Inhalt

OLG München, Endurteil v. 07.02.2024 – 27 U 3512/23 e
Titel:

Anrechnung von Restwert und Nutzungsvorteilen auf Differenzschadensersatzanspruch in Dieselfall

Normenketten:
BGB § 31, § 823 Abs. 2, § 826
EG-FGV § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1
Fahrzeugemissionen-VO Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2
Leitsatz:
Bei der Bemessung des sog. Differenzschadens sind die vom Geschädigten gezogenen Nutzungen und der Restwert des Fahrzeugs ohne Rücksicht darauf, ob er durch eine Weiterveräußerung realisiert worden ist, schadensmindernd anzurechnen. Allerdings sind Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs auf den Anspruch auf sog. Differenzschaden erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (hier vollständige Aufzehrung des Schadensersatzanspruchs). (Rn. 40 – 41) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Schadensersatz, Schutzgesetz, Kfz-Hersteller, Dieselskandal, unzulässige Abschalteinrichtung, EA 189, Umschaltlogik, Differenzschaden, Vorteilsausgleichung, Nutzungsvorteile und Restwert
Vorinstanz:
LG Kempten, Urteil vom 21.07.2023 – 22 O 1210/22
Fundstelle:
BeckRS 2024, 2741

Tenor

1.    Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 21.07.2023, Az. 22 O 1210/22, abgeändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.
2.    Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3.    Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4.    Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Klägerin begehrt Schadensersatz im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Diesel-Pkws.
2
Die Klägerin, wohnhaft in R (A), erwarb am 29.07.2014 beim Audi Z. GmbH & Co. KG, (Allgäu) das Neufahrzeug Audi Q3 2.0 TDI quattro S-tronic, Fahrzeug-Identifizierungsnummer (FIN): ..., ausgestattet mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 (103 kW / 140 PS, Abgasnorm: EU5), Kilometerstand bei Erwerb: 0 km, zum Preis von 33.611,24 € (Anlagen K 1a, K 1d). Am 06.11.2014 überwies die Klägerin die im Zusammenhang mit dem Erwerb in Österreich angefallene Umsatzsteuer in Höhe von 6.386,12 € an das Finanzamt B (Anlag K 1b). Die Beklagte zu 1) ist Herstellerin des streitgegenständlichen Motors. Herstellerin des Fahrzeugs ist die Beklagte zu 2).
3
Das Fahrzeug ist vom sog. Dieselskandal betroffen. Ein Rückruf des Kraftfahrt-Bundesamts liegt bezogen auf das Emissionsverhalten des streitgegenständlichen Fahrzeugs vor. Die in Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns mit dem Motortyp EA 189 zum Einsatz gekommene Umschaltlogik unterschied prüfstandsbasiert zwischen verschiedenen Betriebsmodi des Abgasrückführungssystems und optimierte den Ausstoß von NOx-Emissionen in bestimmten Fahrzyklen. Die Motorsteuerungssoftware verfügte vor Durchführung eines von der Beklagten angebotenen Softwareupdates über zwei unterschiedliche Betriebsmodi. Im NOxoptimierten Modus 1, der im Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) aktiv ist, kam es zu einer höheren Abgasrückführungsrate. Unter Fahrbedingungen, die im normalen Straßenverkehr vorzufinden sind, war der Partikeloptimierte-Modus 0 aktiv. Weil es im normalen Straßenbetrieb praktisch ausgeschlossen ist, den NEFZ nachzufahren, befand sich das Fahrzeug im normalen Straßenverkehr durchgehend im Modus 0.
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Die Klägerin behauptet, dass wenigstens ein verantwortlich handelnder Repräsentant der Beklagten zu 2) im Sinne des § 31 BGB von der unzulässigen „Umschaltlogik“ gewusst und die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht habe.
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Im Übrigen wird hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge erster Instanz auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 21.07.2023, Az. 22 O 1210/22, Bezug genommen.
6
Das Landgericht hat die Beklagte zu 2) verurteilt, an die Klägerin 7.193,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.11.2022 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q3 2.0 TDI quattro mit der Fahrgestellnummer zu bezahlen.
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Im Übrigen hat das Landgericht die gegen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) gerichteten Klagen abgewiesen.
