Titel:
Informationsbedürfnis bei Beschluss über Jahresabrechnung
Normenkette:
WEG § 28, § 18, § 23
Leitsätze:
1. Die Frage der ordnungsgemäßen Information der Eigentümer ist keine Frage der formellen Ordnungsgemäßheit eines Beschlusses, sondern der materiellen. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einem Beschluss nach § 28 Abs. 2 WEG liegt eine ausreichende Information vor, wenn die Eigentümer ihre Einzelabrechnung haben, eine Erläuterung der Anwendung der einzelnen Verteilerschlüssel ist nicht nötig. (Rn. 23 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Jahresabrechnung, Beschlussvorbereitung, Information
Fundstellen:
ZMR 2024, 898
LSK 2024, 27196
BeckRS 2024, 27196
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist in Ziff. 2. vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Der Streitwert wird auf 28.373,70 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Gegenstand der Klage ist die Anfechtung des zu TOP 3.1 der Eigentümerversammlung vom 10.10.2023 gefassten Beschlusses der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft über die Genehmigung der Nachschüsse bzw. Anpassungen der beschlossenen Vorschüsse aus den Einzelabrechnungen für das Jahr 2022 vom 10.08.2023. Bezüglich der Einzelheiten der Beschlussfassung wird Bezug genommen auf das Versammlungsprotokoll der Eigentümerversammlung vom 10.10.2023, Anlage K 1.
2
Die Kläger sind als hälftige Miteigentümer eines Miteigentumsanteils von 144/10.000stel, verbunden mit dem Sondereigentum der im EG der (Haus E) gelegenen Wohnung Nr. E-0-2 Mitglieder der Beklagten.
3
Die Rechtsbeziehungen der Mitglieder der Beklagten sind im wesentlichen geregelt durch die Teilungserklärung nebst Gemeinschaftsordnung vom 21.08.2012 (Anlage K 3) und den 3. Nachtrag zur Teilungserklärung (Anlage K 4).
4
Gem Ziff. 1.3.1 der Teilungserklärung / Gemeinschaftsordnung wurden jeweils geregelte Untergemeinschaften für das Vordergebäude, das Rückgebäude und die Tiefgarage gebildet, wobei jede Untergemeinschaft in der Eigentümerversammlung über ihre eigenen Belange selbst entscheidet und die jeweils anderen Untergemeinschaften insoweit kein Stimmrecht haben.
5
Gem. Ziff. 7.2.3 werden mit Ausnahme der Kosten der allgemeinen Reinigung die Instandsetzungs- und Instandhaltungskosten der Treppenhäuser samt Lift (einschließlich Wartung, Reparaturen etc.) allein die dadurch erschlossenen Wohnungseigentümer, einschließlich der jeweiligen Erdgeschosseinheiten getragen. Insoweit bestehen auch innerhalb des Vorder- bzw. Rückgebäudes „Unterunterabrechnungseinheiten“.
6
Gem. Ziff. 7.3.4. können Kostenverteilungsschlüssel stets nur für die gesamte Eigentümergemeinschaft oder alle Untergemeinschaften gemeinsam geändert werden, jedoch nicht für jedes Gebäude einer Untergemeinschaft separat.
7
Die im 4. Stock gelegene Sondereigentumseinheit D-4-1 (87/10.000stel MEA) war urspründlich nur an das Treppenhaus D, die ebenfalls im 4. Stock gelegene Sondereigentumseinheit E-4-1 (93/10.000stel MEA) nur an das Treppenhaus E angeschlossen. Die Sondereigentumseinheiten D-4-1 und E-4-1 wurden durch einen Durchbruch und eine Verbindungstür miteinander verbunden. Gem. 3. Nachtrag zur Teilungserklärung wurden die Miteigentumsanteile dieser beiden Sondereigentumseinheiten zu 180 Miteigentumsanteilen (nunmehr Wohnung Nr. 11) zusammengefasst. Die Einheit Nr. 11 ist an die Treppenhäuser D und E angeschlossen.
