichnung nachträglich hergestellte Protokoll ist mit der erhöhten Beweiskraft des § 165 ZPO ausgestattet (vgl. Zöller/Schultzky, a.a.O., § 160a Rn. 1 m.w.N.).
Die Form der Aufzeichnung ist nicht vorgegeben, zulässig sind z.B. die Verwendung einer gebräuchlichen Kurzschrift, verständliche Abkürzungen, Tonaufzeichnungen oder die Verwendung digitaler Diktatsysteme. Das Protokoll kann auch in der Sitzung in einer Textverarbeitung (auch unter Verwendung von Spracherkennungssoftware) vorläufig niedergelegt werden. Die Bestimmung des Aufzeichnungsmittels steht im Ermessen des Gerichts; die Persönlichkeitsrechte der Verfahrensbeteiligten sind zu berücksichtigen (vgl. Zöller/Schultzky, a.a.O., Rn. 2).
Die vorläufige Aufzeichnung muss den gesamten Protokollinhalt, d.h. alle nach § 160 ZPO zu protokollierenden Vorgänge enthalten; nur so rechtfertigt sich die weitreichende Beweiswirkung. Unzulässig ist die nachträgliche Ergänzung aus dem Gedächtnis. Die Aufzeichnung legt den Inhalt des endgültigen Protokolls damit wortgetreu fest. Änderungen, z.B. Neuformulierung von richterlichen Hinweisen, sind bei anschließender Herstellung des Protokolls unzulässig; bei Abfassung des endgültigen Protokolls können lediglich rein sprachliche Korrekturen vorgenommen werden (vgl. Zöller/Schultzky, a.a.O., Rn. 2a).
Der Inhalt der Aussagen der Parteien, Zeugen und Sachverständigen kann auf zwei Wegen vorläufig aufgezeichnet werden (vgl. Zöller/Schultzky, a.a.O., Rn. 3; Hervorhebungen durch Senat):
a) Bei Tonaufnahme durch Diktat oder Eingabe in ein Textverarbeitungssystem sollte tunlichst der Vorsitzende den Inhalt bestimmen und dies nicht dem Urkundsbeamten übertragen. Überlässt der Vorsitzende einem Sachverständigen das Diktat seiner Aussage, ändert dies nichts an seiner Verantwortlichkeit für die Vollständigkeit und Richtigkeit der Protokollierung; gegebenenfalls muss er eingreifen.
b) Zulässig ist auch eine vollständige Aufzeichnung durch ununterbrochene Ton- oder Videoaufnahme des Vernommenen und der Fragenden. Sie bedarf keiner Zustimmung der Beteiligten und bietet einige Vorteile, ist aber nicht zwingend.
Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass – entgegen der vom OLG Hamm (a.a.O.) vertretenen Auffassung – auch dann ein richterliches Protokoll im Sinne der §§ 159, 160 ZPO vorliegt, wenn der Sachverständige den Wortlaut seiner Aussagen – zu Zwecken der vorläufigen Aufzeichnung – unmittelbar dem Tonträger zuführt und der dabei anwesende Richter dann später das gemäß § 160a Abs. 2 ZPO „unverzüglich“ hergestellte Protokoll ordnungsgemäß unterschreibt (vgl. § 163 Abs. 1 ZPO). Damit übernimmt der Richter die uneingeschränkte Verantwortung für den Inhalt der „Reinschrift“ des gesamten Protokolls und dies rechtfertigt dann auch dessen weitreichende Beweiskraft gemäß § 165 ZPO. Schon diese Differenzierung zwischen „vorläufiger Aufzeichnung“ und abschließender „Erstellung“ des Protokolls lässt die angeführte Entscheidung des OLG Hamm vermissen.