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Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin zwar einen Anspruch gegen die Beklagte zu 2) aus § 826 BGB habe, diesem jedoch die Einrede der Verjährung entgegen stünde. Aufgrund dessen habe die Klägerin gegen die Beklagte zu 2) einen Anspruch aus § 852 BGB auf Herausgabe des Erlangten aus dem Neuwagengeschäft mit der Klägerin, der unter Berücksichtigung der von der Klägerin gezogenen Nutzungen im Wert von 26.417,49 € (Gesamtfahrleistung: 250.000 km, von der Klägerin gefahrene Kilometer: 196.493 km) 7.193,75 € betrage.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
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Gegen dieses, der Beklagten zu 2) am 24.07.2023 zugestellte Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 21.07.2023, Az. 22 O 1210/22, richtet sich die mit Schriftsatz ihrer Prozessbevollmächtigten vom 24.08.2023, eingegangen am 24.08.2023, eingelegte Berufung der Beklagten zu 2), die ihre Berufung mit Schriftsatz vom 25.10.2023 begründet hat und rügt, dass die Entscheidung des Landgerichts sowohl auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO) als auch der Feststellung unrichtiger Tatsache beruhe. Außerdem würden die nach § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen.
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Zur Begründung ihrer Berufung führt die Beklagte zu 2) insbesondere aus, dass zwar die Beklagte zu 1) für die von ihr entwickelten Motoren des Typs EA 189 grundsätzlich aus § 826 BGB hafte. Eine Haftung der Beklagten zu 2) ergebe sich daraus aber nicht. Vielmehr habe der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 27.10.2022 – Az. ZR 211/20, BeckRS 2022, 35299 Rn. 19 bestätigt, dass es unerheblich sei, dass es zwischen der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) teilweise personelle Verflechtungen gab bzw. einzelne Mitarbeiter von einer Gesellschaft zur anderen gewechselt seien. Auch sei die Beklagte zu 2) nicht verpflichtet gewesen, etwaige Auskünfte bei der Beklagten zu 1) einzuholen. Etwaige Versäumnisse in diesem Zusammenhang könnten keinen Vorsatz nach § 826 BGB begründen (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2021 – ZR 238/20, BeckRS 2021, 40781 Rn. 28). Diese Maßstäbe des Bundesgerichtshofs zugrunde gelegt fehlten im Vortrag der Klagepartei jegliche Anhaltspunkte dafür, dass für die Beklagte zu 2) handelnde Personen in die auf eine arglistige Täuschung des Kraftfahrt-Bundesamts sowie potenzieller Kunden gerichtete Strategieentscheidung zur Verwendung derselben in dem Motor EA 189 eingebunden gewesen wären.
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Ungeachtet dessen habe das Landgericht zwar zu Recht entschieden, dass Ansprüche der Klagepartei gegen die Beklagte zu 2), die sich erneut auf die Verjährungseinrede beruft, verjährt sind. Das Landgericht habe sich aber hinsichtlich der Höhe eines Anspruchs aus § 852 BGB in Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzt, indem es die von der Klägerin selbst vorgetragene Händlermarge nicht in Abzug gebracht habe (vgl. BGH, NJW-RR 2022, 850 Rn. 16).
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Wegen des weiteren Berufungsvortrags wird auf den Inhalt der Berufungsbegründung der Beklagten zu 2) vom 25.10.2023 Bezug genommen.
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In der Berufungsinstanz stellt die Beklagte zu 2) folgenden Antrag:
Das am 21. Juli 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Kempten, Az. 22 O 1210/22 wird im Umfang der Beschwerde der Beklagten abgeändert und die Klage vollumfänglich abgewiesen.
15
Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz,
die Berufung zurückzuweisen.
16
Die Klägerin verteidigt das Ersturteil. Rechtsfehlerfrei sei das Eingangsgericht davon ausgegangen, dass der Klagepartei ein unverjährter Anspruch aus § 852 BGB zustehe.
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Wegen des weiteren Vortrags der Klägerin in der Berufungsinstanz wird auf den Inhalt der Berufungserwiderung vom 24.11.2023 Bezug genommen.
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Im Termin vom 24.01.2024 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die aktuelle Laufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit 211.534 km angegeben. Die Beklagtenvertreterin hat diese Fahrleistung unstreitig gestellt. Auf das Sitzungsprotokoll vom 24.01.2024 wird ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie genügt insbesondere den Anforderungen des § 520 Abs. 3 ZPO. Die Berufung der Beklagten setzt sich unter eingehender Darlegung ihrer Rechtsauffassung mit der materiell-rechtlichen Würdigung des Erstgerichts auseinander.
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2. Die Berufung der Beklagten hat auch in der Sache Erfolg. Die Rechtsansicht des Landgerichts, dass der Klägerin gegen die Beklagte ein Schadensersatzanspruch aus §§ 852 S. 1, 826 BGB in Höhe von 7.193,75 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 29.11.2022 Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q3 2.0 TDI quattro mit der Fahrgestellnummer an die Beklagte zustehe, ist nicht frei von Rechtsfehlern (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO).
