Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 26.01.2024 – AN 16 K 21.00010
Titel:

Erfolglose Klage gegen den Widerruf waffen- und sprengstoffrechtlicher Erlaubnisse

Normenketten:
WaffG § 5 Abs. 1 Nr. 2 lit. a, § 45 Abs. 2 S. 1
StPO § 170 Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG setzt eine auf zutreffend ermittelten Tatsachen gestützte Prognose des zukünftig zu erwartenden Verhaltens des Betroffenen voraus. An die Prognose dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Das Zuverlässigkeitserfordernis dient dem Zweck, die mit jedem Waffenbesitz verbundenen Risiken nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das uneingeschränkte Vertrauen verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen werden. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
2. Der strafrechtliche Zweifelssatz gilt bei der gefahrenabwehrrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung gerade nicht. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
3. Für die zukunftsbezogene Beurteilung der Zuverlässigkeit sind alle Tatsachen einzubeziehen, die in waffenrechtlicher Hinsicht von Bedeutung sein können. Entsprechend bedeutet der Umstand, dass im Einzelfall bei einer waffenrechtlichen Verfehlung die Schuld im strafrechtlichen Sinne als gering angesehen wurde, nicht zugleich, dass die Verfehlung ordnungsrechtlich, d.h. im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit, nicht zur fehlenden Zuverlässigkeit führen kann. (Rn. 34) (redaktioneller Leitsatz)
4. Auch strafrechtlichen Verfahren, die nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden (hier: Nötigung und Körperverletzung), dürfen in die im sicherheitsrelevanten und der Gefahrenabwehr dienenden Waffenrecht anzustellende Gefahrenprognose einbezogen werden. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf Waffenbesitzkarten, waffenrechtliche Zuverlässigkeit, Gefahr der missbräuchlichen oder leichtfertigen Verwendung von Waffen oder Munition, Drohung mit Selbstjustiz; unbeherrschtes, aggressives Verhalten, Persönlichkeitzüge, Wesensmerkmale einer Person, zahlreiche strafrechtliche Ermittlungsverfahren, größtenteils eingestellt
Fundstelle:
BeckRS 2024, 27486

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse einschließlich der in diesem Zusammenhang ergangenen Nebenentscheidungen.
2
Der Kläger ist Inhaber einer bis zum 6. März 2023 (vgl. Bl. 134 der Behördenakte, im Folgenden: BA) befristet erteilten sprengstoffrechtlichen Erlaubnis (Nr. …*) für das Laden und Wiederladen von Patronenhülsen mit Treibladungspulver auf Basis Nitrocellulose, max. 25 kg, sowie zweier Waffenbesitzkarten (Nr. …, Nr. …*), auf die insgesamt 5 Schusswaffen (3 halbautomatische Pistolen, 2 Revolver) und 1 Wechseltrommel eingetragen sind.
3
Die in den Waffenbesitzkarten eingetragenen Waffen(-teile), ca. 4,5 kg Sprengstoff der Marke „Vihtavuori“ sowie 3.908 Stück Munition wurden am 9. Juli 2019 im Rahmen einer vom Amtsgericht … beim Kläger angeordneten Durchsuchung wegen des Verdachts auf Besitz von Kriegswaffen und waffenrechtlicher Verstöße aufgefunden (Zufallsfunde) und seitens der anwesenden Mitarbeiter des Landratsamtes … (vgl. Sicherstellungsprotokoll u.ä. Bl. 130 ff. BA) nach § 46 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 WaffG sichergestellt. Beanstandet wurde dabei, dass der Schlüssel für einen Blechschrank mit Munition und Sprengstoff erkennbar in dem Raum eines Nebengebäudes gehangen habe, in welchem sich dieser Schrank befunden habe. Im Übrigen sei die Aufbewahrung der sich legal im Besitz des Klägers befindlichen Schusswaffen und Munition laut Landratsamt … nicht zu beanstanden gewesen. Die Rechtmäßigkeit der Sicherstellung, siehe Bescheid des Landratsamtes vom 26. Juli 2019 (vgl. Bl. 160 ff. BA), wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 15. Oktober 2019 (Az. AN 16 K 19.01585) und Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. Juli 2020 (Az. 24 ZB 19.2172) bestätigt.
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Mit Schreiben vom 26. Juli 2019 und 13. Oktober 2020 hörte das Landratsamt … den Kläger zum beabsichtigten Widerruf der waffen- und sprengstoffrechtlichen Erlaubnisse an.
5
Mit Bescheid vom 3. Dezember 2020 widerrief das Landratsamt … die dem Kläger erteilte sprengstoffrechtliche Erlaubnis sowie die Waffenbesitzkarten (Ziffern 1a und 2a). Es verpflichtete den Kläger, die sprengstoffrechtliche Erlaubnis sowie die Waffenbesitzkarten dem Landratsamt … bis spätestens 20. Dezember 2020 zurückzugeben (Ziffer 1b und 2b). Zudem verpflichtete es den Kläger, das im Landratsamt … verwahrte Nitrocellulosepulver, die dort verwahrte Munition sowie die verwahrten Schusswaffen inkl. Waffenteile dauerhaft unbrauchbar machen zu lassen oder einem berechtigten Dritten zu überlassen und dies jeweils bis spätestens 15. Januar 2021 dem Landratsamt schriftlich nachzuweisen (Ziffer 1c, 2c). In Ziffer 3 ordnete es die sofortige Vollziehung der Ziffern 1b und 2b des Bescheides an. Sollte der Kläger die in Ziffern 1b und 2b des Bescheides genannten Verpflichtungen nicht fristgemäß oder nicht vollständig erfüllen, würden für Ziffer 1b ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR und für Ziffer 2b ein Zwangsgeld in Höhe von 200,00 EUR zur Bezahlung fällig (Ziffer 4). In Ziffern 5 und 6 erließ das Landratsamt … eine Kostenentscheidung zulasten des Klägers und setzte die Gebühr für den Bescheid fest.