Es kann keinen prozessrechtlich relevanten Unterschied machen, ob der Richter Teile der vorläufigen Aufzeichnung des Sitzungsprotokolls (hier: mündliche Angaben des Sachverständigen) unmittelbar selbst in das Mikrofon des Aufzeichnungsgeräts spricht, ob er das Gerät dem Aussagenden entgegenhält und dessen Sprache unmittelbar ganz oder teilweise aufzeichnet oder ob der Richter dem Sachverständigen das Gerät übergibt mit der Bitte, selbst direkt in das Mikrofon zu sprechen. Denn in all diesen Fällen ist der Aufzeichnungsgegenstand für die im Sitzungssaal anwesenden Beteiligten unmittelbar wahrnehmbar und damit kontrollierbar. Unstimmigkeiten oder Missverständnisse über Wortlaut oder Inhalt des Aufgezeichneten können an Ort und Stelle direkt kommuniziert und geklärt werden. Die Gefahr von – entscheidungserheblichen – Unklarheiten oder Lückenhaftigkeiten wird durch diese Handhabung weder geschaffen noch vergrößert.
In diesem Sinne hatte auch das Bundesverwaltungsgericht schon im Jahre 1975 für Recht erkannt (BVerwG, Beschluss vom 19.12.1975, VI CB 55/75, NJW 1976, 1282):
„Die Auffassung der Revision, daß kein wirksames Protokoll vorliege, weil nicht ein Richter, sondern ein Verfahrensbeteiligter das Protokoll aufgenommen habe, geht fehl. Ausweislich der Niederschrift über die mündliche Verhandlung ist von der Zuziehung eines Urkundsbeamten der Geschäftsstelle als Protokollführer abgesehen und ein Richter mit der Niederschrift betraut worden. Das ist nach § 105 VwGO, § 159 I 2 ZPO zulässig. Daß der Kl. das Mikrophon des Tonaufnahmegeräts bei seiner Parteivernehmung selbst in die Hand bekam, bedeutet keine Übertragung der Protokollführung. Es ist vielmehr weithin technisch notwendig, daß in den Fällen, in denen gem. § 105 VwGO, § 160 a I ZPO der Inhalt des Protokolls mit einem Tonaufnahmegerät vorläufig aufgezeichnet wird, der Sprechende das Mikrophon selbst hält. Daß die Aussagen des Kl. unmittelbar mit dem Tonaufnahmegerät festgehalten worden sind, also auf ein die Bekundungen zusammenfassendes Diktat etwa des Vorsitzenden verzichtet worden ist, ist zulässig. Das ergibt sich aus § 105 VwGO, § 162 II ZPO, da dort die Alternativen des unmittelbaren Aufzeichnens und des Diktierens nebeneinandergestellt sind.“
Diese Wertung wurde in der Folgezeit vom Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich bestätigt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12.07.1991, 6 B 15/91, juris).
Es kommt deshalb schon nicht mehr entscheidungserheblich darauf an, dass auch das OLG Hamm die aus seiner Sicht erkannte Notwendigkeit der Wiederholung der fraglichen Beweisaufnahme dann nicht für geboten erachtet, wenn sich – wie im hier vom erkennenden Senat zu prüfenden Fall – der Inhalt der Beweisaufnahme aus dem Urteil selbst klar ergibt und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Sachverständige weitere Erklärungen abgegeben hat, die erheblich sein könnten (OLG Hamm, a.a.O., juris Rn. 4). Derartige Lückenhaftigkeiten werden im Streitfall von der Berufungsführerin nicht behauptet, solche sind für den Senat auch nicht sonst ersichtlich.
8
Die Ausführungen in der Gegenerklärung vom 02.10.2024 wurden zur Kenntnis genommen und geprüft. Sie geben indes zu einer Änderung in der rechtlichen Bewertung der Erfolgsaussichten der Berufung keinen Anlass. Im Wesentlichen enthält die Gegenerklärung – zum Teil in wörtlicher Übereinstimmung – bereits aktenkundigen Vortrag der Berufungsführerin, der deshalb auch schon Gegenstand der vorangegangenen gerichtlichen Prüfungen und Entscheidungen im vorliegenden Streitfall gewesen ist. Neue oder übersehene Argumente oder Gesichtspunkte zeigt die Gegenerklärung nicht auf.
