Titel:
Streitwert für die Abmahnung
Normenketten:
GKG § 49
WEG § 17
Leitsatz:
Der Streitwert für Beschlussklagen die Abmahnung betreffend, beträgt 1/3 des Wertes der Anfechtung des Entziehungsbeschlusses (also 1/3 von 20 %). (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwert, Abmahnung, Entziehung, Beschlussklage
Vorinstanz:
AG München, Endurteil vom 09.01.2024 – 1294 C 15932/23 WEG
Fundstellen:
BeckRS 2024, 27188
LSK 2024, 27188
ZMR 2024, 884
Tenor
1. Auf die Streitwertbeschwerde des Beklagtenvertreters gegen den Beschluss des Amtsgerichts München in Ziff. IV. des Endurteils vom 09.01.2024, Az. 1294 C 15932/23 WEG, wird der Beschluss wie folgt abgeandert Der Streitwert wird auf 115.800,00 € festgesetzt Im Übrigen wird die weltergehende Beschwerde zurückgewiesen.
2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
3. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist eine Beschwerde des Beklagtenvertreters aus eigenem Recht über den Streitwert.
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Gegenstand des erstinstanzlichen Rechtsstreits war die Anfechtung des in der ordentlichen Eigentümerversammlung der Gemeinschaft vom 27.06.2023 unter TOP 7 abgelehnten Beschlusses, wonach ein Anwalt von der WEG beauftragt werden solle, um eine Abmahnung gegen einer der Wohnungseigentümer wegen nutzungswidrigen Verhaltens dessen Mieterin auszusprechen (i.E. Bl. 1 eiP).
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Mit der Klageschrift vom 18.07.2023 wurde der Streitwert seitens der Klagepartei mit 7.500,00 € beziffert; das Amtsgericht setzte den Streitwert vorläufig auf 5.000,00 € fest.
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Das Amtsgericht wies die Klage mit Urteil vom 09.01.2024 ab. Die gegen den Negativbeschluss unter TOP 7 gerichtete Anfechtungsklage sei unbegründet, denn es bestehe kein Anspruch auf eine positive Beschlussfassung, weil es bereits völlig unklar sei, was der Kläger mit „abmahnen“ meine, insb., ob es sich bereits um eine Abmahnung im Rahmen eines Entziehungsverfahrens gem. § 17 WEG handeln sollte. Im Beschlussersetzungsantrag sei die Klage mangels ausreichender Vorbefassung bereits unzulässig. Den Streitwert setzte das Amtsgericht auf 5.000,00 € mit der Begründung fest, dass mangels anderer Anhaltspunkte der mittlere Regelstreitwert von 5.000,00 Euro zur Anwendung komme.
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Mit Schriftsatz vom 12.2024 legte der Beklagtenvertreter Streitwertbeschwerde im eigenen Namen ein und beantragt die Festsetzung des Streitwerts auf 231.600,00 € (Bl. 49/50 eiP). Mit seiner Beschlussersetzungsklage habe der Kläger die Verkündung eines Abmahnbeschlussas verlangt. Der Streitwert bei der Anfechtung des Entziehungsbeschlusses bemesse sich nach einem Bruchteil des Wertes der zu veräußernden Sondereigentumseinheit des betroffenen Eigentümers. Nach der Rechtsprechung des BGH betrage der Bruchteil 20 %. Gehe es hingegen wie hier um einen dem Entziehungsverfahren vorgeschalteten Abmahnbeschluss, betrage der Streitwert 1/3 von 20 % des Wertes der zu veräußernden Einheit. Die Einheit Nr. … weise eine Fläche von 173,70 m² auf. Bei einem Gewerbeobjekt in dieser zentralen Lage dürfte sich der Quadratmeterpreis auf rund EUR 20.000,00 belaufen, so dass sich der Wert der Ladeneinheit Nr. 11 auf mindestens auf 3.474.000,00 € belaufen dürfte. Hiervon 20 % ergebe 694.800,00 €, hiervon 1/3 231.600,00 €.
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Die Klagepartei erhielt Gelegenheit zur Stellungnahme und beantragte, an der Streitwertfestsetzung festzuhalten (Bl. 52/53 eiP). Da die Abmahnung hier der Unterlassung bestimmter Pflichtverletzungen durch den abgemahnten Teileigentümer dienen solle, richte sich das Interesse der WEG nicht auf die Entziehung des Teileigentums, sondern auf die Unterlassung dieser Pflichtverletzungen, die damit Gegenstand der Abmahnung und damit auch Streitgegenstand seien.
