Inhalt

AG Wolfratshausen, Teilanerkenntnis- und Endurteil v. 26.04.2024 – 1 C 577/23 WEG
Titel:

Bestimmtheit von Beschlüssen zur Genehmigung von Balkonkraftwerken

Normenkette:
WEG § 20
Leitsatz:
Ein Beschluss, wonach die Installation fachgerecht und nach den allgemein "anerkannten Regeln der Technik" zu erfolgen hat, ist hinreichend bestimmt. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Balkonkraftwerk, Wohnungseigentümergemeinschaft, Bestimmtheit
Fundstellen:
LSK 2024, 27200
BeckRS 2024, 27200
ZMR 2024, 905

Tenor

1. Der Beschluss in der ordentlichen Wohnungseigenümerversammlung vom 09.11.2023 zu TOP 12 „Leitfaden der WEG für ein gutes Miteinander“ gefasste Beschluss wird für ungültig erklärt.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger 93 % und die Beklagte 7 % zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Beklagte jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags. Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 13.800,00 € festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Kläger machen gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Ungültigkeitserklärung zweier unter Top 11 und Top 12 gefassten Beschlüsse in der Eigentümerversammlung vom 09.11.2023 (Anlage K 2) geltend.
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Die Kläger sind Eigentümer der im Grundbuch von … eingetragenen, im Sondereigentum befindlichen Wohnung Nr. 1 in der vorbezeichneten Wohnungseigentümergemeinschaft mit einem Miteigentumsanteil von 37/1.000.
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Mit Schreiben vom 16.10.2023 (Anlage K 1) lud die Hausverwaltung der Beklagten zur Eigentümerversammlung am 09.11.2023 ein.
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Unter TOP 11 der Ladung wurde das Thema „Balkonkraftwerke/Terrassenkraftwerke“ angekündigt, unter Top 12 der Ladung das Thema „Leitfaden der WEG für ein gutes Miteinander – s. Anlage Entwurf v. 27.06.2023“.
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In der Eigentümerversammlung vom 09.11.2024 wurde schließlich mit 16 Ja-Stimmen zu 5 Nein-Stimmen mehrheitlich folgendes beschlossen:
„TOP 11.)
Balkonkraftwerke/Terrassenkraftwerke
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Durch das Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz sind Maßnahmen, die der Nachhaltigkeit dienen, privilegierte bauliche Veränderungen. Hierzu gehört die Anbringung von Photovoltaik-Modulen an Balkonbrüstungen, sogenannte Balkonkraftwerke, bis max. 600 W.
Antrag:
Hiermit wird durch einzelne Eigentümer oder Mieter der Antrag auf Anbringung gestellt Die Installation erfolgt fachgerecht, nach den Empfehlungen des VDE und anerkannten Regeln der Technik auf Kosten des Antragstellers. Der Antragsteller ist verantwortlich für den Betrieb, für die Verkehrssicherungspflicht und für eventuell auftretende Folgeschäden durch Montage oder Schäden durch Unfallgeschehen (Windlast, Schneelast, Brand). Die Vorgaben des Herstellers für Montage und Betrieb der Anlage sind einzuhalten. Für die Erfüllung geltender Auflagen des Gesetzgebers (Meldung beim Netzbetreiber, Eintrag im Marktstammdatenregister der Bundesnetzagentur) haftet der Antragsteller. Bei Sanierungsmaßnahmen an der Fassade demontiert und montiert der Antragsteller die Anlage auf eigene Kosten. Da die Anlage nicht Gebäudebestand ist, ist sie nicht über die Gebäudeversicherung versichert. Der