8
Die Wohnung der Kläger war zunächst gar nicht an ein Treppenhaus angeschlossen, sondern verfügte über einen separaten Zugang. Erst beim Kauf der Kläger erhielt sie einen zweiten Eingang und ist nun auch an das Treppenhaus E angeschlossen.
9
Die Problematik der Verteilung der Aufzugskosten war in der Vergangenheit bereits Gegenstand außergerichtlicher juristischer Prüfungen, Eigentümerversammlungen sowie Gegenstand zweier vor dem Amtsgericht München unter den Aktenzeichen und geführter Gerichtsverfahren.
10
In der Eigentümerversammlung vom 20.06.2023 war u. a. folgender Beschluss gefasst worden:
„Die Eigentümergemeinschaft beschließt gemäß § 7.2.5 der Teilungserklärung/Gemeinschaftsordnung, sowie unter Anwendung § 16 Abs. 2 (Satz 2) WEG die Kosten für die Aufzüge (laufende Betriebs- und Wartungskosten, TÜV-Gebühren usw., sowie auch die Erhaltungskosten bzw. Instandhaltungs-/Instandsetzungskosten) wie folgt und dauerhaft erstmalig ab dem Abrechnungsjahr 2022 zu ändern: Die Aufzugskosten werden somit wie bisher den einzelnen Eingängen und Häusern zugeordnet (gem. TE/GO). Somit tragen die Kosten des jeweiligen Lifts (laufende Betriebs- und Wartungskosten, TÜV-Gebühren usw., sowie auch die Erhaltungskosten bzw. Instandhaltungs-/Instandsetzungskosten) allein die dadurch erschlossenen Wohnungseigentümer, einschließlich der jeweiligen Erdgeschosseinheiten (ohne die Gewerbeeinheit) nach ihren eingetragenen Miteigentumsanteilen. Somit bestehen also auch innerhalb des Vorder- und Rückgebäudes „Unterunterabrechnungseinheiten“ (pro Haus). Es erfolgt zur vorab genannten Verteilung die einzige Änderung, dass bei der Einheit Nr. 11 (aktuell Eigentümer) eine Beteiligung an den Aufzugskosten derart erfolgt, dass diese Einheit nicht wie aktuell an beiden erschlossenen Aufzügen mit je der addierten Summe der Miteigentumsanteile der zusammengelegten beiden Wohnungen mitbezahlt, sondern der Zustand vor Zusammenlegung gilt. Dadurch zahlt die Einheit Nr. 11 (aktuell Dr. B.) mit einerseits 93 und andererseits 87 Miteigentumsanteile am jeweils erschlossenen Aufzug des Hauses, in dem sich die Wohnung (vor Zusammenlegung) befand bzw. sich der jeweilige Wohnungsanteil heute befindet“
11
Dieser Beschluss ist Gegenstand der beim Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen geführten Beschlussanfechtungsklage, welche erstinstanzlich mit Endurteil vom 07.03.2024 abgewiesen wurde. Hiergegen ist eine Berufung vor dem Landgericht München I anhängig.
12
Mit Schreiben vom 06.09.2023 lud die Verwalterin der Beklagten für den 10.10.2023 zur ordentlichen Eigentümerversammlung 2023 ein. Bezüglich des Inhalts der Einladung wird Bezug genommen auf das Einladungsschreiben vom 06.09.2023 nebst Anlagen, Anlage K 12.
