Inhalt

AG Freising, Endurteil v. 13.08.2024 – 7 C 968/23
Titel:

Anspruch auf Beseitigung von Anplanzungen

Normenketten:
ZPO § 24
BaySchlG Art. 2
BGB § 1011
BayAGBGB Art. 47, Art. 52
Leitsatz:
Ein Vergleich dahingehend, dass mit dem Rückschnitt von Bäumen in einem bestimmten Bereich, sämtliche Ansprüche aus § 1011 BGB, Art. 47 BayAGBGB auch für die Zukunft erledigt sein sollen, lässt sich der bloßen Bestätigung des Rückschnitts nicht entnehmen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beseitigung von Anpflanzungen, Vergleich, Verjährung, Schlichtungsverfahren, Vortragslast
Fundstellen:
BeckRS 2024, 27201
ZMR 2024, 907
NJOZ 2025, 17
LSK 2024, 27201

Tenor

1.  Die Beklagte wird verurteilt, die auf dem Grundstück Flur Nr. x in M., im Grenzstreifen von 0,50 m zu dem benachbarten Grundstück Flur Nr. y in M. wachsenden Bäume und Sträucher zu beseitigen.
2.  Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger € 382,70 zzgl. Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz aus 191,35 € seit 27.01.2023 und aus weiteren 191,35 € seit 10.01.2024 zu bezahlen.
3.  Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.   
4.  Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1800 € abwenden, wenn nicht die Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 5.000,00 € festgesetzt.  

Tatbestand

1
Die Parteien streiten um das Bestehen von Beseitigungs- und Zahlungsansprüchen.
2
Die Kläger sind zusammen mit Frau H., und Frau J., Miteigentümer des Grundstücks y in M. Die Beklagte ist Eigentümerin des benachbarten Grundstücks x. Auf dem klägerischen Grundstück befindet sich eine Bebauung mit einem Wohnhaus und eine weitere Bebauung mit einer Garage. Auf dem Beklagtengrundstück befindet sich jeweils auf Höhe des Wohnhauses und der Garage eine Bepflanzung. Mit Schreiben vom 25.04.2022 forderte der Kläger zu 2) die Beklagte zum Rückschnitt der damals vor dem Haus der Kläger wachsenden Bäume auf. Mit anwaltlichen Schreiben vom 11.10.2022 forderte die Klagepartei die Beklagte erneut zum Rückschnitt und zur Freistellung der Kläger von den für die Mahnung entstandenen und aus einen Gegenstandswert von 1000 € berechneten Anwaltsgebühren in Höhe von 191,35 € auf. Die Beklagtenpartei kürzte diese auf Höhe des Wohnhauses befindlichen Bepflanzungen. Mit E-Mail vom 06.12.2022 bestätigte der Klägervertreter gegenüber der beklagten Partei den Rückschnitt der Bäume und Büsche im Grenzstreifen des Grundstücks x gemäß telefonischer Absprache und forderte die Zahlung von 191,35 € Rechtsanwaltskosten. Im Hinblick auf die Einzelheiten wird Bezug genommen auf die E-Mail vom 06.12.2022, Anlage zum Protokoll vom 01.07.2024. Mit Schreiben vom 16.12.2022 teilte die Beklagte mit, weitergehende Forderungen nach Zahlungen und Schadensanerkennung als Widerruf des Vergleichs zu werten. Im Hinblick auf die Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Anlage K4. Mit Schreiben vom 02.08.2023 forderten die Kläger die Beklagte auf, den Bewuchs auf dem Grundstück der Beklagten innerhalb des Grenzstreifens zum Grundstück der Kläger bis 02.09.2023 zu entfernen. Insoweit wird auf die Anlage K3 verwiesen. Mit anwaltlichen Schreiben vom 19.09.2023 wurden die Beklagten erneut unter Fristsetzung bis zum 18.10.2023 zum Rückschnitt aufgefordert. Der Rückschnitt auf Höhe der Garagen erfolgte erst nach dem 01.07.2024. Ein Schlichtungsversuch hat nicht stattgefunden.
3
Die Kläger tragen vor, dass das Bauvorhaben auf dem klägerischen Grundstück ausschließlich auf diesem verwirklicht worden sei und nicht unter Zuhilfenahme des Beklagtengrundstücks. Die Klägerin ist der Auffassung, nach Art. 47 BayAGBGB auch die Beseitigung des Wurzelwerks beanspruchen zu können.
4
Die Klägerin beantragt zuletzt,
1.
Die Beklagte wird verurteilt, die auf dem Grundstück x in M. im Grenzstreifen von 0,50 m zu dem benachbarten Grundstück y in M. wachsenden Bäume und Sträucher zu beseitigen.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 382,70 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 191,35 € seit 27.01.2023 und aus weiteren 191,35 € seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.
5
Die Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
6
Die mit Schriftsatz vom 31.05.2024 erhobene Widerklage hat die Beklagte in der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2024 zurückgenommen.
7
Sie trägt vor, die Kläger hätten um ihr Haus einen Kiesstreifen angelegt, der sich mit einer Breite von 80-100 cm auch auf dem Grundstück der Beklagten x befinden würde. Abgesichert sei dies im Jahr 2000 durch eine Grunddienstbarkeit gewesen. Der Unterbau und der Kiesstreifen gehöre weiterhin den Klägern. Bis zum Jahr 2022 sei der Bewuchs bis über die Giebel gewachsen und der anfänglich von den Klägern für viele Jahre durchgeführte Unterhalt sei von diesen eingestellt worden. Die Beklagte behauptet, sich mit dem anwaltlichen Vertreter der Klagepartei in einem Telefonat im Jahr 2022 darauf geeinigt zu haben, die Sache durch ein einmaliges Abholzen vor dem Haus beizulegen. Die Beklagte gibt an, dass die beiden Bäume vor der Garage im Jahr 2022 genauso hoch gewesen seien wie jetzt. Die Beklagte beruft sich auf Verjährung und behauptet, dass die Bäume und Sträucher bei der Garage ebenso wie die Bäume vor dem Wohngebäude bereits seit 10 Jahren dort stehen würden. Die Beklagte behauptet, dass vor dem Wohnhaus ein Baum, der bereits im Jahr 2022 geschnitten worden sei, erneut im Jahr 2024 geschnitten worden sei und man anhand der neuen Schnittkante am Totholz die Jahresringe auf 11 Jahre bestimmen könne. Bei dem im Jahr 2024 vor der Garage geschnittenen Baum, könne das Alter anhand der Jahresringe auf 8 Jahre bestimmt werden.
8
Das Gericht hat mündlich verhandelt am 01.07.2024. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen. Die Beklagte hat in der mündlichen Verhandlung vom 01.07.2024 die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens zur Bestimmung des Alters der Bäume angeboten und mit Schriftsatz vom 09.07.2024 das Beweisangebot zurückgenommen.
9
Zur Ergänzung des Tatbestands wird verwiesen auf sämtliche Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie die sonstigen Aktenbestandteile.