6
Es begründete seine Entscheidung damit, dass der Kläger die für die sprengstoff- und waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit und persönliche Eignung nicht mehr besitze. Nach § 8a Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a SprengG und § 6 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG würden die erforderliche Zuverlässigkeit Personen nicht besitzen, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie mit explosionsgefährlichen Stoffen, Waffen und Munition missbräuchlich umgehen. Der Kläger habe durch diverse Vorfälle mehrfach gezeigt, nicht gewillt zu sein, die geltende Rechtsordnung zu akzeptieren, wenn sie seinen eigenen Vorstellungen nicht entspreche. Dies gelte sowohl im privaten Geschäftsverkehr, aber auch im Hinblick auf die Beachtung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen. Der Kläger habe sich wiederholt gegenüber Polizeibeamten und Privatpersonen drohend und beleidigend geäußert bzw. habe künftigen Widerstand gegen die Polizei angekündigt. Es bestünden darüber hinaus aufgrund der laufenden Strafverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren auch sonst gravierende Anhaltspunkte, die für eine Unzuverlässigkeit sprechen würden. Das Landratsamt stütze sich bei seiner Entscheidung auf zahlreiche Vorgänge, die Mitarbeitern des Landratsamtes aus persönlicher Wahrnehmung, aus Auskünften aus dem Zentralen Staatsanwaltlichen Verfahrensregister des Generalbundesanwaltes beim Bundesgerichtshof bzw. aufgrund polizeilicher oder sonstiger Mitteilung bekannt seien. Es führt dazu u.a. aus:
7
Anlass für die Durchsuchung am 9. Juli 2019 sei eine vom Amtsgericht in Bezug genommene Zeugenvernehmung gewesen, dass eine Person vom Kläger ein Auto habe kaufen wollen, das der Kläger dann zurückgeholt und den Zeugen bei weiteren Gesprächen bedroht habe, u.a. mit dem Hinweis, er verfüge noch über eine Handgranate und panzerbrechendes Gerät, er sei bereit zu kämpfen, wenn die Polizei komme. Im Rahmen der Durchsuchung sei ein waffenrechtlicher Aufbewahrungsverstoß (im Raum hängender Schlüssel des Waffenschranks) festgestellt worden. Zudem seien Funde getätigt worden, die auf weitere Straftaten hinweisen würden (Fund eines Laserpointers, Fund von Kennzeichen eines als gestohlen gemeldeten Pkw). Bei der Durchsuchung habe der Kläger einen Polizeibeamten beleidigt. Bereits vor der Durchsuchung habe dem Landratsamt umfangreiches Datenmaterial vorgelegen, welches zusammen mit den Erkenntnissen aus der Durchsuchungsteilnahme, bei der sich der negative Eindruck durch das Verhalten des Klägers bestätigt habe, zur Annahme der Unzuverlässigkeit und der persönlichen Ungeeignetheit zum Besitz von Waffen, Munition und Sprengstoff beim Kläger führe.
8
Vom Landratsamt … eingeholte Auskünfte aus dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister des Generalbundesanwaltes beim Bundesgerichtshof würden seit 2009 bis 2020 zahlreiche Auskunftseintragungen enthalten, unter anderem zum Tatvorwurf der Beleidigung am … 2020, zum Tatvorwurf des Hausfriedensbruches am … 2020, der Nötigung am … 2020, des Diebstahls am … 2020, zum Tatvorwurf der Beleidigung am … 2020 sowie des gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr am … 2020, zum Tatvorwurf der Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes und zum Tatvorwurf der Beleidigung am … 2020, zum Tatvorwurf der Bedrohung am … und … 2020, der Nötigung am … 2020, zu einem waffenrechtlichen Vergehen am … 2019, zum Tatvorwurf der Nötigung und falschen Verdächtigung am … 2018, der Körperverletzung am … 2018, der Bedrohung am … 2018, der Kennzeichenverletzung am … 2014, der Sachbeschädigung am … 2012 sowie der gefährlichen Körperverletzung am … 2009. Die Verfahren seien teilweise gemäß § 170 Abs. 2 StPO, teilweise gemäß § 153a StPO eingestellt worden. Teils fänden sich Verweisungen auf den Privatklageweg. Einzelne Verfahren seien noch anhängig oder hätten einen anderen Ausgang gefunden.