Antragsteller hat diese selbst gegen Schäden wie z.B. Sturm/Hagel etc. zu versichern. Die Haftpflichtversicherung (Risikoeinschluss) des Antragstellers muss abgeschlossen werden (Gebäude-/Sach-/und Personenschäden) und der Verwaltung vor Baubeginn vorgelegt werden. Er ist Betreiber der Anlage. Die Installation ist nur möglich und zulässig, wenn eine Außensteckdose vorhanden ist. Die Neumontage einer Außensteckdose ist eine bauliche Veränderung, die durch einen Seite 6 vom Protokoll der Eigentümerversammlung … Mehrfamilienhaus mit Tiefgarage vom 09.11.2023 Eigentümerbeschluss genehmigt werden muss. Installierte Anlagen müssen vom Eigentümer bei der Hausverwaltung angezeigt werden. Mieter haben die Installation über Ihren Vermieter bei der Hausverwaltung anzuzeigen. Vermieter haften für Ihre Mieter gegenüber der Eigentümergemeinschaft. Es wird ferner beantragt, dass die Gestattung für alle Balkone und Sondernutzungsbereiche gelten soll. Die Montage ist so durchzuführen, dass den darüber oder darunter liegenden Balkonen oder Sondernutzungsflächen (Terrassen/Gärten) keine Beeinträchtigung der Sicht beigebracht wird. Der Betreiber ist verpflichtet das Schadenspotential (Herunterfallen, Wind-Schneelast) durch entsprechende Maßnahmen zu minimieren. Vor der Installation ist der Zustand der Balkonbrüstung mittels Fotos zu dokumentieren. Nach Installation ist mittels Fotos die Lage und Position der Anlage zu dokumentieren. Diese müssen vom Betreiber mit der Anzeige bei der Hausverwaltung dieser zur Aktenlage hinterlegt werden. Die Brüstung darf weder angebohrt noch durchbohrt werden. Eine Montage an der Fassade bzw. einem darüber liegenden Balkon ist nicht gestattet. Auf die Besonderheit der Holzbalkone wird hingewiesen. Die Montage hat so zu erfolgen, dass das Holz nicht geschädigt wird und sogenannte Staunässe nicht erfolgen kann die Holzfäulnis führt. Mieter und Eigentümer der Erdgeschoßwohnungen mit Sondernutzungsbereichen dürfen nur diese ihnen zugeordneten Bereiche (innerhalb der Grenzen des Sondernutzungsrechtes) für eine Installation oder Aufstellung einer Anlage nutzen. Die Abgrenzung zwischen Sondereigentum/ Sondernutzungsrecht und Gemeinschaftseigentum oder dem Eigentum anderer Mitbewohner ist einzuhalten. Aufgrund fehlender Balkonbrüstung kann eine Anlage aufgeständert oder am Boden aufgestellt werden. Dabei ist auf eine entsprechende Sicherung zu achten. Dabei, gelten die gleichen Grundsätze wie beim Balkonkraftwerk. Die Montage ist so durchzuführen, dass den darüber liegenden Wohnungen keine Beeinträchtigung der Sicht beigebracht wird. Die Geschoßhöhe ist einzuhalten. Eine Montage an der Fassade bzw. einem darüber liegenden Balkon und Stützen ist nicht gestattet. Der Betreiber ist verpflichtet das Schadenspotential (Umfallen, Wind-Schneelast) durch entsprechende Maßnahmen zu minimieren. Lage und Höhe der Installation ist durch Fotos zu dokumentieren und der Hausverwaltung zur Aktenlage mit der Anzeige zu übergeben. Dachflächen dürfen nicht genutzt werden. Die zugrunde liegende Gesetzeslage hat den Stand vom Juni 2023. Zukünftige Gesetzesänderung machen diesen Beschluss nicht ungültig. Sie sind Bestandteil dieses Beschlusses.“
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Darüber hinaus wurde unter TOP 12 der Leitfaden der WEG für ein gutes Miteinander einstimmig beschlossen (vgl. Beschluss Anlage K 2 und Leitfaden Anlage K 7).
