Titel:
Anforderungen an die Darlegung einer Willkürrüge
Normenketten:
VfGHG Art. 51 Abs. 1 S. 1
BV Art. 118 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ist eine Gerichtsentscheidung unter Anwendung von Bundesrecht ergangen, kann sie ohne erfolgreiche Willkürrüge nicht an anderen materiellen Grundrechten der Bayerischen Verfassung gemessen werden. (Rn. 23) (red. LS Axel Burghart)
2. Für die substanziierte Rüge einer Verletzung des Willkürverbots reicht es nicht aus, wenn keine Punkte angesprochen werden, die belegen könnten, dass sich das Gericht in seiner Entscheidung von sachfremden Erwägungen hätte leiten lassen, und wenn kein Argument dazu führen könnte, dass die Entscheidung als unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und schlechterdings unhaltbar zu qualifizieren wäre. (Rn. 28) (red. LS Axel Burghart)
Schlagworte:
Mangels Substanziierung unzulässige Verfassungsbeschwerde gegen eine Beschwerdeentscheidung in einem familiengerichtlichen Verfahren., Verfassungsbeschwerde, Landesverfassungsgericht, Bundesrecht, Willkür
Vorinstanzen:
OLG München, Beschluss vom 11.10.2023 – 2 UF 494/23 e
AG Starnberg, Endbeschluss vom 06.02.2023 – 002 F 26/22
Fundstellen:
FamRZ 2025, 435
LSK 2024, 27238
BeckRS 2024, 27238
Tenor
1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.
Entscheidungsgründe
1
1. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde ist der Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 11. Oktober 2023 Az. 2 UF 494/23 e, durch den nachträglich der Versorgungsausgleich zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem geschiedenen Ehemann abgeändert wurde. Hierdurch reduzierte sich die monatliche Rentenzahlung der Deutschen Rentenversicherung ... an die Beschwerdeführerin deutlich. Daneben wendet sich die Verfassungsbeschwerde auch gegen das Verwaltungshandeln im Vorfeld der Entscheidung.
2
2. Die Beschwerdeführerin war knapp 30 Jahre mit M. verheiratet. Die Ehe wurde durch Beschluss des Amtsgerichts Starnberg – Familiengericht – vom 4. August 2011 Az. 3 F 773/10 geschieden. In Ziffer 2 des Beschlusses des Amtsgerichts Starnberg wurde eine Regelung zum Versorgungsausgleich getroffen, wonach im Wege der internen Teilung zulasten des Anrechts der Beschwerdeführerin bei der Deutschen Rentenversicherung ... zugunsten des geschiedenen Ehemanns ein Anrecht in Höhe von 6,4347 Entgeltpunkten auf dessen vorhandenes Konto bei der Deutschen Rentenversicherung ... , bezogen auf den 31. August 2010, übertragen wurde. Weiterhin wurde im Wege der internen Teilung zulasten des Anrechts der Beschwerdeführerin bei der Bayerischen Ingenieurversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung zugunsten des geschiedenen Ehemanns ein Anrecht in Höhe von 3.299,97 €, ebenfalls bezogen auf den 31. August 2010, übertragen. Außerdem wurde im Wege der internen Teilung zulasten des Anrechts des geschiedenen Ehemanns bei der Deutschen Rentenversicherung ... zugunsten der Beschwerdeführerin ein Anrecht in Höhe von 6,5932 Entgeltpunkten auf deren vorhandenes Konto bei der Deutschen Rentenversicherung ... , erneut bezogen auf den 31. August 2010, übertragen. Schließlich wurde bezogen auf dasselbe Datum im Wege der externen Teilung zulasten des Anrechts des geschiedenen Ehemanns bei dem Landesamt für Finanzen zugunsten der Beschwerdeführerin ein Anrecht in Höhe von 1.655,24 € monatlich auf das vorhandene Konto bei der Deutschen Rentenversicherung ... begründet. Der Ausgleichswert wurde in Entgeltpunkte umgerechnet.
