Titel:
Keine Nichtigkeitsfeststellung einer Baugenehmigung von 1966
Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4
VwGO § 124a Abs. 4 S. 4
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1, Abs. 2
BayBO Art. 6, Art. 66
Leitsätze:
1. In materieller Hinsicht bedeutet die Zustimmung einen Verzicht auf sämtliche subjektiv-öffentlichen Rechte, die dem Nachbarn aufgrund nachbarschützender Vorschriften gegen das Vorhaben zustehen könnten. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine fehlende Abstandsflächenübernahme des Nachbarn führt nicht zur Nichtigkeit einer Baugenehmigung. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Begehrte Nichtigkeitsfeststellung einer Baugenehmigung von 1966, Balkonanbau, Begehrte Nichtigkeitsfeststellung einer Baugenehmigung von 1966;, Balkonanbau;, Bauaufsichtliches Einschreiten., Umbau, Wohnhaus, Nachbarunterschrift, Rechtsvorgänger, Abstandsfläche, Legalisierungswirkung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 28.03.2023 – W 4 K 20.2211
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26823
Tenor
I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Kläger verfolgen die Nichtigkeitsfeststellung für die dem Rechtsvorgänger des Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 2. Dezember 1966 zum Umbau eines Wohnhauses, Balkonanbau sowie zum Neubau einer Garage; hilfsweise begehren sie die Verpflichtung der Beklagten zu bauaufsichtlichem Einschreiten, wiederum hilfsweise ermessensgerechte Neubescheidung.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, wegen der von der Rechtsvorgängerin der Kläger geleisteten Nachbarunterschrift zum Bauantrag vom 25. November 1966 und zum Tekturplan vom 29. Mai 1967 sowie im Hinblick auf den langen Zeitraum seit Erlass der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 2. Dezember 1966 bzw. der Tekturgenehmigung vom 31. Mai 1967 bestünden bereits große Zweifel an der Zulässigkeit der Klage im Hauptantrag. Der erhebliche Zeitablauf seit Erlass der streitgegenständlichen Baugenehmigung stelle mindestens ein starkes Indiz dar, dass die Klage verwirkt sei. Im Hinblick auf die im Baugenehmigungsverfahren erteilte Nachbarzustimmung habe für den Eigentümer des Grundstücks FlNr. … eine hinreichende Vertrauensgrundlage bestanden, dass Nachbarrechte nicht mehr ausgeübt würden. Die Klage sei jedenfalls unbegründet, da eine ggf. fehlerhafte Prüfung der Einhaltung von Abstandsflächen bzw. eine fehlende Erteilung einer Abweichung im lang zurückliegenden Baugenehmigungsverfahren keinen schwerwiegenden Fehler darstelle. Die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten bzw. auf ermessensfehlerfreie Verbescheidung des Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten sei unbegründet, da ein entsprechender Anspruch der Kläger nicht bestehe. Einem Anspruch der Kläger auf bauaufsichtliches Einschreiten stehe bereits die Legalisierungswirkung der im Hauptantrag streitgegenständlichen, bestandskräftigen Baugenehmigung entgegen. Die nach den Ausführungen der Kläger von der Dachsanierung herrührende Erhöhung des Daches stelle sich als keine Gefährdung und Störung des klägerischen Eigentums von so hoher Intensität und so beachtlichem Gewicht dar, dass sich ein behördliches Einschreiten dagegen als die einzig ermessensfehlerfreie Entscheidung erweisen würde. Vielmehr seien durch die geringfügige Erhöhung keine merklichen Einbußen hinsichtlich Besonnung, Belichtung und Belüftung zu erwarten, zumal beide Häuser in geschlossener Bauweise errichtet seien.
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Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, besondere rechtliche Schwierigkeiten und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Divergenz zu oberverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung geltend (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 4 VwGO).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
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Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
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1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt und liegt auch nicht vor.
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Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 – 2 BvR 1232/20 – NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 15). Bei der Beurteilung ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung abzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, vor allem eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil. Dazu muss der Rechtsmittelführer im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen. Nur mit einer Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens oder der Darstellung der eigenen Rechtsauffassung wird dem Darlegungsgebot nicht genügt (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2021 – 9 ZB 21.2366 – juris Rn. 11 ff.).
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Im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht zwar (berechtigte) Zweifel an der Zulässigkeit der Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bzw. fehlender Klagebefugnis aufgrund der geleisteten Nachbarunterschriften der Rechtsvorgängerin der Kläger auf dem Bauantrag angeführt, entscheidungstragend darauf jedoch nicht abgestellt hat, kommt es auf das Zulassungsvorbringen hierzu nicht an.