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Die Kläger sind der Ansicht, der unter TOP 11 getroffene Beschluss über die Balkonkraftwerke sei bereits deshalb ungültig, da er nicht hinreichend bestimmt formuliert worden sei. Für die Wohnungseigentümer sei nicht klar, welche die „anerkannten Regeln der Technik“ sein sollen. Ein durchschnittlicher Wohnungseigentümer könne nicht beurteilen, welche konkreten Vorgaben zur Erfüllung dieser Beschlussvoraussetzungen von ihm verlangt würden. Auch die Auflage zur Versicherungspflicht verstoße gegen das Bestimmtheitserfordernis, da der Beschluss keinerlei Angaben zur Höhe der Versicherung und der Haftungssumme enthielte. Die Kläger tragen weiter vor, aus der Montageanordnung ergeben sich keine konkreten Regelungen inwiefern die Sicht der anderen Balkone/Freiflächen nicht zur beeinträchtigen seien.
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Des Weiteren rügen die Kläger, dass die Beschlussfassung keinerlei Angaben zur Art, Farbe und Struktur der zugelassenen Photovoltaik Paneelen vorgebe, was den Beschluss ebenfalls unbestimmt mache. Auch die Größe der anzubringenden Module sowie der Neigungswinkel, in dem diese anzubringen sind, seien nicht näher beschrieben.
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Die Kläger sind zudem der Auffassung, dass der Beschluss deshalb ungültig sei, weil der Beschlussfassung eine falsche Information über Tatsachengrundlagen zugrunde gelegen habe. Es sei Druck auf die Eigentümer ausgeübt worden, indem die Hausverwaltung suggeriert habe, dass es sich bei Balkonkraftwerken um „privilegierte bauliche Veränderungen“ im Sinne des § 20 Abs. 2 WEG handeln würde. Dies sei aber tatsächlich nicht der Fall.
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Des Weiteren würde die getroffene Regelung zu einer grundlegenden Umgestaltung der Wohnanlage führen und eine unbillige Benachteiligung der klägerischen Einheit darstellen. Die Balkonkraftwerke verstießen gegen das Farbkonzept des Mehrfamilienhauses und veränderten damit das charakteristische Aussehen der Wohnanlage. Die Eigentümer der Erdgeschosswohnungen seien durch darüber liegende Balkonkraftwerke besonders beeinträchtigt, da sie unter einer massiven Verschattung zu leiden hätten, die zu einem Wertverlust der Wohnungen führen würde. Auch mit den Brandschutzvorgaben seien die Balkonkraftwerke nicht vereinbar.
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Im Hinblick auf TOP 12 sind die Kläger der Ansicht, dass der Beschluss unbestimmt sei und den Bewohnern Leistungen aufbürde, die der ordnungsgemäßen Verwaltung widersprächen.
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Die Beklagte hat im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2024 den Klageantrag zu Ziffer 2 (Leitfaden) anerkannt. Streitig zu entscheiden war daher nur noch über den Klageantrag Ziffer 1).
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Die Kläger beantragen zuletzt:
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1. Der Beschluss der ordentlichen Wohnungseigentümerversammlung vom 09.11.2023 zu TOP 11 „Balkonkraftwerke/Terrassenkraftwerke“ wird für ungültig erklärt.
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Die Beklagte beantragt zuletzt,
die Klage abzuweisen
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Die Beklagte ist der Auffassung, in der Formulierung, dass die Montage der Solarpaneele nach den allgemein anerkannten Regen der Technik zu erfolgen habe, liege eine hinreichende Bestimmtheit und Bestimmbarkeit vor, da dies bedeute, dass sämtliche technische und rechtliche Regelwerke einzuhalten seien. Die Eigentümer hätten die Möglichkeit gehabt, sich zwischen Ladung und Eigentümerversammlung über die geltenden Regelwerke zu informieren.
