Titel:
Normenkontrolle einer Nachbargemeinde gegen Bebauungsplan
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
BauGB § 1 Abs. 3, § 1 Abs. 7, § 2 Abs. 2, § 2 Abs. 3, § 38, § 214, § 215
BauNVO § 11
BImSchG § 50
Leitsätze:
1. Die Regelung in § 2 Abs. 2 BauGB verlangt einen Interessenausgleich zwischen der planenden Gemeinde und der von dieser Planung möglicherweise betroffenen Nachbargemeinde und fordert eine Koordination der gemeindlichen Belange. (Rn. 47) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Sondergebiet Hafen mit der Zweckbestimmung "hafenaffines Gewerbe", das nach den textlichen Festsetzungen als "hafengebundene Gewerbebetriebe zur Verarbeitung, Produktion und zum Umschlag von Gütern" definiert ist, weist einen hinreichend engen Zusammenhang zu einem Hafengebiet iSd § 11 Abs. 2 S. 2 BauNVO auf. (Rn. 73) (redaktioneller Leitsatz)
3. Die Planung eines sonstigen Sondergebiets iSv § 11 BauNVO für eine nach seiner Art nahezu unbeschränkte industrielle/gewerbliche Nutzung in unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohnnutzungen stellt auch in Anbetracht bereits etwaig bestehender Vorbelastungen gesteigerte Anforderungen an die Abwägung der widerstreitenden Belange. (Rn. 82) (redaktioneller Leitsatz)
4. Ein Ermittlungsdefizit liegt vor, wenn abwägungserhebliche Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt worden sind, der Gemeinderat mithin bei der Abwägungsentscheidung einen falschen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat. (Rn. 96) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolle einer Nachbargemeinde gegen Bebauungsplan, Antragsbefugnis, Interkommunales Abstimmungsgebot, Ausweisung Sondergebiet „Hafen“ unter Zulassung „hafentypischer“ industrieller/gewerblicher Nutzungen gegenüber von Wohnnutzungen der Nachbargemeinde, Trennungsgebot, Emissionskontingentierung, Ermittlungs- und Bewertungsdefizit, Abwägungsmängel.
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26821
Tenor
I. Der Bebauungsplan „Kai 6 / Westlich L. straße“ vom 8. Oktober 2021, bekanntgemacht am 11. Februar 2022, ist unwirksam.
II. Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Die Antragstellerin wendet sich als Nachbargemeinde gegen den am 11. Februar 2022 bekanntgemachten Bebauungsplan „Kai 6 / Westlich L. straße“ des Antragsgegners.
2
Das ca. 11,26 ha große Plangebiet liegt im südöstlichen Bereich des Antragsgegners und steht vollumfänglich im Eigentum der Planbegünstigten (...), die auf dem westlich angrenzenden Gebiet der Stadt A. gewerbliche/industrielle Hafenflächen betreibt. Die derzeitigen Nutzungen sind im westlichen Bereich des Plangebiets eine durch die ortsansässige Papier- und Zellstofffabrik genutzte Lagerfläche (Lagerung von Kohle zum Umschlag), östlich daran anschließend eine in den1990-er Jahren für eine Bebauung vorbereitete Fläche und im östlichen Bereich des Plangebiets das Betriebsgelände eines logistischen Dienstleistungsgewerbes. Am unmittelbar nördlich angrenzenden Main befinden sich eine ehemalige Staustufe (Schleusentor nicht mehr vorhanden) sowie die Umschlagstelle Kai 6 der Planbegünstigten. Die Kaimauer ist mittels einer Spundwand gesichert.
3
Der Bebauungsplan setzt als Art der baulichen Nutzung ein Sondergebiet (SOH) mit der Zweckbestimmung Hafengebiet gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO fest (GRZ 0,8, BMZ 10); es wird eine zeichnerische Gliederung in drei Teilbaugebiete (SOH1: 23.250 m2, SOH2: 34.000 m2, SOH3: 17.250 m2) mit jeweiliger Festlegung von Emissionskontingenten und Richtungssektoren vorgenommen. Das Sondergebiet (SOH) soll ausschließlich der Unterbringung von Anlagen und Einrichtungen im funktionellen Zusammenhang des gewerblichen/industriellen Hafenbetriebs sowie der Unterbringung der für den bestimmungsgemäßen Betrieb erforderlichen Folgenutzungen dienen (Nr. 1.1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen). Nach Nr. 1.2 Satz der textlichen Festsetzungen umfasst die Hafentypik im Sinne des Bebauungsplans sowohl einen spezifischen Bezug der gewerblichen/industriellen Nutzungen zum Hafen und zur Wasser straße, als auch eine wertschöpferische Verknüpfung mit den aufgrund ihres spezifischen Bezugs zum Hafen und zur Wasser straße insoweit im zeichnerisch festgesetzten Sondergebiet (SOH) zulässigen gewerblichen/industriellen Nutzungen. Die Festsetzung des Sondergebiets soll ausweislich der Begründung eine weitergehende und zukunftsoffene Ansiedlung von Gewerbebetrieben ermöglichen, die gerade auf eine hafentypische Infrastruktur angewiesen sind. Dadurch solle der trimodale Warenumschlag gesichert und ausgebaut werden und neben einem ökologischen und zukunftsfähigen Verkehrskonzept auch der Erhalt und die Schaffung von Arbeitsplätzen in der Region unterstützt werden. Das Erfordernis der Bauleitplanung bestehe hinsichtlich der bauplanungsrechtlichen Sicherung der bestehenden Hafenanlagen, die auf Basis der erfolgten Planfeststellungen in den Jahren 1970 und 1992 entstanden seien. Es handle sich bei der vorliegenden Bauleitplanung aufgrund der bereits erfolgten Planfeststellungen um eine planungsrechtliche „Abrundung“, in dessen Rahmen die zulässige Art und das zulässige Maß für künftige Entwicklungen verbindlich geregelt werden sollen, um städtebauliche Fehlentwicklungen vorzubeugen. Für die Weiterentwicklung und die dauerhafte Sicherung von Nutzungen im Plangebiet – entsprechend des Grundsatzes des Regionalplans, den Hafenstandort in A. und die Umschlagstelle … zu einem modernen Güterverkehrszentrum auszubauen, und den Festsetzungen des Flächennutzungsplans als Sondergebiet Hafen – solle Planungsrecht geschaffen werden (vgl. Begründung S. 31).
4
Das Planaufstellungsverfahren erfolgte als sog. „Angebotsplanung“, d.h. es soll im Plangebiet eine Bebauung und Nutzungsmöglichkeit eröffnet werden, ohne dass insoweit eine Durchführungsverpflichtung besteht. Hierzu wurden zwischen der Antragsgegnerin und der Planbegünstigten am 10./20. Oktober 2019 ein städtebaulicher Vertrag geschlossen (Blatt 22 ff. der Verfahrensakte – VA). Der Antragsgegner schloss am 20./24. September 2021 mit der Planbegünstigten einen Vertrag über die Sicherstellung der Erschließung (Blatt 555 ff. der VA). Parallel wurde mit gleichem Datum ein Vertrag über die Sicherstellung landschaftspflegerischer Maßnahmen geschlossen (Blatt 559 ff. der VA). Den Verträgen hatte der Marktgemeinderat des Antragsgegners zuvor in seiner Sitzung vom 15. September 2021 zugestimmt (Blatt 562 ff. der VA).
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Die Antragstellerin wurde im Rahmen eines Scoping-Termins, der am 9. Oktober 2019 stattfand, beteiligt und verwies in einer nachfolgenden Stellungnahme auf die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die geplante Gebäudehöhe und die bestehende hohe Immissionsvorbelastung ihrer mainseitigen Wohnbebauung mit Rauch, Staub und Lärm (Blatt 81 f. der VA). Im Ergebnisprotokoll des Scoping-Termins wird hierzu festgestellt, dass diese nachträglichen Forderungen der Antragstellerin im Hinblick auf die Luftschadstoffproblematik im Widerspruch zu den im Scoping-Termin mit dem Landratsamt A. getroffenen Vereinbarungen stehe (vgl. Ergebnisprotokoll v. 22.10.2019, VA Seite 63 ff., Seite 4, 5. Abs.). Im Rahmen der frühzeitigen Behördenbeteiligung und der Behördenbeteiligung wies die Antragstellerin u.a. auf ihre unmittelbar dem Plangebiet gegenüberliegende (Wohn-) Bebauung hin, die sich zu einem faktischen Wohngebiet entwickelt habe (vgl. Anlage B S. 29, Anlage D S. 6).
6
Der Bebauungsplan „Kai 6 /Westlich L. straße“ in der Fassung vom 23. August 2021 wurde am 23. September 2021 vom Marktgemeinderat als Satzung beschlossen, am 8. Oktober 2021 ausgefertigt und am 11. Februar 2022 ortsüblich bekanntgemacht.
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Die Antragstellerin hat am 1. März 2022 einen Normenkontrollantrag gestellt. Sie macht geltend, in ihrem Recht auf gemeindliche Abstimmung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BauGB sowie in ihrem Recht auf Abwägung ihrer Belange in beachtlicher Weise verletzt zu sein. Sie werde zum einen durch eine nicht ausreichende interkommunale Beteiligung nach § 2 Abs. 2 BauGB, zum anderen auch durch die Nichtberücksichtigung sowie Störung des von der Antragstellerin mit Beschluss vom 26. Januar 2021 eingeleiteten städtebaulichen Entwicklungskonzepts mit Schwerpunkt auf der Altortentwicklung sowie des ggf. sich darauf aufbauenden städtebaulichen Sanierungsverfahrens in ihrer eigenen kommunalen Planungshoheit beeinträchtigt. Diese städtebauliche Maßnahme sei vor der Abwägung und dem Satzungsbeschluss der Antragsgegnerin bereits eingeleitet gewesen und habe sich nach Beauftragung eines Planungsbüros am 30. August 2021 und der am 14. Dezember 2021 beschlossenen Durchführung der vorbereitenden Untersuchungen nach § 141 BauGB bereits in einem hinreichend verfestigten Zustand befunden. Die Antragstellerin strebe die förmliche Festlegung eines Sanierungsgebiets im Altort an, um eine geordnete städtebauliche Entwicklung des Innenbereichs des Ortsteils zu unterstützen („Altortentwicklung“). Die Antragstellerin werde durch Maßnahmen betroffen, die das Ortsbild entscheidend prägten und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirkten. Dies sei vor allem auch durch die Lärmimmissionen sowie durch Geruchsimmissionen der Fall.
8
Darüber hinaus wirke der angegriffene Bebauungsplan auf das im Eigentum der Antragstellerin stehende Wohnanwesen in der S. straße 2 im Altort der Antragstellerin durch Lärm- und Schadstoffimmissionen in abwägungserheblicher Weise ein. Es hätten die Immissionswerte für Allgemeine Wohngebiete angenommen werden müssen. Obwohl der Antragsgegner die Einstufung als Allgemeines Wohngebiet durchaus für möglich halte (S. 13 f. der Begründung des Bebauungsplans), seien die Werte eines Mischgebiets zugrunde gelegt worden. Es komme daher zu einer mehr als geringfügigen Betroffenheit, die für die planende Stelle bei der Entscheidung als abwägungsrelevant erkennbar gewesen sei. Auch in Bezug auf den im Eigentum der Antragstellerin stehenden Festplatz am Main, der für vielfältige Veranstaltungen im gesellschaftlichen und kulturellen Bereich genutzt werde und 200 m vom Plangebiet entfernt sei, liege eine Rechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin durch den angegriffenen Bebauungsplan vor. Die Attraktivität des Festplatzes ergebe sich aus seiner Lage am Fluss sowie einer in Blickrichtung Südwesten relativ unverbauten Landschaft einschließlich der begrünten Schleuseninsel. Es seien schädliche Einwirkungen auf die gemeindliche Einrichtung „Festplatz“ zu erwarten. Darüber hinaus komme es auch zu Immissionen durch Gerüche sowie Luftschadstoffe, welche nicht ausreichend untersucht worden seien.
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Die Antragstellerin rügt eine Verletzung des interkommunalen Abstimmungsgebot nach § 2 Abs. 2 BauGB, da die Planung gegenüber der Nachbargemeinde unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art entfalte und damit ein qualifizierter Abstimmungsbedarf entstehe. In diesen Fällen müssten die Auswirkungen auf die Nachbargemeinde in hinreichender Weise ermittelt werden und es genüge nicht, der Nachbargemeinde lediglich die Möglichkeit der Stellungnahme nach § 4 Abs. 1 oder Abs. 2 BauGB einzuräumen.