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Mit dem weiteren Zulassungsvorbringen, die bloße Unterschrift reiche für eine Zustimmung zur Abstandsflächenübernahme nicht aus, die Kläger könnten als Rechtsnachfolger nicht an die Unterschriftsleistung der Rechtsvorgängerin gebunden sein, das Verwaltungsgericht habe den nachbarschützenden Charakter des Abstandsflächenrechts verkannt und in unzutreffender Weise eine Nichtigkeit der Baugenehmigungen von 1966/67 verneint, wiederholen die Kläger im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und ihre von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts abweichende Rechtsauffassung. Dies genügt nicht dem Darlegungsgebot nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.
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Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich im Übrigen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kläger mangels Vorliegens eines besonders schwerwiegenden, offenkundigen Fehlers i.S.v. Art. 44 Abs. 1, 2 BayVwVfG keinen Anspruch auf die Feststellung der Nichtigkeit des Baugenehmigungsbescheides vom 2. Dezember 1966 selbst unter Beachtung des nachbarschützenden Charakters der Abstandsflächenvorschriften und einer gegebenenfalls fehlerhaften Prüfung dieser bzw. eventuell fehlenden Erteilung einer Abweichung hiervon im lang zurückliegenden Baugenehmigungsverfahren haben. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch der Kläger auf bauaufsichtliches Einschreiten bzw. wiederum hilfsweise auf Neubescheidung hierüber wurde vom Verwaltungsgericht zutreffend mit Verweis auf die Legalisierungswirkung der bestandskräftigen Baugenehmigung vom 2. Dezember 1966 verneint; die durch Aufbringen einer Dämmung bedingte Erhöhung des Daches um 37 cm rechtfertige bauaufsichtliches Einschreiten nicht. Die mit dem Zulassungsvorbringen dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 1 VwGO) geben keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser erstinstanzlichen Einschätzung zu zweifeln. Der erkennende Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen Folgendes zu bemerken:
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Entgegen der klägerischen Auffassung hat die Rechtsvorgängerin der Kläger dem Bauvorhaben von 1966/67 explizit zugestimmt; hieran müssen sich die Kläger als Rechtsnachfolger festhalten lassen. Die Zustimmung des Nachbarn bindet auch seinen Rechtsnachfolger, dieser tritt automatisch in die nachbarrechtliche Stellung seines Rechtsvorgängers ein (vgl. Edenharter in Spannowsky/Manssen, BeckOK BauordnungsR Bayern, Stand: Oktober 2023, BayBO Art. 66 Rn. 17 und 53). In materieller Hinsicht bedeutet die Zustimmung einen Verzicht auf sämtliche subjektiv-öffentlichen Rechte, die dem Nachbarn aufgrund nachbarschützender Vorschriften gegen das Vorhaben zustehen könnten (vgl. Edenharter in Spannowsky/Manssen, a.a.O., Art. 66 Rn. 55, 60). Eine mit Zustimmung des Nachbarn erteilte bestandskräftige Baugenehmigung und eine von der Baugenehmigung gedeckte tatsächliche Ausführung schafft Tatsachen, die unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes (vgl. Art. 14 GG), der Rechtssicherheit und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayBO) – insbesondere nach Jahrzehnten – nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.1993 – 20 B 93.2760 – juris Rn. 15). In der Baugenehmigung wird über die Zulässigkeit einer baulichen Anlage auf dem Baugrundstück, nicht dagegen auch über die Unzulässigkeit einer künftigen baulichen Anlage auf dem Nachbargrundstück (beispielsweise in Folge einer Abstandsflächenübernahme) entschieden. Deshalb kann die Zustimmung des Nachbarn zu einer Baugenehmigung, soweit sie nicht durch weitere im Baugenehmigungsverfahren berücksichtigungsfähige Erklärungen ergänzt wird, grundsätzlich nur als Zustimmung zu dieser Baugenehmigung, nicht aber auch als gleichzeitige Selbstbeschränkung hinsichtlich der Bebauung des Nachbargrundstücks ausgelegt werden (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.1993, a.a.O. Rn. 14). Eine fehlende Abstandsflächenübernahme des Nachbarn führt nicht zur Nichtigkeit einer Baugenehmigung. Selbst wenn der Anbau eines Balkons in einer Breite von 3,4 m und einer Tiefe von 1,5 m nach Art. 6 BayBO 1962 eigene Abstandsflächen ausgelöst haben sollte (fraglich erscheint dies bereits im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Halbs. 2 BayBO und die fehlenden seitlichen Grenzabstände des Reihenhauses, BayVGH, B.v. 3.5.2016 – 1 ZB 13.2641 – juris Rn. 5) und eine Dispensentscheidung erforderlich gewesen wäre, begründet dies – wie das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt hat – jedenfalls keinen schwerwiegenden und offenkundigen Mangel im Sinne von Art. 44 Abs. 1 BayVwVfG.
