Inhalt

VGH München, Beschluss v. 04.10.2024 – 9 ZB 23.1102
Titel:

Erfolglose Berufungszulassung: Baurechtliche Zustimmung des Nachbarn bindet auch dessen Rechtsnachfolger

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Nr. 3, Nr. 4, § 124a Abs. 4 S. 4
BayVwVfG Art. 44 Abs. 1, Abs. 2
BayBO Art. 6, Art. 66
Leitsatz:
Hat die Rechtsvorgängerin dem Bauvorhaben (vorliegend: von 1976) explizit zugestimmt, müssen sich die Kläger als Rechtsnachfolger hieran festhalten lassen. Die Zustimmung des Nachbarn bindet auch seinen Rechtsnachfolger; dieser tritt automatisch in die nachbarrechtliche Stellung seines Rechtsvorgängers ein. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Begehrte Nichtigkeitsfeststellung einer Baugenehmigung von 1976 zur Errichtung eines Wohnhausanbaus sowie einer Terrasse, Bauaufsichtliches Einschreiten, begehrte Nichtigkeitsfeststellung einer Baugenehmigung von 1976 zur Errichtung eines Wohnhausanbaus sowie einer Terrasse, bauaufsichtliches Einschreiten, Baurecht, Nachbar, Rechtsnachfolger, Zustimmung, Nachbarklage, Bindung
Vorinstanz:
VG Würzburg, Urteil vom 28.03.2023 – W 4 K 20.2213
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26822

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Zulassungsverfahrens als Gesamtschuldner. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 7.500,- Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Kläger verfolgen die Nichtigkeitsfeststellung für die der Rechtsvorgängerin des Beigeladenen erteilte Baugenehmigung vom 29. Juli 1976 zur Errichtung eines Wohnhausanbaus sowie einer Terrasse; hilfsweise begehren sie die Verpflichtung der Beklagten zu bauaufsichtlichem Einschreiten, wiederum hilfsweise ermessensgerechte Neubescheidung.
2
Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit der Begründung abgewiesen, wegen der von der Rechtsvorgängerin der Kläger geleisteten Nachbarunterschrift zum Bauantrag vom 14. Juli 1976, die ausdrückliche Einverständniserklärung der Rechtsvorgängerin vom 14. Februar 1976 sowie im Hinblick auf den langen Zeitraum seit Erlass der streitgegenständlichen Baugenehmigung vom 29. Juli 1976 bestünden bereits große Zweifel an der Zulässigkeit der Klage im Hauptantrag hinsichtlich des Vorliegens der Klagebefugnis bzw. eines Rechtsschutzbedürfnisses der Kläger. Der erhebliche Zeitablauf seit Erlass der streitgegenständlichen Baugenehmigung stelle mindestens ein starkes Indiz dar, dass die Klage verwirkt sei. Seit Erlass der Baugenehmigung vom 29. Juli 1976 bis zur Klageerhebung seien rund 44 Jahre vergangen, auch seit dem Erwerb des Grundstücks FlNr. … durch die Kläger im Jahr 1998 seien bis zur Klageerhebung viele Jahre verstrichen. Angesichts des Verstreichens derart langer Zeiträume habe der Eigentümer des Nachbargrundstücks FlNr. … ohne Weiteres auf den Bestand der streitgegenständlichen Baugenehmigung vertrauen dürfen. Im Hinblick auf die im Baugenehmigungsverfahren erteilte Nachbarzustimmung habe für den Eigentümer des Grundstücks FlNr. … eine hinreichende Vertrauensgrundlage bestanden, dass Nachbarrechte nicht mehr ausgeübt würden. Die Klage sei jedenfalls unbegründet, da die Voraussetzungen nach Art. 44 Abs. 1, 2 BayVwVfG nicht vorlägen. Das von den Klägern als verletzt geltend gemachte Abstandsflächenrecht gem. Art. 6 BayBO sei zwar grundsätzlich nachbarschützend, jedoch liege kein besonders schwerwiegender und offenkundiger Fehler vor. Die angeblich fehlerhafte Prüfung der Einhaltung von Abstandsflächen im lang zurückliegenden Baugenehmigungsverfahren stelle keinen schwerwiegenden Fehler dar. In Bezug auf die Baugenehmigung vom 29. Juli 1976 habe die Beklagte in Ziffer 18 des Bescheids ausdrücklich festgestellt, dass die Abstandsfläche zum heute klägerischen Anwesen geringfügig unterschritten werde. Aufgrund der Zustimmung der damaligen Eigentümerin des klägerischen Grundstücks habe die Beklagte eine entsprechende „Befreiung“ erteilt. Es sei daher sehr fraglich, ob in Bezug auf das Abstandsflächenrecht überhaupt ein Fehler der Beklagten vorliege. Von einem „auf die Stirn geschrieben sein“ eines Fehlers könne jedenfalls keine Rede sein.