3
Der Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 4. August 2011 ist seit 24. September 2011 rechtskräftig.
4
Im Rahmen der Scheidung schlossen die Beschwerdeführerin und ihr ehemaliger Ehemann zudem eine notarielle Vereinbarung, wonach sie wechselseitig auf Zugewinnausgleich verzichteten und das Miteigentum an zwei Immobilien, wovon die Beschwerdeführerin eine Immobilie bewohnt, behielten.
5
Nach Rechtskraft der Entscheidung zum Versorgungsausgleich schied der ehemalige Ehemann der Beschwerdeführerin wegen einer strafrechtlichen Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe aus dem Beamtenverhältnis aus und wurde in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert. Die Rentenanwartschaft bei dem Landesamt für Finanzen in Höhe von 1.655,24 € galt mit der Zahlung der Nachversicherungsbeiträge als in die gesetzliche Rentenversicherung übertragen. Nach Durchführung der Nachversicherung hat die Deutsche Rentenversicherung ... einen Ehezeitanteil der gesetzlichen Rentenversicherung des geschiedenen Ehemanns der Beschwerdeführerin von 29,8892 Entgeltpunkten und einen Ausgleichswert von 14,9446 Entgeltpunkten festgestellt. Bezogen auf den 31. August 2010 sind aus dem Versorgungsausgleich zugunsten der Beschwerdeführerin statt bisher 1.834,50 € nur noch 406,49 € zu berücksichtigen.
6
Die Beschwerdeführerin bezieht mittlerweile Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Vor der in der angegriffenen Entscheidung getroffenen Regelung erhielt sie eine monatliche Rentenzahlung der Bayerischen Versorgungskammer in Höhe von ca. 150 €, der Kreissparkasse in Höhe von ca. 40 € und der Deutschen Rentenversicherung ... in Höhe von 2.738,72 €.
7
3. Zwischen der Deutschen Rentenversicherung ... und der Beschwerdeführerin bestand vor dem Hintergrund des Ausscheidens ihres geschiedenen Ehemanns aus dem Beamtenverhältnis Streit über eine von der Deutschen Rentenversicherung ... angestrebte Abänderung des Versorgungsausgleichs.
8
Mit Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 6. Februar 2023 Az. 002 F 26/22 wurde ein entsprechender Abänderungsantrag der Deutschen Rentenversicherung ... in einem gegen die Beschwerdeführerin und ihren geschiedenen Ehemann gerichteten Verfahren zurückgewiesen. Zur Begründung führte das Amtsgericht Starnberg insbesondere aus, die Abänderung des Versorgungsausgleichs wäre grob unbillig im Sinn von § 226 Abs. 3 FamFG in Verbindung mit § 27 VersAusglG. Die Beschwerdeführerin wäre nach der beantragten Abänderung aufgrund der erheblichen Verringerung ihrer Rente bedürftig. Diese Situation trete trotz ihres Immobilieneigentums ein, da die Kosten der Unterhaltung des Hauses die Rente aufzehren dürften. Weiter führte das Amtsgericht Starnberg zur Begründung der Unbilligkeit aus, die Beschwerdeführerin habe ehebedingte Nachteile in ihrer Versorgung hinnehmen müssen. Auch habe die Beschwerdeführerin darauf vertrauen dürfen, dass ihre Altersvorsorge aufgrund rechtskräftiger Entscheidung gesichert sei.
9
4. Auf die durch die Deutsche Rentenversicherung ... eingelegte Beschwerde hob das Oberlandesgericht München mit dem angegriffenen Beschluss vom 11. Oktober 2023 den Beschluss des Amtsgerichts Starnberg vom 6. Februar 2023 auf und folgte insoweit dem Abänderungsantrag der Deutschen Rentenversicherung ... .
