Titel:
Bemessung des erforderlichen Zeitaufwands im Rahmen der Festsetzung der Vergütung des Sachverständigen
Normenketten:
ZPO § 407a Abs. 4 S. 2
JVEG § 8 Abs. 2 S. 1, § 8a Abs. 4
Leitsätze:
1. Als erforderlich im Sinne des § 8 Abs. 2 S. 1 JVEG ist derjenige Zeitaufwand anzusetzen, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Gerichte sind regelmäßig nicht veranlasst, Zeitangaben von Sachverständigen durch ins Einzelne gehende Gegenrechnungen in Frage zu stellen. Dem Sachverständigen kommt in diesem Rahmen ein Ermessensspielraum zu und auch seine Arbeitsweise muss primär ihm selbst überlassen bleiben. Ein Anlass zur Nachprüfung besteht allerdings dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint, die berechnete Stundenzahl also nicht mehr plausibel ist. (Rn. 24) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Justizvergütung, Sachverständiger, erforderlicher Zeitaufwand, Bemessung, Angaben des Sachverständigen, ungewöhnlich hoher Zeitaufwand, Nachprüfung
Vorinstanz:
LG München II, Beschluss vom 22.09.2023 – 5 OH 4170/19 Bau
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Berichtigungsbeschluss vom 21.02.2024 – 11 W 1399/23 e
Fundstellen:
BauR 2024, 1566
LSK 2024, 27273
BeckRS 2024, 27273
Tenor
Unter Zurückweisung der Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts München II vom 22.09.2023 im Übrigen wird der in der Schlusskostenrechnung vom 25.04.2023 (Rechnungsnummer …16) festgesetzte Gesamtbetrag von 8.465,84 Euro auf 8.112,13 Euro reduziert.
Gründe
1
Wegen behaupteter Mängel an den Fliesenlegerarbeiten des Antragsgegners im Anwesen des Antragstellers betrieb der Antragsteller ein selbständiges Beweisverfahren vor dem Landgericht München II unter Az. 5 OH 4170/19. Das Verfahren war mit Beschluss vom 04.11.2019 dem Einzelrichter übertragen worden.
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Mit Beweisbeschluss vom 18.03.2022 wurde der Sachverständige C. G. mit der ergänzenden Begutachtung zu den Fragen des Antragstellers im Schriftsatz vom 13.01.2022 beauftragt. Nach Einzahlung des vom Gericht festgesetzten Kostenvorschusses i.H.v. 1.000 Euro durch den Antragsteller wurden dem Sachverständigen mit Schreiben vom 28.03.2022 die Akten zugeleitet.
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Nachdem der Antragsteller mit Schriftsatz vom 07.04.2022 mitgeteilt hatte, auf die ergänzende Begutachtung zu verzichten, wurde der Sachverständige mit gerichtlicher Verfügung vom 08.04.2022 aufgefordert, die Begutachtung einzustellen und die Akte zurückzusenden.
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Mit Schreiben vom 27.04.2022 teilte der Sachverständige mit, er habe die Begutachtung bereits begonnen, die angefallenen Kosten würden separat in Rechnung gestellt. Des Weiteren bat der Sachverständige um Hinweis, ob weitere Aufträge in der Sache anstünden oder die Angelegenheit abgeschlossen sei. Vorsorglich-so der Sachverständige weiterempfehle er die Erhöhung des Vorschusses auf 4000 Euro.
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Mit Rechnung vom 06.05.2022 rechnete der Sachverständige die bereits angefallenen Kosten mit 1.795,10 Euro ab, woraufhin der Antragsteller vom Gericht zur Einzahlung eines weiteren Kostenvorschusses i.H.v. 795,10 Euro aufgefordert wurde.
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Mit Schreiben vom 18.05.2022 teilte der Antragsteller mit, die Kostenforderung des Sachverständigen sei nicht nachvollziehbar und beantragte dem Sachverständigen aufzuerlegen, seine bereits entfaltete Tätigkeit detailliert nachzuweisen.