3
Die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Klage auf bauaufsichtliches Einschreiten bzw. auf ermessensfehlerfreie Verbescheidung des Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten sei unbegründet, da ein entsprechender Anspruch der Kläger nicht bestehe. Einem Anspruch der Kläger auf bauaufsichtliches Einschreiten stehe bereits die Legalisierungswirkung der im Hauptantrag streitgegenständlichen, bestandskräftigen Baugenehmigung entgegen. Eine Ermessensreduzierung auf Null hinsichtlich des geltend gemachten Anspruchs auf bauaufsichtliches Einschreiten in Bezug auf das Terrassengeländer der grenznahen Terrasse sei schon wegen Verwirkung der Abwehrrechte der Kläger nicht anzunehmen. Zwar sei das Terrassengeländer planabweichend und entgegen dem expliziten Einverständnis der Rechtsvorgängerin der Kläger nur für eine lichtdurchlässige Ausführung errichtet worden, jedoch sei die Rechtsvorgängerin der Kläger hiergegen nicht vorgegangen. Gegen die Ausführung des Terrassengeländers hätten die Kläger erstmals mit Schreiben vom 27. März 2017 gegenüber der Beklagten Einwände erhoben. Damit hätten die Kläger bzw. ihre Rechtsvorgängerin die Terrassenumwehrung über einen sehr langen Zeitraum in einer Weise hingenommen, dass schon infolge des Zeitablaufs ein schutzwürdiger Vertrauenstatbestand zu Gunsten des Beigeladenen begründet worden sei. Im Übrigen sei in Bezug auf die Ausführung der Terrassenumwehrung eine erhebliche Beeinträchtigung der Kläger nicht ersichtlich.
4
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter. Sie machen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung, besondere rechtliche Schwierigkeiten und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache sowie eine Divergenz zu oberverwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung geltend (§ 124 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 3 und 4 VwGO).
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
6
Der zulässige Antrag bleibt ohne Erfolg.
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1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist schon nicht in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO entsprechenden Weise dargelegt und liegt auch nicht vor.
8
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils i.S.v. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO bestehen nur, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 – 2 BvR 1232/20 – NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23 m.w.N.; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 15). Bei der Beurteilung ist nicht auf einzelne Elemente der Urteilsbegründung, sondern auf das Ergebnis der Entscheidung abzustellen (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Das Darlegungsgebot des § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO erfordert eine substantielle Erörterung des in Anspruch genommenen Zulassungsgrundes sowie eine erkennbare Sichtung und rechtliche Durchdringung des Streitstoffs, vor allem eine substantielle Auseinandersetzung mit dem angefochtenen Urteil. Dazu muss der Rechtsmittelführer im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen die Annahmen des Verwaltungsgerichts ernstlichen Zweifeln begegnen. Nur mit einer Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens oder der Darstellung der eigenen Rechtsauffassung wird dem Darlegungsgebot nicht genügt (vgl. BayVGH, B.v. 30.11.2021 – 9 ZB 21.2366 – juris Rn. 11 ff.).
9
Im Hinblick darauf, dass das Verwaltungsgericht zwar (berechtigte) Zweifel an der Zulässigkeit der Klage wegen fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses bzw. fehlender Klagebefugnis aufgrund der geleisteten Nachbarunterschriften der Rechtsvorgängerin der Kläger auf dem Bauantrag angeführt, entscheidungstragend darauf jedoch nicht abgestellt hat, kommt es auf das Zulassungsvorbringen hierzu nicht an.