13
Die Kläger sind der Auffassung, der zu TOP 3.1 gefasste Beschluss vom 10.10.2023 sei für ungültig zu erklären, der der Beschluss zu TOP 3.2 der Eigentümerversammlung vom 20.06.2023 wegen fehlender Beschlusskompetenz nichtig sei. In formeller Hinsicht rügen sie, dass die Eigentümer vor der Beschlussfassung am 10.10.2023 nicht rechtzeitig und umfassend über die rechtlichen Hintergründe für die Bewertung der Verteilung der Aufzugskosten informiert worden seien, so dass es der Beschlussfassung an einer ordnungsgemäßen und vollständigen Information der Eigentümer gemangelt habe. Insbesondere sei den Eigentümern der Inhalt einer am 16.05.2023 zwischen den Klägern, der Hausverwaltung und dem Verwaltungsbeirat abgehaltenen Besprechung zum Thema der Verteilung der Aufzugskosten, insbesondere die „intensiv in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2020 geäußerte Auffassung des Gerichts“ sowie damalige Einschätzungen der von der Beklagten beauftragten Rechtsanwälte seien den Eigentümern vorenthalten worden. Insbesondere sei den Eigentümern nicht offengelegt worden, dass die Verteilung der Aufzugskosten bereits in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2020 ausführlich diskutiert worden sei, wobei sich das Gericht seinerzeit klar positioniert habe mit der Aussage, dass eine Auslegung des Nachtrags zur Teilungserklärung nicht zu erfolgen habe, sondern dass auf diesen Nachtrag ganz einfach die Abrechnungsregeln der Gemeinschaftsordnung Anwendung fänden. Die Eigentümer seien somit nicht darüber im Bilde gewesen, dass sie mit dem letztlich gefassten Beschluss genau denjenigen Verteilerschlüssel (wieder) beschlossen hätten, der schon Gegenstand der gerichtlichen Verhandlung im Jahr 2020 zur Jahresabrechnung 2018 gewesen und dort für fehlerhaft gehalten worden sei. Zudem seien die Eigentümer vor der Beschlussfassung nicht über den Inhalt sowie die möglichen Folgen der beim AG München unter dem Aktenzeichen: anhängigen Anfechtungsklage informiert worden. Sollte sich der am 20.06.2023 unter TOP 3.2 gefasste Beschluss als nichtig oder ungültig erweisen, wäre der aktuellen Verteilung der Aufzugskosten der Boden entzogen. In materiellrechtlicher Hinsicht habe den Eigentümern die notwendige Tatsachengrundlage für die Beschlussfassung gefehlt, da sie weder über den vorangegangenen Meinungsstreit und über die dazu geäußerte Positionierung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2020, noch über den Inhalt sowie die möglichen Folgen der beim AG München unter dem Aktenzeichen anhängigen Anfechtungsklage informiert worden seien. Ferner sei die Verteilung der Kosten für die Instandsetzung und Instandhaltung der Treppenhäuser samt Lift fehlerhaft und unbillig, zumal sie den Eigentümer der Einheit Nr. 11 bevorteile. Da in der streitgegenständlichen Jahresabrechnung eine fehlerhafte Verteilung dieser Kosten vorgenommen worden sei, sei dieser Mangel natürlich auch verteilungsrelevant.
14
Die Kläger beantragen:
Der am 10.10.2023 in der außerordentlichen Eigentümerversammlung der WEG unter TOP 3.1: Genehmigung der Gesamt- und Einzeljahresabrechnung 2022 gefasste Beschluss:
„Die Eigentümerversammlung beschließt gem. § 28 Abs. 2 und 3 WEG, die Nachschüsse bzw. Anpassungen der beschlossenen Vorschüsse aus den Einzelabrechnung für das Jahr 2022 vom 10.08.2023 werden genehmigt und fällig gestellt. Der Einzug der Forderungen erfolgt ca. vier Wochen nach Beschlussfassung, also am 05.11.2023, zu Gunsten des Bankkontos der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Etwaige Guthaben der Eigentümer aufgrund der Anpassung der beschlossenen Vorschüsse hat der Verwalter – sofern kein anderweitiger Rückstand besteht – zu diesem Termin auszugleichen, soweit dem Verwalter rechtzeitig die Bankverbindung der betreffenden Eigentümer bekannt gegeben ist. Soweit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer jeweils ein SEPA-Lastschriftmandat der jeweiligen Wohnungseigentümer vorliegt, hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vertreten durch den Verwalter zum angegebenen Termin von diesem betreffend das Bankkonto der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Gebrauch zu machen und die Salden auszugleichen.“
wird für ungültig erklärt.