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Mit Schreiben vom 11.06.2022 teilte der Sachverständige mit, die Vorhaltungen des Antragstellers im Schreiben vom 18.05.2022 seien nicht nachvollziehbar. Die Rechnung vom 06.05.2022 sei detailliert und selbsterklärend.
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Mit gerichtlicher Verfügung vom 24.06.2022 wurde dem Sachverständigen aufgegeben, binnen zwei Wochen detailliert darzulegen, „wann er welche konkreten Stunden“ geleistet habe. Dem kam der Sachverständige nicht nach. Mit Beschluss des Landgerichts (Einzelrichterin) vom 13.07.2022 wurde das Verfahren wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 4 Abs. 7 Satz 2 JVEG auf die Kammer übertragen und festgestellt, dass die Einwendungen des Sachverständigen als Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 4 Abs. 1 JVEG auszulegen seien.
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Mit Kammerbeschluss des Landgerichts vom 18.08.2022 wurde die Vergütung des Sachverständigen gemäß § 4 Abs. 1 JVEG auf 1.000 Euro festgesetzt. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass, da der Sachverständige es versäumt habe, eine Kostenüberschreitung gemäß § 407 a Abs. 4 Satz 2 ZPO dem Gericht anzuzeigen, die Vergütung auf die Höhe des geleisteten Vorschusses zu begrenzen sei. Der Betrag von 1.000 Euro entspreche in etwa den Positionen 1. a) und 1. b) Rechnung vom 06.05.2022. Der geltend gemachte Aufwand erscheine angesichts der Vielzahl der Beweisfragen noch plausibel. Dass der Sachverständige in dem Zeitraum bis einschließlich 12.04.2022 nach eigenen Angaben insgesamt 10 Stunden aufgewendet habe, erscheine ebenfalls plausibel.
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Mit als Beschwerde bezeichnetem Schreiben vom 30.11.2022 stellte der Sachverständige den Antrag „auf gerichtliche Festsetzung wegen Kürzung der Stundenzahl über die erbrachte Honorarleistung“.
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Das Landgericht behandelte das Schreiben vom 30.11.2022 als Beschwerde gegen den Beschluss vom 18.08.2022 und half dieser nicht ab. Hiesiger Senat wies die Beschwerde des Sachverständigen G. sodann mit Beschluss vom 13.04.2023 zurück (Az.: 11 W 2/23).
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Die auch von dem Antragssteller gegen den Beschluss des Landgerichts vom 18.08.2022 eingelegte Beschwerde vom 30.08.2022 nahm dieser zurück, nachdem er vom Senat im Verfahren 11 W 2/23 darauf hingewiesen worden war, dass es ihm an einer Beschwerdeberechtigung gemäß § 4 Abs. 3 JVEG fehle.
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Mit Schlusskostenrechnung vom 25.04.2023 (Rechnungsnummer 885010937016) setzte das Landgericht die Sachverständigenvergütung (KV-GKG 9005) auf insgesamt 8.059,84 fest, wovon 8.000 Euro auf den Sachverständigen G. entfielen.
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Mit Schriftsatz vom 23.06.2023 legte der Antragsteller gegen den Kostenansatz vom 25.04.2023 Erinnerung ein, in der er sich insbesondere gegen die Anordnung der Auszahlung des Betrages von 1.000 Euro auf Basis der Rechnung des Sachverständigen vom 06.05.2022 wandte. Es liege keine nachvollziehbare und überprüfbare Dokumentation der Tätigkeit des Sachverständigen vor. Hierzu sei der Sachverständige aber verpflichtet. Wenn das Landgericht ausführe, ein Betrag von
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1.000 Euro entspreche in etwa den Positionen 1. a) (3,25 Stunden für Aktenstudium nach Akteneingang für die Kostenermittlung) und 1. b) (6,70 Stunden für Aktenstudium für die Bearbeitung von 18 Fragen) der Rechnung vom 06.05.2022 und dieser geltend gemachte Aufwand erscheine noch plausibel, nehme es lediglich eine Plausibilitätskontrolle vor. Diese sei willkürlich. Im übrigen hätte der Sachverständige nach Abarbeitung der in Position 1.a) der Rechnung aufgeführten Leistungen (3,25 Stunden für Kostenermittlung) seine Tätigkeit abbrechen müssen, da ihm zu diesem Zeitpunkt klar sein musste, dass der Vorschuss bei weitem nicht ausreichen werde. Die in der Rechnung des Sachverständigen unter Position 1.b) für das Aktenstudium gerechneten Stunden seien deshalb nicht erstattungsfähig. Zudem sei selbst ein Aufwand von 3,25 Stunden für die Kostenermittlung übersetzt.