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Der Bebauungsplan beachte nicht das Entwicklungsgebot des § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB, weil er inhaltlich nicht den Darstellungen des unverändert gebliebenen Flächennutzungsplans entspreche und sich nicht aus diesem entwickle. Im geltenden Flächennutzungsplan werde das Plangebiet als „Sondergebiet Hafen“ dargestellt. Tatsächlich finde sich neben dem Kai am Main im Wesentlichen ein Umschlagplatz für Güter im Bereich SOH1. Eine qualifizierte Bebauung finde sich allein im Bereich SOH3. Eine „Sonderbaufläche Hafen“ erlaube daher im Rahmen des Entwicklungsgebotes für einen nachfolgenden Bebauungsplan lediglich eine Konkretisierung dieser Art der Nutzung in dem vorgegebenen Rahmen. Werde hingegen dieser Rahmen gesprengt, werde das Grundkonzept des Flächennutzungsplans in erheblicher Weise verlassen. Das Sondergebiet Hafen müsse sich von einem Gewerbe- oder Industriegebiet so weitgehend unterscheiden, dass die hier zugelassenen Nutzungen ihrer Art nach gerade nicht mehr in einem Gewerbe- oder Industriegebiet verwirklicht werden könnten. Dem stehe bereits entgegen, dass der vorhandene Hafen planfestgestellt sei und diese Planfeststellung durch den Bebauungsplan weder aufgehoben noch abgeändert werden solle. Es handele sich bei der Planung auch ersichtlich nicht um eine dem planfestgestellten Hafen untergeordnete Nutzung, die noch dem Hafen zuzurechnen sei. Das werde schon durch die Flächenverhältnisse zwischen dem planfestgestellten Hafen einerseits und dem Sondergebiet andererseits deutlich. Unterstrichen werde dies zudem durch den geschlossenen städtebaulichen Vertrag (Blatt 22 ff. der VA). Dort werde als Vertragszweck ausdrücklich die „Sicherung und Weiterentwicklung“ ihres hafenaffinen Gewerbestandortes benannt. Mithin gehe es hier ersichtlich nicht um die Errichtung von Hafenanlagen und Hafennutzungen, sondern um Gewerbenutzungen, die aus der Nähe zu einem Hafen allenfalls profitieren könnten, ohne dass dem eine qualitative Unterscheidung zu sonstigem Gewerbe zu entnehmen sei. Damit entspreche der Bebauungsplan auch nicht dem Ausbauziel unter Ziff. IX 5.1 des Regionalplans, der den Ausbau des Staatshafens einschließlich der in S. … … liegenden Hafenanlagen verbindlich vorgebe. Der Bebauungsplan verstoße gegen den Fachplanungsvorbehalt.
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Die Festsetzung eines Sondergebiets im Sinne des § 11 Abs. 1 BauNVO sei nicht erforderlich; vielmehr hätte nur ein Gewerbegebiet nach § 8 BauNVO oder ein Industriegebiet nach § 9 BauNVO festgesetzt werden können. Das zeige auch die Emissionskontingentierung in Buchst. F Ziff. 1.4, 1.5 des Bebauungsplans, welche nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2, Satz 2 BauNVO in mehreren Gewerbegebieten oder Industriegebieten möglich sei. Bei einem Hafengebiet müssten nach § 11 Abs. 2 BauNVO die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung dargestellt und festgesetzt werden, wobei über die allgemeine Zulässigkeit, die Unzulässigkeit und die ausnahmsweise Zulässigkeit von Anlagen entschieden werden müsse. Im Bebauungsplan würden hafenfremde Anlagen und Nutzungen ermöglicht, indem dessen Festsetzungen durch die Ausweisung von gewerblichen/industriellen Nutzungen nicht dem Hafenbetrieb dienten. Somit solle nur eine Gewerbenutzung bzw. Industrienutzung in der Nähe des Hafens entstehen, ohne dass dem eine qualitative Unterscheidung zu sonstigem Gewerbe zu entnehmen sei.
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Der Umweltbericht genüge nicht den inhaltlichen Anforderungen, die sich aus Anlage 1 zum BauGB ergäben; Monitoringmaßnahmen zu vorgesehenen Umsiedelungsmaßnahmen für geschützte Arten und dazu, wie etwaige unvorhergesehene Umwelteinwirkungen beobachtet und wie diesen begegnet werden könne, fänden sich nicht (vgl. Ziff. 3 b) des Anhangs 1 zum BauGB).
13
Der Bebauungsplan leide an erheblichen Abwägungsfehlern. Es sei bereits fraglich, ob in der Bauleitplanung das Interesse der Antragstellerin und ihrer Bewohner, keinen neuen Schadstoffbelastungen ausgesetzt zu werden, überhaupt erkannt und ordnungsgemäß abgewogen worden sei. Aus dem Protokoll zum Scoping-Termin vom 9. Oktober 2019, welches auch die nachfolgenden Stellungnahmen berücksichtige (Erstellungsdatum 22.10.2019), gehe hervor, dass es offenbar eine Vereinbarung zum Ermittlungs- und Abwägungsumfang mit dem Landratsamt A. in Bezug auf die „Luftschadstoffproblematik“ gegeben habe (vgl. Seite 4, 5. Absatz des Protokolls v. 22.10.2019). Der Umstand, dass eine Nachbargemeinde durch das Planungsvorhaben zusätzlichen Luftschadstoffimmissionen ausgesetzt werde, sei ein abwägungserheblicher Sachverhalt, der auch unterhalb der Erreichung etwaiger Emissions- und Immissionsgrenzwerte jedenfalls in der Abwägung zu berücksichtigen sei. In einem Scoping-Termin könne die Ermittlung und Berücksichtigung solcher Schadstoffbelastungen für das noch durchzuführende Planungsverfahren nicht verbindlich eingeschränkt werden, denn dies würde zu einem Ermittlungs- und damit auch zu einem Abwägungsdefizit oder gar Abwägungsausfall führen.
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Gemessen an den formulierten „Planungszielen“ erweise sich der konkrete Planinhalt als ungeeignet. Die vom Antragsgegner selbst gesetzten Planungsziele wirkten dabei als Abwägungsbelang, dem die als Satzung beschlossene Planung nicht gerecht werde und damit abwägungsfehlerhaft sei. Es werde durch den Bebauungsplan kein trimodales, modernes Güterverkehrszentrum geschaffen. Es liege im Plangebiet kein trimodaler Verkehrsverknüpfungspunkt vor, denn der dafür erforderliche Gleisanschluss fehle. Es sei auch offenkundig ausgeschlossen, dass der Standort über die Gleisanlagen im Staatshafen A. bahntechnisch erschlossen werde. Die dortigen Gleisanschlüsse dienten ersichtlich nicht der Verknüpfung mit dem Hafen in S. Schließlich gehe es hier ohnehin nicht um die Errichtung oder Schaffung eines Güterverkehrszentrums, sondern – wie auch in den Planunterlagen mehrfach angesprochen – um die Bereitstellung einer Baufläche für den Projektträger zur industriellen Nutzung. Ein Güterverkehr für Dritte sei insoweit ohnehin nicht vorgesehen.
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Der Bebauungsplan beachte auch nicht das Trennungsgebot des § 50 BImSchG, welches als Planungsleitsatz in der Bauleitplanung wirke. Danach seien Gewerbe- und Industrienutzungen räumlich möglichst weit von schutzwürdiger Wohnbebauung zu trennen. Dem Trennungsgebot werde nicht schon deshalb genügt, wenn ein Abstand von ca. 200 m zur nächsten Wohnbebauung auf Seiten der Antragstellerin eingehalten werde; es sei zu berücksichtigen, dass sich der Abstand allein aus der Breite des Flusses ohne topografische oder bauliche Hindernisse ergebe.
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Auch die Lärmschutzbelange der Anwohner am Main im Gemeindegebiet der Antragstellerin (einschließlich des Wohnanwesens … * im Eigentum der Antragstellerin) seien nicht ausreichend berücksichtigt. In der dem Bebauungsplan zugrundeliegenden schalltechnischen Untersuchung seien die Immissionsorte IO 1.3 und IO 1.5 in der Schutzwürdigkeit als Mischgebiet bewertet. Dies betreffe auch das Anwesen der Antragstellerin. Dabei bleibe unberücksichtigt, dass sich der Bereich um die IO 1.3 und IO 1.5 zu einem Allgemeinen Wohngebiet entwickelt habe, weil sich hier mischgebietsverträgliches Gewerbe zwischenzeitlich nicht mehr oder nahezu nicht mehr finde. Da kein Bebauungsplan bestehe, hätte deshalb von einer Schutzwürdigkeit dieses Bereichs als Allgemeines Wohngebiet ausgegangen werden müssen. Die Schutzwürdigkeit der vorgenannten sowie aller weiteren in M. berücksichtigten Immissionsorte sei auch nicht durch eine Vorbelastung gemindert, die über die Immissionsrichtwerte der TA Lärm für allgemeine Wohngebiete hinausgehe. Für die Bildung eines Zwischenwertes nach Ziff. 6.7 der TA Lärm sei hier kein Raum, weil das Plangebiet einerseits und der als WA-Gebiet einzustufende Bereich des im Zusammenhang bebauten Ortsteils der Antragstellerin andererseits nicht unmittelbar aneinandergrenzten. Diese Bereiche seien – getrennt durch den Main – vielmehr an der kürzesten Stelle ca. 200 m voneinander entfernt. Eine „rechtliche Vorprägung des Raums“ sei weder gegeben noch könne sie in dieser Allgemeinheit eine willkürliche Senkung des Schutzniveaus gegenüber Lärmimmissionen rechtfertigen. Auf die bereits im Planaufstellungsverfahren eingebrachte Stellungnahme des Sachverständigen … T. vom 6. Mai 2021 werde verwiesen; die nachfolgend mit Datum vom 22.06.2021 als „Aktenvermerk (2a)“ im Planaufstellungsverfahren eingebrachte ergänzende schalltechnische Betrachtung (Anlage F der rechtskräftigen Planfassung gemäß Daten-Stick der VA) berücksichtige dies nicht.
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Auch die unter Ziff. 1.4 bis 1.6 der textlichen Festsetzungen vorgenommenen Lärmemissionskontingentierungen seien rechtlich ungenügend. Da das hier geplante Hafengebiet in Wahrheit der Ansiedlung von Industriebetrieben diene, hätte zumindest eine Teilfläche des Gebiets ohne Kontingentierung der Lärmimmissionen zulässigerweise festgesetzt werden müssen. Die nach § 1 Abs. 4 Satz 1 BauNVO zulässige Gliederung von Baugebieten finde ihre Grenze darin, dass jedenfalls für einen Teil des Gebiets die zugelassene Nutzung ohne weitere Einschränkung möglich sein müsse. Für ein Gewerbegebiet erfordere dies die Zulässigkeit einer Lärmentwicklung von mindestens 65 dB(A) am Tage und 50 dB(A) in der Nacht.
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Zudem sei die Ermittlung der Geruchsbelastung zu Lasten des Altorts der Antragstellerin defizitär. Es werde davon ausgegangen, dass insbesondere im Nahbereich die neuen Immissionsbeiträge bedeutsam sein werden, weshalb ein Untersuchungsbedarf bejaht werde. So werde in den Planunterlagen insbesondere auf zwei Papiermaschinen der Fa. … … GmbH Bezug genommen, die bereits geruchlich im Altort der Antragstellerin wahrnehmbar seien. Hinzu kämen faulige Gerüche der vorhandenen Kläranlage der Fa. … … GmbH im nordöstlichen Bereich des derzeitigen Betriebsgeländes. Auch diese seien im Altort der Antragstellerin wiederkehrend wahrnehmbar. Zwar werde behauptet, dass eine Vorbelastung bezüglich Geruchs bestehe (gerade durch den bestehenden Betrieb der Papierfabrik), eine konkrete Quantifizierung oder Ermittlung der Vorbelastung sei jedoch nicht erfolgt. Maßgeblich sei hierzu die am 18. August 2021 erlassene Neufassung der TA Luft, welche im Anhang 7 die fachlichen Vorgaben für die Feststellung und Beurteilung von Geruchsimmissionen regelt. Diese sei hier auch anzuwenden, denn die insoweit maßgebliche Abwägung und Beschlussfassung habe am 15. September 2021 stattgefunden. Nach § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB wäre daher diese der fachlichen Bewertung und damit der Abwägung zugrunde zu legen gewesen. Die TA Luft gebe zur Ermittlung der Vorbelastung konkrete Messverfahren vor (vgl. Ziff. 4.4.7 des Anhangs 7). Im Umweltbericht werde eingeräumt, dass im Istzustand in M. Geruchsbelastungen auftreten könnten; eine Auseinandersetzung damit, wie sich diese Belastung durch das Vorhaben verändere, fehle jedoch. Somit bestehe für die Bauleitplanung bereits ein Ermittlungs- und Abwägungsbedarf, der nur durch eine konkrete Ermittlung der entsprechenden Verhältnisse gelöst werden könne.