10
Durch den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 11. Oktober 2023 wurde zugleich der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Starnberg vom 4. August 2011 Az. 3 F 773/10 mit Wirkung ab 1. Februar 2022 in Ziffer 2 Abs. 3 und 4 dahin abgeändert und neu gefasst, dass im Wege der internen Teilung zu Lasten des Anrechts des früheren Ehemanns der Beschwerdeführerin, des damaligen Antragsgegners zu 1, bei der Deutschen Rentenversicherung ... zugunsten der Beschwerdeführerin, der damaligen Antragsgegnerin zu 2, ein Anrecht in Höhe von 14,9446 Entgeltpunkten auf deren vorhandenes Konto bei der Deutschen Rentenversicherung ... bezogen auf den 31. August 2010 übertragen wird. Daneben wurde der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Starnberg in Ziffer 2 Abs. 1 mit Wirkung ab 1. Februar 2022 dahingehend abgeändert, dass der Wertausgleich des Anrechts der Beschwerdeführerin bei der Deutschen Rentenversicherung ... nicht mehr stattfindet. Weiter wurde dieser Beschluss in Ziffer 2 Abs. 3 mit Wirkung ab 1. Februar 2022 dahingehend abgeändert, dass der Wertausgleich des Anrechts der Beschwerdeführerin bei der Bayerischen Ingenieurversorgung-Bau mit Psychotherapeutenversorgung nicht mehr stattfindet.
11
Zur Begründung führte das Oberlandesgericht im Wesentlichen aus, es liege eine nachträgliche Veränderung nach dem Ende der Ehezeit, die auf den Ausgleichswert eines Anrechts zurückwirke, im Sinn von § 225 Abs. 2 FamFG vor. Bei einem Ausscheiden aus dem Beamtenverhältnis sei eine nachträgliche Änderung tatsächlicher Umstände gegeben. Der geschiedene Ehemann der Beschwerdeführerin sei nach Rechtskraft der Entscheidung über den Versorgungsausgleich aus dem Beamtenverhältnis ausgeschieden und in der gesetzlichen Rentenversicherung nachversichert worden. Diese tatsächliche Veränderung führe dazu, dass sich die Ausgleichswerte rückwirkend änderten. Konkret liege eine wesentliche Wertänderung gemäß § 225 Abs. 2 und 3 FamFG vor. Sowohl die relativen wie die absoluten Wertgrenzen seien überschritten. Die im Rahmen des § 225 Abs. 5 FamFG vorzunehmende formale Betrachtung führe auch zu einer Abänderung zugunsten des geschiedenen Ehemanns der Beschwerdeführerin, da dies eine Verringerung des Ausgleichswerts für ihn zur Folge habe. Entgegen den Ausführungen des Amtsgerichts Starnberg sei ein Ausschluss der Abänderung über § 226 Abs. 3 FamFG, § 27 VersAusglG nicht möglich. Wenn das Abänderungsverfahren eröffnet sei, könne über § 27 VersAusglG nur der Ausgleich einzelner Anwartschaften ausgeschlossen werden, nicht aber die Änderung insgesamt.
12
1. Mit ihrer am 15. Dezember 2023 eingegangenen Verfassungsbeschwerde vom 12. Dezember 2023 rügt die Beschwerdeführerin die Verletzung von Art. 103 BV (Eigentumsrecht) und Art. 118 Abs. 2 BV (Gleichberechtigung von Mann und Frau).