15
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen.
16
Die Beklagte ist der Ansicht, der angefochtene Beschluss sei weder nichtig, noch widerspräche er ordnungsgemäßer Verwaltung.
17
Zur Ergänzung des Tatbestands wird im übrigen Bezug genommen auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 11.04.2024. Beweis wurde nicht erhoben.
Entscheidungsgründe
18
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
19
1. Das Amtsgericht München ist örtlich und sachlich ausschließlich zuständig, §§ 43 Nr. 4 WEG, 23 Nr. 2 c GVG.
20
2. Der angegriffene Beschluss ist weder nichtig, noch widerspricht er aus den innerhalb der materiellen Ausschlussfrist des § 45 Satz 1 WEG vorgetragenen Gründen ordnungsgemäßer Verwaltung.
21
a) Ein Beschluss ist im Sinne von § 23 Abs. 4 Satz 1 WEG nur dann nichtig, wenn er gegen eine Rechtsvorschrift verstößt, auf deren Einhaltung rechtswirksam nicht verzichtet werden kann. Solche unabdingbaren Rechtsvorschriften ergeben sich entweder aus den zwingenden Bestimmungen und Grundsätzen des Wohnungseigentumsgesetzes oder aus den Normen des übrigen Privat- oder öffentlichen Rechts, namentlich aus §§ 134,138 BGB und § 56 Satz 2 ZVG. Nichtigkeitsgründe im Hinblick auf den hier streitgegenständlichen Beschluss sind weder dargetan noch ersichtlich.
22
b) Soweit die Kläger in formeller Hinsicht rügen, die Eigentümer seien vor der streitgegenständlichen Beschlussfassung nicht hinreichend informiert worden, so dass es der Beschlussfassung an einer ordnungsgemäßen und vollständigen Information der Eigentümer gemangelt habe, verkennen sie zunächst, dass es sich hierbei nicht um eine Frage der formellen Ordnungsmäßigkeit i. S. d. § 23 Abs. 2 WEG handelt, sondern um eine Frage der materiellen Rechtmäßigkeit.
23
Eine ausreichende Information im Sinne von § 23 Abs. 2 WEG liegt bereits dann vor, wenn die Wohnungseigentümer verstehen und überblicken können, was in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht erörtert und beschlossen werden soll und welche Auswirkungen der vorgesehene Beschluss insoweit auf die Gemeinschaft und sie selbst hat, wobei an die Bezeichnung des Gegenstandes keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden dürfen und nicht alle Einzelheiten des Beschlussgegenstandes enthalten sein müssen. Es soll lediglich gesichert werden, dass die Wohnungseigentümer vor Überraschungen geschützt sind und sich auf die Versammlung vorbereiten können. Der einzelne Eigentümer soll die Möglichkeit erhalten zu entscheiden, ob seine Teilnahme an der Versammlung veranlasst ist. In aller Regel genügt eine schlagwortartige Bezeichnung (vgl. BGH vom 13.01.2012, V ZR 129/11, ZWE 2012,125), insbesondere wenn die Sache bereits früher erörtert wurde. Aus dem Informationsbedürfnis des einzelnen Wohnungseigentümers ergibt sich, dass der Beschlussgegenstand um so genauer bezeichnet werden muss, je größer seine Bedeutung und je geringer der Wissensstand des einzelnen Eigentümers ist.