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Die Bezirksrevisorin III bei dem Landgericht München II nahm am 14.09.2023 zur Erinnerung des Antragsstellers vom 23.06.2023 dahingehend Stellung, dass diese zurückzuweisen sei. Zur Begründung führte sie aus, dass die Gründe im Beschluss des Landgerichts München II vom 18.08.2023 zuträfen. Die Beschwerde des Sachverständigen sei durch Beschluss des Oberlandesgericht München vom 13.04.2022 zurückgewiesen worden, die Schlusskostenrechnung deshalb sachlich und rechnerisch richtig.
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Mit Beschluss des Landgerichts München II vom 22.09.2023 wurde „die Erinnerung des Antragstellers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Sachverständigenvergütung des Landgerichts München II vom 18.08.2022“ zurückgewiesen. Zur Begründung wurde auf die zutreffenden Gründe im Beschluss Landgerichts München II vom 18.08.2022 verwiesen.
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Gegen den Beschluss des Landgerichts München II legte der Antragssteller mit Schreiben vom 12.10.2023, eingegangen bei Gericht am selben Tag Beschwerde ein. Zur Begründung verwies der Antragssteller auf seine Ausführungen im Schriftsatz vom 23.06.2023. Mit diesen habe sich das Landgericht im angefochtenen Beschluss nicht auseinandergesetzt.
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Mit Beschluss vom 22.11.2023 half das Landgericht München II der Beschwerde des Antragstellers nicht ab und legte die Akten dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vor.
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Das als Beschwerde nach § 66 Abs. 2 Satz 1 GKG statthafte und im Übrigen auch zulässige Rechtsmittel des Antragstellers hat in der Sache teilweise Erfolg. Die Berücksichtigung der Vergütung des Sachverständigen G. auf Grundlage der Rechnung des Sachverständigen vom 06.05.2022 in Höhe von 1.000 Euro in der Schlusskostenrechnung vom 25.04.2023 (Rechnungsnummer 885010937016) erfolgte nur in Höhe von 353,71 Euro (Position 1. a) der Rechnung vom 06.05.2022 zzgl. Telefon- und Telefaxkosten i.H.v. 15 Euro netto und Versandkosten i.H.v. 5,99 Euro netto) zu Recht.
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1. Bei den Kosten des gerichtlich bestellten Sachverständigen handelt es sich um Gerichtskosten in Form von Auslagen nach Nr.9005 KV-GKG, die – soweit sie im Kostenansatz berücksichtigt werden – mit der Erinnerung durch den Kostenschuldner überprüft werden können (vgl. Toussaint, Kostenrecht, 51. Auflage, zu § 66 GKG, Rn. 20; Senatsbeschluss vom 29.01.2014 – 11 W 2335/13; vgl. auch Meyer/Höver/Bach/Oberlack, JVEG, 27. Aufl., § 4, Rn. 7).