10
Mit dem weiteren Zulassungsvorbringen, die bloße Unterschrift reiche für eine Zustimmung zur Abstandsflächenübernahme nicht aus, die Kläger könnten als Rechtsnachfolger nicht an die Unterschriftsleistung der Rechtsvorgängerin gebunden sein, das Verwaltungsgericht habe den nachbarschützenden Charakter des Abstandsflächenrechts verkannt und in unzutreffender Weise eine Nichtigkeit der Baugenehmigung von 1976 verneint, wiederholen die Kläger im Wesentlichen ihr erstinstanzliches Vorbringen und ihre von den Feststellungen des Verwaltungsgerichts abweichende Rechtsauffassung. Dies genügt nicht dem Darlegungsgebot nach § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO.
11
Aus dem Zulassungsvorbringen ergeben sich im Übrigen auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des verwaltungsgerichtlichen Urteils. In rechtlich nicht zu beanstandender Weise ist das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis gekommen, dass die Kläger mangels Vorliegens eines besonders schwerwiegenden, offenkundigen Fehlers im Sinne von Art. 44 Abs. 1, 2 BayVwVfG keinen Anspruch auf die Feststellung der Nichtigkeit des Baugenehmigungsbescheides vom 29. Juli 1976 selbst unter Beachtung des nachbarschützenden Charakters der Abstandsflächenvorschriften und einer gegebenenfalls fehlerhaften Prüfung dieser bzw. eventuell fehlerhaften Erteilung einer Abweichung hiervon im lang zurückliegenden Baugenehmigungsverfahren haben. Ein hilfsweise geltend gemachter Anspruch der Kläger auf bauaufsichtliches Einschreiten bzw. wiederum hilfsweise auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung wurde vom Verwaltungsgericht zutreffend mit dem Verweis auf die Legalisierungswirkung der bestandskräftigen Baugenehmigung, die Verwirkung der Abwehrrechte aufgrund jahrzehntelang fehlender Beanstandung und einer fehlenden Beeinträchtigung der Kläger verneint.
12
Die mit dem Zulassungsvorbringen dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Senat beschränkt ist (vgl. § 124a Abs. 5 Satz 1 VwGO), geben keinen Anlass, an der Richtigkeit dieser erstinstanzlichen Einschätzung zu zweifeln. Der erkennende Senat nimmt deshalb zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst gem. § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Gründe des angefochtenen Urteils. Lediglich ergänzend ist im Hinblick auf das Zulassungsvorbringen Folgendes zu bemerken:
13
Entgegen der klägerischen Auffassung hat die Rechtsvorgängerin der Kläger dem Bauvorhaben von 1976 explizit zugestimmt; hieran müssen sich die Kläger als Rechtsnachfolger festhalten lassen. Die Zustimmung des Nachbarn bindet auch seinen Rechtsnachfolger, dieser tritt automatisch in die nachbarrechtliche Stellung seines Rechtsvorgängers ein (vgl. Edenharter in Spannowsky/Manssen, BeckOK BauordnungsR Bayern, Stand: Oktober 2023, BayBO Art. 66 Rn. 17 und 53). Es handelt sich um eine grundstücksbezogene und damit dinglich wirkende Nachbareinverständniserklärung (vgl. VGH BW, B.v. 22.12.1989 – 8 S 2755/89 – juris Rn. 4). In materieller Hinsicht bedeutet die Zustimmung einen Verzicht auf sämtliche subjektiv-öffentlichen Rechte, die dem Nachbarn aufgrund nachbarschützender Vorschriften gegen das Vorhaben zustehen könnten (vgl. Edenharter in Spannowsky/Manssen, a.a.O., Art. 66 Rn. 55, 60).