9
Der Strafanzeige wegen Nötigung vom … 2018 liege zugrunde, dass der Kläger zwei Polizeibeamten der Polizeiinspektion … in … mit quietschenden Reifen davongefahren, zu Hause von der Polizei angehalten worden sei und sich auf die Mitteilung, dass wegen seiner Fahrweise ein Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet werde, wie folgt gegenüber den Polizeibeamten geäußert habe: „Ach leck‘ mich doch am Arsch“. Daraufhin habe er das Wohnhaus betreten. Auf Klingeln der Beamten hin habe er geäußert, dass diese sich von seinem Grundstück „verpissen“ sollten. Andernfalls würde er „herauskommen und nachhelfen“. Auch diverse andere Verfahren zwischen 2012 und 2016, u.a. wegen Nötigung und Körperverletzung, seien zwar gegen Geldauflage oder nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden, auch sie würden jedoch das vom Kläger gewonnene Gesamtbild bestätigen. Ebenso würde der vom Gau-Sportleiter des Schützengaus … mit Schreiben vom 13. März 2019 mitgeteilte Sachverhalt Zweifel an der Zuverlässigkeit des Klägers begründen. Der Kläger sei danach in einer von ihm selbst hervorgerufenen Situation „total ausgerastet“ und habe den Sportleiter auf das Übelste beschimpft. Während eines Schießens im Verein, an welchem der Kläger als Aufsicht teilgenommen habe, habe er unter seinen eigenen Namen auf die Aufsichtstafel „Führer“ geschrieben. Am … 2020 sei es bei einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einer anderen Person zu einer Bedrohung und Beleidigung seitens des Klägers gekommen. Vor Eintreffen der Polizei habe der Kläger den Ort des Geschehens verlassen, das Anhaltesignal einer Polizeistreife ignoriert und seinen Pkw teilweise auf bis zu 180 km/h beschleunigt, um sich der Polizeikontrolle zu entziehen. Letztlich sei er in das Wohnhaus seiner Eltern in … geflohen. Am … 2020 habe der Kläger gegenüber einem Zeugen zu dem aus seiner Sicht unrechtmäßigen Handeln der Polizei geäußert, sollte nach zwei weiteren Petitionen an die zuständigen Stellen nichts passieren, werde er „das Recht in die eigene Hand nehmen“. Er sei auf etwaige Angriffe der Polizei vorbereitet und könne mehrere Wochen im Wald überleben oder sich ggf. in seinem Keller verschanzen. In diesem Zusammenhang habe der Kläger auch seine Waffen erwähnt. Zudem werde dem Kläger vorgeworfen, am … 2020 in der Sparkasse in … das Geld eines Vorkunden aus einem EC-Automaten entwendet zu haben. Am … 2020 sei der Kläger herrisch und aggressiv gegenüber einer Kundenberaterin in der Sparkasse in … aufgetreten, woraufhin diese ihm Hausverbot erteilt habe.
10
Auch die persönliche Eignung des Klägers gemäß § 8b Abs. 1 Nr. 3 SprengG und § 6 Abs. 1 Nr. 3 WaffG liege nicht mehr vor. Der Kläger sei mehrfach von verschiedenen Personen als extrem schnell reizbar, aufbrausend, einschüchternd bis hin zu bösartig in seinem Verhalten sowie in seinem Tonfall beschrieben und erlebt worden. Er habe oftmals gezeigt, dass er zur Selbstbeherrschung nicht in der Lage sei. Das Verhalten des Klägers sei so auffällig, dass es eines möglichen Gutachtens hierzu nicht bedürfe.
11
Auf die weitere Begründung des Bescheides wird verwiesen.
12
Der ehemalige Bevollmächtigte des Klägers hat mit Schriftsatz vom 4. Januar 2021 Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2020 erhoben und Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Zur Begründung führt er aus, dass verwertbare Tatsachen im Sinne des Waffen- und Sprengstoffgesetzes nicht vorlägen. Der Bescheid stütze sich auf nicht rechtskräftig abgeschlossene Ermittlungsverfahren sowie eine Hausdurchsuchung am … 2019, die jedenfalls nicht das zum ursprünglichen Zweck der Anordnung angeführte Durchsuchungsergebnis gebracht habe. Die Durchsuchung habe aufgrund der Strafanträge eines … stattgefunden, der erfunden habe, dass der Kläger über eine Handgranate und panzerbrechendes Gerät verfüge. Die Aufbewahrung der legalen Waffen sei einwandfrei gewesen, die vorgeschriebenen Verwahrbehältnisse hätten existiert und seien abgeschlossen gewesen. Bei dem gefundenen Laserpointer handele es sich um einen erlaubnisfreien Gegenstand. Die Beleidigung gegenüber dem Polizeibeamten werde nur vage geschildert, der Kläger sei insoweit bislang strafrechtlich nicht verurteilt. Auch das in der Sache gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren sei in seinem Ausgang abzuwarten. Die Behörde hätte die Sachverhalte insgesamt besser aufklären müssen, sie habe nicht alle Erkenntnisquellen ausgeschöpft. Dass der Kläger bei der Durchsuchung energisch aufgetreten sei, sei im Hinblick auf die waffen- und sprengstoffrechtliche Zuverlässigkeit unschädlich. Auch die gerichtlich bestätigte Rechtmäßigkeit der Sicherstellung führe nicht automatisch zur waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit, da dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof am 27. Juli 2020 viele Gesichtspunkte noch nicht bekannt gewesen seien und außerdem die Prüfung der Eingriffsnormen nicht deckungsgleich sei. In erster Linie habe sich eine Sicherheitsbehörde bei zuverlässiger Aufklärung des Sachverhalts auf Erkenntnisquellen wie das Bundeszentralregister mit rechtskräftigen Verurteilungen zu stützen.