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a) Ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) aus § 826 BGB bezüglich des von der Klägerin vorgenommenen Erwerbs des Fahrzeugs Audi Q3 2.0 TDI quattro S tronic, ausgestattet mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 (103 kW / 140 PS, Abgasnorm: EU5), ist nicht begründet. Es fehlt vorliegend jedenfalls an der schlüssigen Darlegung eines Schädigungsvorsatzes der Beklagten zu 2), der bei einem verfassungsmäßig berufenen Vertreter der Beklagten zu 2) hätte vorliegen müssen (vgl. BGH, NJW 2021, 1669 Rn. 32).
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aa) Ein solcher Vortrag ist den schriftsätzlichen Ausführungen der Klägerin nicht zu entnehmen. Der Anspruchsteller hat darzulegen und zu beweisen, dass der Vorstand, ein Mitglied des Vorstands oder ein anderer verfassungsmäßiger Vertreter nach § 31 BGB des in Anspruch genommenen Unternehmens die objektiven und subjektiven Tatbestandsvoraussetzungen des § 826 BGB verwirklicht hat (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 35). Es genügt nicht, wenn die relevanten Tatumstände lediglich objektiv erkennbar waren und der Handelnde sie hätte kennen können oder kennen müssen oder sie sich ihm sogar hätten aufdrängen müssen; in einer solchen Situation ist lediglich ein Fahrlässigkeitsvorwurf gerechtfertigt (vgl. BGH, NJW 2021, 3721 Rn. 32). Allein aus der objektiven Unzulässigkeit der von der Klägerin behaupteten Abschalteinrichtungen folgt kein Vorsatz der Beklagten zu 2) hinsichtlich der Schädigung der Fahrzeugkäufer (vgl. BGH, Beschluss vom 12.01.2022 – ZR 424/21, BeckRS 2022, 7010 Rn. 38; BGH, Beschluss vom 10.11.2021 – ZR 415/21, BeckRS 2021, 45434 Rn. 37).
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Eine strategische Entscheidung zum Einsatz der streitgegenständlichen Software in den Motoren des Typs EA 189, wie sie der Bundesgerichtshof der Annahme einer Haftung der Beklagten zu 1) zugrunde gelegt hat (vgl. BGH, NJW 2020, 1962 Rn. 39), zeigt der Vortrag der Klägerin, dass mindestens ein für die Beklagte zu 2) verantwortlich handelnder Repräsentant im Zeitpunkt der Entscheidung über den Einsatz des Motors EA 189 in den Fahrzeugen der Beklagten zu 2) über den Einsatz der verbauten unzulässigen Abschalteinrichtung Bescheid wusste, nicht auf. Insbesondere war die Beklagte zu 2) nicht verpflichtet, den Motor EA 189 eigenständig auf Gesetzesverstöße zu überprüfen und zu diesem Zweck Auskünfte von der Beklagten zu 1) einzuholen. Etwaige Versäumnisse der Beklagten zu 2) in dieser Hinsicht können grundsätzlich nicht den für eine Haftung aus § 826 BGB erforderlichen Vorsatz begründen (vgl. BGH, Urteil vom 25.11.2021 – ZR 238/20, BeckRS 2021, 40781 Rn. 28). Einen Vorsatz der Beklagten nicht zu begründen vermögen auch Ermittlungen der Staatsanwaltschaft M. u. a. gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 2), die – was gerichtsbekannt ist – noch nicht durch ein rechtskräftiges Urteil des Landgerichts München abgeschlossen sind. Im Übrigen käme einem strafgerichtlichen Urteil keine Bindungswirkung für die Zivilgerichte zu, da eine Bindung des Zivilrichters an strafgerichtliche Urteile mit dem das Zivilprozessrecht beherrschenden Grundsatz der freien Beweiswürdigung grundsätzlich unvereinbar ist (vgl. BGH, NJW-RR 2005, 1024 f.). Gegen die Annahme, dass die „Kenntnis“ (auch) die Abschalteinrichtung in Motoren des Typs EA 189 umfasste, spricht außerdem, dass das gegen den ehemaligen Vorstandsvorsitzenden der Beklagten zu 2) geführte Ermittlungsverfahren keine Motoren des Typs EA 189 zum Gegenstand hat und wegen Sachverhalten mit Bezug zur Entwicklung des EA 189-Motors von deutschen Verfolgungsbehörden kein Ermittlungsverfahren gegen Mitarbeiter der Beklagten zu 2) geführt werden (vgl. BGH, Urteil vom 04.08.2022 – ZR 230/20, BeckRS 2022, 25374 Rn. 29).