13
a) Zur Rüge der Verletzung des Art. 118 Abs. 2 BV führt die Beschwerdeführerin aus, der Gleichheitsgrundsatz sei in Bezug auf die Geschlechtergerechtigkeit nicht eingehalten. Der Versorgungsausgleich habe zum Ziel, ehebedingte Benachteiligungen bei Geschiedenen für die Rente auszugleichen. In ihrem Fall bestünde die Benachteiligung in Bezug auf die Rente darin, dass sie nach ihrem Studium ursprünglich zwar beste Voraussetzungen für einen erfolgreichen beruflichen Werdegang gehabt habe, aber wegen der Ausrichtung auf die berufliche Karriere ihres damaligen Ehemanns in der Ehe keine ihrer Ausbildung entsprechende Altersvorsorge habe aufbauen können. Entsprechend der damals klassischen Rollenaufteilung und der berufsbedingten Abwesenheitszeiten ihres ehemaligen Ehemanns habe sie die Kindererziehung übernommen und ihren Arbeitsplatz aufgegeben. Bei dem Versuch eines späteren beruflichen Wiedereinstiegs sei sie vom Arbeitsamt als nicht vermittelbar qualifiziert worden. Über Fort- und Weiterbildungen habe sie sich auf eigene Kosten von einer Psychologin zur psychologischen Psychotherapeutin weiterentwickelt. Ab 1998 habe sie eine Teilzeitstelle in M. finden können. Diese Arbeitsstelle habe sie auch noch bei Scheidung im Jahr 2011 innegehabt. Bei einer Änderung des Versorgungsausgleichs seien überwiegend Frauen die Leidtragenden. Unschuldig und unbeteiligt am Verlust des Beamtenstatus des Ehemanns könnten noch Jahrzehnte nach der Scheidung die angeblich leistungsentsprechenden Anrechte massiv reduziert werden. Dabei müssten sich Frauen nach einer Scheidung in der Regel eine berufliche und finanzielle Unabhängigkeit erst erringen und hätten hierfür auch noch wegen der Erwerbsausfallzeiten in der Ehe ungünstige Bedingungen zu akzeptieren. Dies sei auch bei ihr der Fall gewesen. Bei der Änderung des Versorgungsausgleichs habe sie plötzlich feststellen müssen, dass sie sich dauerhaft in verdeckter wirtschaftlicher Abhängigkeit vom Verhalten ihres geschiedenen Ehemanns befunden hätte. Hier werde eine historisch bedingte frauenbenachteiligende Abhängigkeit vom ehemaligen Ehemann praktiziert, die sich mit Art. 118 Abs. 2 BV nicht in Einklang bringen lasse.
14
In Kombination mit dem Konstrukt der nachträglichen Änderung tatsächlicher Umstände habe ihr Versorgungsausgleich durch die Herabstufung der Rente ihres ehemaligen Ehemanns rückwirkend noch im Rentenalter gravierend reduziert werden können. Das Argument des Oberlandesgerichts München, dass Verluste von Geschiedenen ebenso wie von Verheirateten getragen werden müssten und es zu keiner Besserstellung der geschiedenen gegenüber der verheirateten Frau kommen dürfe, überzeuge nicht. Die Sichtweise des Oberlandesgerichts München sei befremdlich, da eine Frau nach der Scheidung allein für ihr Leben die Verantwortung zu tragen habe. Dagegen würden die Ehepaare bildlich gesehen gemeinsam in einem Boot sitzen und könnten sich notfalls gegenseitig unterstützen.
15
Auch bestünde in Bezug auf die Rentensicherheit keine Gleichstellung zwischen Angestellten und Beamten. Sicherheit und vorausschauende Planbarkeit habe im Erwerbsalter für die zukünftige Rente höchste Priorität. Bei Angestellten sei durch die gesetzlichen Regelungen die für die Rente so entscheidende Zuverlässigkeit gewährleistet. Dagegen könne das unfreiwillige Ausscheiden aus dem Beamtenstatus drastische Folgen auf mehreren Ebenen haben. Es komme zu einer Nachversicherung. Dieser Begriff und die angebliche Umsetzung auf ein entsprechendes Angestelltenniveau suggerierten einen moderaten Übergang von der Pension zur Rente. Wenn jedoch eine Minderung von 78% der ehezeitlichen Anwartschaften für sie als ehemalige Ehefrau die Folge sei, sei darin eine Schieflage zu sehen. Auch stünden die radikalen Abzüge bei ihrem ehemaligen Ehemann im Gegensatz zu seinen unbestreitbar durchwegs hochwertigen Leistungen im Beruf mit vielfachen Auszeichnungen. Zudem handle es sich um bereits erbrachte Leistungen. Sie sei davon überzeugt, dass ihr geschiedener Ehemann als Angestellter im öffentlichen Dienst in vergleichbarer Position höhere Rentenrechte erworben hätte. Die Berechnungsweise der Nachversicherung sei veraltet und entspreche nicht dem heutigen gesellschaftlichen Standard. Die dem Strafprozess gegen ihren ehemaligen Ehemann folgende Aufhebung seines Beamtenstatus sei für sie als geschiedene Ehefrau als eine Art Sippenhaft zu qualifizieren. Die Nachversicherungsregelung würde trotz ihrer Unverhältnismäßigkeit bei ihr einfach durchgezogen.