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Auch im Übrigen liege eine hinreichende Bestimmtheit des Beschlusses vor. Die Größe der Solarpaneele sei bereits durch die vorgegebene Leistung von bis zu maximal 600 Watt nach oben hin begrenzt. Angaben zur Art, Farbe oder Struktur der Paneele seien nicht zwingend erforderlich. Gleiches gelte für die Vorgabe eines Neigungswinkels. Insofern sei der Verweis auf die allgemeinen Regeln der Technik ausreichend, damit die Module gegen ein Herunterfallen durch Wind- oder Schneelasten gesichert sind und nicht zu einer Sichtbeeinträchtigung Dritter führe. Im Hinblick auf den Vorwurf der falschen Tatsachengrundlage trägt die Beklagte vor, dass es ohnehin nur eine Frage der Zeit sei, bis Balkonkraftwerke tatsächlich als privilegierte bauliche Veränderungen einzustufen sind, da dies bereits in der Bundesregierung diskutiert werde. Auch von einer „grundlegenden Umgestaltung“, welche nur im Ausnahmefall anzunehmen sei, könne nicht die Rede sein. Eine solche liege allenfalls bei tiefgreifenden Veränderungen oder ganz strukturellen Gebäudeeingriffen vor, nicht jedoch bei einer Beeinträchtigung des optischen Gesamteindrucks.
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Zur Vervollständigung des Tatbestands wird gemäß § 313 Abs. 2 ZPO zudem auf die Schriftsätze der Kläger und der Beklagten einschließlich der Anlagen sowie auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 10.04.2024 vollumfänglich Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

A.
20
Die Anfechtungs- und Beschlussersetzungsklage ist zulässig. Insbesondere ist das Amtsgericht Wolfratshausen sachlich und örtlich zuständig nach § 23 N. 2 c GVG i.V.m. §§ 43 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 WEG.
B.
21
Sofern der Klageanspruch nicht anerkannt wurde, ist die Klage ist unbegründet.
I.
22
Der Klageantrag zu Ziffer 2) aus dem Schriftsatz vom 08.12.2024 wurde von der Beklagten im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 12.04.2024 anerkannt, weshalb diesbezüglich nur noch über die Kosten zu entscheiden war.
II.
23
Im Übrigen war die Klage abzuweisen, da sie unbegründet ist.
24
1. Die Anfechtungs- und Begründungspflicht als materielle Ausschlussfrist wurde gewahrt. Die Klage wurde am 08.11.2024 eingereicht. Die Aufforderung zur Zahlung des Vorschusses erfolgte am 12.12.2023; unmittelbar danach am 18.12.2023 wurde der Vorschuss eingezahlt und die Klage sodann am 09.01.2024 zugestellt. Die späte Zustellung fällt nicht in den Verantwortungsbereich der Kläger.
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2. Die Anfechtungsklage ist jedoch unbegründet, da der angefochtene, ablehnende Beschluss zu TOP 11 vom 09.11.2023 nicht unbestimmt ist und auch nicht ordnungsgemäßer Verwaltung widerspricht.
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2.1. Beschlüsse einer Wohnungseigentümergemeinschaft müssen, insbesondere weil ein Sondernachfolger nach § 10 Abs. 3 WEG an Beschlüsse gebunden ist, klar und bestimmt formuliert oder zumindest bestimmbar sein; ob dies der Fall ist, ist durch Auslegung zu ermitteln.
27
Ein Beschluss ist i.d.S. „bestimmt“, wenn er aus sich heraus genau, klar, eindeutig und widerspruchsfrei erkennen lässt, was gilt (vgl. Hügel/Elzer, WEG, § 23 Rn. 141). Dabei muss der Inhalt dem Beschluss selbst zu entnehmen sein. Maßgeblich für die Auslegung von Beschlüssen ist das vom Versammlungsleiter festgestellte und verkündete Beschlussergebnis. Beschlüsse der Wohnungseigentümer sind wie im Grundbuch eingetragene Regelungen der Gemeinschaftsordnung „aus sich heraus“ objektiv und normativ auszulegen, ohne dass es auf die subjektiven Vorstellungen der an der Beschlussfassung Beteiligten ankommt. Maßgeblich sind dabei der Wortlaut und der sonstige Protokollinhalt. Umstände außerhalb des protokollierten Beschlusses können nur berücksichtigt werden, wenn sie nach den besonderen Verhältnissen des Einzelfalls für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (vgl. Bärmann, WEG, § 23 Rn. 88 ff.). Der Beschluss muss einen durchführungsfähigen Inhalt haben, damit er nach – positiver – Abstimmung auch in die Praxis umgesetzt werden kann (BGH NZM 2016, 553; OLG München BeckRS 2007, 6715). Es dürfen keine Zweifelsfragen bestehen bleiben (vgl. BeckOK, WEG, § 23 Rn. 74).