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b) Auch die Voraussetzungen der §§ 823 Abs. 2, 31 BGB/831 BGB i.V. m. § 263 Abs. 1 StGB sind nicht erfüllt, da es auch hier an der substantiierten Darlegung eines entsprechenden Vorsatzes gemäß §§ 15, 16 Abs. 1 StGB der Beklagten zu 2) im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs hinsichtlich des objektiven Tatbestandsmerkmals der Erregung oder Unterhaltung eines Irrtums der vermeintlich geschädigten Klägerin fehlt. Im Übrigen wäre auch die für den Betrugstatbestand erforderliche Stoffgleichheit zwischen einer etwaigen Vermögenseinbuße der Klägerin mit den denkbaren Vermögensvorteilen, die ein verfassungsmäßiger Vertreter (§ 31 BGB) oder Verrichtungsgehilfe (§ 831 BGB) der Beklagten zu 2) für sich oder einen Dritten erstrebt haben könnte, nicht gegeben, weil diese bzw. die Beklagte zu 2) keinen unmittelbaren Vorteil aus dem Kaufvertrag der Klägerin mit dem Audi Zentrum Kempten ziehen konnten (vgl. BGH, NJW 2020, 2798, 2801). Ein etwaiger der Klägerin entstandener Schaden kann stoffgleich allenfalls mit dem Vorteil sein, der dem Verkäufer aus dem Fahrzeugverkauf zugeflossen ist (vgl. BGH, VersR 2022, 1242 Rn. 26; BGH, Beschluss vom 14.09.2021 – ZR 491/20, BeckRS 2021, 29971 Rn. 14; BGH, NJW 2020, 2798, 2801; OLG Karlsruhe, Urteil vom 12.05.2021 – 6 U 15/20, BeckRS 2021, 16080 Rn. 124).
25
c) Ungeachtet dessen kann sich die Beklagte zu 2) zudem auf die von ihr – in der Berufungsinstanz erneut – erhobene Einrede der Verjährung (§ 214 Abs. 1 BGB) berufen.
26
aa) Das Landgericht hat – bezogen auf die im Berufungsverfahren nicht beteiligte Beklagte zu 1) mit dem nach § 286 Abs. 1 S. 1 ZPO erforderlichen Maß „für wahr erachtet“, dass die Klägerin Kenntnis vom Dieselskandal im Allgemeinen hatte und ihr hinsichtlich der konkreten Betroffenheit ihres Fahrzeugs seit dem Jahr 2016 grob fahrlässige Unkenntnis anzulasten sei, da es der Klägerin im Jahr 2016 zumutbar gewesen sei, Klage zu erheben und ihren Anspruch gegen die Beklagte zu 1) aus §§ 826, 31 BGB gerichtlich geltend zu machen. Nichts anderes gelte bezüglich der Beklagten zu 2).
27
Die Klägerin war bereits im Jahr 2016 zur Vermeidung des Vorwurfs grober Fahrlässigkeit gehalten zu ermitteln, ob ihr Fahrzeug von dem Dieselskandal betroffen war (vgl. BGH, NJW 2022, 2028 Rn. 14; BGH, Urteil vom 17.02.2022 – ZR 276/20, BeckRS 2022, 4966 Rn. 20). Mit Rücksicht darauf, dass die Beklagte zu 2) und ihr Mutterkonzern seit September 2015 hinsichtlich des im streitgegenständlichen Fahrzeug verbauten Motors mit zahlreichen Informationen an die Öffentlichkeit getreten waren, war hier ein Zuwarten der Klägerin bis zum Zeitpunkt der Einreichung der Klage im August 2022 schlechterdings unverständlich. Im Ergebnis ist allen Schadensersatzklagen, die erst im Jahr 2020 oder später (hier: 2022) rechtshängig geworden sind, wegen der dann abgelaufenen Verjährung (§ 195 BGB i.V. m. § 214 Abs. 1 BGB) kein Erfolg mehr verbeschieden (vgl. Diehm, NJW 2022, 2029).
28
bb) Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte zu 2) die Verjährungseinrede treuwidrig (vgl. § 242 BGB) erhebt, bestehen nicht. An der Verjährung etwaiger Schadensersatzansprüche, insbesondere aus § 826 BGB bzw. § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV ändert das sog. Thermofenster, dessen Vorhandensein die Klägerin behauptet, nichts. Nach dem Grundsatz der Schadenseinheit (vgl. BGH, NJW-RR 2022, 740 Rn. 75; BGH, NJW-RR 2022, 850 Rn. 20) werden schadensersatzpflichtige Manipulationen an der Abgassteuerung/Motorsteuerungssoftware, sei es durch Verwendung einer Prüfstandserkennung bzw. Umschaltlogik, sei es durch die von der Klägerin behaupteten weiteren unzulässigen Abschalteinrichtungen, namentlich das sog. Thermofenster, als ein und dasselbe Schadensereignis behandelt, sodass Beginn und Ende der Verjährungsfrist gleich laufen (vgl. OLG München, Endurteil vom 27.06.2022 – 17 U 8117/21, BeckRS 2022, 17267 Rn. 28; OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2022 – 6 U 236/21, BeckRS 2022, 32281 Rn. 42).