13
Die Behörde zeige mit der Anführung zahlreicher nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellter Verfahren, dass sie gegenüber dem Kläger nicht zu einer objektiven Beurteilung in der Lage sei. Von der Unschuldsvermutung fehle jede Spur. Weitere Verfahren, wie etwa die Körperverletzung vom … 2018 oder die Nötigung vom … 2018, die beide gemäß § 153a StPO eingestellt worden seien, würden sich als irrelevant erweisen. Auch in weiteren Verfahren würden sich Einstellungen abzeichnen. Aus dem Geplänkel mit dem Gau-Sportleiter des Schützengaus … lasse sich kein Zusammenhang mit der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit herstellen. Es bestehe ein angespanntes Verhältnis zwischen dem Kläger und der örtlichen Polizeidienststelle, welches die Häufung der Tatvorwürfe erkläre. Der Kläger werde mit einer Fülle von Anschuldigungen konfrontiert, welche größtenteils völlig haltlos seien. Allein die Tatsache anhängiger Strafverfahren bilde keinen waffenrechtlichen Widerrufsgrund, zumal der Kläger die Begehung der ihm zur Last gelegten Straftaten bestreite. Der Vorfall am … 2020 werde lediglich vage geschildert, man wisse nicht, wer die andere Person sein solle. Die Geschwindigkeitsbeschleunigung des Klägers scheine deutlich überzeichnet dargestellt. Zudem werde bestritten, dass der Kläger geäußert habe, in den Wald zu flüchten, sich im Keller zu verschanzen oder das Recht in die eigenen Hände zu nehmen. Bei dem Vorfall am … 2020 sei man sich wohl selbst nicht so sicher, am Ende verfange er nicht. Ebenso sei die Streitigkeit zwischen dem Kläger und seiner Hausbank über das Konto seiner Mutter ohne Belang. Der Kläger wolle lediglich seine Rechte gewahrt wissen und neige dazu, diese konsequent zu verteidigen. Sein möglicherweise als herrisch empfundenes Auftreten oder einschüchterndes Wesen hätten nichts mit seiner waffenrechtlichen Zuverlässigkeit zu tun. Es bestünden keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger künftig das Gemeinwesen durch Waffenmissbrauch stören werde.
14
Der Kläger beantragt,
der Bescheid des Beklagten, …, vom 3. Dezember 2020 wird aufgehoben.
15
Der Beklagte beantragt, 
Klageabweisung.
16
Zur Erwiderung führt das Landratsamt … aus, dass der Sachverhalt im angefochtenen Bescheid zutreffend wiedergegeben und die Entscheidung ausführlich begründet worden sei. Bereits die Sicherstellung von Waffen und Munition mit Bescheid vom 26. Juli 2019 habe sich auf die negative Zukunftsprognose zulasten des Klägers gestützt. Seitdem sei der Kläger erneut strafrechtlich sowie in sonstiger Weise negativ aufgefallen. Dies bestätige und bestärke die negative Zukunftsprognose. Der Kläger neige zur Wahrung seiner Rechte zu konsequentem Auftreten, wobei allerdings zu ergänzen sei, dass die Beachtung öffentlich-rechtlicher Bestimmungen und Rechte anderer Personen dabei in den Hintergrund trete bzw. nicht stattfinde. Der Kläger sei weder zuverlässig noch persönlich geeignet. In seiner Klageschrift versuche er seine Taten und Aussagen zu erklären und zu rechtfertigen. Dabei stelle er sich als Opfer des Systems dar und zeige keinerlei Einsicht.
17
Mit Beschluss vom 18. Februar 2021 hat die Kammer den Antrag im einstweiligen Rechtsschutzverfahren (Az. AN 16 S 21.00009) abgelehnt. Die hiergegen eingelegte Beschwerde hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 7. Mai 2021 (Az. 24 CS 21.899) zurückgewiesen.
18
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtakte im hiesigen Verfahren sowie im Eilverfahren und die vorgelegte Behördenakte verwiesen. Für den Verlauf der mündlichen Verhandlung am 26. Januar 2024 wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Entscheidungsgründe

19
Die Kammer konnte trotz Abwesenheit beider Beteiligten aufgrund eines entsprechenden Hinweises in den ordnungsgemäßen Ladungen über die Streitsache verhandeln und entscheiden (§ 102 Abs. 2 VwGO). Den Vertagungsanträgen der Klägerseite war nicht zu entsprechen, weil ein erheblicher Grund (§ 173 VwGO i.V.m. § 227 ZPO) für eine Neuterminierung aus den in den gerichtlichen Scheiben vom 4., 11., 19. und 23. Januar 2024 genannten Gründen nicht dargetan wurde.
I.