Entscheidungsgründe

10
Die Klage war zulässig, das Amtsgerichte Freising ist gemäß § 24 ZPO sachlich und örtlich zuständig. Der Durchführung eines Schlichtungsverfahrens bedurfte es vorliegend nicht, da die Parteien ihren Wohnsitz bzw. ihren Sitz nicht im selben Landgerichtsbezirk haben., vgl. Art. 2 BaySchlG. Die Klage war auch im Übrigen zulässig.
11
Die Klage war überwiegend begründet. Die Kläger können gemäß § 1011 BGB, Art. 47 BayAGBGB die Beseitigung sämtlicher auf dem Beklagtengrundstück befindlichen Anpflanzungen verlangen, soweit sich diese in einen Grenzabstand von bis zu 50 cm zum klägerischen Grundstück befinden. Dass die von den Klägern monierten Pflanzen sich innerhalb eines Grenzstreifens von 50 cm auf dem Beklagtengrundstück befinden, wurde durch die Beklagte nicht bestritten und gilt somit als zugestanden. Soweit die Beklagte behauptet hat, die Kläger haben diesen Kiesstreifen selbst angelegt und auch die Pflanzungen seien von den Klägern zu verantworten, wurde dies klägerseits bestritten. Ein Beweisangebot durch die Beklagte erfolgte insoweit nicht. Soweit die Beklagte angibt, durch einen Vergleich im Jahr 2022 insgesamt die Angelegenheit erledigt zu haben, ist ihr nicht beizupflichten. Auch nach dem Sachvortrag der Beklagten forderten die Kläger im Jahr 2022 lediglich die Beseitigung der auf Höhe des Wohngebäudes bestehenden Anpflanzungen. In einer E-Mail vom 06.12.2022 bestätigt der Klägervertreter, dass insoweit die Beklagte die Bepflanzungen vereinbarungsgemäß zurückgeschnitten hat. In derselben E-Mail wird der Beklagten jedoch nahegelegt, auch das Wurzelwerk zu entfernen. Ein Vergleich dahingehend, dass mit dem Rückschnitt der Bäume im Bereich des Wohnhauses durch die Beklagte, sämtliche Ansprüche der Klägerseite auf Entfernung der Bepflanzung oder einen erneuten Rückstand auch für die Zukunft erledigt sein sollen, vermag das Gericht der E-Mail des Klägervertreters vom 06.12.2022 nicht zu entnehmen. Aus der E-Mail ergibt sich lediglich, dass der Rückschnitt im Jahr 2022 absprachegemäß erfolgt ist und zu diesem Zeitpunkt so von den Klägern akzeptiert wird. Aus der E-Mail ergibt sich aber nicht, dass damit auch für die Zukunft von den Klägern gegenüber den Beklagten nicht verlangt werden wird, einen erneuten Rückschnitt vorzunehmen bzw. auf das Wurzelwerk zu entfernen. Da im Vorfeld dieser E-Mail von den Klägern nicht verlangt worden war, auch Pflanzen im Garagenbereich zu entfernen, kann sich eine etwaige Einigung der Parteien auch nichts auf Pflanzen im Garagenbereich beziehen. Der Beseitigungsanspruch der Kläger ist nicht verjährt. Gemäß Art. 52 BayAGBGB verjähren Beseitigungsansprüche gemäß Art. 47 BayAGBGB in 5 Jahren. Die Verjährung beginnt mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Eigentümer des Grundstücks von den den Anspruch begründenden Umständen Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Bepflanzungen vor dem Wohnhaus im Jahr 2022 11 Jahre alt waren und die Bepflanzungen vor dem Garagenbau im Jahr 2024 8 