29
d) Ungeachtet des Umstandes, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug um einen Neuwagen handelt (vgl. BGH, NJW 2022, 1311 Rn. 30; BGH, NJW-RR 2022, 850 Rn. 14), setzt sich – da bezogen auf die Beklagte zu 2) vorliegend bereits die Voraussetzungen des § 826 BGB nicht erfüllt sind (s. o.) – kein Anspruch der Klägerin aus § 826 BGB in Form des sog. Restschadensersatzanspruchs gemäß § 852 S. 1 BGB fort.
30
e) Der Klägerin steht mit Rücksicht auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, NJW 2023, 2259; BGH, NJW 2023, 2270; BGH, NJW 2023, 3580; BGH, NJOZ 2023, 1133; BGH, Urteil vom 25.09.2023 – VIa ZR 1/23, BeckRS 2023, 29219) gegen die Beklagte zu 2) als Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs (vgl. BGH, NJW 2023, 3580 Rn. 20) auch kein Anspruch aus §§ 852 S. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V. m. §§ 6, 27 EG-FGV, Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 bezüglich der im Motor EA 189 verbauten Umschaltlogik bzw. des von der Klägerin behaupteten Thermofensters zu.
31
aa) Soweit in dem hier dem Senat zur Entscheidung gestellten Fall die Klägerin in der Berufungserwiderung Ersatz des mit dem Fahrzeugerwerb entstandenen sog. Differenzschadens geltend macht, der an die Vertrauensinvestition der Klägerin bei Abschluss des Kaufvertrages anknüpft (vgl. BGH, Urteil vom 09.10.2023 – VIa ZR 598/22, BeckRS 2023, 30723 Rn. 15), ist dieser – soweit der Differenzschaden dem sog. „kleinen Schadensersatz“ (vgl. BGH, NJW 2021, 3041 Rn. 15 ff.) gleichgesetzt wird bzw. entspricht (vgl. BGH, NJW 2023, 2259 Rn. 40) – nach verbreiteter Ansicht von § 852 S. 1 BGB nicht gedeckt, da insoweit die Beklagte nichts erlangt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2022 – 6 U 236/21, BeckRS 2022, 32281 Rn. 57; OLG München, Endurteil vom 27.06.2022 – 17 U 8117/21, BeckRS 2022, 17267 Rn. 29; LG Münster, Urteil vom 15.12.2022 – 8 O 34/22, BeckRS 2022, 43372 Rn. 42 ff.). Der sog. „kleine Schadensersatz“ ist dadurch charakterisiert, dass der Geschädigte einen Vertrauensschaden ersetzt verlangt; er will so behandelt werden, als wäre es ihm bei Kenntnis der wahren Sachlage gelungen, den Vertrag über das Fahrzeug zu einem niedrigeren Preis abzuschließen (vgl. BGH, NJW 2021, 3041 Rn. 16). Dieses Begehren lasse sich indes nicht auf den Regelungsgegenstand von § 852 S. 1 BGB übertragen (vgl. LG Münster, Urteil vom 15.12.2022 – 8 O 34/22, BeckRS 2022, 43372 Rn. 43 ff.). Denn beim Minderwertschaden werde nicht das negative Interesse des Klägers, sondern ein Minus in seinem Vermögen ausgeglichen, das dem Erfüllungsinteresse zumindest sehr nahe kommt, aber nichts mit dem zu tun hat, was die Beklagte erlangt hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 27.10.2022 – 6 U 236/21, BeckRS 2022, 32281 Rn. 57; OLG München, Endurteil vom 27.06.2022 – 17 U 8117/21, BeckRS 2022, 17267 Rn. 29).
32
bb) Selbst wenn man das anders sähe (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 10.08.2023 – 18 U 168/22, BeckRS 2023, 23297 Rn. 10 m. w. N.; OLG Frankfurt a. M., Urteil vom 06.03.2023 – 26 U 65/22, BeckRS 2023, 6646 Rn. 21; OLG Köln, Urteil vom 23.08.2022 – 3 U 190/21, BeckRS 2022, 26412 Rn. 22), ist im Streitfall der Anspruch der Klägerin auf Ersatz des sog. Differenzschadens durch die im Rahmen der Vorteilsausgleichung (vgl. BGH, NJW-RR 2022, 1033 Rn. 18) zu berücksichtigenden Positionen vollständig aufgezehrt.