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Mit Beschluss vom 23.01.2024 hat das Amtsgericht der Streitwertbeschwerde mit einer ausführlichen Begründung nicht abgeholfen; auf die Begründung in der Nichtabhilfeentscheidung wird Bezug genommen (Bl. 54/56 eiP).
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Ergänzend wird hinsichtlich der weiteren Einzelheiten auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen und den gesamten Akteninhalt im Übrigen Bezug genommen.
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Die Streitwertbeschwerde ist zulässig und auch überwiegend begründet.
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1. Das Landgericht München I ist gemäß § 72 Abs. 2 GVG zuständiges Beschwerdegericht.
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2. Die Streitwertbeschwerde des Beklagtenvertreters aus eigenem Recht ist zulässig, § 32 Abs. 2 RVG. Insbesondere ist durch die begehrte Erhöhung des Streitwertes von 5.000,00 € auf 231.600,00 € der Beschwerdewert von € 200,00 ohne Weiteres erreicht, § 68 Abs. 1 Satz 1 GKG. Die Streitwertbeschwerde wurde ferner form- und fristgerecht eingelegt, § 68 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 63 Abs. 3 Satz 2 GKG.
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3. Die Streitwertbeschwerde ist auch überwiegend begründet; der Streitwert war heraufzusetzen wie tenoriert.
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a) Der Streitwert war nach der ab dem 01.12.2020 geltenden Rechtslage zu bemessen, da die streitgegenständliche Klage (Klageschrift vom 18.07.2023) nach dem 30.11.2020 eingereicht wurde, vgl. § 40 GKG.
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b) Gemäß § 49 GKG ist der Streitwert in Verfahren bei Beschlussklagen nach § 44 Abs. 1 WEG auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht übersteigen.
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c) Für die Festsetzung des Gebührenstreitwerts gem. §§ 2, 3 ZPO § 49 GKG kommt es maßgeblich darauf an, was Streitgegenstand der gegenständlichen Beschlussanfechtungsklage war.
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Der Begriff der „Abmahnung“ ist dem Wohnungseigentumsgesetz nur im Zusarnmenhant mit dem Verfahren auf Entziehung des Wohnungseigentums gemäß § 17 Abs. 2 WEG bekannt: „Die Voraussetzungen des Absatzes 1 liegen insbesondere vor, wenn der Wohnungseigentümer trotz Abmahnung wiederholt gröblich gegen die ihm nach § 14 Absatz 1 und 2 obliegenden Pflichten verstößt.“
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Ausweislich des Protokolls der Eigentümerversammlung hat der Klägervertreter den nier gegenständlichen Beschlussantrag zu TOP 7 in der Versammlung formuliert („Rechtsanwalt … stellt in Vollmacht für den Eigentümer Herrn … folgenden Antrag zur Beschlussfassung“, Anlage K2). Es ist deshalb davon auszugehen, dass der Beschlussantrag für den Kläger bei anwaltlicher und damit rechtskundiger Vertretung auch in diesem Zusammenhang gestellt werden sollte.
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Diese Auslegung des Beschlussantrags zu TOP 7 sowie auch des Streitgegenstands der darauf gerichteten Anfechtungsklage legt auch das weitere Vorbringen der Klagepartei im erstinstanzlichen Verfahren nahe. Aus der Klageschrift und auch aus der Replik mit weiterem Schriftsatz des Klägervertreters vom 05.12.2023 ergibt sich zwar nicht eindeutig, ob der Kläger mit der Beschlussfassung ein Entziehungsverfahren gem. § 17 WEG anstoßen wollte.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Klägervertreter jedoch erkärt, er „halte jetzt nicht mehr an seinem Sachvortrag fest, dass hier lediglich eine Abmahnung im Sinne von § 17 WEG mit der Verpflichtungsklage auszusprechen sei, sondern er meine, dass es sich hier um eine Beschlussersetzungsklage handelt“.