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2. Für die Vergütung des Sachverständigen nach JVEG gilt folgendes:
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a) Die Vergütung eines Sachverständigen hängt grundsätzlich nicht von dem Aufwand ab, der tat-sächlich zur Erfüllung des erteilten Gutachtensauftrags benötigt wurde, sondern wird gemäß § 8 Abs. 2 S. 1 JVEG durch die Zeit bestimmt, die objektiv erforderlich war. Das demnach nach Stundensätzen zu bemessende Honorar eines Sachverständigen wird gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt. Als erforderlich ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Senats derjenige Zeitaufwand anzusetzen, den ein Sachverständiger mit durchschnittlichen Fähigkeiten und Kenntnissen braucht, um sich nach sorgfältigem Aktenstudium ein Bild von den zu beantwortenden Fragen machen zu können und nach eingehenden Überlegungen seine gutachterliche Stellungnahme zu den ihm gestellten Fragen schriftlich niederzulegen. Dabei sind der Umfang des ihm unterbreiteten Stoffes, der Grad der Schwierigkeit der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung seiner Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Sache angemessen zu berücksichtigen (BGH NJW-RR 1987, 1470; GRUR 2007, 264 und MDR 2004, 776; Senat NJW-RR 1999, 73 = JurBüro 1998, 484; Beschluss vom 05.09.2016 – 11 W 1416/16; Toussaint, Kostengesetze, 52. Auflage, § 8 JVEG Rn.23ff).
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b) Grundsätzlich muss jedoch davon ausgegangen werden, dass es hier zu keinen beachtlichen Divergenzen kommt (OLG Koblenz JurBüro 2012, 261; Schneider, JVEG, 4. Aufl, § 8 Rz. 59). Die Gerichte sind deshalb regelmäßig nicht veranlasst, Zeitangaben von Sachverständigen durch ins Einzelne gehende Gegenrechnungen in Frage zu stellen (OLG Koblenz, a.a.O.). Dem Sachverständigen kommt in diesem Rahmen ein Ermessensspielraum zu und auch seine Arbeitsweise muss primär ihm selbst überlassen bleiben. Der BGH geht weiter in gefestigter Rechtsprechung davon aus, dass konkrete Angaben eines Sachverständigen über aufgewendete Zeiten richtig sind; ein Anlass zur Nachprüfung bzw. gegebenenfalls einer Rechnungskürzung besteht allerdings dann, wenn der angesetzte Zeitaufwand im Verhältnis zur erbrachten Leistung ungewöhnlich hoch erscheint, die berechnete Stundenzahl also nicht mehr plausibel ist und in keiner vertretbaren Relation mehr zu den zu bewältigenden Schwierigkeiten steht (vgl. BGH, Beschluss vom 12.07.2011 – X ZR 115/06 Tz 3 ff.; Beschluss vom 22.02.2009 – X a ZR 69/06 Tz 5 ff.; Senat, Beschl. v.03.03.2016 – 11 WF 394/16; Beschluss vom 17.11.2015 – 11 WF 1286/15; Beschluss vom 14.09.2015 – 11 W 1405/15; JurBüro 1982, 1228; KG JurBüro 1984, 1066; OLG Düsseldorf, JurBüro 1996, 43; OLG Zweibrücken JurBüro 1988, 116; näher Binz/Dörndorfer/Zimmermann, GKG/FamGKG/JVEG, 5. Aufl., § 8 JVEG Rn. 12). Dies ist hier nicht der Fall.
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3. Ausgehend von diesen Grundsätzen gilt im vorliegend Folgendes:
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aa) Soweit sich der Antragsteller an dem vom Sachverständigen abgerechneten Zeitaufwand für das Aktenstudium nach Akteneingang für die Kostenermittlung in Höhe von 3,25 Stunden (Position 1. a) der Rechnung vom 06.05.2022) stößt, greifen diese Einwände nicht durch. Dem Antragssteller ist zwar zuzugestehen, dass der Zeitaufwand von gut 3,25 Stunden nur für die Ermittlung der eigenen Kosten des Sachverständigen recht hoch erscheint, jedoch ist auch nicht unberücksichtigt zu lassen, dass die Akte diverse Anlagen u.a. mit Rechnungen enthielt, die naturgemäß mit größerem Zeitaufwand durchzuarbeiten sind. Vor diesem Hintergrund ist der abgerechnete Zeitaufwand zwar hoch, aber noch nicht so hoch, dass er als vollständig unplausibel anzusehen wäre.
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Auch ist die Kostenermittlung deshalb zu vergüten, da sie einen nicht unerheblichen Aufwand erforderte (vgl. hierzu Binz/ Dörnhofer/ Zimmermann, GKG FamGKG JVEG, 5. Aufl., § 8 JVEG Rn. 14) .