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Dies zugrunde gelegt, fehlt es dem Beschluss über die Errichtung von Balkonkraftwerken nicht an der hinreichenden Bestimmtheit.
29
Der Beschluss ist nicht deshalb unbestimmt oder unbestimmbar, weil er keine nähere Konkretisierung darüber enthält, welche Regeln der VDE und welche sonstigen technischen Vorgaben bei der Errichtung der Balkonkraftwerke einzuhalten sind. Im Beschluss ist klar und deutlich geregelt, dass die Installation fachgerecht und nach den allgemein „anerkannten Regeln der Technik“ zu erfolgen hat. Bei dem Begriff „anerkannte Regeln der Technik“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der im Wege der Auslegung zu ermitteln ist. Konkret bedeutet das: Die ausführende Firma hat die Errichtung der Solarpaneele so vorzunehmen, dass diese in ihrer Montage, Ausrichtung, Größe etc. den rechtlichen und technischen Vorgaben genügen. Dazu gehört im Übrigen auch, dass Vorkehrungen für den Brandschutz getroffenen werden. Die rechtlichen und technischen Voraussetzungen hätten die Kläger ggf. selbst durch Nachforschung oder Befragung einer Fachfirma oder durch einen Blick in die entsprechenden Regelwerke herausfinden können und müssen. Die Bestimmung, dass die Balkonkraftwerke den allgemein anerkannte Regeln der Technik entsprechen müssen, ist auch aus folgendem Grund sinnvoll: Der Verwalter und die Wohnungseigentümer sind im Regelfall keine technischen Spezialisten auf dem Gebiet der Installation von Solarpaneelen. Würden sie nun einen Beschluss mit ganz genauen technischen Voraussetzungen beschließen, könnte es passieren, dass der Beschluss durch einen Fachmann letztlich nicht umsetzungsfähig ist, da gegen (den Mitgliedern unbekannte) zwingende Regeln der Technik verstoßen worden ist.
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Auch dass der Beschluss keine Angaben zur Art, Farbe, Struktur oder Größe enthält mach diesen nicht unbestimmt. Die maximale Einspeiseleistung von 600 W wurde geregelt, wobei diese ohnehin gesetzlich vorgegeben ist und im Beschluss auf die aktuelle und zukünftige Gesetzesänderung hingewiesen wurde.
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Die Größe der Paneele war zwar nicht einheitlich vorgegeben, jedoch nach oben hin begrenzt. So heißt es im Beschluss: „Die Montage ist so durchzuführen, dass den darüber oder darunter liegenden Balkonen oder Sondernutzungsflächen (Terrassen/Gärten) keine Beeinträchtigungen der Sicht beigebracht wird“. Nach Ansicht des Gerichts ist die Regelung zweifelsfrei dahingehend zu verstehen, dass die Solarpaneele durch die Größe des jeweiligen Balkons, auf dem sie installiert werden, begrenzt sind, also weder zu den Seiten, noch nach unten über die Fläche des Balkons herausragen dürfen. Durch die Größenbegrenzung werden die anderen Eigentümer vor möglichen Beeinträchtigungen ausreichend geschützt.
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Dass keine konkrete Vorgabe zur Farbe getroffen wurde macht den Beschluss ebenfalls nicht unbestimmt. Es ist allgemein anerkannt, dass, um die Absorption von Sonnenlicht zu maximieren und die Effizienz der Stromerzeugung zu erhöhen, die meisten Solarpaneele ohnehin in der Farbe schwarz gefertigt werden.