9
Ergänzend führt der Senat noch aus:
10
1. Das von der Gegenerklärung in den Vordergrund gerückte Monitum, der Senat setze sich in dem Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht in gebotener Art und Weise mit der Berufungsbegründung auseinander, zu einzelnen vorgebrachten Beanstandungen verliere der Senat kein Wort und verletze dadurch das rechtliche Gehör der Beklagten, trifft nicht zu.
11
Der Senat hat das Berufungsvorbringen der Beklagten einschließlich des dort in zulässiger Art und Weise in Bezug genommenen erstinstanzlichen Vorbringens vollständig zur Kenntnis genommen und im Rahmen der Beschlussfassung zum Hinweis vom 09.02.2024 beraten, erwogen und berücksichtigt. Es bestand aber keine Veranlassung, zu jeder Einzelheit der Senatserwägungen schriftliche Ausführungen niederzulegen.
12
Gemäß § 313 Abs. 3 ZPO müssen die Entscheidungsgründe eines (erstinstanzlichen) Urteils (nur) eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen enthalten, auf denen die Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht beruht. Die tragenden Gründe sind so darzustellen, dass sowohl die Parteien als auch das Rechtsmittelgericht die maßgebenden Erwägungen verstehen und nachvollziehen können. Es muss nicht jedes einzelne Vorbringen ausdrücklich beschieden werden; die wesentlichen der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung dienenden Tatsachenbehauptungen müssen in den Gründen aber verarbeitet werden, sofern sie nicht nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts unerheblich oder offensichtlich unsubstantiiert sind (vgl. Zöller/Feskorn, a.a.O., § 313 Rn. 19 m.w.N.). Daher muss das Gericht die wesentlichen Grundlagen seiner Beweiswürdigung im Urteil zum Ausdruck bringen und hierbei erkennen lassen, dass eine umfassende Beweiswürdigung in sachgerechter Weise stattgefunden hat (vgl. Zöller/Greger, a.a.O., § 286 Rn. 21 m.w.N.).
13
Die „Entscheidungsgründe“ des Berufungsurteils können sich auf eine kurze Zusammenfassung derjenigen Erwägungen beschränken, auf denen die Entscheidung in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht (§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO). Der Schwerpunkt der rechtlichen Ausführungen soll in der Darstellung der bestätigenden oder abweichenden rechtlichen Würdigung gegenüber dem Ersturteil liegen, neue rechtliche Gesichtspunkte sind zu erörtern (vgl. Zöller/Heßler, a.a.O., § 540 Rn. 13 m.w.N.).
14
Im Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO kann die Begründung knapper ausfallen als ein Berufungsurteil nach § 540 ZPO, hat sich aber mit dem Vortrag des Berufungsführers auseinander zu setzen (vgl. Zöller/Heßler, a.a.O., § 522 Rn. 41).
15
Diesen Erfordernissen ist im Streitfall Genüge getan. Neue rechtliche Gesichtspunkte, die besonders erörterungswürdig wären, enthält das Berufungsvorbringen nicht.
16
2. Entscheidungserhebliche Mängel der fachmedizinischen Begutachtung durch den Sachverständigen Prof. Dr. S. vermag der Senat auch unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Ausführungen in der Gegenerklärung vom 02.10.2024 (S. 4-11) nicht zu erkennen.
17
a) Betreffend die vom Erstgericht – beweiswürdigend – festgestellte Fortdauer der vertraglichen Leistungspflicht der Beklagten infolge wirkungslos bleibendem Ergebnis des von ihr durchgeführten bedingungsgemäßen Nachprüfungsverfahrens kommt der Senat zu einer Bindungswirkung der erstinstanzlichen entscheidungserheblichen Feststellungen nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an deren Richtigkeit oder Vollständigkeit vermag der Senat – auch nach nochmaliger Prüfung unter besonderer Berücksichtigung der Ausführungen in der Gegenerklärung vom 02.10.2024 – nicht zu erkennen.