14
Eine mit Zustimmung des Nachbarn erteilte bestandskräftige Baugenehmigung und eine von der Baugenehmigung gedeckte tatsächliche Ausführung schafft Tatsachen, die unter dem Gesichtspunkt des Eigentumsschutzes (vgl. Art. 14 GG), der Rechtssicherheit und der öffentlichen Sicherheit und Ordnung (vgl. Art. 3 Abs. 1 Satz 1 BayBO) – insbesondere nach Jahrzehnten – nicht unberücksichtigt bleiben dürfen (vgl. BayVGH, B.v. 14.12.1993 – 20 B 93.2760 – juris Rn. 15). Dass die Terrassenumwehrung entgegen dem Einverständnis der Rechtsvorgängerin der Kläger nicht lichtdurchlässig ausgeführt wurde, lässt die Rechtswirksamkeit der erteilten Baugenehmigung unberührt. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass der Beigeladene aufgrund der Jahrzehnte lang nicht erfolgten Beanstandung seitens der Kläger und ihrer Rechtsvorgängerin darauf vertrauen durfte, dass hiergegen nicht mehr vorgegangen wird.
15
Soweit die Kläger die Verkennung der Reichweite der Verwirkung nachbarlicher Abwehrrechte durch das Verwaltungsgericht rügen und eine „Verschärfung“ der mangels Berücksichtigung von Abstandsflächen rechtswidrigen Baugenehmigung durch Anbringung eines 0,95 m hohen Sichtschutzes über dem Terrassengeländer seitens des Beigeladenen geltend machen, ergibt sich hieraus kein Nichtigkeitsgrund für die Baugenehmigung von 1976. Sofern die angebrachte Sichtschutzplane überhaupt gebäudeähnliche Wirkung hat und damit weitergehende Abstandsflächen auslösen sollte, hat der Kläger keinen Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung; vielmehr hat das Landratsamt mangels einer erheblichen Beeinträchtigung in den Belangen Belichtung und Belüftung ein bauaufsichtliches Einschreiten in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt.
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO).
17
Die im Zulassungsantrag aufgeworfenen Fragen lassen sich, soweit sie überhaupt entscheidungserheblich sind, ohne weiteres und mit zweifelsfreiem Ergebnis im Zulassungsverfahren klären. Besondere Schwierigkeiten im Sinne offener Erfolgsaussichten eines Berufungsverfahrens ergeben sich aus dem Zulassungsvorbringen nicht; die unterschiedliche Bewertung des vorliegenden Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht und die Kläger genügt hierfür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 28.4.2020 – 9 ZB 18.1493 – juris Rn. 26).
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3. Die Rechtssache hat auch nicht die geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).
19
Der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung erfordert, dass eine Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich, bislang höchstrichterlich oder obergerichtlich nicht geklärt und über den zu entscheidenden Einzelfall hinaus bedeutsam ist; die Frage muss ferner im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder der Fortentwicklung des Rechts einer berufungsgerichtlichen Klärung zugänglich sein und dieser Klärung auch bedürfen (stRspr, vgl. BVerwG, B.v. 22.1.2019 – 5 B 1.19 D – juris Rn. 2 m.w.N.; B.v. 25.8.2015 – 1 B 40.15 – BayVBl 2016, 104 Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, B.v. 4.6.2018 – 14 ZB 17.390 – juris Rn. 14 m.w.N.). Um den auf grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer fristgerecht (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 20.3.2024 – 9 ZB 21.2531 – juris Rn. 25 m.w.N.).