20
Die Klage war als unzulässig abzuweisen, soweit sich der Bescheid vom 3. Dezember 2020 erledigt hat. Mit Ablauf des 6. März 2023 hat sich die befristet erteilte sprengstoffrechtliche Erlaubnis und damit Ziffer 1a des Bescheides vom 3. Dezember 2020 (Widerruf der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis) durch Zeitablauf nach Art. 43 Abs. 2 Var. 4 BayVwVfG erledigt. Mangels Gültigkeit der sprengstoffrechtlichen Erlaubnis ist der Kläger nicht mehr beschwert und hat zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (vgl. BeckOK VwGO/Schmidt-Kötters, 67. Ed. 1.10.2019, VwGO § 42 Rn. 51) für eine Anfechtungsklage insoweit kein Rechtsschutzbedürfnis mehr (vgl. Wöckel, Eyermann, Verwaltungsgerichtsordnung, 16. Auflage 2022, Vorbem §§ 40-53, Rn. 16 mit Hinweis auf § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO).
II.
21
Die im Übrigen zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Beklagten vom 3. Dezember 2020 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
22
1. Der Widerruf der Waffenbesitzkarten in Ziffer 2a des Bescheides stützt sich auf § 45 Abs. 2 Satz 1, § 4 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1, § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG. Danach sind waffenrechtliche Erlaubnisse zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz setzt gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Var. 1 WaffG unter anderem voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG sind Personen aufgrund unwiderleglicher Vermutung waffenrechtlich unzuverlässig, bei denen Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sie Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden werden.
23
Unter einer missbräuchlichen oder leichtfertigen Verwendung ist dabei jedes Gebrauchmachen von Waffen oder Munition zu verstehen, das von der Rechtsordnung nicht gedeckt ist. Eine missbräuchliche, d.h. mindestens bedingt vorsätzliche Verwendung kann u.a. dann zu befürchten sein, wenn die Gefahr besteht, dass der Erlaubnisinhaber mit der (Schuss-)Waffe nicht verantwortungsbewusst und im Rahmen der Rechtsordnung umgeht, etwa weil er „sein Recht“ außerhalb oder neben der bestehenden Rechtsordnung durchsetzen wird, indem es zu einem Notwehr-, Nothilfe- oder Selbsthilfeexzess kommt, eine den Gebrauch einer Schusswaffe rechtfertigende Notsituation also nicht vorliegt (vgl. OVG Schleswig-Holstein, B.v. 16.7.2021 – 4 MB 16.21 – juris Rn. 15). Auch das unmissverständliche Drohen mit Waffen begründet etwa eine solche Gefahr (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2013 – 21 ZB 13.415 – juris Rn. 7). Auch bestimmte Wesensmerkmale einer Person können die Befürchtung eines missbräuchlichen oder leichtfertigen Umgangs begründen. So, wenn der Betroffene leicht reizbar ist, unbeherrscht auf Provokationen reagiert, in der Vergangenheit in Stresssituationen unangemessen reagiert hat oder in Konfliktsituationen ein mangelndes Potential für gewaltfreie Konfliktlösungen gezeigt hat (vgl. Gade in: Gade, Waffengesetz, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 11).
24
Die Anwendung des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG setzt eine auf zutreffend ermittelten Tatsachen gestützte Prognose des zukünftig zu erwartenden Verhaltens des Betroffenen voraus. An die Prognose dürfen keine überzogenen Anforderungen gestellt werden. Das Zuverlässigkeitserfordernis dient dem Zweck, die mit jedem Waffenbesitz verbundenen Risiken nur bei solchen Personen hinzunehmen, die nach ihrem Verhalten das uneingeschränkte Vertrauen verdienen, dass sie mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen werden (vgl. BVerwG, U.v. 22.10.2014 – 6 C 30.13 – juris Rn. 19). Ein Restrisiko braucht nicht hingenommen zu werden (vgl. BayVGH, B.v. 2.10.2013 – 21 CS 13.1564 – juris Rn. 10). Die behördliche Prognose der Unzuverlässigkeit ist in Anlegung dieses Maßstabs nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Tatsachen, auf die sie gestützt wird, nach aller Lebenserfahrung kein plausibles Risiko dafür begründen, dass die in Rede stehende Person künftig Verhaltensweisen im Sinne des § 5 Abs. 1 Nr. 2 WaffG begehen werde (vgl. BVerwG, U.v. 28.1.2015 – 6 C 1.14 – juris Rn. 10 ff.). Der für die Beurteilung der Zuverlässigkeit maßgebende Zeitpunkt ist der des Erlasses des Bescheides am 3. Dezember 2020.
25
Dies zugrunde gelegt ist der Beklagte richtigerweise davon ausgegangen, dass die vorliegenden Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Kläger künftig Waffen oder Munition missbräuchlich oder leichtfertig verwenden wird und damit unzuverlässig im Sinne des Waffenrechts ist. Der Kläger hat über einen längeren Zeitraum in unterschiedlichen Situationen (Waffen-)gewalt sowie Selbstjustiz angedroht und ein aggressives, unbeherrschtes Verhalten gezeigt, das zur Einleitung zahlreicher Ermittlungsverfahren geführt hat.
26
Am … 2018 äußerte sich der Kläger, nachdem er von zwei Polizisten auf seine Fahrweise im Kreisverkehr (mit quietschenden und qualmenden Reifen eine Runde gefahren) angesprochen wurde, beleidigend gegenüber den Polizisten und drohte Selbstjustiz an, würden die Polizisten sein Grundstück nicht verlassen (vgl. Zeugenvernehmungen Bl. 103 ff. BA). Der Kläger wurde deshalb wegen Nötigung zu einer Geldstrafe verurteilt (vgl. Bl. 266 BA); in der Berufungsinstanz wurde das Verfahren gemäß § 153a Abs. 2 Nr. 2 StPO gegen Geldauflage eingestellt (vgl. Bl. 477 umseitig BA).