Jahre als waren. Klägerseits wurde dies bestritten. Das zunächst von der Beklagten erfolgte Beweisangebot zur Einholung eines Sachverständigengutachtens wurde von dieser wieder zurückgenommen. Das Gericht ist ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht in der Lage, das Alter der Bäume selbst zu bestimmen. Auch anhand der von der Beklagtenseite vorgelegten Fotos ist dies nicht möglich. Die Beklagte ist daher beweisfällig geblieben. Die Beklagte ist nicht nur zum Rückschnitt verpflichtet, sondern zur Entfernung jeglicher Bepflanzung. Dies beinhaltet auch die Entfernung des Wurzelwerks.
12
Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten schuldet die Beklagte gemäß §§ 280, 286 BGB. Sie war zur Beseitigung der Bäume verpflichtet. Sie wurde sowohl im Jahr 2022, als auch im Jahr 2023 zunächst von den Klägern außergerichtlich zur Beseitigung aufgefordert. Nachdem das fristgerecht nicht erfolgt ist, beauftragten die Kläger einen Anwalt. Zum Zeitpunkt der Beauftragung des Klägervertreters befand sich die Beklagte mit der Beseitigung des Bewuchses in Verzug und hat daher als Verzugsschaden die vorgerichtlichen entstandenen Rechtsanwaltskosten, die zutreffend berechnet wurden, zu ersetzen.
13
Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286, 288 BGB. Durch die E-Mail vom 16.12.2022 hat die Beklagte die Zahlung der gerichtlichen Rechtsanwaltskosten, entstanden im Jahr 2022, endgültig und ernsthaft abgelehnt. Dadurch befand sich die Beklagte mit der Zahlung dieser Rechtsanwaltskosten ab diesem Zeitpunkt in Verzug. Da die Verzinsung erst ab Januar 2023 beansprucht wird, war sie auch erst ab diesem Datum zuzusprechen. Die im Jahr 2023 entstandenen Rechtsanwaltskosten sind ab Zustellung der Klage zu verzinsen.
14
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 269 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf den §§ 708, 711 ZPO. Soweit die Widerklage zurückgenommen wurde, waren die Kosten insoweit der beklagten Partei aufzuerlegen. Im Hinblick auf die Klage ist die Beklagte vollumfänglich unterlegen, sodass sie die Kosten insgesamt aufzuerlegen worden.
15
Im Hinblick auf die Streitwertbemessung ist auszuführen, was folgt: Im Hinblick auf die Klage war das Interesse der Klagepartei an der Beseitigung des Bewuchses auf Höhe des Garagenbaus mit 1000 € zu bemessen. Soweit die Beklagte meint, dass die Klagepartei auf die Beseitigung der Pflanzen verzichtet habe, erschließt sich dem Gericht nicht, wie die Beklagte hierauf kommt. Die Klägerin hat von vornherein die Beseitigung des Bewuchses gefordert. Sie hat den Anspruch auch in der mündlichen Verhandlung nicht beschränkt auf einen Rückschnitt. Im Hinblick auf die Widerklage hat das Gericht das Interesse der Beklagten unter Beseitigung des Kiesstreifens auf 4000 € festgesetzt. Dabei hat das Gericht berücksichtigt, dass es sich um einen (behaupteten) Eingriff in die Substanz des Grundstücks handelt, die angeblich auf einer Breite von 50-100 cm auf den Beklagtengrundstück stattgefunden hat.