18
Insbesondere die – vom Landgericht zutreffend zu Grunde gelegte – Zusammenschau von schriftlichem Gutachten (nebst ergänzender schriftlicher Stellungnahme) und erläuternden / ergänzenden Ausführungen des Sachverständigen in mündlicher Verhandlung tragen die fraglichen Feststellungen.
19
b) Die von der Gegenerklärung (S. 4-6) angeführten zwei Belegstellen für eine behauptete „Unrichtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. S.“ erweisen sich als nicht belastbar und sind deshalb nicht geeignet, die darauf gestützten Rügen der Berufungsführerin zu tragen.
20
Zum Stichpunkt „Momentaufnahme der Begutachtung“ hat der Sachverständige ausführlich Stellung bezogen (vgl. Protokoll vom 23.06.2023, S. 3-4, Bl. 268 f. d.A.). Er hat zum einen dargelegt, dass aus dem Privatgutachten des Versicherers (Gutachten Dr. H. vom 25.05.2018, vgl. Anlage K 5) schon „nicht ersichtlich“ sei, „ob Herr Dr. H. auf eine Reaktion aus dem Jahr 2016 oder auch auf eine aktuelle Situation abstellt“, zum anderen hat der Sachverständige Prof. Dr. S. dann fortfahrend ausgeführt, dass er „mit der Begutachtung des Dr. H.“ lediglich in zwei – näher dargelegten – Punkten übereinstimme, insgesamt aber durch die von ihm so benannte „starke Konsistenz meiner Momentaufnahme mit den Fremdunterlagen und Fremdaufnahmen“ im Rahmen einer „Abwägung des negativen und des positiven Leistungsbildes weiterhin zu einer Berufsunfähigkeit von etwas über 50% in der Gesamtschau“ komme (vgl. Protokoll, S. 4). Die von der Gegenerklärung an dieser Stelle formulierten Widersprüchlichkeiten vermag der Senat nicht zu erkennen.
21
Der Sachverständige hatte in seinem Zusatzgutachten vom 09.07.2022 (ZGA, in Ergänzung seines Hauptgutachtens vom 01.03.2022, HGA) auf Seite 14 (Bl. 222 d.A.) im Zusammenhang mit der Erörterung des „negativen Leistungsbildes“ des Klägers – bezogen auf den zu begutachtenden „Zeitpunkt der Leistungseinstellung“ – die „funktionellen Beeinträchtigungen für die jeweiligen Teiltätigkeiten in quantitativer und qualitativer Hinsicht“ im versicherten Beruf (so wie er dem vorangegangenen Anerkenntnis des BU-Versicherers zugrunde gelegt wurde) diskutiert und in diesem Zusammenhang den Ausdruck formuliert, „Die 50%ige BU entspricht einem Mittelwert“. Aus dieser ersichtlich auf die „Teiltätigkeiten“ bezogenen Durchschnittsbetrachtung hat der Sachverständige dann den – wiederum näher begründeten – Schluss gezogen, dass im Ergebnis „die Restleistungsfähigkeit beim Kläger in den jeweiligen Teilbereichen einem Prozentrang von kleiner 50%“ entspreche (ZGA, S. 18 „ad o)“, Bl. 226 d.A.). In der Zusammenschau mit den – oben bereits wiedergegebenen – mündlichen Ergänzungen im Termin vom 23.06.2023, wonach als Ergebnis einer gutachterlichen Gesamtabwägung jedenfalls eine – ununterbrochen fortbestehende – „Berufsunfähigkeit von etwas über 50%“ beim Kläger bestehe, vermag der Senat auch insoweit keine klärungsbedürftigen Zweifel oder Widersprüchlichkeiten zu erkennen.