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Die für alle drei Teilbauflächen festgesetzte Baumassenzahl von 10,0 sei völlig unmaßstäblich und unterstreiche, dass es hier nicht um die Zulassung hafentypischer Nutzungen gehe, sondern die Errichtung von letztlich „gewöhnlichen“ Industriebetrieben ermöglicht werden solle. In einem Hafengebiet der hier aufgrund der räumlichen Lage am Main naturräumlich vorgegebenen Art sei für Anlagen zum Warenumschlag die Errichtung von Gebäuden mit einer derart hohen Baumassenzahl schlicht nicht erforderlich. Die Festsetzung der maximalen Gebäudehöhe lasse Gebäude mit einer Bauhöhe von ca. 40 m zu. Das sei für einen Hafen der hier bestehenden Art weder typisch noch erforderlich. Soweit einzelne hafentypische Anlagen eine besondere Höhe aufweisen könnten (z.B. Krananlagen), hätte eine entsprechende Ausnahmeregelung genügt. Die Größe des Hafens (bestimmt durch die Anlegefläche) lasse einen hafentypischen Warenumschlag nur in geringem Maß erwarten. Die Errichtung von Lagergebäuden für den Warenumschlag (z.B. Getreidesilotürme) sei hier weder beabsichtigt noch sei ersichtlich, dass ein entsprechender Bauwunsch entstehen könnte. Deshalb sei jedenfalls möglich, dass über fast die gesamte Länge des Plangebiets entlang des Mains eine Bebauung mit einer Höhe von ca. 40 m möglich sei. Diese „Wand“ werde nur marginal durchbrochen und der „Einmauerungseffekt“ des Landschaftsbildes, gerade auch aus dem Blickwinkel von Nord-Osten, sei beispiellos. Keine Rolle könne spielen, dass eine nach den Festsetzungen zugelassene Bebauung nicht zu erwarten sein soll. So werde in der Begründung sogar selbst eingeräumt, dass eine durch die Festsetzungen zugelassene Bebauung in dieser massiven Weise möglicherweise der Hafentypik widerspreche. Aus der immensen Größe der im Bebauungsplan zugelassenen Gebäudemaße folge auch eine massive nachteilige Einwirkung auf das Landschaftsbild. Die Festsetzungen des Bebauungsplans ließen es durchaus zu, mehrere sehr lange und gleichzeitig 40 m hohe Gebäude zu bauen. Der Umweltbericht hätte als Worst-Case-Szenario eine konstante Gebäudehöhe von 40 m betrachten müssen; die Landschaftsbildsimulation sehe dies nicht vor (S. 45 des Umweltberichts). Auch bei einer geringen Grundflächenzahl (GRZ) der Gebäude kämen, um die zulässige Ausnutzung der GRZ von 0,8 zu erreichen, sämtliche befestigten Flächen wie Lagerplätze, Stellplätze und Nebenanlagen hinzu. Darüber hinaus seien bereits Befreiungen betreffend der GRZ bei entsprechendem Ausgleich, z. B. durch Dachbegrünungen, angedacht (S. 46 Begründung des Bebauungsplans). Die erforderliche Befreiung gleich mit zu planen sei abwägungsfehlerhaft, da der Antragsgegner zu erkennen gebe, dass er bereits bei Planaufstellung davon ausgehe, dass seine Festsetzungen nicht abschließend bzw. verbindlich sein sollten.
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Die Ausgleichsflächen AL1 und AL2 seien offenkundig ungenügend, um die schwerwiegenden Eingriffe in das Landschaftsbild durch die hier zugelassenen Gebäude mit einer Höhe von 40 m über eine Länge von 250 m (und das mehrfach hintereinander folgend) auszugleichen. Die auf diesen Flächen möglichen und vorgesehenen Bepflanzungen (Büsche und Hecken) könnten weder in der Höhe noch über den geometrischen Blickwinkel die dominierenden Gebäude, die hier zugelassen werden, optisch auch nur abschwächen. Eine Abschirmung des Gebiets mit Bäumen I. Ordnung auf der Ausgleichsfläche AL2 finde nur in einer Länge von 250 m und nur im Sommerhalbjahr statt, wobei die Bäume erst in Jahrzehnten ihre endgültige Höhe erreichen würden.
21
Die artenschutzrechtliche Untersuchung sei nicht überzeugend und nicht nachzuvollziehen. Die Kartierung des Habitats der Zauneidechse sei nicht ordnungsgemäß erfolgt und der Bestand der Mauereidechse unzureichend erfasst worden. Die Ausklammerung des Bibers in der artenschutzrechtlichen Betrachtung sei rechtswidrig. Die Bedeutung der sog. Schleuseninsel als Lebensraum für Vögel sei nicht ausreichend berücksichtigt worden. Eine unzureichende Erfassung von Wildkaninchen, von vorkommenden Heuschreckenarten, von im Wasserkörper des Mains lebenden Arten und von Fledermäusen wird gerügt.
22
Die Erschließung des Plangebiets über die L. straße von A. aus sei ungenügend. Für den Umfang des Verkehrs, der mit der Planung verbunden sei, sei ein Anschluss an die öffentlichen Straßen allein über Privatstraßen oder öffentlich gewidmete Eigentümerwege nicht ausreichend.
23
Das Gebot der Konfliktbewältigung werde verletzt. Eine Konfliktverlagerung sei nicht möglich, da bereits im Planungsstadium absehbar sei, dass sich der offen gelassene Konflikt in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lasse. Hinsichtlich möglicher Auswirkungen von Störfällen seien keine Untersuchungen durch die Antragsgegnerin durchgeführt worden; die Störfallvorsorge sei bereits im Umweltbericht (dort S. 13 f.) auf die Genehmigungsebene verschoben worden.
24
Die geltend gemachten Abwägungsfehler seien auch erheblich, denn sie seien offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss (§ 214 Abs. 3 Satz 2, Halbs. 2 BauGB). Der geltend gemachte Mangel des Umweltberichts sei zudem auch nicht nach § 214 Abs. 1 Nr. 3 BauGB unbeachtlich, denn er sei nicht nur unwesentlich.
25
Die Antragstellerin beantragt,
26
den Bebauungsplan „Kai 6 / Westlich L. straße“ vom 8. Oktober 2021, bekanntgemacht am 11. Februar 2022, für unwirksam zu erklären.
27
Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
29
Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt. Das interkommunale Abstimmungsgebot vermittle ein Abwehrrecht nur gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art. Eine planende Gemeinde müsse nicht jedwede (auch städtebaulich erhebliche) negative Folgewirkung für Nachbargemeinden vermeiden und sei nicht gehalten, ihre eigenen Interessen hinter die Belange der Nachbargemeinden stets zurückzustellen. Soweit die Antragstellerin einen qualifizierten Abstimmungsbedarf rüge, werde nicht dargelegt, welche konkreten unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art zu einem solchen Abstimmungsbedarf geführt hätten. Eine solche nachhaltige Einwirkung sei mit einer Bebauung an dem der Antragstellerin gegenüberliegenden Mainufer schlechterdings nicht vorstellbar. Die Einwände der Antragstellerin kulminierten letztlich in dem Interesse der freien Aussicht und idyllischen Lage am Main. Ungeachtet dessen, dass solche idyllischen Verhältnisse bereits im Ist-Zustand nicht vorhanden seien, bestehe auch kein Anspruch auf Fortbestand einer freien Sicht, sodass dieses Interesse schon nicht abwägungserheblich, geschweige denn eine unmittelbare Auswirkung gewichtiger Art sei. Der Antragsgegner habe im Rahmen der Planaufstellung in geeigneter Weise Kenntnis über die konkreten Auswirkungen der von ihr planerisch ermöglichten Vorhaben auf die benachbarten Gemeinden verschafft (durch den Scoping-Termin sowie die frühzeitige und förmliche Beteiligung), um so deren Belange mit dem nötigen Gewicht in ihre Abwägung einstellen zu können. Hinsichtlich der gerügten Nichtbeachtung des angestrebten integrierten nachhaltigen städtebaulichen Entwicklungskonzepts (InSEK) werde nicht dargelegt, was die konkrete Zielsetzung des Konzepts sei, geschweige denn welche konkreten Auswirkungen die Bauleitplanung auf die städtebauliche Maßnahme haben sollte. Das Sanierungskonzept sei noch wenig konkretisiert, da zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans noch nicht einmal die vorbereitenden Untersuchungen im Sinne des § 141 BauGB beschlossen gewesen seien. Dementsprechend seien einzelne Sanierungsmaßnahmen noch nicht herausgearbeitet gewesen und wechselseitige Belange bzw. die Grundlagen der Maßnahmen hätten nicht in die Abwägung eingestellt werden können. Eine weitergehende Abwägung wäre frühestens nach förmlicher Festlegung eines Sanierungsgebiets und nach ersten vorbereitenden Untersuchungen möglich gewesen.
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Im Hinblick auf das geltend gemachte Eigentum der Antragstellerin in der S. straße 2 und die darauf einwirkenden Lärmimmissionen durch das Planvorhaben würden die zulässigen Immissionsrichtwerte an schutzwürdiger Bebauung in der Umgebung entgegen der Annahme der Antragstellerin durch das auf der Grundlage der Planung zu erwartende Vorhaben nicht ausgeschöpft. Dabei handle es sich bei dem Grundstück S. straße 2 schon nicht um einen Immissionsort, was bedeute, dass dort Immissionsrichtwertüberschreitungen grundsätzlich nicht zu erwarten seien (vgl. Ziff. 2.3 TA Lärm). Hinsichtlich der geltend gemachten Luftschadstoffemissionen bestehe eine Vorbelastung, die hauptsächlich von der Papierfabrik der … … GmbH und dem nahegelegenen Hafen A. ausgehe. Die Feinstaub-Grenzwerte würden maximal zur Hälfte ausgeschöpft, die NO2-Konzentrationen ca. 60-65% des Jahresmittelgrenzwerts erreichen und die Grenzwerte von SO2, CO und Staubniederschlag die jeweiligen Grenzwerte zu mindestens 80% unterschreiten (unter Verweis auf die fachliche Stellungnahme vom 28.1.2021). In der Begründung des Bebauungsplans (S. 60 f.) werde ausgeführt, dass aufgrund der besonderen Charakteristik „hafentypischer“ gewerblicher/industrieller Betriebe der planinduziert erforderliche Schutz vor Luftschadstoffen, Staub- und Geruchsimmissionen grundsätzlich im Rahmen der Genehmigungsverfahren auf Basis des Bundes-Immissionsschutzgesetzes gewährleistet sei. Es sei ausreichend, wenn bei vorausschauender Betrachtung die Durchführung der als notwendig erkannten Konfliktlösungsmaßnahmen auf der Stufe der Planverwirklichung sichergestellt sei. Hintergrund der Lösung etwaiger Konflikte auf die Genehmigungsebene sei, dass noch nicht abgesehen werden könne, welche Betriebe sich ansiedeln würden und welche Anlagen mit ggf. Störfallpotenzialen dabei errichtet und betrieben würden. Wegen der hohen Vorbelastung der Geruchsimmissionen verbleibe insoweit kein Kontingent mehr, dass durch entsprechende Festsetzungen hätte verteilt werden können. Dies bedeute, dass die künftigen Nutzungen sich grundsätzlich im Irrelevanzbereich bewegen müssten. Da offensichtlich sichergestellt sei, dass die der Antragstellerin gehörenden Gebäude in Folge des Bebauungsplans keiner unzumutbaren Belastung durch Gerüche oder Luftschadstoffe ausgesetzt sein würden, sei die Möglichkeit der Rechtsverletzung nicht erkennbar. In Bezug auf die von der Antragstellerin gerügten Lärm-, Luftschadstoff- und Geruchsimmissionen berufe sie sich lediglich auf Interessen und Rechte von Teilen ihrer Bevölkerung.
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Die von der Antragstellerin geltend gemachte Beeinträchtigung des gemeindlichen Festplatzes durch die Nähe zum Planungsvorhaben, insbesondere aufgrund der Baumassenzahl, der maximalen Gebäudehöhe sowie der Einwirkung auf das Landschaftsbild sei empirisch nicht belegt.
32
Die Antragstellerin habe mit Blick auf die planfestgestellte Umschlagstelle S. damit rechnen müssen, dass hier über kurz oder lang gewerbliche Nutzungen entstehen würden. Bei der Abwägung dürften Interessen unbeachtet bleiben, wenn sich deren Träger vernünftigerweise auf eine solche Entwicklung habe einstellen müssen und deshalb das Vertrauen in den Bestand oder Fortbestand etwa einer bestimmten Marktlage oder Verkehrslage nicht schutzwürdig sei (unter Verweis auf BVerwG, B.v. 9.11.1979 – 4 N 1.78 u.a. – juris, Rn. 50). Die Weiterentwicklung des Hafengebiets bzw. Sicherung des Hafenbetriebs seien hier durch mehrere Faktoren vorgeprägt gewesen (unter Verweis auf OVG RhPf, U.v. 7.7.2021 – 8 C 10347/21 – juris Rn. 31). Damit handle es sich bei der vorliegenden Bauleitplanung aufgrund der bereits erfolgten Planfeststellungen um eine planungsrechtliche „Abrundung“, in dessen Rahmen die zulässige Art und das zulässige Maß für künftige Entwicklungen verbindlich geregelt werden sollten, um städtebaulichen Fehlentwicklungen vorzubeugen. In einem solchen erheblich vorgeprägten Gebiet mit schwerpunktmäßig hafentypischer Nutzung sei immer damit zu rechnen, dass sich noch weitere Betriebe ansiedelten oder bestehende Betriebe mit den entsprechenden Folgen für die Nachbarschaft expandierten. Eine Abwägungsbeachtlichkeit sei nicht gegeben.
33
Der Antrag sei auch unbegründet. Ein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot liege nicht vor. Der auf der Ebene des Flächennutzungsplans als Sondergebiet Hafen dargestellte Bereich stelle eine Potenzialfläche des „hafentypischen“ Gewerbes und einen potenziell nicht unerheblichen Wirtschaftsfaktor des Antragsgegners dar. Dass mit der Öffnung für hafentypische gewerbliche und industrielle Nutzungen die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans überschritten wäre, sei nicht ersichtlich.
34
Hinsichtlich der Rüge, dass mangels eines Verkehrsverknüpfungspunkts kein trimodales, modernes Güterzentrum geschaffen werde, sei zutreffend, dass unmittelbar an der Umschlagstelle S. noch kein Gleis anliege und dafür aktuell auch keine konkreten Pläne bestünden. Zum einen sei jedoch über die Nähe zum Hafen A. bereits heute ein trimodaler Umschlag (mit kurzem Zwischentransport) gewährleistet. Zum anderen sei im Rahmen der erfolgten Regionalplanung das öffentliche Interesse konstituiert, den trimodalen Güterverkehr im Sinne des § 1 Abs. 5 BauGB insbesondere auch zu einem klimaschutzpolitischen Wirtschaftsfaktor zu entwickeln und die Umschlagstelle S. in Verbindung mit dem gewerblich/industriell genutzten Hafen in A. zu einem modernen Güterverkehrszentrum (weiter) auszubauen. Im Hinblick auf die Trimodalität sollten insbesondere die wasserseitigen Umschlag- und Transportmöglichkeiten gefördert werden. Die Möglichkeit der Schaffung eines Gleisanschlusses durch entsprechende eisenbahnrechtliche Planfeststellung werde grundsätzlich offengehalten, um das städtebauliche Ziel zu fördern.