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(1) Die Vorschriften des Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 und der §§ 6, 27 Abs. 1 EG-FGV sind zwar nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, NJW 2023, 2259; BGH, NJW 2023, 2270; BGH, Urteil vom 19.10.2023 – ZR 221/20, BeckRS 2023, 39064 Rn. 24 ff.; BGH, Urteil vom 25.09.2023 – VIa ZR 1/23, BeckRS 2023, 29219; BGH, Urteil vom 10.07.2023 VIa ZR 1119/22, BeckRS 2023, 18668; BGH, Urteil vom 26.06.2023 – VIa ZR 1031/22, BeckRS 2023, 14774) im Anschluss an die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 21.03.2023, Az. C-100/21, NJW 2023, 1111 insoweit drittschützend im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB, als sie aufgrund der von den Fahrzeugherstellern auszustellenden Übereinstimmungsbescheinigung auch den individuellen Interessen der Käufer dienen, kein Fahrzeug zu erwerben, das mit einer unzulässigen Abschaltvorrichtung versehen ist. Dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne des Art. 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 versehenen Kraftfahrzeugs kann deshalb unter den Voraussetzungen des § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch gegen den Fahrzeughersteller (vgl. BGH, Urteil vom 10.07.2023 – VIa ZR 1119/22, BeckRS 2023, 18668 Rn. 20) auf Ersatz des sog. Differenzschadens zustehen. Das Bestehen eines Schadens ist in diesem Falle nach Maßgabe der Differenzhypothese zu ermitteln, also nach Maßgabe eines Vergleichs der in Folge des haftungsbegründenden Ereignisses eingetretenen Vermögenslage mit der Vermögenslage, die ohne jenes Ereignis eingetreten wäre. Insofern unterscheidet sich der Anspruch auf Ersatz eines Differenzschadens gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V. m. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV nicht von dem unter den Voraussetzungen der §§ 826, 31 BGB zu gewährenden „kleinen“ Schadensersatz (vgl. BGH, NJW 2023, 2259 Rn. 40 m. w. N.).
34
(2) Im Streitfall scheiden aber Schadensersatzansprüche der Klägerin aus §§ 852 S. 1, 823 Abs. 2 BGB i.V. m. §§ 6, 27 EG-FGV, Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 aus.
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(a) Eine Vertragsrückabwicklung kann im Rahmen des § 823 Abs. 2 BGB von vornherein nicht verlangt werden. §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV i.V. m. Art. 5 VO (EG) 715/2007 schützen zwar das Vertrauen des Käufers auf die Übereinstimmung des Fahrzeugs mit allen maßgebenden Rechtsakten beim Fahrzeugkauf. Der Schutz erstreckt sich aber nicht auf das Interesse des Käufers, nicht an dem Vertrag festgehalten zu werden. Das Unionsrecht verlangt nicht, den Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Kraftfahrzeugs so zu stellen, als habe er den Kaufvertrag nicht abgeschlossen, also das Interesse auf Rückabwicklung des Kaufvertrags in den sachlichen Schutzbereich der §§ 6 Abs. 1, 27 Abs. 1 EG-FGV einzubeziehen (vgl. BGH, NJW 2023, 2259 Rn. 19 ff., 22 ff.).
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(b) Die Klägerin kann den geltend gemachten Schadensersatzanspruch nicht auf die Verletzung eines Schutzgesetzes stützen (§ 823 Abs. 2 BGB) und damit begründen, die Beklagte habe schuldhaft – sei es nur fahrlässig – eine unzulässige Abschalteinrichtung i. S. d. Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 beim streitgegenständlichen Fahrzeug verwendet und deshalb dafür keine Übereinstimmungsbescheinigung ausstellen dürfen (§§ 6, 27 EG-FGV).
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(aa) Unter welchen konkreten Umständen eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt, richtet sich nach Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 S. 1 VO (EG) 715/2007. Bei der Subsumtion unter Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 ist auf die Verwendung des Fahrzeugs unter Fahrbedingungen abzustellen, wie sie im gesamten Unionsgebiet üblich sind (vgl. EuGH, NJW 2022, 2605 Rn. 40; BGH, NJW 2023, 2259 Rn. 50). Maßstab für die Frage der Zulässigkeit einer Funktionsveränderung in Abhängigkeit von bestimmten Parametern ist nach Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 nicht die Einhaltung des Grenzwerts, sondern die Wirksamkeit des unverändert funktionierenden Emissionskontrollsystems unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs. In diesem Zusammenhang bedarf es eines Vergleichs der Wirksamkeit des unverändert funktionierenden und derjenigen des verändert funktionierenden Gesamtsystems, und zwar jeweils unter den Bedingungen des normalen Fahrbetriebs im gesamten Unionsgebiet. Ob die Grenzwerte unter den Bedingungen des NEFZ auch bei veränderter Funktion eingehalten würden, ist mit Rücksicht auf den Wortlaut des Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 nicht von Bedeutung (vgl. BGH, NJW 2023, 2259 Rn. 51). Art. 3 Nr. 10 VO (EG) 715/2007 knüpft an die Verringerung der Wirksamkeit des Emissionskontrollsystems in seiner Gesamtheit an und nicht an die Einhaltung der Grenzwerte im NEFZ. Das gilt ohne Rücksicht auf die jeweils eingesetzten Technologien (vgl. BGH, NJW 2023, 2259 Rn. 51).