22
c) Fernliegend erscheint das Ansinnen der Gegenerklärung (S. 10), der Senat möge „im Rahmen seiner ergänzenden Überprüfung der Beweiswürdigung des Landgerichts gerade das Ursprungsgutachten des Sachverständigen Prof. Dr. S. vom 01.03.2022 isoliert ins Auge (zu) fassen“.
23
Das Gericht hat unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme nach freier Überzeugung zu entscheiden, ob eine tatsächliche Behauptung für wahr oder für nicht wahr zu erachten sei (§ 286 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
24
Der Richter darf nicht selektiv nur einzelne Beweisergebnisse würdigen und seiner Entscheidung zu Grunde legen.
25
Für den Beweis durch Sachverständige (§ 402 ZPO) bilden schriftliches Gutachten, schriftliches Ergänzungsgutachten und mündliche Erläuterung derselben in der mündlichen Verhandlung einen einheitlichen Vorgang der Beweiserhebung, wie schon die gesetzliche Regelung in § 411 Abs. 3 Satz 1 ZPO (in der seit 19.07.2024 geltenden Fassung: Das Gericht kann das Erscheinen des Sachverständigen zur Erläuterung des schriftlichen Gutachtens, eine schriftliche Erläuterung oder eine Ergänzung des Gutachtens anordnen.) verdeutlicht. Oder mit anderen Worten, der Beweis durch Sachverständige im Sinne von §§ 402 ff. ZPO umfasst alle im Verfahren – zum Zwecke der Beantwortung der ihm gestellten Beweisfragen – erfolgten schriftlichen und mündlichen Äußerungen des Sachverständigen als Gesamtheit und einheitliches Beweismittel.
26
Eine „isolierte“ Betrachtung einzelner Teile der gutachterlichen Leistung zur Klärung der Beweisfrage(n) kann deshalb nicht Grundlage einer „Überprüfung der Beweiswürdigung des Landgerichts“ sein und ist deshalb auch im Streitfall nicht veranlasst.
27
d) Im Ergebnis ist der Sachverständige von Anfang an zu der auf besonderer Sachkunde und Erfahrung basierenden – konsistenten – Einschätzung gelangt, der Kläger sei – abgestellt auf den maßgeblichen Zeitpunkt der streitgegenständlichen Nachprüfungsentscheidung des Versicherers – unverändert weiterhin bedingungsgemäß berufsunfähig.
28
Die Herleitung dieser Bewertung aus den aktenkundigen Drittbefunden, persönlichen Angaben des Klägers und aus eigener unmittelbarer Untersuchung und Befundung des Klägers hat der Sachverständige im Rahmen der umfangreichen erstinstanzlichen Beweisaufnahme für den Senat überzeugend entwickelt.
29
Prozessrechtlich relevante Defizite vermag der Senat – in Übereinstimmung mit dem Landgericht – nicht zu erkennen.
30
Die monierten „Oberflächlichkeiten der Anamnese und des psychopathologischen Befundes“ (vgl. Gegenerklärung, S. 8-9) vermag der Senat zum einen nicht nachzuvollziehen, zum anderen wäre aber auch deren Entscheidungserheblichkeit weder schlüssig dargelegt noch anderweitig ersichtlich.
31
Die von der Gegenerklärung – nochmals – zusammengestellten vorgeblichen „Mängel“ des Gutachtens sind sämtlichst vom Sachverständigen erschöpfend „abgearbeitet“ worden. Die Vorwürfe waren bereits seit dem Vorliegen des Hauptgutachtens im März 2022 Gegenstand des schriftsätzlichen Verteidigungsvorbringens der Beklagten in erster Instanz (vgl. etwa BV-Schriftsätze vom 20.05.2022, Bl. 172 ff. d.A.; vom 28.11.2022, Bl. 239 ff. d.A.; vom 21.06.2023, Bl. 256 ff. d.A.; vom 05.07.2023, Bl. 274 ff. d.A.).