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Der Beschluss ist auch nicht etwa deshalb unbestimmt, da kein Neigungswinkel vorgegeben wurde. Die Bestimmung des Neigungswinkels ist abhängig von der konkreten Sonneneinstrahlung und der spezifischen Ausrichtung des Balkons und letztendlich durch die allgemein anerkannten Regeln der Technik vorgegeben.
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Die Nichtaufnahme konkreter Vorgaben zur Farbe und Struktur der Paneele ändert nichts an dem durchführungsfähigen Inhalt des Beschlusses. Ein solcher würde allenfalls dann nicht vorliegen, wenn durch den Beschluss dem Wohnungseigentümer ein schrankenloses Ermessen gegeben würde, was zu einer erheblichen Unsicherheit für alle Wohnungseigentümer führen würde. Dies ist aber nicht der Fall.
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Auch die im Übrigen getroffenen Bestimmungen zur Versicherungspflicht, der Anbringungen, der Dokumentation und der Schutz- und Verkehrssicherungspflichten genügen nach Ansicht des Gerichts dem Bestimmtheitserfordernis.
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2.2. Der Beschluss ist nicht deshalb unwirksam, weil in dem Antrag fälschlicherweise von „privilegierten“ baulichen Veränderungen gesprochen wurde. Der Beschlussantrag stammt von einzelnen Wohnungseigentümern. Da dem Verwalter nur ein sehr eingeschränktes Vorprüfungsrecht im Hinblick auf die in die Tagesordnung aufzunehmenden Anträge zusteht, war er grundsätzlich verpflichtet, den Antrag, so wie gestellt, aufzunehmen. Darüber hinaus hat der Verwalter allenfalls eine Pflicht zur rudimentären Rechtsberatung. Zwischen der Ladung und dem Stattfinden der Eigentümerversammlung am 09.11.2023 lagen mindestens drei Wochen. In der Ladung war der angefochtene Beschluss – in der Form, wie er letztlich beschlossen wurde – beinhaltet. Die Wohnungseigentümer hatten daher ausreichend Zeit sich mit dem streitgegenständlichen Beschlussantrag zu befassen und zu überprüfen, ob es sich tatsächlich um ein privilegiertes Vorhaben handelt oder nicht. Die Kläger haben zudem nicht in nachvollziehbarer Weise vorgetragen und auch nicht unter Beweis gestellt, dass die Wohnungseigentümer anders entschieden hätten, sofern ihnen mitgeteilt worden wäre, dass es sich tatsächlich nicht um ein privilegiertes Vorhaben handelt.
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2.3. Die Balkonkraftwerke stellen keine bauliche Veränderung dar, die gemäß § 20 Abs. 4 WEG die Wohnanlage grundlegend umgestaltet oder einen Wohnungseigentümer ohne sein Einverständnis gegenüber anderen unbillig benachteiligt.
38
Wann eine bauliche Veränderung eine Wohnanlage grundlegend umgestaltet ist gesetzlich nicht definiert. Diese Frage ist im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände zu entscheiden, wobei Bezugspunkt dabei die Anlage als Ganzes ist. Eine grundlegende Umgestaltung wird deshalb nur im Ausnahmefall anzunehmen sein. Insbesondere führt nicht jede bauliche Veränderung, die nach § 22 II 1 WEG a.F. die Eigenart der Wohnanlage ändert, auch zu einer grundlegenden Umgestaltung nach neuem Recht. Mit der Gesetzesänderung sollte die bauliche Veränderung von Wohnungseigentumsanlagen erleichtert werden (für alles BT-Drs. 19/18791, 66). In der Literatur werden als Beispiele für eine grundlegende Umgestaltung etwa die Umwandlung eines parkartigen Gartens einer Wohnanlage in eine asphaltierte Parkplatzfläche benannt (MüKoBGB/Rüscher, 9. Aufl. 2023, WEG § 20 Rn. 34), wohingegen die Errichtung eines Aufzugsturms oder einer Photovoltaikanlage ebenso wenig ausreichend sein sollen (vgl. Jennißen/Hogenschurz, WEG, 7. Aufl., § 20 Rn. 88) wie der Anbau von Balkonen (Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl. 2021, WEG § 20 Rn. 150, 151).
