Inhalt

LArbG Nürnberg, Beschluss v. 19.08.2024 – 2 Ta 58/24
Titel:

Gegenstandswert – Schulungskosten von Betriebsratsmitgliedern

Normenketten:
RVG § 23, § 33
GKG § 48 Abs. 3
Leitsätze:
1. Der Antrag des Betriebsrats auf Freistellung eines Betriebsratsmitglieds zur Teilnahme an einer Schulung ist nichtvermögensrechtlicher Natur. Eine fünftägige Schulung ist regelmäßig mit dem Hilfswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bewerten. (Rn. 14 – 15)
2. Der Antrag auf Freistellung von den Schulungskosten ist vermögensrechtlicher Natur und mit den geltend gemachten Kosten zu bewerten. (Rn. 1 und 17)
3. Für die Festsetzung des Gegenstandswerts ist entsprechend § 48 Abs. 3 GKG der höhere Wert maßgebend. (Rn. 18)
Sollen weitere Betriebsratsmitglieder für die Schulung freigestellt werden, so ist angemessen, für jedes weitere Betriebsratsmitglied, das an derselben Schulung teilnehmen soll, den gefundenen Wert um 25% zu erhöhen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gegenstandswert, Schulungskosten von Betriebsratsmitgliedern, Freistellung eines Betriebsratsmitglieds, nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, vermögensrechtliche Ansprüche
Vorinstanz:
ArbG Nürnberg, Beschluss vom 31.05.2024 – 7 BVGa 6/24
Fundstellen:
FDArbR 2024, 027422
BeckRS 2024, 27422

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin und Beteiligten zu 4 wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Nürnberg vom 31.05.2024, Az 7 BVGa 6/24, in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 09.07.2024 abgeändert.
2. Der Gegenstandswert für das Verfahren wird auf 5.000,- € festgesetzt.