32
Dass jene Beanstandungen sachlich unbegründet sind, hat auch die Berufungserwiderung des Klägers vom 21.02.2024 zutreffend herausgestellt (ebda., S. 7-8). Zur Vermeidung bloß wiederholender Schreibarbeit wird ergänzend darauf verwiesen.
33
Es besteht somit keine Veranlassung, ein weiteres (neues) psychiatrisches Gutachten einzuholen, die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (§§ 525, 412 ZPO) liegen nicht vor.
34
4. Es ist auch nicht geboten, vom schriftlichen Beschlussverfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO abzusehen. Die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür (vgl. § 522 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 543 Abs. 2 ZPO) sind nicht gegeben.
35
Die in der Gegenerklärung zum Senatshinweis hierfür beanspruchte (vgl. ebda., S. 2-4, 11-14) vorgebliche Divergenz zum Urteil des OLG Hamm vom 19.12.2023 (Az. 7 U 73/23) ist nicht gegeben. Der Senat hat hierzu bereits im Hinweis vom 05.08.2024 ausführlich Stellung bezogen (ebda., S. 12-15).
36
Aus jenen Darstellungen im Hinweis nach § 522 Abs. 2 ZPO ist im Übrigen auch zu ersehen, dass der erkennende Senat gerade keinen „abstrakten Rechtssatz“ hat aufstellen wollen (entgegen Gegenerklärung, S. 3), sondern vielmehr eine Einzelfallprüfung für geboten erachtet.
37
Die Gegenerklärung enthält hierzu nichts Neues. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die vom OLG Hamm als Voraussetzung angenommenen Lückenhaftigkeiten in der Protokollierung der Sachverständigen-Ausführungen (vgl. dazu Senatshinweis, S. 14-15) im vorliegenden Streitfall entscheidungserheblich sein könnten.
38
Die Berufungsführerin trägt solche Auslassungen nicht substantiiert vor.
39
Dem Senat erscheint im Grundsatz – und so auch vorliegend – die Gefahr von Auslassungen und/oder Missverständnissen dann geringer, wenn der Aussagende unmittelbar selbst die vorläufige Tonaufzeichnung als Grundlage für die nachfolgende Verschriftlichung seiner Aussage erzeugt und nicht ein Dritter mit eigenen Formulierungen und nach eigener Interpretation des soeben Gehörten die Aussage nachträglich „zu Protokoll bringt“.
40
Die Schlussfolgerungen der Gegenerklärung (ebda., S. 13), schon die „allgemeine Lebenserfahrung“ spreche dafür, dass „die junge Einzelrichterin das Protokoll dem Sachverständigen überließ, weil sie mit den fachmedizinischen Fragen nicht hinreichend vertraut war und sich möglicherweise deswegen mit der Protokollierung überfordert ansah“, bestehen aus Spekulationen und lassen eine Entscheidungserheblichkeit nicht erkennen. Die daraus von der Berufungsführerin abgeleiteten „begründete(n) Zweifel“, dass „die Einzelrichterin ihrer Verantwortung bezüglich der Gewährleistung der Vollständigkeit und Richtigkeit des Protokolls auch hinreichend nachgekommen ist, nachdem sie die Protokollierung des wesentlichen Teils des Sitzungsprotokolls einem Dritten, hier dem Sachverständigen, überließ“, sind deshalb schon im Ansatz für den Senat nicht nachvollziehbar. Die Richterin hat das laut gesprochene Diktat des Sachverständigen mitgehört und hätte jederzeit einschreiten können, wenn es zu „Auffälligkeiten“ gekommen wäre. Auch die anwesenden Prozessbevollmächtigten hätten unmittelbar in der Sitzung darauf reagieren können. Derartiges ist jedoch nicht erfolgt, auch die Berufungsführerin führt hierzu nichts Konkretes an. Entsprechendes gilt für den von der Berufungsführerin ins Blaue hinein behaupteten bzw. befürchteten „Kontrollverlust“ der „jungen Einzelrichterin“.
41
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
42
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10, §§ 709, 711 ZPO.
43
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.