38
(bb) Vorliegend besteht ein Minderwert des nahezu 10 Jahre alten Fahrzeugs, welches die Klägerin ohne jede Einschränkung nutzt, unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs allenfalls mit Rücksicht darauf, dass im Zeitpunkt des Fahrzeugerwerbs in der Software des Fahrzeugs mit dem Motor EA 189 eine prüfstandserkennende Umschaltlogik eingebaut war bzw. die Abgasrückführung im Fahrzeug der Klägerin nach ihrem Sachvortrag durch eine temperaturabhängige Steuerung des Emissionskontrollsystems gesteuert ist, die die Abgasreinigung an der Außentemperatur orientiert, und hinsichtlich dieses Vortrags zugunsten der Klägerin unter Berücksichtigung der Urteile des Europäischen Gerichtshofs vom 21.03.2023 (C-100/21, NJW 2023, 1111) und vom 14.07.2022 (C-128/20, BeckRS 2022, 16622, C-134/20, BeckRS 2022, 16621, C-145/20, BeckRS 2022, 16620) in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unterstellt wird, dass eine derartige temperaturbeeinflusste Steuerung der Abgasrückführung als unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2 S. 1 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 zu qualifizieren ist. Im Übrigen hat die Klägerin bezüglich der weiteren, von ihr behaupteten unzulässigen/prüfstandsbezogenen Abschalteinrichtungen keine greifbaren Anhaltspunkte für die Richtigkeit ihrer Behauptungen aufgezeigt, weshalb diesen die Qualität einer Abschalteinrichtung abzusprechen ist, da insoweit der Sachvortrag der Klägerin nebst Beweisangeboten über eine substanzlose und damit unbeachtliche Behauptung, die einem Beweis nicht zugänglich ist, nicht hinausgeht (vgl. BGH, NJOZ 2023, 1133 Rn. 21).
39
(cc) Den Minderwert des Fahrzeugs zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses aufgrund unzulässiger Abschalteinrichtungen schätzt der Senat auf 15% des gezahlten Kaufpreises von 33.611,24 € brutto, was einen Betrag in Höhe von 5.041,69 € ergibt, sodass der tatsächliche Wert des streitgegenständlichen Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrages lediglich 28.569,55 € betragen hat.
40
(dd) Bei der Bemessung des sog. Differenzschadens sind die von der Klägerin gezogenen Nutzungen und der Restwert des Fahrzeugs ohne Rücksicht darauf, ob er durch eine Weiterveräußerung realisiert worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 27.11.2023 – VIa ZR 159/22, BeckRS 2023, 39066 Rn. 13), schadensmindernd anzurechnen.
41
Allerdings sind Nutzungsvorteile und der Restwert des Fahrzeugs auf den Anspruch auf sog. Differenzschaden erst dann und nur insoweit schadensmindernd anzurechnen, als sie den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags übersteigen (vgl. BGH, NJW 2023, 2259 Rn. 44; BGH, NJW-RR 2022, 1033 Rn. 22). Ausgehend davon, dass das hier in Rede stehende Fahrzeug bei Vertragsabschluss lediglich 28.569,55 € wert gewesen ist, kommt eine Anrechnung folglich erst dann und nur in dem Umfang infrage, in dem die Klägerin höhere Vorteile gezogen hat. Der Senat legt hinsichtlich des Nutzungsersatzes seiner Berechnung eine erwartbare Gesamtlaufleistung des Fahrzeugs von 250.000 km zugrunde. Der Senat ist nicht gehalten, zur Frage der zu prognostizierenden Gesamtlaufleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs ein – grundsätzlich nicht erforderliches (vgl. BGH, VersR 2022, 115 Rn. 27 m. w. N.) – Sachverständigengutachten einzuholen. Mit seiner Schätzung bewegt sich der Senat innerhalb der Bandbreite der von anderen Gerichten jeweils vorgenommenen Schätzung der gesamten Laufleistung eines Fahrzeugs und zwar nicht am unteren Rand (vgl. BGH, VersR 2022, 115 Rn. 26; BGH, NJW-RR 2021, 1388 Rn. 16; OLG Karlsruhe, Urteil vom 17.08.2021 – 17 U 325/19, BeckRS 2021, 30248 Rn. 60 m. w. N.).