Gründe

A.
1
Die Beteiligten stritten im Wege der einstweiligen Verfügung über die Freistellung von zwei Betriebsratsmitgliedern (Beteiligte zu 2 und 3) für den Besuch einer viertägigen Betriebsratsschulung (Antrag zu 1), um die Freistellung des Betriebsrats (Beteiligter zu 1) und der Beteiligten zu 2 und 3 von den Kosten der Schulung (Seminarkosten, Hotel, Verpflegung) in Höhe von jeweils 2.386,28 € (Anträge zu 2 und 3) und von Fahrtkosten in Höhe von insgesamt 102,80 € (Antrag zu 4).
2
Das Verfahren endete durch Einstellungsbeschluss vom 13.05.2024.
3
Auf Anregung der Vertreter der Beteiligten zu 1-3 setzte das Arbeitsgericht den Gegenstandswert mit Beschluss vom 31.05.2024 auf 12.836,36 € fest.
4
Die Beschwerdeführerin hält mit ihrer Beschwerde vom 17.06.2024 den Gegenstandswert für zu hoch bemessen. Gerechtfertigt sei hier ein Wert in Höhe von 5.000,00 €. Zwar sei bei einer Schulung mit der hier maßgeblichen Dauer von einem Regelwert von 4.000,00 € auszugehen, jedoch erhöhe sich dieser Wert nur um jeweils weitere 1.000,00 € für das weitere betroffene Betriebsratsmitglied. Die daneben gestellten gesonderten Anträge zu Seminarkosten, Hotel, Verpflegung und Fahrtkosten würden demgegenüber keinen Wert aufweisen. Insoweit liege wirtschaftliche Identität mit dem Antrag bezüglich der eigentlichen Freistellung vor.
5
Das Arbeitsgericht gab den übrigen Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme.
6
Mit Beschluss vom 09.07.2024 half das Arbeitsgericht der Beschwerde teilweise ab, in dem es den Gegenstandswert auf 9.826,36 € festsetzte, und legte das Verfahren dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vor. Das Arbeitsgericht folgte dabei der Ansicht der Beschwerdeführerin, dass die Freistellung für die Schulung als nichtvermögensrechtliche Streitigkeit mit insgesamt 5.000,- € zu bewerten sei. Die Freistellung von den Schulungskosten sei als vermögensrechtliche Streitigkeit jedoch gesondert mit den geltend gemachten Werten zu bewerten.
7
Das Landesarbeitsgericht gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme bis 16.08.2024. Stellungnahmen sind nicht erfolgt.
B.
8
I. Die vom Vertreter der Beteiligten zu 4 eingelegte Beschwerde ist nicht als dessen Beschwerde, sondern als Beschwerde der Beteiligten zu 4 selbst auszulegen. Der Beschwerdeschrift ist allerdings nicht zu entnehmen, ob sie im eigenen Namen oder im Namen der Beteiligten zu 4 eingelegt wurde. Mit dem Ziel der Herabsetzung des Gegenstandswertes kann aber nur die Beteiligte selbst Beschwerde einlegen. Denn nur bei ihr tritt bei einem Erfolg eine Kostenersparnis ein. Eine Beschwerde im eigenen Namen, also im Namen des anwaltlichen Vertreters, die auf eine Herabsetzung des Gegenstandswerts gerichtet ist, wäre mangels Beschwer von vorneherein unzulässig.
9
II. Die Beschwerde der Beteiligten zu 4 ist zulässig.
10
Gegen einen Beschluss, durch den der Gegenstandswert für die anwaltliche Tätigkeit gemäß § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt worden ist, findet gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG eine Beschwerde dann statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Dies ist hier der Fall, denn bereits die einfache Gebührendifferenz nach Anlage 2 zum RVG beläuft sich auf 332,- €. Die Beschwerde ist auch innerhalb von zwei Wochen nach Zuleitung des angegriffenen Beschlusses beim Erstgericht eingegangen, § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG. Die Beteiligte zu 4 ist als Auftraggeberin und als erstattungspflichtige Gegnerin beschwerdeberechtigt, § 33 Abs. 3 Satz 1 iVm Abs. 2 Satz 2 RVG.
11
III. Die Beschwerde ist begründet. Der Gegenstandswert des Verfahrens ist entspre chend § 48 Abs. 3 GKG insgesamt auf 5.000,- € festzusetzen.
12
Die seit 01.01.2020 für Streitwertbeschwerden allein zuständige Kammer 2 des Landesarbeitsgerichts Nürnberg folgt grundsätzlich den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission. Diese sind im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit niedergelegt (derzeitige Fassung vom 01.02.2024, NZA 2024, 308). Der Streitwertkatalog entfaltet zwar keine Bindungswirkung. Er stellt aber aus Sicht des erkennenden Gerichts eine ausgewogene mit den gesetzlichen Vorgaben übereinstimmende Orientierung für die Arbeitsgerichte dar.
13
1. Wie das Arbeitsgericht richtig erkannt hat, beträgt der Gegenstandswert für den An trag zu 1) insgesamt 5.000,- €.
14