27
Im Zuge eines Autokaufs zog sich der Kläger am … 2019 nach der Ankündigung, dass die Polizei gerufen werde, einen schwarzen Schutzhelm (vgl. Bl. 292 f. BA) und eine schwarze Schutzweste an und äußerte, die Polizei könne kommen, er sei bereit zu kämpfen, habe Waffen, verfüge über eine Handgranate, eine Halbautomatik und panzerbrechendes Gerät (vgl. Zeugenvernehmung Polizei … Bl. 124 ff. BA).
28
Am … 2020 kam es zu einer Auseinandersetzung zwischen dem Kläger und einer anderen Person, bei dem der Kläger sich mit einer Axt bewaffnete und mit dieser drohend auf die andere Person zuging. Vor Eintreffen der Polizei verließ der Kläger den Ort des Geschehens, ignorierte das Anhaltesignal der Polizeistreife und beschleunigte seinen Pkw teilweise auf bis zu 180 km/h, um sich der Polizeikontrolle zu entziehen (vgl. Bl. 373 ff., Bild sichergestellte Axt: S. 444 BA). Der Vorfall wurde vor dem Strafrichter als Bedrohung gemäß § 241 StGB angeklagt, vgl. Bl. 475.
29
Gegenüber einem Zeugen äußerte der Kläger am … 2020, dass er sich noch in Form zweier Petitionen an zuständige Stellen wenden werde, sollte daraufhin nichts passieren, werde er „das Recht in die eigene Hand nehmen“. Auch seiner Mutter wolle er das Schießen beibringen. Er sei auf etwaige Angriffe der Polizei vorbereitet und könne mehrere Wochen im Wald überleben oder sich ggf. in seinem Keller verschanzen (vgl. Bl. 380, 401 BA).
30
Allein diese Situationen zeigen eindrücklich, dass der Kläger in Stress- bzw. Konfliktsituationen nicht in der Lage ist, angemessen zu reagieren und nicht im Ansatz die nötige Selbstbeherrschung, Zurückhaltung und Besonnenheit besitzt, die von Waffenbesitzern verlangt wird. Statt nach gewaltfreien Konfliktlösungen zu suchen, kokettierte der Kläger in Auseinandersetzungen bereits mehrfach mit seinen Waffen und drohte mit Selbstjustiz. Er hatte keinerlei Hemmung, seine Waffen zum Aufbau einer Drohkulisse gegenüber Dritten und der Polizei einzusetzen. Dabei wurde unmissverständlich deutlich, dass der Kläger zur Einhaltung der Rechtsordnung nicht gewillt ist und er geltendes Recht für sich selbst als nicht verbindlich erachtet. Mit mehrmals geäußerten Drohungen, „das Recht selbst in die Hand zu nehmen“, zeigte der Kläger seine Missachtung gegenüber dem staatlichen Gewalt- und Sicherheitsmonopol. Dabei handelte es sich nicht um einmalige Vorgänge oder Ausnahmesituationen. Vielmehr hat der Kläger mehrfach in dieser Art reagiert und damit Wesensmerkmale seiner Persönlichkeit offenbart, die von einem latenten Aggressionspotential und einer zweifellos inakzeptablen Einstellung zu Waffen zeugen. Der Kläger verdient damit keinerlei Vertrauen, dass er mit Waffen und Munition jederzeit und in jeder Hinsicht ordnungsgemäß umgehen wird. Im Gegenteil muss aufgrund entsprechender Drohungen stets damit gerechnet werden, dass der Kläger seine Ankündigungen wahrmacht und – auch unter Anwendung von Waffengewalt – Selbstjustiz übt. Dies allein wiegt bereits so schwer, dass die Prognose der absoluten Unzuverlässigkeit begründet ist.
31
Das Gericht durfte sich bei dieser Einschätzung auf den Inhalt der Behördenakten zu den vorgenannten Geschehnissen stützen. Die Sachverhalte sind in der Behördenakte jeweils durch Zeugen- oder Geschädigtenaussagen und sachlich schlüssige polizeiliche Aktenvermerke festgehalten. Das Gericht hatte keinen Anlass, an der Glaubhaftigkeit der darin dokumentierten Aussagen zu zweifeln. Keinerlei Anhaltspunkte ergaben sich dahingehend, dass Beamte der Polizeiinspektion … oder anderer involvierter Polizeidienststellen, wie der Polizeiinspektionen …, … oder das Polizeirevier …, dabei einseitig gegen den Kläger ermittelt oder Vermerke einseitig zu Ungunsten des Klägers erstellt hätten, zumal die Vorfälle von zahlreichen unterschiedlichen Beamten bearbeitet wurden und sich gerade die Beschreibung des klägerischen Verhaltens oftmals auf Aussagen verschiedener Beteiligter stützt.