16
b) Zur Rüge der Verletzung von Art. 103 BV führt die Beschwerdeführerin aus, das Eigentumsrecht der Bayerischen Verfassung dürfe solch radikale Kürzungsmaßnahmen wie bei ihr nicht zulassen. Die Kürzung sei unvorhersehbar gewesen. Aus Alters- und Gesundheitsgründen könne sie die erfolgte Kürzung auch nicht kompensieren. Ihre Lebensleistung werde herabgewürdigt. Auch die in Art. 100 BV gewährleistete Menschenwürde sei tangiert. Vom Versorgungsausgleich blieben nur mehr 406,49 € übrig. Dies seien nur 22% der ursprünglichen Höhe nach fast 30jähriger Ehe.
17
c) Zudem beanstandet die Beschwerdeführerin, dass sie zu keinem Zeitpunkt darauf hingewiesen worden sei, dass ihre Rente gekürzt werden könnte. Die erste Ankündigung in Form eines Antrags der Deutschen Rentenversicherung ... auf Abänderung des Versorgungsausgleichs vom 22. Januar 2022 sei ohne Vorwarnung überfallartig auf sie zugekommen. Darin sei sie aufgefordert worden, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Ohne jegliche Aufklärung oder vorsorgliche Beratung seitens der Rentenversicherung sei sie auf anwaltliche Hilfe angewiesen gewesen. Dies stelle einen zusätzlichen Kostenfaktor dar, der für sie unverschuldet entstanden sei. Im Übrigen verweist die Beschwerdeführerin darauf, dass ihre Rente stets als rechtssicher dargestellt worden sei. Die Größenordnung des unvorhersehbaren Verlusts ihrer Rente habe dazu geführt, dass sie unter physiologischen Stressreaktionen mit existenziellen Ängsten leide.
18
d) Mit weiterem Schreiben vom 7. Februar 2024 führt die Beschwerdeführerin nach einem Hinweisschreiben des Referenten des Verfassungsgerichtshofs aus, die Reduzierung ihrer Rente sei eindeutig unangemessen und unhaltbar. Dies veranlasse sie nun, gegenüber der Entscheidung des Oberlandesgerichts explizit eine Willkürrüge zu erheben. Dies sei ihr erst jetzt möglich, da ihr die Fakten mit den konkreten Rentenzahlen erst durch den Rentenbescheid vom 8. Januar 2024 bekannt geworden seien. Das Oberlandesgericht habe eine Entscheidung getroffen, ohne die zugrunde liegenden Tatsachen in den für sie relevanten Zahlenangaben genau zu benennen und zu würdigen. Aus ihrer Sicht sei die Entscheidung des Oberlandesgerichts voreilig und verharmlose die katastrophalen Auswirkungen für sie. Die Faktenlage nach dem Rentenbescheid vom 8. Januar 2024 sei schlimmer, als sie bisher habe annehmen können.
19
Mit Schreiben vom 17. Februar 2024 verweist die Beschwerdeführerin erneut auf die zu erwartenden finanziellen Gesamteinbußen für sie in der Größenordnung von mehreren 100.000 €. Trotz ihrer 35-jährigen Rentenversicherungspflicht und der gerichtlich ermöglichten Erhaltung eigener Anrechte würden ihr nur 46% ihrer gesetzlichen Rente verbleiben. Die Nachversicherung ihres geschiedenen Ehemanns habe bei ihr zu starken Einschränkungen in der Lebensführung geführt. Dies habe auch gravierende Konsequenzen wie die Aufgabe von Familienvermögen.