20
Die Kläger halten folgende Fragen für grundsätzlich klärungsbedürftig:
21
„Wie sind die beiden Auffassungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs in Einklang zu bringen, wenn dieser zum einen konkrete, sich nicht aus dem Gesetz ergebende zusätzliche Vorgaben für ein bauaufsichtliches Einschreiten formuliert und zugleich seitens des gemeinsamen Senats postuliert wird, dass es keiner tatsächlichen Beeinträchtigung des Nachbarn bedarf und bereits daraus ein Einschreiten im Fall der Verletzung abstandsflächenrechtlicher Vorgaben abgeleitet werden kann.“
22
„Begründet die Regelung wonach die Zustimmung der Nachbarn zur Übernahme von Abstandsflächen auch für und gegen ihre Rechtsnachfolger gilt und die erst seit der Bayerischen Bauordnung in der Fassung der Bekanntmachung vom 4.8.1997 (GVBl 1997, S. 433) die zuletzt am 10.3.2006 geändert wurde (GVBl 2006, S. 120) gesetzlich normiert ist auch Anwendung auf Baugenehmigungen aus dem Jahr 1966 und 1976.“
23
„Reicht die bloße Unterschrift auf den Bauvorlagen mit Blick auf Art. 66 Abs. 1 BayBO für eine generelle Zustimmung bzw. eine Zustimmung zur Abstandsflächenübernahme im Sinne des Art. 6 Abs. 2 BayBO aus, obwohl in beiden Fällen es der gesonderten schriftlichen Zustimmung, Art. 6 Abs. 2 Satz 3, Art. 66 Abs. 1 Satz 2 BayBO bedarf.“
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„Unterfallen im Rahmen des Bestandsschutzes bauliche Veränderungen der Verwirkung, wenn durch sie ein baurechtswidriger Zustand, der aufgrund von Verwirkung bestandskräftig bzw. als legal bezeichnet werden kann, sich durch die baulichen Veränderungen manifestiert bzw. verschärft.“
25
„Muss ein Nachbar Änderungen eines bestandskräftigen grundsätzlich baurechtswidriger des Baubestandes, wodurch dieser verschärft wird, stets unbegrenzt hinzunehmen.“
26
Für die von den Klägern als rechtsgrundsätzlich gestellten Fragen ist weder dargelegt, inwiefern diese für den Rechtsstreit entscheidungserheblich sein sollen, noch ist die Klärungsbedürftigkeit der Fragestellungen dargelegt. Soweit sie entscheidungserheblich sind, wird auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Verwaltungsgerichts und die Gründe in Nr. 1 dieses Beschlusses verwiesen. Es ist auch nicht ersichtlich, inwieweit im Hinblick auf das Fehlen eines Nichtigkeitsgrundes und eines Anspruches auf bauaufsichtliches Einschreiten diese Fragen mangels einer erheblichen Beeinträchtigung der Kläger losgelöst von den konkreten Umständen des Einzelfalls zu klären sein sollten.
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4. Die Berufung ist auch nicht wegen Divergenz (§ 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) zuzulassen.
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Eine Zulassung nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO setzt voraus, dass das angefochtene Urteil mit einem seine Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz von einem ebensolchen Rechtssatz eines in der Vorschrift genannten Gerichts abweicht. Zur Darlegung einer Divergenz in einer den Anforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO genügenden Weise muss ein abstrakter Rechtssatz des angefochtenen Urteils herausgearbeitet und einem Rechtssatz des anderen Gerichts unter Darlegung der Abweichung gegenübergestellt werden (vgl. BVerwG, B.v. 5.7.2016 – 4 B 21.16 – juris Rn. 5).
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Diesen Anforderungen wird das Zulassungsvorbringen, das keine sich widersprechenden, entscheidungserheblichen Rechtssätze gegenüberstellt, nicht gerecht. Soweit die Kläger auf die Entscheidung des Großen Senats des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (B.v. 17.4.2000 – GrS 1/1999 – juris) verweisen, betrifft diese Entscheidung weder die Nichtigkeitsfeststellung einer bestandskräftigen Baugenehmigung noch den Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, sondern ist im Rahmen einer Nachbarklage gegen die Erteilung einer Baugenehmigung zur Frage der Kombination des sog. Schmalseitenprivilegs mit weiterer Erteilung einer Abweichung von Abstandsflächen ergangen. Eine Entscheidungserheblichkeit der angeführten Entscheidung ist nicht ersichtlich.
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5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Beigeladene hat sich im Zulassungsverfahren nicht geäußert. Es entspricht deshalb der Billigkeit, dass er seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt (§ 162 Abs. 3 VwGO). Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 9.7.1 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit der Ablehnung des Antrags auf Zulassung der Berufung wird das angefochtene Urteil rechtskräftig (§ 124 a Abs. 5 Satz 4 VwGO).