32
Eine weitere Sachaufklärung in Form der Beiziehung der strafrechtlichen Ermittlungsakten oder von Zeugeneinvernahmen o.ä. drängte sich dem Gericht im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) nicht auf. Eine gerichtliche Sachverhaltserforschung ist mitunter dann nicht veranlasst, wenn nicht einmal der interessierte Beteiligte substantiierte Angaben zum Sachverhalt macht; in diesem Fall entsteht die Situation des „Sich-Aufdrängens“ nicht. Bei der Schilderung von Ereignissen aus dem eigenen Erkenntnisbereich des Prozessbeteiligten bzw. aus seiner persönlichen Sphäre, insbesondere bei persönlichen Erlebnissen, sind konkrete und auch auf Einzelheiten eingehende („substantiierte“) Angaben zu erwarten, zumal dem Gericht ohne intensive Mitwirkung des Beteiligten eine zutreffende Entscheidung kaum möglich ist. Die Mitwirkungspflicht ist umso höher, je mehr die aufzuklärenden Tatsachen in der Sphäre des Beteiligten liegen (vgl. Dawin/Panzer, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Werkstand: 44. EL März 2023, § 86 VwGO Rn. 72 ff.).
33
Die ihm vorgeworfenen Sachverhalte ließ der Kläger im Rahmen der Klagebegründung lediglich pauschal bestreiten und vortragen, sein Verhalten werde jeweils zu Unrecht unterstellt und stattdessen fälschlicherweise von der Glaubwürdigkeit der Zeugen ausgegangen. Eine konkrete Schilderung, wie sich die Vorfälle jeweils aus Sicht des Klägers zugetragen haben sollen, erfolgte nicht, obwohl der Kläger sowohl im behördlichen als auch verwaltungsgerichtlichen Verfahren ausreichend Möglichkeiten hatte, sich zu den Umständen zu äußern. Der Kläger hat weder auf die Anhörungen durch das Landratsamt … eine Stellungnahme abgegeben, noch das gerichtliche Verfahren für eine Äußerung genutzt. Zur mündlichen Verhandlung vor dem Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach ist der Kläger nicht erschienen. Zwar trägt die zuständige Behörde im Streitfall die materielle Beweislast für das Vorliegen von Tatsachen, aus denen sie eine zukünftige Unzuverlässigkeit des Betroffenen herleitet, nachdem die entsprechenden Tatsachen aber in der Behördenakte hinreichend belegt sind, wäre es vorliegend Sache des Klägers gewesen, nunmehr darzulegen und im Streitfall unter Beweis zu stellen, dass er trotz der Vorfälle zuverlässig im Sinne des Waffenrechts ist. Der strafrechtliche Zweifelssatz gilt bei der gefahrenabwehrrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung gerade nicht (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, B.v. 8.1.2018 – 7 B 11798.17 – juris Rn. 10).
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Die Klägerseite irrt darüber hinaus darin, dass bei der waffenrechtlichen Zuverlässigkeitsprüfung lediglich strafrechtliche Verurteilungen Relevanz hätten. Vielmehr dürfen auch die den Ermittlungsverfahren zugrunde liegenden Tatsachen sowie jegliche sonstige Tatsachen berücksichtigt werden. Für die zukunftsbezogene Beurteilung der Zuverlässigkeit sind alle Tatsachen einzubeziehen, die in waffenrechtlicher Hinsicht von Bedeutung sein können (vgl. BVerwG, B.v. 2.10.1981 – 1 B 684.80 – Buchholz 402.5 WaffG Nr. 30). Damit konnten der Beurteilung der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers die vorgenannten Sachverhalte zugrunde gelegt werden, auch wenn etwaige diesbezügliche Strafverfahren, sofern sie eingeleitet wurden, nicht mit einer Verurteilung geendet haben (vgl. BVerwG, B.v. 14.2.1996 – 1 B 134.95 – juris Rn. 6 ff.). Das Gesetz sieht eine Bindung der Behörde an eine Einstellung des Strafverfahrens aus bestimmten Gründen nicht vor. Den Verwaltungsbehörden und Gerichten ist es daher nicht verwehrt, die im staatsanwaltlichen Ermittlungsverfahren gewonnenen Erkenntnisse und Beweismittel einer eigenständigen Überprüfung im Hinblick darauf zu unterziehen, ob sich daraus – wie hier – hinreichende Schlussfolgerungen für eine waffenrechtliche Unzuverlässigkeit ergeben. Denn einer Straftat kann ordnungs- und sicherheitsrechtlich größeres Gewicht zukommen als in strafrechtlicher Hinsicht. Dabei ist von dem dargelegten ordnungsrechtlichen Zweck des Waffengesetzes auszugehen, die Allgemeinheit vor dem Schaden zu bewahren, der aus einem Umgang mit Schusswaffen durch nicht in jeder Hinsicht hierfür vertrauenswürdige Personen droht. Entsprechend bedeutet der Umstand, dass im Einzelfall bei einer waffenrechtlichen Verfehlung die Schuld im strafrechtlichen Sinne als gering angesehen wurde, nicht zugleich, dass die Verfehlung ordnungsrechtlich, d.h. im Hinblick auf den Schutz der Allgemeinheit, nicht zur fehlenden Zuverlässigkeit führen kann (vgl. BayVGH, B.v. 9.8.2022 – 24 CS 22.1575 – juris Rn. 15; B.v. 14.11.2016 – 21 ZB 15.648 – juris Rn. 10).