20
2. Das Bayerische Staatsministerium der Justiz hält die Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin für unzulässig, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts München vom 11. Oktober 2023 richtet. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde unmittelbar gegen das Verhalten der Deutschen Rentenversicherung richte, sei eine Stellungnahme des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz nicht veranlasst.
21
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig. Sie genügt inhaltlich nicht den Begründungsanforderungen des Art. 51 Abs. 1 Satz 1 VfGHG.
22
1. Der Verfassungsgerichtshof überprüft gerichtliche Entscheidungen nur in engen Grenzen. Er ist kein Rechtsmittelgericht. Es ist nicht seine Aufgabe, fachgerichtliche Entscheidungen dahingehend zu kontrollieren, ob die tatsächlichen Feststellungen zutreffen oder ob die Gesetze richtig ausgelegt und angewandt wurden. Im Rahmen der Verfassungsbeschwerde beschränkt sich die Prüfung vielmehr auf die Frage, ob die Gerichte gegen Normen der Bayerischen Verfassung verstoßen haben, die ein subjektives Recht des Beschwerdeführers verbürgen (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 24.8.2022 – Vf. 9-VI-21 – juris Rn. 49; vom 16.11.2023 – Vf. 48-VI-22 – juris Rn. 24; vom 6.6.2024 – Vf. 24-VI-23 – juris Rn. 33, jeweils m. w. N.).
23
Ist eine Gerichtsentscheidung wie im vorliegenden Fall unter Anwendung von Bundesrecht (hier von Normen des Bürgerlichen Gesetzbuchs, des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie des Versorgungsausgleichsgesetzes) ergangen, das wegen seines höheren Rangs (Art. 31 GG) nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung gemessen werden kann, beschränkt sich die Prüfung durch den Verfassungsgerichtshof in materieller Hinsicht auf die Frage, ob das Gericht willkürlich gehandelt hat (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 29.11.2022 – Vf. 5-VI-22 – juris Rn. 38; vom 16.11.2023 – Vf. 48-VI-22 – juris Rn. 24; vom 14.5.2024 - Vf. 81-VI-21 – juris Rn. 24, jeweils m. w. N.), d. h., ob es sich von objektiv sachfremden Erwägungen hat leiten lassen und sich damit außerhalb jeder Rechtsanwendung gestellt hat. Die gerichtliche Entscheidung dürfte unter keinem Gesichtspunkt rechtlich vertretbar sein, sie müsste schlechthin unhaltbar, offensichtlich sachwidrig bzw. eindeutig unangemessen sein (vgl. VerfGH vom 19.10.2010 NJW-RR 2011, 215; vom 16.11.2023 – Vf. 48-VI-22 – juris Rn. 27; vom 6.6.2024 - Vf. 24-VI-23 – juris Rn. 40; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 6. Aufl. 2020, Art. 120 Rn. 63). Ohne erfolgreiche Willkürrüge kann die angegriffene Entscheidung auch nicht an anderen materiellen Grundrechten der Bayerischen Verfassung (hier: Gleichheitssatz und Eigentumsrecht) gemessen werden (ständige Rechtsprechung; VerfGH vom 2.7.2014 - Vf. 58-VI-13 – juris Rn. 67; vom 4.2.2019 – Vf. 39-VI-18 – juris Rn. 34; vom 23.1.2024 – Vf. 70-VI-22 – juris Rn. 36). Die bloße Rüge einer Verletzung des allgemeinen Gleichheitsgrundsatzes beinhaltet in der Regel gerade keine Willkürrüge (vgl. VerfGH vom 24.8. 2022 – Vf. 9-VI-21 – juris Rn. 53 ff.; vom 23.1.2024 – Vf. 70-VI-22 – juris Rn. 36).