24
Weiter verkennen die Kläger, dass – worauf die Beklagte zutreffend hinweist – dass vorliegend nicht der in der Eigentümerversammlung vom 20.06.2023 gefasste Beschluss über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels, sondern ein Beschluss über die Nachschüsse bzw. Anpassung der Vorschüsse für das Wirtschaftsjahr 2022 im Sinne von § 28 Abs. 2 S. 1 WEG streitgegenständlich ist. Entscheidungsgrundlage für diesen Beschluss sind die Einzelabrechnungen 2022, welche unstretig jedem Eigentümer zusammen mit der Einladung zur streitgegenständlichen Eigentümerversammlung übersandt worden sind. Damit lag eine hinreichende Ankündigung für die hier streitgegenständliche Beschlussfassung vor. Es ist nicht erforderlich, dem Einladungsschreiben eine Erläuterung darüber beizufügen, warum für welche Kostenpositionen welcher Kostenverteilerschlüssel in den Einzelabrechnungen in Ansatz gebracht wird.
25
Soweit die Kläger in materieller Hinsicht das Fehlen einer ausreichenden Tatsachengrundlage rügen, da sie über den vorangegangenen Meinungsstreit und über die dazu geäußerte Positionierung des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 02.07.2020 sowie Auffassungen von Rechtsanwälten nicht informiert worden seien, sind zum einen auf der Basis der vor dem 01.12.2020 geltenden Rechtslage geäußerte Rechtsauffassungen irrelevant. Zum anderen bedurfte es einer Darlegung diverser Rechtsauffassungen zur Verteilung der Aufzugskosten nach der Gemeinschaftsordnung schon deshalb nicht, weil in der Eigentümerversammlung vom 20.06.2023 unter TOP 3.2 ein Beschluss über die Änderung des Kostenverteilungsschlüssels gefasst worden war.
26
c) Soweit die Kläger die Ansicht vertreten, der hier streitgegenständliche Beschluss widerspräche ordnungsgemäßer Verwaltung, weil die er zu TOP 3.2 der Eigentümerversammlung vom 20.06.2023 gefasste Beschluss nichtig sei oder jedenfalls nicht ordnungsgemäßer Verwaltung entspreche, ist vorliegend nur zu prüfen, ob dieser Beschluss nichtig ist oder nicht. Denn gemäß § 23 Abs. 4 S. 2 WEG ist ein Beschluss so lange gültig, bis er rechtskräftig für ungültig erklärt wird. Die Beschlussanfechtungsklage gegen den Beschluss vom 20.06.2023 hat keine aufschiebende Wirkung, der angefochtene Beschluss ist damit bis zur gerichtlichen Ungültigerklärung für die Wohnungseigentümer, deren Sondernachfolger (vgl. § 10 Abs. 4 WEG) sowie für den Verwalter bindend, der gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG den Beschluss durchzuführen hat. Insbesondere stellt ein Beschluss über Nachschüsse aus einer Jahresabrechnung eine verbindliche Anspruchsgrundlage für Wohngeldansprüche dar, solange der Beschluss nicht rechtskräftig für ungültig erklärt ist (vgl. Bärmann/Merle, 14. Aufl. 2018, WEG § 23 Rn. 209). Die Nichtigkeit eines Beschlusses wirkt demgegenüber für und gegen alle, bedarf keiner Geltendmachung und ist in jedem gerichtlichen Verfahren von Amts wegen zu berücksichtigen. Die Möglichkeit, die Nichtigkeit feststellen zu lassen, ändert daran nichts; eine solche Entscheidung hat nur deklaratorische Bedeutung (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2018 – V ZR 328/17 –, Rn. 21, juris). Eine Verfahrensaussetzung gem. § 148 ZPO im Hinblick auf das unter dem Az 1293 C 15690/23 WEG in der Berufung anhängige Verfahren ist daher nicht veranlasst.
27
(1) Soweit die Kläger rügen, der Beschluss zu TOP 3.2 der Eigentümerversammlung vom 20.06.2023 sei unbillig, ist daher für das hier vorliegende Verfahren irrelevant, da dies allenfalls zur Ungültigerklärung, nicht jedoch zur Nichtigkeit des Beschlusses führen könnte.