35
Ein Hafengebiet zeichne sich typischerweise durch Gewerbe- und Industriebetriebe aus, ohne dass dies der Festsetzung als sonstiges Sondergebiet entgegenstehe. Es handle sich um Gewerbe- und Industriebetriebe, die typischerweise auf einen hafennahen Standort ausgerichtet oder angewiesen seien. Zwischen ihnen und dem Hafen bestehe ein funktionaler und ursächlicher Zusammenhang, der es rechtfertige, anstelle eines Gewerbe- oder Industriegebiets ein Sondergebiet Hafen festzusetzen.
36
Das Trennungsgebot stelle sich als Abwägungsdirektive dar; durch räumliche Trennung der einander widerstreitenden Nutzungen sollten schädliche Umwelteinwirkungen „so weit wie möglich“ vermieden werden. Beachtliche Gründe berechtigten hier dazu, das Trennungsgebot zurückzustellen. Ein solcher Grund liege in der Standortgebundenheit; hafentypische Nutzungen seien naturgemäß nur in Häfen und Hafennähe möglich. Die grundlegende Standortentscheidung sei bereits mit dem Planfeststellungsbeschluss vom 23. Juli 1970 getroffen worden, den die Antragstellerin nicht angegriffen habe. Möglichkeiten der technischen Immissionsminderung auf der Genehmigungsebene seien zu berücksichtigen. Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens könnten durch die Planung ausgelöste Konflikte nicht nur durch Nebenbestimmungen oder nachträgliche Anordnungen, sondern auch durch Versagung der Vorhabengenehmigung gelöst werden. Die Lärmauswirkungen erwiesen sich bereits aufgrund der festgesetzten Geräuschkontingentierung als nicht relevant und damit nicht als abwägungsbeachtlich.
37
Das der Antragstellerin gehörende Grundstück S. straße 2 liege nordöstlich des IO 1.5. Es gelte vorliegend aufgrund der Vorbelastung der Orientierungswert von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts, woran mit Blick auf die in solchen Gemengelagensituationen vorzunehmende Zwischenwertbildung nach Nr. 6.7 TA Lärm auch eine Einstufung des Areals als allgemeines Wohngebiet (WA) nichts ändern würde. Diese Vorbelastung resultiere insbesondere aus der Lage in unmittelbarer Nähe zur Bundeswasser straße Main als wichtigem Verkehrsweg und der planerischen Vorprägung des Areals auf der gegenüberliegenden Mainseite als planfestgestellter Hafen. Die an einer Wasser straße gegenüber einem bereits vorzeiten wasserrechtlich planfestgestellten Hafen angrenzenden Gebiete seien allesamt Teil der „Schicksalsgemeinschaft“ Wasserstraßennutzung, sodass die Nutzung des einen Ufers das andere Ufer präge und das Rücksichtnahmegebot die Bildung eines Zwischenwertes erfordere. Der heranzuziehende Zwischenwert dürfe die Immissionsrichtwerte für Kern- (MK), Dorf- (MD) und Mischgebiete (MI) grundsätzlich nicht überschreiten. Aufgrund der hiesigen überragenden Bedeutung der Bundeswasser straße Main einschließlich ihrer Häfen sowie aufgrund der Vorprägung des Gebiets durch die Planfeststellung eines Hafens könne und müsse diese Grenze im vorliegenden Fall ausgeschöpft werden, sodass letztlich der Orientierungswert von 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts für die IO 1.3 und 1.5 trotz prinzipieller Einstufung als Allgemeines Wohngebiet (WA) verbleibe. Für Hafenanlagen werde sogar eine Überschreitung der Kappungsgrenze nach Nr. 6.7 Abs. 1 Satz 2 TA Lärm für möglich gehalten; die vorgesehenen Nutzungen seien in besonderer Weise auf gewässernahe Flächen angewiesen. Auf die Gesamtbelastung komme es nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm nicht an, wenn der von der zu genehmigenden Anlage verursachte Immissionsbeitrag für sich genommen als nicht relevant anzusehen sei; dies sei anzunehmen, wenn die von der zu beurteilenden Anlage ausgehende Zusatzbelastung die Immissionsrichtwerte nach Nr. 6 der TA-Lärm am maßgeblichen Immissionsort um mindestens 6 dB(A) unterschreite. Aus dem schalltechnischen Gutachten ergebe sich, dass die zugrunde gelegten Planwerte 6 dB(A) unter dem maßgeblichen Immissionsrichtwert lägen, nämlich 54 dB(A) tags und 39 dB(A) nachts statt 60 dB(A) tags und 45 dB(A) nachts für die Immissionsorte im Mischgebiet und 49 dB(A) tags und 34 dB(A) nachts statt 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts für die Immissionsorte im allgemeinen Wohngebiet. Die Gutachter führten aus, dass diese Planwerte bei Beachtung der in den drei Teilflächen festgesetzten Emissionskontingente und bei Zugrundelegung der Zusatzkontingente sämtlich eingehalten bzw. teilweise unterschritten würden (vgl. schalltechnische Untersuchung vom 2.9.2020, S. 21 ff.). Die Pflicht zur Beachtung der Emissionskontingente sei in der textlichen Festsetzung Nr. 1.4 des Bebauungsplans auch ausdrücklich festgelegt.
38
Hinsichtlich der gerügten Baumassenzahl und der maximalen Wandhöhe werde in der Begründung ausgeführt, dass allein aufgrund der festgesetzten Grundflächenzahl und Baumassenzahl die Entwicklung eines bis zu ca. 40 m hohen und bis zu ca. 250 m langen Gebäudes entlang des Mainufers innerhalb der Teilbaugebiete außerordentlich unwahrscheinlich sei, da daraus folgend allenfalls geringfügige weitere bauliche Entwicklungen zulässig verblieben. Sofern nämlich einheitlich Gebäude errichtet würden, die eine Gebäudehöhe von 40,0 m aufwiesen, wären lediglich 25% des entsprechenden Grundstücks derart zu überbauen. Soweit auf Seite 46 der Begründung des Bebauungsplans auf die Möglichkeit der Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB verwiesen werde, begründe dies keinen Abwägungsfehler. Es werde lediglich im Rahmen der Abwägung erläutert, dass in besonderen Härtefällen im Einzelfall auch im Wege der Befreiung von den getroffenen Festsetzungen abgewichen werden könne. Ungeachtet dessen rüge die Antragstellerin diesen vermeintlichen Abwägungsfehler erstmals in der Replik und damit mehr als ein Jahr nach Inkrafttreten des Bebauungsplans, sodass er gemäß § 215 Abs. 1 BauGB ohnehin unbeachtlich sei. Überdies sei eine Vorbelastung des Landschaftsbildes insbesondere durch die auf der hiesigen Mainseite bereits bestehenden Gewerbebauten zu berücksichtigen. Der von der Antragstellerin befürchtete Eintritt eines „Wand-“ bzw. „Einmauerungseffekts“ sei nicht erkennbar. Aufgrund der vorgesehenen Ausgleichsmaßnahmen sei die Auswirkung zudem lediglich geringfügig. Sofern die Antragstellerin die Ausgleichsflächen für ungenügend erachte, seien die vorgebrachten Kritikpunkte bereits in der Begründung des Bebauungsplans hinreichend erörtert worden (unter Verweis auf die Begründung, S. 97 ff). Ein Grünstreifen zum Main hin sei demnach nicht möglich, da das Plangebiet dem (trimodalen) Warenumschlag dienen solle und dazu zwingend auf eine funktionsfähige Uferbefestigung und Kaianlage am Mainufer angewiesen sei, um Schiffe be- und entladen zu können.
39
Soweit die Antragstellerin einen unzulässigen Konflikttransfer in Bezug auf das Störfallrecht sehe, könne dem nicht gefolgt werden. Gerade das Störfallrecht sei wegen der von § 50 Satz 1 BImSchG geforderten Ausrichtung am angemessenen Sicherheitsabstand von zahlreichen Faktoren abhängig, die bei einem Angebotsbebauungsplan auf Planungsebene regelmäßig noch nicht bekannt seien; auf Genehmigungsebene bestünden umfangreiche Konfliktlösungsmöglichkeiten.
40
Den Einwänden hinsichtlich der artenschutzrechtlichen Zugriffsverbote des § 44 Abs. 1 BNatSchG wird entgegengetreten. Die Ausgestaltung der Maßnahmen basiere auf der Arbeitshilfe zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für die Zauneidechse. Auch sei es nicht rechtsfehlerhaft, dass die Ödlandschrecken und die allochthon vorkommende Mauereidechse keiner näheren Prüfung unterzogen worden seien. Den Biber betreffend seien die Uferbereiche des Mains sowie die Schleuseninsel zwar Bestandteil des Plangebiets, in diesen Bereichen erfolgten aber keine baulichen Eingriffe. Die Artengruppe der Fledermäuse sei in der saP betrachtet worden, danach sei kein Verlust essenzieller Nahrungshabitate zu erwarten. Der Main sowie die Uferbereiche des Mains seien zwar Bestandteil des Plangebiets. Eingriffe in diesen Bereichen könnten jedoch ausgeschlossen werden, ebenso würden durch die vorgesehenen baulichen Schutzmaßnahmen Stoffeinträge in den Main vermieden.
41
Schließlich verstoße der Antragsgegner auch nicht gegen den Fachplanungsvorbehalt. Das Bundesverwaltungsgericht habe klargestellt, dass gerade die Hafensuprastruktur, um die es hier gehe, einer Regelung durch wasserrechtliche ebenso wie wasserstraßenrechtliche Planfeststellung nicht zugänglich sei, sondern hierfür lediglich die Bauleitplanung mit den sich daran anschließenden fachgesetzlichen Einzelgenehmigungen in Betracht komme (unter Verweis auf BVerwG, U.v. 19.2.2015 – 7 C 11.12 – BVerwGE 151, 213, Rn. 16 ff.).
42
Die Landesanwaltschaft Bayern als Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich am Verfahren beteiligt; in der mündlichen Verhandlung wurde kein Antrag gestellt.
43
Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auf die beigezogenen Planaufstellungsakten des Antragsgegners sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
44
Der Normenkontrollantrag hat Erfolg.
45
Der Antrag ist zulässig. Er wurde innerhalb der Jahresfrist des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gestellt. Die Antragstellerin ist insbesondere antragsbefugt (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO).
46
Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag gegen einen Bebauungsplan jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch den Bebauungsplan oder dessen Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden (vgl. BVerwG, B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – juris Rn. 6). Die Antragstellerin hat hinreichend substantiiert dargelegt, dass sie durch den angefochtenen Bebauungsplan in ihrem Recht als Nachbargemeinde auf interkommunale Abstimmung im Sinne von § 2 Abs. 2 BauGB verletzt sein könnte.
47
Nach § 2 Abs. 2 BauGB, der eine gesetzliche Ausformung des verfassungsrechtlich gewährleisteten kommunalen Selbstverwaltungsrechts und eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) darstellt, sind die Bauleitpläne benachbarter Gemeinden aufeinander abzustimmen. Die Vorschrift verlangt einen Interessenausgleich zwischen der planenden Gemeinde und der von dieser Planung möglicherweise betroffenen Nachbargemeinde und fordert eine Koordination der gemeindlichen Belange; die planende Gemeinde unterliegt einem erhöhten Rechtfertigungszwang in Gestalt der Verpflichtung zur (formellen und materiellen) Abstimmung im Rahmen einer förmlichen Planung. Eine Gemeinde darf von ihrer Planungshoheit nicht rücksichtslos zum Nachteil der Nachbargemeinde Gebrauch machen. Allerdings ergibt sich daraus nicht die Befugnis einer benachbarten Gemeinde, alle Bebauungspläne zum Gegenstand einer Normenkontrolle zu machen, allein weil sie einen räumlichen Bezug zum eigenen Gemeindegebiet haben. Eine Gemeinde, auch eine Nachbargemeinde, kann nicht gleichsam als Sachwalterin private Interessen ihrer Bürger vertreten und durchsetzen; sie kann daher hinsichtlich der von ihr darzulegenden Antragsbefugnis weder gesundheitliche Belange ihrer Gemeindebürger noch öffentliche Belange, wie etwa den Erhalt des Landschaftsbildes oder Natur- bzw. Artenschutz für sich nutzbar machen (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2022 – 9 N 19.2265 – juris Rn. 26). Ein allgemeines Freihaltungsinteresse zur Offenhaltung von Planungsoptionen ist ebenfalls nicht schutzwürdig (vgl. BayVGH, U.v. 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – Rn. 33, 40 juris). Nur gegen unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Ordnung und Entwicklung auf ihrem Gemeindegebiet kann sich eine benachbarte Gemeinde zur Wehr setzen. Mit „Auswirkungen gewichtiger Art“ ist die Betroffenheit in Belangen bezeichnet, deren Überwindung einem erhöhten Rechtfertigungszwang seitens der planenden Gemeinde unterliegt. Nachbargemeindliche Belange sind aber auch unterhalb dieser Schwelle beachtlich und bereits dann zu berücksichtigen, wenn sie mehr als nur geringfügig betroffen sind (vgl. BVerwG, U.v. 7.12.2023 – 4 CN 6.22 – juris Rn. 15 ff. m.w.N.). Da sich benachbarte Gemeinden mit ihrer Planungshoheit im Verhältnis der Gleichordnung gegenüberstehen, verleiht das interkommunale Abstimmungsgebot der betroffenen Gemeinde gegenüber den sich auf ihr Gebiet auswirkenden Planungen der Nachbargemeinde eine stärkere Rechtsposition, als sie ihr nach § 38 BauGB gegenüber Fachplanungen zusteht. Die Nachbargemeinde kann sich unabhängig davon, welche planerischen Absichten sie selbst für ihr Gebiet verfolgt oder bereits umgesetzt hat, zur Wehr setzen (zum Ganzen: BVerwG, B.v. 9.1.1995 – 4 NB 42.94 – NVwZ 1995, 694 = juris Rn. 7; U.v. 1.8.2002 – 4 C 5.01 – BVerwGE 117, 25 = juris, Rn. 21 f.; BayVGH, U.v. 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – juris Rn. 20; B.v. 7.4.2022 – 9 N 19.2265 – juris Rn. 18). Eine Verletzung des kommunalen Selbstverwaltungsrechts mit Bezug auf den Betrieb kommunaler Einrichtungen kommt in Betracht, wenn solche Einrichtungen durch das Vorhaben in ihrer Funktionsfähigkeit erheblich beeinträchtigt werden (vgl. BVerwG, U.v. 23.6.2022 – 7 C 1.21 – juris; BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 9 NE 19.2274 – juris Rn. 11).