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Soweit die Kläger im Hinblick auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen die erfolgte Dachsanierung des Beigeladenen anführen, als Folge von abstandsflächenrelevanten Sanierungsarbeiten wäre die Abstandsfläche insgesamt neu zu bewerten gewesen, ist damit eine relevante Verletzung nachbarschützender Vorschriften, die ein bauaufsichtliches Einschreiten rechtfertigen könnte, nicht dargelegt. Das Verwaltungsgericht hat insoweit zutreffend auf die Legalisierungswirkung der Baugenehmigung und die für die Kläger lediglich geringfügige Beeinträchtigung durch die sanierungsbedingte Erhöhung des Daches verwiesen.
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
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Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich, soweit sie überhaupt entscheidungserheblich sind, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht; die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 9 ZB 18.1493 – juris Rn. 26).
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3. Die Rechtssache hat auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
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Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer fristgerecht (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2024 – 9 ZB 21.2531 – juris Rn. 25 m.w.N.).
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Die Kläger halten folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
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„Wie sind die beiden Auffassungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in Einklang zu bringen, wenn dieser zum einen konkrete, sich nicht aus dem Gesetz ergebende zusätzliche Vorgaben für ein bauaufsichtliches Einschreiten formuliert und zugleich seitens des gemeinsamen Senats postuliert wird, dass es keiner tatsächlichen Beeinträchtigung des Nachbarn bedarf und bereits daraus ein Einschreiten im Fall der Verletzung abstandsflächenrechtlicher Vorgaben abgeleitet werden kann.“
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„Begründet die Regelung wonach die Zustimmung der Nachbarn zur Übernahme von Abstandsflächen auch für und gegen ihre Rechtsnachfolger gilt und die erst seit der Bayerischen Bauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 4.8.1997 (GVBl 1997, S. 433) die zuletzt am 10.3.2006 geändert wurde (GVBl 2006, S. 120) gesetzlich normiert ist auch Anwendung auf Baugenehmigungen aus dem Jahr 1966 und 1976.“
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„Reicht die bloße Unterschrift auf den Bauvorlagen mit Blick auf Art. 66 Abs. 1 BayBO für eine generelle Zustimmung bzw. eine Zustimmung zur Abstandsflächenübernahme im Sinne des Art. 6 Abs. 2 BayBO aus, obwohl in beiden Fällen es der gesonderten schriftlichen Zustimmung, Art. 6 Abs. 2 Satz 3, Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO bedarf.“
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„Unterfallen im Rahmen des Bestandsschutzes bauliche Veränderungen der Verwirkung, wenn durch sie ein baurechtswidriger Zustand, der aufgrund von Verwirkung bestandskräftig bzw. als legal bezeichnet werden kann, sich durch die baulichen Veränderungen manifestiert bzw. verschärft.“
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„Muss ein Nachbar Änderungen eines bestandskräftigen grundsätzlich baurechtswidrigen Baubestands, wodurch dieser verschärft wird, stets unbegrenzt hinzunehmen.“
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Für die von den Klägern als rechtsgrundsätzlich gestellten Fragen ist weder dargelegt, inwiefern diese für den Rechtsstreit entscheidungserheblich sein sollen, noch ist die Klärungsbedürftigkeit der Fragestellungen dargelegt. Soweit sie entscheidungserheblich sind, wird auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts und die Gründe in Nr. 1 dieses Beschlusses verwiesen. Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit diese Fragen im Hinblick auf das Fehlen eines Nichtigkeitsgrundes und eines Anspruches auf bauaufsichtliches Einschreiten mangels einer erheblichen Beeinträchtigung der Kläger losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu klären sein sollten.
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4. Die Berufung ist auch nicht wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen.
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Eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Zur Darlegung einer Divergenz in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21.16 – juris Rn. 5).
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Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, das keine sich widersprechenden, entscheidungserheblichen Rechtssätze gegenüberstellt, nicht gerecht. Soweit die Kläger auf die Entscheidung des Großen Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 17.4.2000 – GrS 1/1999 – juris) verweisen, betrifft diese Entscheidung weder die Nichtigkeitsfeststellung einer bestandskräftigen Baugenehmigung noch den Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, sondern ist im Rahmen einer Nachbarklage gegen die Erteilung einer Baugenehmigung zur Frage der Kombination des sog. Schmalseitenprivilegs mit weiterer Erteilung einer Abweichung von Abstandsflächen ergangen. Eine Entscheidungserheblichkeit der angeführten Entscheidung ist nicht ersichtlich.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert. Es entspricht deshalb der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).