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bb) Demgegenüber kann der Ansatz von 6,70 Stunden im Hinblick auf die Position 1.b) der Rechnung vom 06.05.2022 (Aktenstudium für die Bearbeitung von 18 Fragen) keinen Bestand haben. Denn der Sachverständige hat gegen seine Hinweispflicht § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO verstoßen, was dazu führt, dass ein Vergütungsanspruch des Sachverständigen in Bezug auf die in der genannten Position abgerechneten Leistungen nicht besteht.
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Ein vom Gericht beauftragter Sachverständiger ist nach § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO verpflichtet, dem Gericht einen Hinweis zu geben, wenn voraussichtlich Kosten erwachsen, die einen angeforderten Kostenvorschuss erheblich übersteigen. Unterlässt der Sachverständige den ihm danach obliegenden rechtzeitigen Hinweis, ist seine Vergütung grundsätzlich gemäß § 8 a Abs. 4 JVEG auf die Höhe des Auslagenvorschusses zu kürzen.
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Eine Anzeige der Überschreitung des Auslagenvorschusses liegt nicht vor. Insbesondere ist eine solche nicht in der Mitteilung des Sachverständigen vom 27.04.2022, in der eine vorsorgliche Erhöhung des Vorschusses empfohlen wird, zu sehen. Denn diese Mitteilung bezog sich auf die Erstellung des gesamten Ergänzungsgutachtens.
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Die von dem Sachverständigen begehrte Vergütung übersteigt den Auslagenvorschuss auch erheblich im Sinne des § 8 a Abs. 4 JVEG. Wenngleich für die Erheblichkeit keine starre Grenze besteht, so wird eine solche bei Überschreiten des Vorschusses um 20 bis 25% i.d.R. anzunehmen sein (vgl. BDZ/ Binz, 5. Aufl., JVEG § 8a Rn 22). Eine Überschreitung – wie hierum fast 80% ist somit in jedem Fall als erheblich anzusehen.
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Der Sachverständige hat den Verstoß gegen die Verpflichtung aus § 407a Abs. 3 Satz 2 ZPO auch zu vertreten. Bei einem objektiven Verstoß gegen § 407 Abs. 3 Satz 2 ZPO obliegt dem Sachverständigen die Darlegung mangelnden Verschuldens (OLG Frankfurt, BeckRS 2019, 32864, OLG Hamm, BeckRS 2015, 9348). Von einer Widerlegung des vermuteten Verschuldens kann grundsätzlich nur dann ausgegangen werden, wenn der Sachverständige keine genaue Kenntnis von der Höhe des für sein Gutachten zur Verfügung stehenden Vorschusses gehabt hat, insbesondere ihm das Gericht die genaue Höhe des zur Verfügung stehenden Vorschusses nicht mitgeteilt hat (BDZ/ Binz, 5. Aufl., JVEG § 8a Rn 25). Die Höhe des zur Verfügung stehenden Auslagenvorschusses von 1.000 Euro ergibt sich jedoch eindeutig aus dem gerichtlichen Schreiben vom 28.03.2022, mit dem die Akten dem Sachverständigen übersandt wurden.
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Aus dem Sinn und Zweck der Regelungen der §§ 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO, 8 a Abs. 4 JVEG folgt aber auch, dass der Sachverständige, nach Ermittlung der Kosten für die Erstattung seines Gutachtens vorliegend zunächst nicht weiterarbeiten und weitere Kosten produzieren durfte, sondern zunächst dem Gericht einen Hinweis gemäß § 407 a Abs. 3 Satz 2 ZPO geben und Hinweise des Gerichts zum weiteren Prozedere abwarten musste. Gegen diese Pflicht hat der Sachverständige verstoßen, sodass Kosten für die eigentliche Bearbeitung der Beweisfragen von ihm nicht geltend gemacht werden konnten.
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3. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Verfahren sind gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 66 Abs. 8 GKG).
Richter am Oberlandesgericht Für die Richtigkeit der Abschrift München, 24.10.2024