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Nicht zu beanstanden ist in diesem Zusammenhang auch, dass das Landratsamt Vorkommnisse, die gemäß § 170 Abs. 2 StPO mangels hinreichenden Tatverdachts zu einer Einstellung der Strafverfahren oder einem Verweis auf den Privatklageweg geführt haben, im Rahmen des § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG jedenfalls insofern berücksichtigte, als sie das Gesamtbild des Klägers bestätigen würden. Die strafrechtlichen Verfahren, u.a. wegen Nötigung und Körperverletzung, gegen den Kläger, die nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt wurden, dürfen in die im sicherheitsrelevanten und der Gefahrenabwehr dienenden Waffenrecht anzustellende Gefahrenprognose einbezogen werden (vgl. zur Berücksichtigungsfähigkeit von Tatsachen und zulässigen Schlüssen daraus bei Einstellung nach § 170 Abs. 2 StPO: BayVGH, B.v. 4.3.2021 – 24 ZB 20.3095 – juris Rn. 11; B.v. 14.12.2011 – 21 CS 11.2310 – juris Rn. 8). Vorliegend lässt sich auch ohne Würdigung der Sachverhalte im Einzelfall allein aus der Häufigkeit der eingeleiteten Ermittlungsverfahren (24 im Zeitraum zwischen 2009 und 2020) unabhängig von deren Ausgang jedenfalls kein Schluss zu Gunsten der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit des Klägers ziehen. Vielmehr wird dadurch auch aus Sicht der Kammer die Neigung des Klägers zu Konfrontationen und unangemessenem Verhalten im zwischenmenschlichen Umgang bestätigt.
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Entgegen der Ausführungen des Klägerbevollmächtigten, wonach einige Charakterzüge des Klägers, wie etwa die als herrisch empfundene Art oder das aufbrausende, einschüchternde Wesen etc., nichts mit der waffenrechtlichen Zuverlässigkeit zu tun hätten, sind die zu Tage tretenden Wesenszüge einer Person für die Beurteilung deren individueller Zuverlässigkeit gemäß § 5 WaffG durchaus von Relevanz. Der verwaltungsrechtliche Begriff der Zuverlässigkeit beschreibt gerade einen Ausschnitt charakterlicher Tugenden einer Person. Die Zuverlässigkeitsprüfung ist erforderlich, um festzustellen, ob die antragstellende Person selbst in unruhigen Zeiten keinen unrechtmäßigen Gebrauch von einer Schusswaffe machen wird (vgl. Brunner in Adolph/Waldmann/Bannach, Waffenrecht, Stand Juni 2022, § 5 WaffG Rn. 1). Spezifisch waffenrechtlich bedenklich sind daher u.a. bestimmte Persönlichkeitszüge bzw. Wesensmerkmale einer Person (reizbar, unbeherrscht auf Provokationen reagierend, mangelndes Potential für gewaltfreie Konfliktlösungen, zu Affekthandlungen neigend etc.). Diese können in vielfältiger Weise zu Tage treten und müssen keinesfalls selbst in waffenrechtlich spezifischer Weise aufgetreten sein, um für eine Prognose nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a WaffG herangezogen werden zu können (vgl. Gade, a.a.O., § 5 Rn. 11). Wenn Wesenszüge (einmaliger Vorfall kann genügen, Einstellung des Strafverfahrens unerheblich) oder eine Neigung hierzu (bspw. mehrmalige Auffälligkeit in strafrechtlichen Ermittlungsverfahren) feststellbar sind, ist damit eine hinreichende, auf der Lebenserfahrung beruhende Wahrscheinlichkeit verbunden, der Betroffene werde missbräuchlich bzw. leichtfertig mit Waffen bzw. Munition umgehen (vgl. OVG LSA, B.v. 12.6.2023 – 3 L 23.23.Z – juris Rn. 12, 20).
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Hinzukommt, dass der Kläger im Laufe des gesamten behördlichen und gerichtlichen Verfahrens keinerlei Einsicht in sein Verhalten gezeigt hat, sondern dieses vielmehr verharmlost und nicht im Ansatz erkannt hat, dass von einem Waffenbesitzer zu jeder Zeit und in jeder Situation ein besonnenes Verhalten erwartet wird (vgl. BayVGH, B.v. 29.7.2013 – 21 ZB 13.415 – juris Rn. 9).
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2. Davon, dass dem Kläger zudem auch die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche persönliche Eignung gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 2 Var. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 WaffG fehlt, kann derzeit nicht ausgegangen werden, da das Landratsamt … – soweit ersichtlich – dem Kläger nicht aufgegeben hat, ein gemäß § 6 Abs. 2 WaffG erforderliches amts- oder fachärztliches oder fachpsychologisches Zeugnis über seine geistige oder körperliche Eignung vorzulegen. Dies ist nach dem Gesetzeswortlaut („so hat die zuständige Behörde“) jedoch zwingend notwendig (vgl. Gade, a.a.O., § 6 Rn. 13c, allenfalls sind Ausnahmen von dem gestuften Verfahren des § 6 Abs. 2 WaffG denkbar, vgl. Gade, a.a.O. Rn. 13d).
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3. Auch im Übrigen ist der Bescheid rechtmäßig. Der Kläger hat keine substantiierten Einwände gegen die Rechtmäßigkeit der in den Ziffern 1b, 1c, 2b, 2c, 3 bis 6 erlassenen Nebenentscheidungen vorgetragen.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.