24
Die Erhebung der Willkürrüge (Art. 118 Abs. 1 BV) muss innerhalb der Zweimonatsfrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG erfolgen. Nach Ablauf dieser Frist können fehlende notwendige Bestandteile der Verfassungsbeschwerde nicht mehr nachgeschoben werden (VerfGH vom 15.11.2018 – Vf. 10-VI-17 – juris Rn. 15; vom 23.1.2024 – Vf. 70-VI-22 – juris Rn. 21; vom 6.6.2024 – Vf. 24-VI-23 – juris Rn. 36; Müller, a. a. O., Art. 120 Rn. 44).
25
2. An einem in diesem Sinn ausreichenden Vortrag fehlt es.
26
a) Selbst wenn man davon ausgeht, die Beschwerdeführerin habe mit ihrer Verfassungsbeschwerde vom 12. Dezember 2023 sinngemäß eine Willkürrüge erhoben, da sie ausgeführt hat, die Sichtweise des Oberlandesgerichts München „überzeuge nicht“ und sei „befremdlich“, genügt dies den Anforderungen an die substanziierte Rüge einer Verletzung des Willkürverbots (Art. 118 Abs. 1 BV) nicht.
27
Die ausreichende Darlegung eines willkürlichen Verhaltens durch die Beschwerdeführerin ist nicht erkennbar. Willkürlich im Sinn des Art. 118 Abs. 1 BV ist eine gerichtliche Entscheidung nach den genannten Maßstäben nur dann, wenn sie bei Würdigung der die Verfassung beherrschenden Grundsätze nicht mehr verständlich ist und sich der Schluss aufdrängt, sie beruhe auf sachfremden Erwägungen. Eine fehlerhafte Anwendung einfachen Rechts begründet allein noch keinen Verstoß gegen Art. 118 Abs. 1 BV (vgl. nur VerfGH vom 6.6.2024 – Vf. 24-VI-23 – juris Rn. 40 m. w. N.).
28
In der allein fristgerecht eingegangenen Verfassungsbeschwerde der Beschwerdeführerin wird nicht substanziiert dargelegt, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts München schlechthin unhaltbar wäre. Es werden keine ausreichenden Anhaltspunkte vorgetragen, die einen Verstoß gegen das Willkürverbot möglich erscheinen lassen. Die Ausführungen in der Verfassungsbeschwerde beschränken sich im Wesentlichen auf die Kritik an den finanziellen Folgen der von der Deutschen Rentenversicherung ... erwirkten Abänderung der Rentenzahlung für die Beschwerdeführerin. Thematisch moniert die Beschwerdeführerin insbesondere eine mangelnde Wertschätzung ihrer Lebensleistung innerhalb ihrer Ehezeit. Weiterhin bemängelt sie das reduzierte Niveau ihres Lebensstandards. Durch die Beschwerdeführerin werden aber keine Punkte angesprochen, die belegen könnten, dass sich das Oberlandesgericht in seiner Entscheidung von sachfremden Erwägungen hätte leiten lassen. Argumente, die dazu führen könnten, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts als unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt vertretbar und schlechterdings unhaltbar zu qualifizieren wäre, sind nicht erkennbar. Die Beschwerdeführerin setzt sich nicht damit auseinander, dass die Entscheidung des Oberlandesgerichts auf der Anwendung von Normen des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie des Versorgungsausgleichsgesetzes basiert. Auch hat sich das Oberlandesgericht mit den von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Argumenten eingehend auseinandergesetzt. Es hat seine Entscheidung ausführlich, sorgfältig und nachvollziehbar begründet. Was die Folgen des von ihrem früheren Ehemann verschuldeten Verlusts seiner Beamtenrechte auf die Rentenanwartschaften der Beschwerdeführerin angeht, konnte sich das Oberlandesgericht auch auf eine entsprechende Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sowie eine zustimmende Auffassung in der Literatur beziehen (vgl. BGH vom 7.6.1989 FamRZ 1989, 1058/1059; Maaß in Münchener Kommentar, BGB, 9. Auflage 2022, § 5 VersAusglG Rn. 38).