48
Abwehransprüche erwachsen aus dem in den Schutzbereich des Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG fallenden Selbstgestaltungsrecht auch dann, wenn die Gemeinde durch Maßnahmen betroffen wird, die das Ortsbild entscheidend prägen und hierdurch nachhaltig auf das Gemeindegebiet und die Entwicklung der Gemeinde einwirken (BVerwG, U.v. 27.4.2017 – 9 A 30.15 – BVerwGE 159, 1-8, Rn. 28 – 29; U.v. 30. 5. 2012 − 9 A 35/10 – NVwZ 2013, 147 Rn. 36).
49
Es kann dahinstehen, ob die angegriffene Bauleitplanung eine erhebliche Beeinträchtigung des Festplatzes der Antragstellerin am Mainufer bewirken kann; gleiches gilt für ihr Wohnanwesen. Die Antragstellerin hat hinreichend dargelegt, durch die Bauleitplanung in der städtebaulichen Entwicklung des Altorts und mithin in ihrer eigenen kommunalen Planungshoheit beeinträchtigt zu sein. Sie hat darüber hinaus auf prägende Auswirkungen auf das Ortsbild hingewiesen; auch insoweit erscheint eine Rechtsbeeinträchtigung möglich.
50
Unter Berücksichtigung der durch die Bauleitplanung eröffneten, nahezu unbeschränkten industriellen Nutzung (inklusive Störfallbetriebe) in nur durch den Main getrennter Nachbarschaft zum überwiegend wohngenutzten Ortskern der Antragstellerin spricht die Unverträglichkeit der Nutzungen bereits für eine Intensität der Auswirkungen und für eine städtebauliche Relevanz. Die Antragstellerin hat für ihren Ortskern bereits vor dem Satzungsbeschluss ein städtebauliches Entwicklungskonzept eingeleitet mit dem Ziel, die Wohnqualität im Ortskern sowie entlang des Mains zu stärken. Eine geordnete städtebauliche Entwicklung soll durch eine nachfolgende förmliche Festlegung eines Sanierungsgebiets im Altort unterstützt werden. Damit hat die Antragstellerin zum Ausdruck gebracht, dass mit der streitgegenständlichen Bauleitplanung eine erhebliche Beeinträchtigung und Abwertung des bestehenden Bebauungszusammenhangs im Ortskern einhergehen könnte. Auf eine weitergehende Konkretisierung der Planung im Sinne konkreter Maßnahmen des Entwicklungs- und eines Sanierungskonzepts kommt es insoweit nicht an, als sich relevante Belange der Nachbargemeinde bereits aus der vorhandenen städtebaulichen Situation ergeben (vgl. Söfker/Edenharter in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Januar 2024, § 2 Rn. 100a). Das Abstimmungsgebot des § 2 Abs. 4 BBauG begründet über das Bestehen förmlicher Bauleitpläne der Nachbargemeinden hinaus die Pflicht zur Rücksichtnahme und zur Vermeidung unzumutbarer Auswirkungen der eigenen Planung (BVerwG, U.v. 8.9.1972 – IV C 17.71 – juris LS 4).
51
Es ist nachvollziehbar dargetan, dass der angegriffene Bebauungsplan sich auf die städtebaulichen Entwicklungsmöglichkeiten der Antragstellerin wegen der Beeinträchtigung vorhandener Wohnnutzungen im Ortskern, der getrennt durch den Main der ausgewiesenen industriellen Nutzung direkt gegenüberliegt, mehr als nur geringfügig auswirken kann; dementsprechend befinden sich eine Reihe von schutzwürdigen Immissionsorten im Gemeindegebiet der Antragstellerin. Aufgrund der durch den Bebauungsplan ermöglichten Art und des Maßes der baulichen Nutzung erschöpft sich die Einwirkung auf den Ortskern der Antragstellerin nicht in einer lediglich optischen Beeinträchtigung wegen der Sichtbeziehung; vielmehr entsteht mit der Verwirklichung der Planung ein „industrielles Band“ auf der gegenüberliegenden Mainseite. Die eröffnete Maßstäblichkeit erlaubt die Fortsetzung der in südwestlicher Richtung gelegenen Industriebauten in unverminderter Weise und in unmittelbarer Ufernähe. Eine Verschärfung der bereits durch das westlich vom Plangebiet gelegene Industriegebiet (Papierfabrik) und die Gewerbenutzungen um den Hafen A. bestehenden Konfliktlage unverträglicher Nutzungen diesseits und jenseits des Mains mit negativen Auswirkungen gewichtiger Art auf die städtebauliche Entwicklung des Gemeindegebiets der Antragstellerin ist zu besorgen.
52
Ein Bedürfnis nach planerischer Bewältigung dieser Konfliktlage liegt auf der Hand und wurde sowohl seitens des Antragsgegners als auch der Planbegünstigten bereits zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens selbst erkannt. Laut Antrag auf Bauleitplanung der Planbegünstigten war Planungsanstoß ein Ansiedlungswunsch der Fa. Höfling, wonach die Firmenzentrale errichtet und im westlichen Bereich des Teilgebiets ein Betriebsteil eingerichtet werden solle, in dem Rohstoffe sowie mineralische und nichtmineralische, nichtgefährliche und gefährliche Abfälle gelagert und behandelt sowie aufbereitet und umgeschlagen werden sollen. Bereits zu diesem Zeitpunkt wurde eine „integrierte Betrachtung der städtebaulichen Ziele“ der Antragstellerin für die Erarbeitung der Inhalte des Bebauungsplans als wesentlich erachtet (vgl. S. 1 der Aufstellungsakten).
53
Den Belangen der Nachbargemeinde ist somit nicht die Abwägungsbeachtlichkeit abzusprechen. Die Auswirkungen auf das Orts- und Landschaftsbild sowie die Siedlungsentwicklung sind ersichtlich gewichtig und städtebaulich relevant (vgl. für einen Kraftwerksbau BVerwG, U.v. 7.12.2023 – 4 CN 6/22 – juris Rn. 19), sie sind jedenfalls nicht vergleichbar mit zumeist in größerer Entfernung von nachbarlicher Bebauung errichteten Windenergieanlagen (vgl. BayVGH, B.v. 7.4.2022 – 9 N 19.2265 – juris Rn. 21; B.v. 19.3.2020 – 9 NE 19.2274 – juris Rn. 20; B.v. 20.9.2017 – 22 CS 17.1471 – juris Rn. 16; U.v. 15.7.2020 – 15 N 18.2110 – juris Rn. 20).
54
Der Normenkontrollantrag ist auch begründet. Der Bebauungsplan „Kai 6 / Westlich L. straße“ ist ungültig und gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO für unwirksam zu erklären.
55
Zwar erscheint die Ausweisung eines Sondergebiets Hafen städtebaulich gerechtfertigt nach § 1 Abs. 3 BauGB (1.), ist ein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot gemäß § 8 Abs. 2 BauGB (2.) und den Fachplanungsvorbehalt nach § 38 BauGB (3.) nicht ersichtlich und entspricht die Ausweisung eines Sondergebiets § 11 Abs. 1 BauNVO (4.). Der Bebauungsplan weist jedoch mit Blick auf das interkommunale Abstimmungsgebot (§ 2 Abs. 2 BauGB) erhebliche, zu seiner Gesamtunwirksamkeit führende Ermittlungs- und Bewertungsdefizite gemäß § 2 Abs. 3 BauGB auf (5.), weil im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses über den Bebauungsplan weder die Schutzwürdigkeit der im unbeplanten Innenbereich der Antragstellerin gelegenen Immissionsorte IO 1.3 und IO 1.5 (5.1) noch planbedingte Verkehrslärmzuwächse (5.2) noch die Auswirkungen der ermöglichten baulichen Nutzung auf das Orts- und Landschaftsbild (5.3) hinreichend ermittelt und bewertet worden sind sowie der Planfeststellung des Hafens von 1992 ein unzutreffender Aussagegehalt hinsichtlich einer „Vorprägung“ des gesamten Plangebiets zugemessen wurde (5.4, vgl. § 2 Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 BauGB). Hieraus resultiert ein Verstoß gegen das interkommunale Abstimmungsgebot nach § 2 Abs. 2 BauGB als besondere Ausprägung des Gebots gerechter Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB. Die Planung entspricht nicht dem Trennungs- und Konfliktbewältigungsgebot (6.). In Anbetracht dieses Befundes kann eine Entscheidung über die weiteren, insbesondere natur- und artenschutzrechtlichen Einwendungen dahinstehen (7.).
56
1. Der angegriffenen Bauleitplanung ist nicht die städtebauliche Rechtfertigung nach § 1 Abs. 3 BauGB abzusprechen.
57
Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB haben die Gemeinden die Bauleitpläne aufzustellen, sobald und soweit es für die städtebauliche Entwicklung und Ordnung erforderlich ist. Was in diesem Sinn erforderlich ist, bestimmt sich nach der planerischen Konzeption der Gemeinde. Der Gesetzgeber ermächtigt die Gemeinden, diejenige Städtebaupolitik zu betreiben, die ihren städtebaulichen Entwicklungs- und Ordnungsvorstellungen entspricht. Nicht erforderlich sind danach Pläne, die nicht dem wahren Willen der Gemeinde entsprechen, bei denen also zwischen Planungswillen und Planungsinhalt eine Diskrepanz besteht, sowie Pläne, die einer positiven Planungskonzeption entbehren und ersichtlich der Förderung von Zielen dienen, für deren Verwirklichung die Planungsinstrumente des Baugesetzbuches nicht bestimmt sind. § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB ist ferner verletzt, wenn ein Bebauungsplan aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen auf Dauer oder auf unabsehbare Zeit der Vollzugsfähigkeit entbehrt. In dieser Auslegung wird der Bauleitplanung eine erste, wenn auch strikt bindende Schranke gesetzt, die lediglich grobe und einigermaßen offensichtliche Missgriffe ausschließt (vgl. BVerwG, B.v. 25.7.2017 – 4 BN 2.17 – juris Rn. 3; U.v. 10.9.2015 – 4 CN 8.14 – BVerwGE 153, 16; U.v. 27.3.2013 – 4 C 13.11 – BVerwGE 146, 137). Dabei gilt das Tatbestandsmerkmal der Erforderlichkeit für jede einzelne Festsetzung des Bebauungsplans (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.2004 – 4 CN 4.03 – BVerwGE 120, 239; U.v. 31.8.2000 – 4 CN 6.99 – DVBl 2001, 377; BayVGH, U.v. 28.7.2022 – 1 N 19.801 – juris Rn. 18).
58
Ausweislich der Planbegründung wird das Erfordernis der Bauleitplanung in der bauplanungsrechtlichen Sicherung der bestehenden Hafenanlagen gesehen. Die Bauleitplanung diene der „Abrundung“ der bereits erfolgten Planfeststellungen des Hafens S. und der Regelung von Art und Maß künftiger Entwicklungen, um städtebaulichen Fehlentwicklungen vorzubeugen (vgl. Begründung S. 30 ff.). Die Antragstellerin rügt, die Festsetzung eines Sondergebiets im Sinne des § 11 Abs. 1 BauNVO sei nicht erforderlich, es würden hafenfremde Anlagen und Nutzungen ermöglicht, die aus der Nähe zu einem Hafen allenfalls profitieren könnten, ohne dass dem eine qualitative Unterscheidung zu sonstigem Gewerbe zu entnehmen sei. Wenngleich die planfestgestellte Umschlagstelle zur Belieferung der westlich davon gelegenen Industrienutzung (Papierfabrik) nur auf einer Uferlänge von ca. 230 m im westlichen Teilbereich des Plangebiets besteht und nicht per se auf die weitläufige Entwicklung eines Industriegebiets angelegt erscheint, kann sich das städtebauliche Ziel der Weiterentwicklung des Hafens unter Berücksichtigung der hafentypischen Funktion des Warenumschlags auf einen weiteren Umgriff – wie hier das Plangebiet – erstrecken. Ein unzulässiger Etikettenschwindel läge nur vor, wenn der festgesetzte Baugebietstyp gar nicht angestrebt, sondern nur vorgeschoben wäre, um das angestrebte Planungsziel zu verdecken (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2002 – 4 CN 5.01 – BauR 2002, 1348; BayVGH, B.v. 20.12.2022 – 1 NE 22.1604 – juris Rn. 21; OVG NW, U.v. 9.6.2022 – 7 D 49/17.NE – BauR 2022, 1303). Laut Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen sollen innerhalb des festgesetzten Sondergebiets „hafentypische gewerbliche/industrielle Nutzungen zulässig“ sein. Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der Ufer- bzw. Hafennähe des Plangebiets erscheint die Planungskonzeption des Antragsgegners nicht nur vorgeschoben, sie entspricht vielmehr den städtebaulichen Ordnungsvorstellungen der planenden Gemeinde.