42
Die von der Klägerin gezogenen Nutzungsvorteile schätzt der Senat im Wege der zeitanteiligen linearen Wertminderung (vgl. BGH, NJW 2020, 2806 Rn. 35 f.) gemäß §§ 525 S. 1, 287 ZPO auf 28.439,68 €. Dieser Betrag ergibt sich aus der von der Rechtsprechung als zutreffend erachteten Formel (vgl. BGH, NJW-RR 2022, 1033 Rn. 24; BGH, NJW 2020, 2806 Rn. 35; BGH, NJW 2020, 2796 Rn. 12), wonach der von der Klägerin gezahlte (Brutto-)Kaufpreis (vgl. BGH, NJW 2023, 3010 Rn. 20; OLG Oldenburg, NJW-RR 2021, 749 Rn. 45) in Höhe von 33.611,24 € für das Neufahrzeug durch die voraussichtliche Restlaufleistung im Erwerbszeitpunkt (250.000 km) geteilt und dieser Wert mit der gefahrenen Strecke seit Erwerb (211.534 km) multipliziert wird. Der Senat hat den Wert der gezogenen Nutzungen auf Basis des von der Klägerin tatsächlich gezahlten Kaufpreises und nicht auf Basis des um den Differenzschadensersatz reduzierten objektiven Fahrzeugwertes geschätzt. Dem liegt die Überlegung zugrunde, dass wenn sich das wertbestimmende Risiko bis zum Ende der Gesamtlaufzeit des Fahrzeugs nicht verwirklicht hat, dieser Umstand auch bei der Vorteilsausgleichung Berücksichtigung zu finden hat (vgl. BGH, NJW-RR 2022, 1033 Rn. 20; OLG Stuttgart, Urteil vom 19.10.2023 – 24 U 103/22, BeckRS 2023, 28478 Rn. 65).
43
Zum Restwert des Fahrzeugs hat die Beklagte zu 2) vorgetragen, dass dieser nach einer DAT-Abfrage unter Zugrundelegung einer Laufleistung des Fahrzeugs von 196.493 km 10.924,00 € betrage (vgl. Schriftsatz der Beklagten zu 2) vom 16.01.2024, S. 2, und Anlage BB 1). Dem ist die Klägerin nicht entgegengetreten. Der Senat hat – ausgehend von einem Betrag von 10.924,00 € – einen Abschlag von 30% gemacht und den verbleibenden Betrag noch nach unten abgerundet, weil die Fahrleistung des streitgegenständlichen Fahrzeugs aktuell 211.534 km beträgt, die Klägerin bei einem Privatverkauf keine Händlerspanne erzielen kann und bei Privatverkäufen der angebotene Verkaufspreis durch Verhandlungen möglicherweise reduziert werden kann (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 31.08.2023 – 8 U 153/22, BeckRS 2023, 25579 Rn. 32). Selbst ein solcher Abschlag lässt den realistisch erzielbaren Verkaufswert des streitgegenständlichen Fahrzeugs jedenfalls nicht unter mindestens 7.500,00 € sinken.
44
Vor diesem Hintergrund beträgt die Summe der zu berücksichtigenden Vorteile der Klägerin (Nutzungsentschädigung: 28.439,68 €, Restwert des Fahrzeugs: 7.500,00 €) mindestens 35.939,68 €. Sie übersteigt damit den tatsächlichen Wert des Fahrzeugs bei Abschluss des Kaufvertrags (28.569,55 €) um 7.370,13 €. Da dieser Differenzbetrag um 2.328,44 € höher liegt als der der Klägerin grundsätzlich als Differenzschaden zustehende Betrag in Höhe von 5.041,69 €, ist der Anspruch der Klägerin auf Differenzschaden durch die im Rahmen der Vorteilsausgleichung zu berücksichtigenden Positionen vollständig aufgezehrt.
45
f) Mangels eines Anspruchs in der Hauptsache steht der Klägerin gegen die Beklagte zu 2) auch kein Anspruch auf Zinsen zu.
46
Nach alledem erweist sich das Ersturteil aus den aufgezeigten Überlegungen unter Würdigung des Aussagegehalts der klägerseits bemühten Unterlagen als nicht zutreffend.
47
1. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 97 Abs. 1, 91 ZPO.
48
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO.
49
2. Die Revision wird nicht zugelassen. Klärungsbedürftige Rechtsfragen stellen sich nicht. Die Voraussetzungen einer Haftung gemäß § 826 BGB sind höchstrichterlich abstrakt seit langem geklärt und durch die Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 25.05.2020 – ZR 252/19, BGHZ 225, 316 hinsichtlich der Entwicklung und des Einsatzes einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Rahmen der Abgasreinigung weiter konkretisiert worden. Ob die Voraussetzungen für eine Haftung der Beklagten zu 2) gemäß § 826 BGB wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung vorliegen, hängt von den in tatrichterlicher Würdigung des jeweiligen Sachvortrags zu treffenden Feststellungen des Berufungsgerichts ab (vgl. BGH, Beschluss vom 21.03.2022 – VIa ZR 334/21, BeckRS 2022, 10201 Rn. 13; BGH, Beschluss vom 12.01.2022 – ZR 424/21, BeckRS 2022, 7010 Rn. 18).