29
b) Soweit die Beschwerdeführerin in diesem Zusammenhang auch früheres Verwaltungshandeln, insbesondere eine fehlende Aufklärung oder vorsorgliche Beratung über eine Abänderung des Versorgungsausgleichs und die Folgen für ihre Rente, beanstandet, rechtfertigt dies kein anderes Ergebnis. Im Kern ihrer Argumentation steht dabei zusammengefasst, dass sie mangels entsprechender Information in der Vergangenheit Fehlentscheidungen getroffen habe bzw. bei rechtzeitiger Information „in gewissem Rahmen noch Gegensteuerung möglich gewesen wäre“. Damit vermag die Beschwerdeführerin aber schon im Ansatz keine willkürliche Entscheidung durch das Oberlandesgericht zu belegen. Als zulässiger eigener Gegenstand der Verfassungsbeschwerde scheidet das durchweg nur pauschal beschriebene Verwaltungshandeln ebenfalls aus. Ein hinreichend konkretisierter Hoheitsakt (Tun oder Unterlassen) einer bestimmten bayerischen Behörde (vgl. VerfGH vom 23.1.1975 VerfGHE 28, 14/22; Müller in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaats Bayern, Art. 120 Rn. 11 m. w. N.) lässt sich dem Vorbringen nicht entnehmen. Im Übrigen lässt die Verfassungsbeschwerde insoweit weder die Erschöpfung des Rechtswegs, soweit zulässig (Art. 51 Abs. 2 Satz 1 VfGHG), noch die Einhaltung der für ihre Erhebung geltenden Fristen (Art. 51 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Nr. 3 VfGHG) erkennen.
30
c) Mangels zulässiger Willkürrüge kommt eine Überprüfung am Maßstab der Grundrechte aus Art. 103 und 118 Abs. 2 Satz 1 BV (Gleichberechtigung), auch i. V. m. Art. 100 und 124 BV, nach den dargestellten Maßstäben nicht in Betracht.
31
2. Die Rüge einer Verletzung von Verfahrensgrundrechten der Bayerischen Verfassung wie etwa des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV), die der Verfassungsgerichtshof unabhängig vom Vorliegen einer erfolgreichen Willkürrüge überprüfen würde, soweit das entsprechende Grundrecht mit gleichem Inhalt im Grundgesetz gewährleistet ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGH vom 4.1.2023 BayVBl. 2023, 192 Rn. 28; VerfGH vom 6.6.2024 – Vf. 24-VI-23 – juris Rn. 33, jeweils m. w. N.; Müller a. a. O.), lässt sich der Verfassungsbeschwerde weder ausdrücklich noch der Sache nach entnehmen.
32
3. Soweit die Beschwerdeführerin die der Entscheidung zugrunde liegenden Regelungen insbesondere des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie des Versorgungsausgleichsgesetzes als ungerecht beanstandet, kann dies der Verfassungsbeschwerde nicht zum Erfolg verhelfen. Die Kompetenz des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs erstreckt sich nicht auf eine Kontrolle bundesgesetzlicher Normen, weil Bundesrecht wegen seines höheren Rangs (Art. 31 GG) nicht am Maßstab der Bayerischen Verfassung gemessen werden kann. Der Verfassungsgerichtshof kann daher nicht prüfen, ob Bundesrecht unvollständig oder in sonstiger Weise defizitär ist oder in einer bestimmten Weise verfassungskonform im Sinn des Grundgesetzes auszulegen ist (ständige Rechtsprechung; vgl. VerfGHE 66, 94/99; vom 16.11.2018 – Vf. 23-VI-16 – juris Rn. 19; vom 18.3.2020 BayVBl 2020, 372 Rn. 40).
33
Es ist angemessen, der Beschwerdeführerin eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).