59
Soweit die Antragstellerin rügt, gemessen an dem Planungsziel der Schaffung eines trimodalen, modernen Güterverkehrszentrums sei der Planinhalt ungeeignet, da es an einem Gleisanschluss fehle, ist zwar zuzugeben, dass eine solche planerische Zielsetzung zumindest die Festsetzung von Verkehrswegen und die nähere Regelung der Erschließung nahelegen würde. Gleichwohl erscheint das Planungsziel langfristig erreichbar, die Planung entbehrt insoweit nicht der Vollzugsfähigkeit.
60
2. Die bauplanerische Ausweisung eines Sondergebiets Hafen entspricht der Darstellung des Flächennutzungsplans als „Sonderbaufläche Hafen“, ein Verstoß gegen das Entwicklungsgebot nach § 8 Abs. 2 BauGB ist nicht ersichtlich. Die Antragstellerin rügt insoweit ohne Erfolg, dass die Darstellung des Flächennutzungsplans „Sonderbaufläche Hafen“ lediglich eine Konkretisierung dieser Nutzung in dem vorgegebenen Rahmen erlaube und sich die Planung nicht als eine dem planfestgestellten Hafen untergeordnete Nutzung darstelle. Im Rahmen des Entwicklungsgebotes steht der Gemeinde bei der weiteren Ausgestaltung der Bebauungspläne ein Spielraum zur Verfügung, soweit die Grundkonzeption des Flächennutzungsplans für den engeren Bereich des Bebauungsplans nicht angetastet wird (vgl. Runkel in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Januar 2024, § 8 Rn. 36). Die Darstellung als Sonderbaufläche Hafen im Flächennutzungsplan wird sich dabei nicht nur auf die Infrastruktur zur Anlandung und Entladung von Schiffen zu beschränken haben, sondern auch die Hafensuprastruktur wie Flächen zur Lagerung, zur Verarbeitung und zum Weitertransport umfassen.
61
3. Ein Verstoß gegen den Fachplanungsvorbehalt nach § 38 BauGB lässt sich – schon mangels planzeichnerischer Angaben zu den planfestgestellten Anlagen im Plangebiet – nicht erkennen.
62
§ 38 BauGB regelt das Verhältnis zwischen der gemeindlichen Bauleitplanung und der bundes- bzw. landesrechtlichen Fachplanung. Danach sind auf Planfeststellungsverfahren und sonstige Verfahren mit den Rechtswirkungen der Planfeststellung für Vorhaben von überörtlicher Bedeutung sowie auf die auf Grund des Bundes-Immissionsschutzgesetzes für die Errichtung und den Betrieb öffentlich zugänglicher Abfallbeseitigungsanlagen geltenden Verfahren die §§ 29 bis 37 nicht anzuwenden. Der Vorbehalt zugunsten von Fachplanungen gemäß § 38 Satz 1 BauGB betrifft nicht nur die Anwendbarkeit der §§ 29 ff. BauGB, sondern beschränkt auch die Gemeinde im Gebrauch ihrer Planungshoheit (§§ 1ff. BauGB) in Bezug auf die vorhandene Anlage der Fachplanung (BVerwG, U.v. 16.12.1988 – 4 C 48/86 – BVerwGE 81, 111-122). Ein wirksamer Planfeststellungsbeschluss genießt mit seinen Feststellungen Vorrang vor einer späteren Bauleitplanung (BVerwG, B.v. 14.11.2012 – 4 BN 5.12 – Rn. 8 ff.). Der Vorrang der Fachplanung verlangt, die Festlegungen der Fachplanung zu respektieren; die von der Fachplanung in Anspruch genommene Fläche darf nicht mit Festsetzungen überplant werden, die sich mit der besonderen Zweckbestimmung inhaltlich nicht vereinbaren lassen. Die Gemeinde darf die fachplanerisch getroffene Festlegung aber gleichsam „bestätigend“ überplanen (vgl. Külpmann, Der sachgerechte Bebauungsplan, 5. Aufl. 2021, Rn. 485). Darüber hinaus ist eine Planung der Gemeinde in Bezug auf bestehende planfestgestellte Anlagen und Flächen zulässig, die inhaltlich keinen Konflikt mit dem besonderen Charakter der Anlage auslöst, d.h. deren Zweckbestimmung unangetastet lässt (BVerwG, B.v. 15.5.2013 – 4 BN 1.13 – juris Rn. 5).
63
Aus diesem Grund sollen gemäß § 9 Abs. 6 BauGB nach anderen Vorschriften getroffene Festsetzungen in den Bebauungsplan nachrichtlich übernommen werden, soweit sie zu seinem Verständnis oder für die städtebauliche Beurteilung von Baugesuchen notwendig oder zweckmäßig sind.
64
Obgleich in der Planbegründung als wesentliches Planungsziel die „Abrundung“ des planfestgestellten Hafens genannt ist und eine nachrichtliche Übernahme der Inhalte der Planfeststellungen in Aussicht gestellt wird (vgl. Begründung S. 30 ff.), findet sich in der Planzeichnung – abgesehen von der Markierung der Flusskilometer, auf die sich die Planfeststellungsbescheide erstrecken, – keine Darstellung der planfestgestellten Hafenanlagen und ist nicht ersichtlich, auf welche Flächen und mit welchem Inhalt sich die Planfeststellungsbescheide mit ihrer Vorrangwirkung erstrecken. Die Planfeststellungsbescheide sind nicht Bestandteil der Planungsakten; auf die Planfeststellungen von 1970, 1972 und 1992 wird in der Begründung erläuternd Bezug genommen (vgl. Begründung S. 29). Soweit darin ausgeführt wird, aus der Planfeststellung von 1992 ergebe sich für den gesamten Geltungsbereich eine bereits vorliegende Planfeststellung als Hafensuprastruktur, lässt sich diese Aussage anhand der im Verfahren auf Bitte des Gerichts vor dem Verhandlungstermin vorgelegten Planfeststellungsbescheide nebst Plänen nicht verifizieren (AS. 263 ff. und 301 ff.). Gerade im Hinblick auf die zentrale planerische Zielsetzung hätte es nahegelegen, den Inhalt der bestehenden Planfeststellungen in die Planzeichnung explizit aufzunehmen.
65
Ein Verstoß gegen § 9 Abs. 6 BauGB führt gleichwohl nicht zur Unwirksamkeit des Bebauungsplans. Denn die nachrichtliche Übernahme gehört nicht zum normativen Teil des Bebauungsplans und hat lediglich informatorische Bedeutung. Sie entfaltet daher keine Rechtswirkungen gegenüber Dritten (BayVGH, U.v. 14.7.2006 – 1 N 04.582 – juris Rn. 23; Urteil vom 25.9.2003 – 15 N 98.3743 – juris Rn. 55; VGH BW, U.v. 9.7.2020 – 5 S 1493/17 – juris Rn. 98) und berührt nicht die Festsetzungen und Regelungen des Bebauungsplans (Söfker/Wihenhues in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: August 2023, § 9 Rn. 280).
66
Die fehlende nachrichtliche Übernahme kann sich jedoch auf die Rechtswirksamkeit des Bebauungsplans dergestalt auswirken, als das Abwägungsmaterial unzureichend ermittelt wurde und bei korrekter Kenntnis des Inhalts der Planfeststellungen bestimmte Überlegungen im Rahmen der Abwägung in anderer Weise angestellt worden wären (vgl. 5.4, 6.).
67
Sachlich beschränkt sich der Fachplanungsvorbehalt auf den Gewässerausbau; er erfasst nicht die außerhalb des Hafenbeckens und seiner Ufer vorgesehenen Anlagen (vgl. BVerwG, U. v. 19.2.2015 – 7 C 10.12 und 7 C 11.12 – juris). In den auch bundesrechtlich vorausgesetzten Anwendungsbereich des Bauplanungsrechts (vgl. § 78 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG, § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO) fallen demgegenüber jedenfalls diejenigen Planungen, die sich auf Flächen ohne unmittelbare Verkehrsfunktion – etwa die Flächen für hafenorientiertes Gewerbe – beziehen; ferner steht es der Gemeinde frei, einen Hafen in einer Weise zu überplanen, die seine Verkehrsfunktion nicht berührt (vgl. NdsOVG, U.v. 10.3.2015 – 1 KN 42/13 – juris Rn. 54 m.w.N.).
68
Nach dieser Maßgabe lässt sich ein Widerspruch zum Fachplanungsvorbehalt nicht feststellen. Zweifelhaft erscheint zwar, dass ausweislich der Begründung die Planfeststellung von 1972 die Genehmigung der Errichtung eines Hafenbeckens unter Einbeziehung der ehemaligen Schleusenkammer, die Errichtung eines Umschlag- und eines Anlegeufers, das Abtragen und Auffüllen von Landflächen sowie die Errichtung einer Spundwand im Hafenbereich und die teilweise Beseitigung der Trenndämme am Ober- und Unterhaupt der ehemaligen Schleuse beinhaltete, mithin auch landseitige Feststellungen nicht auszuschließen sind (vgl. waagrechte Betriebsebene für die Kranfahrbahnen lt. Erläuterung zum Planfeststellungsbescheid 1992 S. 11), während die zeichnerischen Festsetzungen des Bebauungsplans im Bereich des Flusskilometers 82,1 bis an das Ufer reichende Grünflächen vorsieht und sich im Bereich der festgesetzten Ausgleichsfläche AL2 in den Planzeichnungen der Feststellungsbescheide von 1970 und 1992 bauliche Anlagen finden. Wenngleich die planerischen Festsetzungen der Zweckbestimmung der wasserrechtlichen Planfeststellungen nicht grundlegend entgegenstehen dürften, wird im Rahmen einer Neuplanung auf eine korrekte zeichnerische Darstellung, aus der sich gemäß § 9 Abs. 6 BauGB Inhalt und in Anspruch genommene Flächen der Planfeststellungen ergeben, zu achten sein.
69
4. Die Festsetzung eines Sondergebiets Hafen findet ihre Rechtsgrundlage in § 11 Abs. 1 und Abs. 2 BauNVO.
70
Die Antragstellerin bemängelt, dass im Bebauungsplan hafenfremde Anlagen und Nutzungen ermöglicht würden. Die Festsetzung als Sondergebiet Hafen ziele in erster Linie auf die Entstehung einer Gewerbe- bzw. Industrienutzung.
71
Nach § 11 Abs. 1 BauNVO dürfen nur solche Gebiete als sonstige Sondergebiete dargestellt bzw. festgesetzt werden, die sich von den vertypten Baugebieten wesentlich unterscheiden. Zu den vertypten Baugebieten zählen die in den §§ 2 bis 10 BauNVO genannten. Mit Hilfe dieser Voraussetzung sollen die Gemeinden an die in § 1 Abs. 2 BauNVO enthaltene Typik der Baugebiete gebunden und eine Umgehung des Typenzwangs verhindert werden. Ein wesentlicher Unterschied zu den genannten Baugebieten besteht, wenn ein Festsetzungsgehalt gewollt ist, der sich keinem der in den §§ 2 ff. BauNVO geregelten Gebietstypen zuordnen und sich deshalb sachgerecht auch mit einer der auf sie gestützten Festsetzung nicht erreichen lässt (BVerwG, U.v. 11.7.2013 – 4 CN 7.12 – juris Rn. 12). Ob die Gemeinde durch die Festsetzung eines Sondergebiets gemäß § 11 Abs. 1 BauNVO von den Baugebietstypen der §§ 2 bis 10 BauNVO wesentlich abweicht, ist anhand der normierten allgemeinen Zwecksetzung dieser Baugebietstypen „abstrakt” zu beurteilen (BVerwG, B.v. 7.7.1997 – 4 BN 11.97 – NVwZ-RR 1998, 416 f.). Zu vergleichen sind dabei die konkreten Festsetzungen des Sondergebiets mit der jeweiligen „abstrakten“ allgemeinen Zweckbestimmung der anderen Baugebiete (Decker in Jäde/Dirnberger, BauNVO, 10. Aufl. 2022, § 11 Rn. 3).
72
Die in § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO aufgeführten Beispiele von in Betracht kommenden Sondergebieten verdeutlichen, was einen wesentlichen Unterschied ausmachen kann. Da in dieser Vorschrift Hafengebiete ausdrücklich benannt sind, ist für festgesetzte Sondergebiete, die diese Zweckbestimmung aufweisen, von einem wesentlichen Unterschied i. S. d. § 11 Abs. 1 BauNVO auszugehen (für die Festsetzung Sondergebiet mit der Zweckbestimmung „hafenaffines Gewerbe“ vgl. OVG MV, U.v. 26.4.2023 – 3 K 149/15 – juris Rn. 56).