a. Beim Streit um die Freistellung von Betriebsratsmitgliedern für eine Schulung han delt es sich um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, die nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG zu bewerten ist. Mit dem Antrag, die namentlich benannten Betriebsratsmitglieder zum Zwecke der Schulungsteilnahme von der Arbeitsverpflichtung freizustellen, weil die Schulung für erforderlich gehalten werde, hat der Betriebsrat einen kollektiven Anspruch geltend gemacht, bei dem letztlich die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats im Streit stand. Dieser kollektive Anspruch des Betriebsrats auf Freistellung eines bestimmten Betriebsratsmitglieds für Schulungsveranstaltungen ist nichtvermögensrechtlicher Art (LAG Baden-Württemberg 11.01.2022 – 5 Ta 96/21; m.w.N.; LAG Schleswig-Holstein 03.07.2019 – 5 Ta 39/19). Deren Wert lässt sich nicht anhand des Gehalts des Betriebsratsmitglieds oder der Seminarkosten ermitteln (a.A. LAG Hamburg 11.04.2023 – 7 Ta /723). Dies wird auch weder von der Beschwerdeführerin noch den Vertretern der Beteiligten anders gesehen. Auch die Streitwertkommission empfiehlt gemäß Ziffer II.9.1 SWK für Freistellungen von der Arbeitspflicht im Einzelfall eine Bewertung nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG, wobei abhängig von Anlass und Dauer der Freistellung eine Herauf- oder Herabsetzung des Wertes erfolgen könne.
15
b. Im Falle einer Freistellung für Schulungsveranstaltungen gemäß § 37 Abs. 6 Satz 1BetrVG  folgt die Beschwerdekammer der überwiegenden Ansicht, dass der Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit maßgeblich von der Dauer der (beabsichtigten) Schulung abhängt. In Fällen einer einwöchigen Schulungsveranstaltung stellt die Beschwerdekammer unabhängig von den dem Arbeitgeber tatsächlich entstehenden Kosten auf den Anknüpfungswert des § 23 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 RVG in Höhe von gegenwärtig 5.000,- € ab, die für kürzere Schulungsveranstaltungen zeitratierlich gekürzt werden (LAG Baden-Württemberg 11.01.2022 – 5 Ta 96/21; LAG Schleswig-Holstein 03.07.2019 – 5 Ta 39/19; LAG Düsseldorf 09.01.2017 – 4 Ta 630/16). Sollen weitere Betriebsratsmitglieder für die Schulung freigestellt werden, so ist zwar derselbe kollektive Anspruch des Betriebsrats betroffen. Andererseits ist die Erforderlichkeit der Freistellung für eine Schulung im Hinblick auf die Schulungsbedürftigkeit für jedes einzelne Betriebsratsmitglied gesondert zu prüfen. Es ist daher angemessen, für jedes weitere Betriebsratsmitglied, das an derselben Schulung teilnehmen soll, den gefundenen Wert um 25% zu erhöhen (LAG Schleswig-Holstein 03.07.2019 – 5 Ta 39/19, BeckRS 2019, 21599).
16
c. In Anwendung dieser Grundsätze war für die Freistellung für die viertägige Schulung ein Wert von 4.000,- € anzusetzen und im Hinblick auf die Teilnahme des zweiten Betriebsratsmitglieds um 1.000,- € zu erhöhen.
17
2. Bei den Anträgen zu 2 – 4 handelt es sich um vermögensrechtliche Ansprüche, de ren Wert jeweils feststeht, § 23 Abs. 3 Satz 2 1. HS RVG. Sie sind jeweils in Höhe der geltend gemachten Kosten, von denen freigestellt werden soll, zu bewerten. Dies entspricht auch dem Vorschlag in II.15.2 Streitwertkatalog. Zusammengerechnet (§ 22 Abs. 1 RVG) beträgt deren Wert somit 4.875,36 €.
18
3. Ist neben der nichtvermögensrechtlichen Freistellung der Betriebsräte auch noch die vermögensrechtliche Freistellung von Kosten der Schulung streitgegenständlich, gilt für die Wertfestsetzung entsprechend § 48 Abs. 3 GKG nur der höhere Wert (LAG Hamburg 11.04.2023 – 7 Ta 7/23; LAG Schleswig-Holstein 03.07.2019 – 5 Ta 39/19; LAG BerlinBrandenburg 16.05.2019 – 17 Ta (Kost) 6039/19). § 48 Abs. 3 GKG kommt auch bei einer Wertfestsetzung nach § 23 Abs. 3 RVG zur Anwendung (LAG Hamburg 11.04.2023 – 7 Ta 7/23; LAG Düsseldorf 09.01.2017 – 4 Ta 630/16, mwN; a.A. LAG Baden-Württemberg – 27.01.2023 – 5 Ta 67/22).
19
4. Da mit den Anträgen im vorliegenden einstweiligen Verfügungsverfahren die Haupt sache vorweg genommen worden wäre, war der Gegenstandswert wie in einem Hauptsacheverfahren zu bestimmen. Dies ist erfolgt. Ein Abschlag war daher nicht vorzunehmen (vgl. I.16.1. Streitwertkatalog für das Urteilsverfahren)
C.
20
Die Entscheidung konnte ohne mündliche Verhandlung durch den Vorsitzenden alleine ergehen, § 78 Satz 3 ArbGG.
21
Für eine Kostenentscheidung bestand kein Anlass, da eine Kostenerstattung nicht stattfindet (§ 33 Abs. 9 Satz 2 RVG).