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Im nach mündlicher Verhandlung eingereichten Schriftsatz wiederum trägt der Klägervertreter vor, dass es richtig sei, „dass ein Abmahnbeschluss anfechtbar ist. In dem Anfechtungsverfahren ist aber nicht zu überprüfen, ob die Abmahngründe vorliegen. Es kann nur überprüft werden, ob die formellen Voraussetzungen der Beschlussfassung eingehalten sind. In Fortführung der vom Kläger zitierten Entscheidung (BGH V ZR 2/11) bleibt die Prüfung der materiellen Richtigkeit der Abmahnung den auf den Entziehungsbeschluss folgenden gerichtlichen Entziehungsprozess vorbehalten (BGH V ZR 339/17).“ Nach alldem ist Streitgegenstand eine Beschlussfassung über eine Abmahnung im Rahmen des Entziehungsverfahrens gem. § 17 Abs. 2 WEG, auch wenn der Beschluss – wie das Amtsgericht geurteilt hat – unbestimmt und der daraufhin gefasste Negativbeschluss deshalb nicht zu beanstanden war.
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d) Zur Frage der Streitwertbemessung kann auch nach Inkrafttreten des WEMoG bei der Anfechtung von Beschlüssen über die Abmahnung als Vorbereitung zur Entziehung die bisherige Rechtsauffassung der Rechtsprechung herangezogen werden.
22
Der Gebührenstreitwert für einen Beschluss über die Einleitung von Zwangsschritten, u.a. einer Abmahnung an den Wohnungseigentümer und die Vorfrage zu späteren Sanktionsmöglichkeiten, richtet sich nach § 49 GKG (s.o.). Für die Beschlussfassung über die Entziehung des Wohnungseigentums wird allgemein eine Streitwertfestsetzung in Höhe von 20 % des Verkehrswerts des Eigentums für angemessen gehalten, da mit dem Entziehungsbeschluss noch keine finale Regelung getroffen ist (BGH NJW 2011, 3026 m.z.w.N. in der Anmerkung; Elzer, StichwortKommentar Wohnungseigentumsrecht, Streitwerte im ABC, Rn. 46, beck-online). Für eine Beschlussfassung betreffend die anwaltliche Abmahnung des Störers als weitere Vorstufe beträgt der Geschäftswert regelmäßig – wie auch der Beschwerdeführer meint – ein Drittel von 20 % des Verkehrswerts der Wohnung (BeckFormB WEG/Müller, Form. L. VIII. Anm. 1-12 Rn. 10, beck-online; vgl. LG Bremen 2.6.1999 – 2 T 294/99b, WuM 1999, 598). Das Beschwerdegericht schätzt lediglich den Verkehrswert der Gewerbeeinheit mangels konkreter Anhaltspunkte für eine Bewertung zurückhaltend mit 10.000,00 € pro m² statt 20.000,00 € pro m². Daraus ergibt sich 1/2 des vom Beschwerdeführers errechneten Streitwerts, mithin insg. 115.800,00 €.
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e) Das Beschwerdegericht verkennt dabei nicht, dass der Streitwert nach allgemeinen Grundsätzen in der Regel nicht zu hoch angesetzt werden soll, damit dem Rechtssuchenden der Zugang zu Gericht nicht unzumutbar erschwert wird (BVerfG, NJW 197, 311; Thomas/Putzo-Hüßtege, ZPO, 44. Aufl., § 3 Rn. 2), und dass eine solche Heraufsetzung des Streitwerts zu höheren Kosten für den Kläger führt. Da Streitgegenstand jedoch nach dem oben dargelegten zweifelsfrei eine Beschlussfassung über die Abmahnung i.R.d. § 17 WEG war und der Gebührenstreitwert auch dementsprechend festgelegt werden musste, war die Streitwertbeschwerde nach alldem im stattgegebenen Umfang erfolgreich.
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1. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht, da es sich um kein kontradiktorisches Verfahren handelt.
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2. Eine Festsetzung des Wertes des Beschwerdeverfahrens war nicht veranlasst, da das Verfahren gebührenfrei ist, § 68 Abs. 3 GKG.
3: Die weitere Beschwerde war nicht zuzulassen, § 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 4 Satz 1 GKG, da die hier entschiedenen Fragen keinerlei grundsätzliche Bedeutung haben. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung.
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4. Gemäß § 63 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 6 Satz 1 GKG war der Einzelrichter zuständig.