73
Nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO sind für sonstige Sondergebiete die Zweckbestimmung und die Art der Nutzung darzustellen und festzusetzen. Bei einem Hafengebiet als sonstigem SO-Gebiet nach § 11 Abs. 2 BauNVO gehört zu der Zweckbestimmung und der Art der Benutzung, die ausdrücklich darzustellen und festzusetzen ist, auch die Entscheidung, welche Arten allgemein zulässig, unzulässig oder (nur) ausnahmsweise zulassungsfähig sind. Derart kann durch die Beschränkung näher bezeichneter Nutzungen das Sondergebiet umschrieben werden, so dass es auf diese Weise eine besondere Eigenart erhält (vgl. Fickert/Fieseler, BauNVO, 14. Aufl. 2023, § 11 Rn. 51). Ein Sondergebiet Hafen mit der Zweckbestimmung „hafenaffines Gewerbe“, das nach den textlichen Festsetzungen als „hafengebundene Gewerbebetriebe zur Verarbeitung, Produktion und zum Umschlag von Gütern“ definiert ist, weist einen hinreichend engen Zusammenhang zu einem Hafengebiet i. S. d. § 11 Abs. 2 Satz 2 BauNVO auf (OVG MV, U.v. 26.4.2023 – 3 K 149/15 – juris Rn. 56).
74
Nr. 1.1 der textlichen Festsetzungen sieht vor, dass das Sondergebiet SOH „ausschließlich der Unterbringung von Anlagen und Einrichtungen im funktionellen Zusammenhang des gewerblichen/industriellen Hafenbetriebs sowie der Unterbringung der für den bestimmungsgemäßen Betrieb erforderlichen Folgenutzungen“ dienen soll. Laut Nr. 1.2 sollen innerhalb des festgesetzten Sondergebiets „hafentypische gewerbliche/industrielle Nutzungen zulässig“ sein. Nach Nr. 1.2 Satz 2 umfasst die „Hafentypik“ im Sinne des Bebauungsplans „sowohl einen spezifischen Bezug der gewerblichen/industriellen Nutzungen zum Hafen und zur Wasser straße, als auch eine wertschöpferische Verknüpfung mit den aufgrund ihres spezifischen Bezugs zum Hafen und zur Wasser straße insoweit im zeichnerisch festgesetzten Sondergebiet (SOH) zulässigen gewerblichen/industriellen Nutzungen“. Unter Nr. 1.3 der textlichen Festsetzungen werden Nutzungsausschlüsse getroffen.
75
Ausweislich der Begründung soll mit der Zweckbestimmung Hafengebiet (SOH) gewährleistet werden, dass das Sondergebiet ausschließlich solchen Betrieben dient, die den Zielen des Regionalplans entsprechen, den Hafenstandort in A. und die Umschlagstelle S. zu einem modernen Güterverkehrszentrum auszubauen und somit den trimodalen Güterverkehr als Nachhaltigkeitsziel i.S.d. § 1 Abs. 5 BauGB zu befördern. Innerhalb dieser Flächen sollten daher gewerbliche/industrielle Nutzungen aller Art mit spezifischem Bezug zum Hafen und zur Wasser straße sowie jene gewerbliche/industrielle Nutzungen zulässig sein, die eine wertschöpferische Verknüpfung mit den aufgrund ihres spezifischen Bezugs zum Hafen und zur Wasser straße insoweit im zeichnerisch festgesetzten Sondergebiet (SOH) zulässigen gewerblichen/industriellen Nutzungen aufwiesen. Zulässig seien daher „hafentypische“ Gewerbebetriebe aller Art, insbesondere auch diejenigen Betriebe, die in ihren Betriebsabläufen auf das Ver- und Entladen von Stoffen und Waren für den Transport auf dem Wasserweg angewiesen bzw. ausgerichtet seien. Eine Beschränkung der Art der baulichen Nutzung anhand der Festsetzung eines Gewerbegebiets gemäß § 8 BauNVO, in dem überwiegend nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe untergebracht werden sollen, oder eines Industriegebiets gemäß § 9 BauNVO, in dem überwiegend Gewerbebetriebe untergebracht werden sollen, die in anderen Baugebieten unzulässig sind, entspreche demnach nicht der planerischen Zielstellung. Es müsse vielmehr eine funktionelle Zusammenfassung der gewerblichen/industriellen Hafennutzung erfolgen. Weiterhin seien Geschäfts-, Büro-, und Verwaltungsgebäude sowie Werkstätten, die dem gewerblichen Hafenbetrieb dienten, zulässig. Zulässige Nutzungen seien auch Lager- und Logistikhallen sowie Logistikgebäude, Lagerplätze für u.a. Schüttgut sowie Flächen, Einrichtungen und Gebäude des Umschlags von Rohstoffen und Abfällen. Kräne, Krananlagen sowie sonstige Ver- und Entladesowie Transport- und Umschlagseinrichtungen, die nicht als Nebenanlagen i.S.d. § 14 BauNVO gälten, seien in dem Sondergebiet ebenso zulässig wie Stellflächen für LKW, Sattelzüge und Container sowie Gleisanlagen, insbesondere jene, die der Mobilität vorgenannten Kräne dienten (vgl. Begründung S. 37).
76
Die Formulierungen in den textlichen Festsetzungen wie „im funktionellen Zusammenhang des gewerblichen/industriellen Hafenbetriebs“, „hafentypische Nutzungen“, „spezifischer Bezug zum Hafen“ und „wertschöpferische Verknüpfung“ sind offen gehalten; die im Sondergebiet zugelassenen Nutzungen mit Ausschlusswirkung gegenüber anderen Nutzungen lassen sich nur mit Hilfe der Begründung konkretisieren. Das Gebot der Normenklarheit verlangt zwar nicht ein Höchstmaß an Aussageschärfe und Detailtreue. Textliche Festsetzungen können mit unbestimmten Rechtsbegriffen getroffen werden, wenn sich ihr näherer Inhalt unter Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse und des erkennbaren Willens des Normgebers erschließen lässt (BVerwG, B.v. 24.1.1995 – 4 NB 3.95 – juris Rn. 3). Der Begründung lässt sich insoweit eine Erläuterung dahingehend entnehmen, als dass damit „hafentypische“ Gewerbebetriebe aller Art zu fassen sind, „insbesondere“ auch diejenigen Betriebe, die in ihren Betriebsabläufen auf das Ver- und Entladen von Stoffen und Waren für den Transport auf dem Wasserweg angewiesen bzw. ausgerichtet sind. Da der streitgegenständliche Bebauungsplan weitere Mängel aufweist, die zur Unwirksamkeit der gesamten Satzung führen (vgl. nachfolgend 5. und 6.), erscheint nach Auffassung des Senats empfehlenswert, bei einer etwaigen Neufassung des Bebauungsplans auf eine konkrete Festsetzung der Zweckbestimmung des Sondergebiets und der Art der Nutzung zu achten.
77
5. Die angegriffene Planung leidet unter Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB an nach § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 BauGB beachtlichen Ermittlungs- und Bewertungsdefiziten hinsichtlich der schutzwürdigen Belange der Antragstellerin als Nachbargemeinde (5.1.), der planbedingten Verkehrslärmzuwächse (5.2.) sowie hinsichtlich der Auswirkungen der Planung auf das Orts- und Landschaftsbild (5.3.); darüber hinaus ist ein Ermittlungsdefizit auch darin zu sehen, dass den Planfeststellungsbescheiden der Umschlagstelle S. eine unzutreffende inhaltliche Aussage betreffend des Plangebiets zugewiesen wurde, der Gemeinderat mithin bei der Abwägungsentscheidung einen falschen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat (5.4.). Diese Fehler sind beachtlich (5.5).
78
Eine Gemeinde ist im Rahmen der Bauleitplanung verpflichtet, die für die Planung bedeutsamen öffentlichen und privaten Belange (Abwägungsmaterial) zu ermitteln und zu bewerten (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie sie gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen (§ 1 Abs. 7 BauGB). Dabei handelt es sich um alle Belange, die in der konkreten Planungssituation nach Lage der Dinge in die Abwägungsentscheidung eingestellt werden müssen (vgl. BVerwG, U.v. 20.6.2023 – 4 CN 11.21 – juris Rn. 12). Die Abwägungsbeachtlichkeit ist mithin umfassend zu verstehen. § 2 Abs. 3 BauGB verlangt, dass allen abwägungsrelevanten Belangen mit der erforderlichen Ermittlungstiefe nachgegangen wird und die so ermittelten Belange zutreffend gewichtet werden. Die Vorschriften der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung dienen der sachgerechten Ermittlung und Bewertung des Abwägungsmaterials. Aus dem Gebot der Konfliktbewältigung können sich Folgen für die Ermittlungstiefe des Abwägungsmaterials nach § 2 Abs. 3 ergeben (Söfker in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Januar 2024, § 2 Rn. 147).
79
Entscheidet sich der Plangeber für einen geringen Konkretisierungsgrad der Planung etwa deshalb, um sich beim Planvollzug viele Möglichkeiten offenzuhalten, so muss er bei der Abwägung die gesamte Bandbreite der auf ihrer Grundlage möglichen Nutzungen in den Blick nehmen und – vorausgehend – das hierfür notwendige Abwägungsmaterial ermitteln (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.1999 – 1 N 98.1024 – juris). Lärmschutzbelange sind grundsätzlich dann in die Abwägung einzubeziehen, wenn die Lärmbelastung infolge des Bebauungsplans ansteigt (vgl. BayVGH, U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – juris Rn. 24 m.w.N.). Es bedarf stets einer einzelfallbezogenen, wertenden Betrachtung der konkreten Verhältnisse unter Berücksichtigung der Vorbelastung und Schutzwürdigkeit des jeweiligen Gebiets (vgl. BVerwG, B.v. 12.1.2015 – 4 BN 18.14 – ZfBR 2015, 271 = juris Rn. 23 m.w.N.; BayVGH, B.v. 26.3.2014 – 9 NE 13.2213 – juris Rn. 13; U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris Rn. 48).
80
Der Satzungsgeber muss sich als Grundlage seiner Abwägungsentscheidung in einer Weise mit den zu erwartenden Auswirkungen der Planung auf die Umwelt (hier insb. hinsichtlich Lärm und Landschaftsbild) vertraut machen, die es ihm ermöglicht, hieraus entstehende Konflikte umfassend in ihrer Tragweite zu erkennen. Nur wenn dies der Fall ist, kann er zu einer sachgerechten Problembewältigung im Rahmen der Abwägung überhaupt in der Lage sein (vgl. BayVGH, U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – juris Rn. 25 m.w.N.). Dem entspricht die streitgegenständliche Bauleitplanung aufgrund der defizitären Ermittlung der abwägungsbeachtlichen Belange nicht.
81
5.1. Der Antragsgegner hat im Rahmen des Abwägungsvorgangs unter Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB weder bestehende Vorbelastungen durch Lärm noch die Schutzwürdigkeit vorhandener Bebauung im Gemeindegebiet der Antragstellerin, insbesondere an den Immissionsorten IO 1.3 und 1.5 zureichend ermittelt und bewertet.
82
Die Planung eines sonstigen Sondergebiets i.S.v. § 11 BauNVO für eine nach seiner Art nahezu unbeschränkte industrielle/gewerbliche Nutzung in – nur durch den Main getrennt – unmittelbarer Nachbarschaft zu Wohnnutzungen stellt auch in Anbetracht bereits etwaig bestehender Vorbelastungen gesteigerte Anforderungen an die Abwägung der widerstreitenden Belange. Dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme kommt dabei besonderes Gewicht zu. Dies gilt namentlich für einen Angebotsbebauungsplan, ohne dass einem vorhabenbezogenen Bebauungsplan normativer Vorrang zukäme (vgl. OVG NW, U.v. 1.2.2022 – 2 D 5/20.NE – juris Rn. 99). Aus der bereits bestehenden Konfliktlage von Industrie- und Wohnnutzung diesseits und jenseits des Mains und dem Gebot der Konfliktbewältigung, wonach der Bebauungsplan Konflikte, die er selber schafft, nicht unbewältigt lassen darf (BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 9 N 14.2674 – juris Rn.35) und vorhandene Vorbelastungen nicht zu einer Festschreibung bestehender Konfliktsituationen berechtigt (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 N 6.88 – juris LS 2), folgt eine gesteigerte Ermittlungstiefe hinsichtlich der betroffenen Belange. Indem der Antragsgegner weder eine konkrete Ermittlung bestehender Vorbelastungen vorgenommen noch die vorhandenen Nutzungen im unbeplanten Ortskern der Antragstellerin und deren Schutzwürdigkeit erfasst hat, sondern mit Verweis auf – nicht konkret ermittelte – Vorbelastungen die Schutzwürdigkeit der maßgeblich betroffenen Immissionsorte IO 1.3 und 1.5 auf das nach Nr. 6.7 Satz 2 TA Lärm zu wahrende Mindestniveau eines Mischgebietswerts festgesetzt hat, genügt die Planung nicht den Anforderungen nach § 2 Abs. 3 BauGB.
83
Auch eine Schallemissionskontingentierung setzt grundsätzlich die Ermittlung bestehender Vorbelastungen voraus (Nrn. 4.2, 3.4 DIN 45691). Werden bei der Überplanung von teilweise bereits bebauten Gewerbe- oder Industriegebieten Emissionskontingente im Bebauungsplan festgesetzt, ist eine eventuelle Vorbelastung sowohl außerhalb des Plangebiets als auch innerhalb des Plangebiets durch bereits vorhandene Gewerbebetriebe zu berücksichtigen (OVG LSA, U.v. 21.10.2015 – 2 K 194/12 – juris Rn.138). Denn Voraussetzung einer wirksamen Zuteilung und Festsetzung von Geräuschemissionskontingenten ist unter anderem, dass eine den Anforderungen des § 2 Abs. 3 BauGB entsprechende Ermittlung und Bewertung vorhandener Nutzungen im Plangebiet vorausgegangen ist, insbesondere an den für die Berechnung maßgeblichen schützenswerten Immissionsorten. Eine Bestandserhebung an diesen maßgeblichen Immissionsorten gehört zur Ermittlung des wesentlichen Abwägungsmaterials insbesondere dann, wenn es – wie hier – um potenzielle Konflikte zwischen Nutzungen unterschiedlicher Immissionsempfindlichkeit in Gemengelagen geht. Bei der Bestimmung des Schutzniveaus von Immissionsorten, an denen Wohnnutzung stattfindet, kommt es insbesondere auf eine rechtliche Bewertung des Nutzungsbefunds an (VGH BW, U.v. 29.7.2015 – 3 S 2492/13 – juris Rn. 51). Eine Erfassung der tatsächlich vorhandenen Nutzungen im Einwirkungsbereich des Bebauungsplans und deren Schutzwürdigkeit, insbesondere in dem am Mainufer der Antragstellerin gelegenen Bebauungszusammenhang, hat der Antragsgegner nicht angestellt.