28
(2) Dass die in den Einzelabrechnungen 2022 vorgenommene Verteilung der Aufzugskosten anders als in der Eigentümerversammlung vom 20.06.2023 unter TOP 3.2 beschlossen erfolgt sei, rügen die Kläger nicht.
29
(3) Der Beschluss zu TOP 3.2 der Eigentümerversammlung vom 20.06.2023 über die Festlegung des Verteilerschlüssels für die Aufzugskosten ist jedenfalls nicht nichtig.
30
Soweit die Kläger rügen, der Beschluss habe nicht von allen Eigentümern, sondern nur von den Eigentümern in der Unter-Eigentümergemeinschaft „Rückgebäude“, bzw. nur von den Eigentümern der jeweiligen Unter-Unter-Eigentümergemeinschaft Haus D bzw. Haus E gefasst werden dürfen, der Gesamtgemeinschaft habe daher die Beschlusskompetenz gefehlt, so folgt diese entgegen der Ansicht der Kläger aus Ziff. 7.3.4., wonach Kostenverteilungsschlüssel stets nur für die gesamte Eigentümergemeinschaft oder alle Untergemeinschaften gemeinsam geändert werden können, jedoch nicht für jedes Gebäude einer Untergemeinschaft separat.
31
I. ü. ergibt sich die Beschlusskompetenz nach der Reform des WEG zum 01.12.2020 aus § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG. Danach können die Wohnungseigentümer für einzelne Kosten oder bestimmte Arten von Kosten eine vom gesetzlichen Kostenverteilungsschlüssel nach § 16 Abs. 2 Satz 1 WEG oder von einer Vereinbarung abweichende Verteilung beschließen.
32
Das seitens der Kläger zitierte Urteil des LG München I vom 13.02.2012 ist zur alten Rechtslage ergangen und daher vorliegend nicht einschlägig. Der angegriffene Beschluss beinhaltet eine Änderung der Kostenverteilung und damit eine Änderung, nicht eine Auslegung der Teilungserklärung.
33
Soweit die Kläger die Ansicht vertreten, durch den Beschluss werde nicht der Kostenverteilungsschlüssel „an sich“ geändert, sondern „nur“ die Basis der Kostenverteilung, indem der Anteil der Miteigentumsanteil für genau ein Wohnungseigentum künstlich reduziert werde, ist auch dies von der Beschlusskompetenz nach § 16 Abs. 2 Satz 2 WEG umfasst.
34
Soweit sie rügen, der Beschluss vom 20.06.2023 betreffe eine Änderung der Gemeinschaftsordnung, welche gem. Ziff. 7.2.3 der Gemeinschaftsordnung eine Mehrheit von 75% erfordert hätte, betrifft diese Rüge nicht die Frage der Beschlusskompetenz, sondern des Stimmrechts und kann daher nicht zu einer Nichtigkeit, sondern allenfalls zu einer Anfechtbarkeit führen. Unabhängig davon betrifft der Beschluss nicht die sachenrechtlichen Grundlagen der Gemeinschaft und damit keine Änderung der Teilungserklärung, sondern lediglich die Frage, in welcher Höhe Miteigentumsanteile für die Verteilung der Aufzugskosten heranzuziehen sind.
35
Entgegen der Ansicht der Kläger beinhaltet der Beschluss auch keine gegen Ziff. 7.3.4. der Gemeinschaftsordnung verstoßende separate Abänderung innerhalb einer Untergemeinschaft, sondern eine Beschlussfassung der Gesamtgemeinschaft, grundsätzlich den in der Teilungserklärung vereinbarten Verteilungsschlüssel beizubehalten, hierbei jedoch die Einheit Nr. 11 so an den Kosten zu beteiligen als wäre keine Wohnungszusammenlegung erfolgt.
36
Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 49 GKG.