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Unter Berücksichtung der vorgenannten Gesichtspunkte und ausgehend von einem objektiven Vorher-Nachher-Vergleich ist hier eine grundlegende Umgestaltung der Wohnanlage durch den gestatten Beschluss zur Errichtung der Balkonkraftwerke nicht gegeben. Der Charakter der Wohnanlage wird nicht verändert (vgl. Anlagen K5-K8). Insbesondere ist nicht ersichtlich, dass das Farbkonzept des Architekten in einer Weise beeinträchtigt wird, dass eine grundlegende Umgestaltung angenommen werden könnte.
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Eine unbillige Benachteiligung im Sinne des § 20 Abs. 4 WEG liegt dann vor, wenn einem Wohnungseigentümer Nachteile zugemutet werden, die bei wertender Betrachtung nicht durch die mit der baulichen Veränderung verfolgten Vorteile ausgeglichen werden. Die bauliche Veränderung muss zudem zu einer treuwidrigen Ungleichbehandlung der Wohnungseigentümer führen, indem die Nachteile einem oder mehreren Wohnungseigentümern in größerem Umfang zugemutet werden als den übrigen Wohnungseigentümern (vgl. Hügel/Elzer, Wohnungseigentumsgesetz, 3. Auflage 2021, § 20 Rn. 153). Für das Vorliegen der Umstände, die zu einer unbilligen Benachteiligung führen, sind die Kläger beweisbelastet. Die Kläger tragen hier lediglich pauschal vor, die Beeinträchtigung ergebe sich daraus, dass die darunter liegenden Terrassenwohnungen durch die Montage des Balkonkraftwerks erheblich verschattet werden und damit der Licht- und Sonneneinfall dieser Wohnungen in nicht zumutbaren Maße beeinträchtigt, ohne konkret vorzutragen inwiefern es zu einer solchen Verschattung kommen soll und wieso diese eine erhebliche Beeinträchtigung darstellen soll. Insbesondere aufgrund der im Beschluss geregelten Größenbegrenzung erscheint eine erhebliche Beeinträchtigung und insbesondere die behauptete „massive Verschattung“ abwegig. Eine unbillige Benachteiligung liegt auch nicht darin, dass die Kläger selbst keinen Balkon haben, da der Beschluss es ebenfalls gestattet, dass eine Anlage auch aufgeständert am Boden angebracht wird.
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2.4. Auch im Übrigen widerspricht der Beschluss nicht den Grundsätzen ordnungsgemäßer Verwaltung, § 18 Abs. 2 WEG.
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2.5. Der Beschluss ist auch nicht deshalb unwirksam, da er gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Die Kläger haben hier nicht ausreichend nachvollziehbar und substantiiert dargelegt, worauf die Annahme gestützt wird, dass der Beschluss gegen das Brandschutzkonzept der WEG verstoßen soll. Sollte die tatsächliche Errichtung Auswirkungen auf das Brandschutzkonzept haben, wäre dies ggf. entsprechend anzupassen. Dies macht den streitgegenständlichen Beschluss jedoch nicht per se unwirksam.
IV.
43
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 93 ZPO.
V.
44
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 ZPO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
VI.
45
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 49 GKG. Gem. § 49 S. 1 GKG ist der Streitwert in Verfahren nach § 44 Abs. 1 WEG auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen. Das Gericht im Hinblick auf Ziffer I der Klageschrift davon ausgegangen, dass sich die Hälfte der Wohnungseigentümer ein Balkonkraftwerk zum Durchschnittspreis von 800 EUR anschaffen (16 × 800 € = 12.800 €). Im Hinblick auf den Antrag Ziffer II der Klageschrift wurde das Interesse auf EUR 1000 geschätzt.