84
Obgleich die Immissionsschutzbehörde des Landratsamts im Rahmen der Behördenbeteiligung in der fachtechnischen Stellungnahme vom 6. Mai 2021 ausgeführt hat, dass die Annahme, dass an den lOs 1.3 und 1.5 in M. Lärmbelästigungen bis zu dem maximalen für Mischgebiete zulässigen Maß ausgeschöpft werden könnten, aus immissionsschutzrechtlicher Sicht zu überarbeiten sei (vgl. Planaufstellungsakte S. 482) und auch nach der Stellungnahme der Kreisbaumeisterin des Landratsamts vom 4. Mai 2021 die Einstufung der maßgeblichen Gebiete der Antragstellerin als Mischgebiet als nicht korrekt angesehen wurde, da aufgrund der Wohngebäude und den dominierenden Wohnnutzungen die Bebauung faktisch einem Allgemeinen Wohngebiet gemäß § 4 BauGB entspreche (vgl. Planaufstellungsakte S. 476), ist der Antragsgegner diesen Einwendungen nicht gefolgt. Er hat mit dem Verweis darauf, dass die DIN 18005 sich lediglich als Orientierungshilfe darstelle, von der „ohne Weiteres“ (s. Begründung S. 13, 85 und 93) um bis zu 5 dB(A) abgewichen werden könne, nach Nr. 6.7 TA Lärm wegen des Angrenzens an die Wasser straße („Schicksalsgemeinschaft Wasserstraßennutzung“) und an die gegenüberliegende gewerbliche/industrielle Nutzung ein Zwischenwert gebildet werden müsse und unter Verweis auf die Lage der Immissionsorte in unmittelbarer Nähe zur Bundeswasser straße Main als bedeutsamen Verkehrsweg und der „planerischen Vorprägung des Areals“ auf der gegenüberliegenden Mainseite als planfestgestellter Hafen daran festgehalten, dass dies keinen über ein Mischgebiet hinausgehenden Schutzanspruch rechtfertige (vgl. Begründung S. 85).
85
Dabei hat der Antragsgegner zum einen verkannt, dass bei der Bestimmung des Schutzniveaus von Immissionsorten maßgeblich auf eine rechtliche Bewertung des Nutzungsbefunds abzustellen ist und angrenzende Verkehrsflächen grundsätzlich nicht zur näheren Umgebung im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB gehören, da sie keine gerade die Art der Bebauung „prägende“ Bedeutung besitzen (vgl. BVerwG, B.v. 11.2.2000 – 4 B 1.00 – juris). Eine hohe Verkehrslärmbelastung innerhalb eines Baugebiets ist für die Gebietsqualifizierung ohne Belang, da Straßenverkehr und Straßenverkehrslärm typischerweise in allen Gebieten der Baunutzungsverordnung auf die dort zulässige Nutzung einwirken (vgl. OVG NW, U.v. 17.12.2008 – 10 A 3002/07 – juris). Mit dem pauschalen Argument „Schicksalsgemeinschaft Wasserstraßennutzung“ rechtfertigt die Belegenheit an einer Wasser straße nicht von vornherein eine Schutzminderung der vorhandenen Bebauung. Zum anderen hat eine Mittelwertbildung nach Nr. 6.7 TA Lärm dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme zu entsprechen. Für die Höhe des Zwischenwertes ist die konkrete Schutzwürdigkeit des betroffenen Gebiets maßgeblich. Wesentliche Kriterien sind die Prägung des Einwirkungsgebiets durch den Umfang der Wohnbebauung einerseits und durch Gewerbe- und Industriegebiete andererseits, die Ortsüblichkeit eines Geräusches und die Frage, welche der unverträglichen Nutzungen zuerst verwirklicht wurde (vgl. BVerwG, B.v. 12.9.2007 – 7 B 24/07 – juris). Der Grundsatz, dass eine hinzukommende industrielle/gewerbliche Nutzung auf vorhandene Nutzungsstrukturen Rücksicht zu nehmen hat, wird verkannt, wenn ohne Ermittlung bestehender Vorbelastung und Nutzungen das Schutzniveau von vornherein auf das Mindestmaß eines Mischgebiets abgesenkt wird. Auch die angeführte „Vorprägung des Areals“ im Hinblick auf die Planfeststellung des Hafens entbindet den Antragsgegner nicht von einer konkreten Ermittlung der Schutzwürdigkeit bereits vorhandener Nutzungen, zumal den Planfeststellungen aus den 1970-er Jahren und von 1992 nicht der Bedeutungsgehalt einer damit zwangsläufig (unbegrenzten) industriellen Nutzung des Plangebiets beigemessen werden kann (vgl. nachfolgend 5.3).
86
5.2. Darüber hinaus wurden eine planbedingte Zunahme des Verkehrs auf der Bundeswasser straße sowie von Verladetätigkeiten im Hafenbecken unzureichend ermittelt.
87
Auch eine planbedingte Zunahme des Verkehrslärms gehört grundsätzlich zu den abwägungsrelevanten Belangen bei der Aufstellung eines Bebauungsplans (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2013 – 4 BN 39.12 – BayVBl 2013, 545 = juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – juris Rn. 24 m.w.N.). Dies hängt nicht davon ab, ob das lärmbetroffene Grundstück innerhalb oder außerhalb des überplanten Gebiets liegt und gilt ebenso für eine bereits vorhandene Bebauung an einer festgesetzten Straße (vgl. BVerwG, B.v. 30.11.2006 – 4 BN 14.06 – juris Rn. 4 f.; B.v. 8.6.2004 – 4 BN 19.04 – juris Rn. 6). Nur wenn der Lärmzuwachs völlig geringfügig ist oder sich nur unwesentlich auf ein Grundstück auswirkt, muss er nicht in die Abwägung eingestellt werden, wobei die Schwelle der Abwägungsrelevanz bei Verkehrslärmerhöhungen sich nicht allein durch einen Vergleich von Lärmmesswerten bestimmen lässt und auch ein errechneter Dauerschallpegel, der für das menschliche Ohr kaum wahrnehmbar ist, zum Abwägungsmaterial gehören kann. Ob die Bagatellgrenze überschritten ist, ist stets anhand einer einzelfallbezogenen, wertenden Betrachtung der konkreten Verhältnisse unter Berücksichtigung der Vorbelastung sowie der Schutzwürdigkeit des jeweiligen Gebiets zu beurteilen (BVerwG, B.v. 24.5.2007 – 4 BN 16.07 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 9.3.2020 – 15 N 19.210 – juris Rn. 18 m.w.N.; U.v. 12.8.2019 – 9 N 17.1046 -juris Rn. 47 m.w.N.). Eine planende Gemeinde treffen daher in der Regel im Vorfeld der Abwägung Ermittlungspflichten gemäß § 2 Abs. 3 BauGB hinsichtlich der immissionsschutzrechtlichen Auswirkungen ihrer Planung.
88
Diese Maßgaben lassen sich auf den Schiffsverkehr auf Bundeswasserstraßen übertragen. Im Hinblick darauf, dass die Planung mit ihrer Grundkonzeption einer Stärkung des bestehenden Hafens auf eine Zunahme von Schiffsverkehr und Verladetätigkeiten gerade angelegt ist, ist nicht davon auszugehen, dass sich die hiervon ausgehenden Auswirkungen in einem Bagatellbereich bewegen. Zumindest hätte es der planenden Gemeinde oblegen, entsprechende Ermittlungen dahingehend anzustellen. Ausweislich der Begründung wurden entsprechende Einwendungen bezüglich einer planbedingten Zunahme des Schiffs- und Güterverkehrs mit dem Verweis auf die bestehende Planfeststellung des Hafens zurückgewiesen. Es sei nicht ersichtlich, dass der Bebauungsplan zu einem Mehrverkehr an Schiffen und Güterzügen führe, die über das mit einer Umschlagstelle an einer Bundeswasser straße regelmäßig erwartbare Maß hinausgehe, und in Anbetracht der Ansiedlungsfläche nicht plausibel (vgl. Begründung S. 92). In Anbetracht dessen, dass laut Begründung Ziel der Planung eine Sicherung der „hafentypischen“ gewerblichen/industriellen Nutzung durch eine planungsrechtliche „Abrundung“ des planfestgestellten Hafens und insoweit eine Nutzungsintensivierung zu erwarten sei (vgl. Begründung S. 30 ff.), wird der Verweis auf die bestehende Planfeststellung einer anzustellenden Prognose der zu erwartenden Intensivierung nicht gerecht. Lärmrelevante Verkehrszunahmen aufgrund des Bebauungsplanes sind zumindest aufgrund einer sachverständigen Grobabschätzung zu ermitteln und zu bewerten, gerade wenn auf der anderen Seite bestehende Vorbelastungen durch den Schiffsverkehr auf der Bundeswasser straße als Argument für die eine Absenkung des Schutzniveaus der ufernahen Bebauung im Bereich des Gemeindegebiets der Antragstellerin herangezogen werden.
89
Dies hat die Antragstellerin unter Verweis auf die Stellungnahme des schallimmissionsschutztechnischen Gutachters T. vom 8. März 2021, in der explizit beanstandet wird, dass es keine Untersuchungen und Festsetzungen für die Schallemissionen der Verladetätigkeiten sowie zu den Emissionen des Schiffsverkehrs im Hafenbecken gibt, mit Schriftsatz vom 18. November 2022 geltend gemacht.
90
5.3. Die Ermittlung des Abwägungsmaterials erweist sich auch insoweit als defizitär, als die Auswirkungen der durch die streitgegenständliche Bauleitplanung eröffneten Nutzungen auf das Orts- und Landschaftsbild, insbesondere hinsichtlich des ermöglichten Maßes der baulichen Nutzung unzureichend erfasst und bewertet wurden.
91
Gemäß § 2 Abs. 4 Satz 1 BauGB hat die Gemeinde die voraussichtlichen erheblichen Umweltauswirkungen zu ermitteln; diese Ermittlung ist notwendige Voraussetzung für eine sachgerechte Zusammenstellung des Abwägungsmaterials i.S.v. § 2 Abs. 3 BauGB. Die Umweltprüfung hat die durch den Plan eröffneten Nutzungen zu betrachten. Wählt der Plangeber das Instrument der „normalen“ Angebotsplanung nach §§ 8 ff. BauGB, muss er grundsätzlich von einer maximalen Ausnutzung der Festsetzungen des Bebauungsplans ausgehen und darf sich bei der Ermittlung und der Bewertung der Belange, die für die Abwägung von Bedeutung sind, nicht auf eine möglicherweise weniger beeinträchtigende Planausführung beschränken (vgl. BayVGH, U.v. 12.4.2023 – 15 N 22.1678 – juris Rn.28).
92
Der Antragsgegner hat mit der Festsetzung einer gegenüber angrenzenden Plangebieten höheren Baumassenzahl von 10,0 und einer Grundflächenzahl von 0,8 in geringem Abstand zum Mainufer die Errichtung von bis zu 40 m hohen und bis zu 250 m langen Gebäuden ermöglicht. Demgegenüber geht die Landschaftsbildsimulation im Umweltbericht von „durchschnittlichen“ Gebäudehöhen von 12,5 m und „hafentypischen Baukörpern“ aus (vgl. Umweltbericht S. 35 ff.); das Plangebiet als Teil des vorhandenen Hafengebiets wird nur von einer geringen Bedeutung für das Landschaftsbild gewertet (Umweltbericht S. 63). Die Landschaftsbildsimulation und die Beurteilung der Auswirkungen auf das Landschaftsbild entspricht somit nicht dem durch den Plan ermöglichten Worst-Case-Szenario von Gebäudehöhen bis 40 m und Gebäudelängen von 250 m. Soweit der Antragsgegner in der Planbegründung ausführt, dass eine Entwicklung von bis zu ca. 40,0 m hohen und bis zu ca. 250,0 m langen Gebäuden entlang des Mainufers innerhalb der Teilbaugebiete außerordentlich unwahrscheinlich sei (vgl. Begründung S. 87), ist dies unrichtig, da sich die Ermittlung der Auswirkungen an der Ausnutzung der planerischen Festsetzungen zu orientieren hat.
93
Hinsichtlich der getroffenen Maßfestsetzungen wurde im Rahmen der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung seitens der benachbarten Stadt A. mit Stellungnahme vom 2. Juli 2020 darauf hingewiesen, dass die vorgesehenen Maßfestsetzungen die bestehenden baurechtlichen Regelungen aus dem angrenzenden Bebauungsplan für die Papierfabrik nicht nur fortführen, sondern darüber hinaus weitere Spielräume geben würden. Mit dem Bebauungsplan werde eine städtebauliche Maßstäblichkeit eingeführt, die atypisch in Erscheinung trete; eine nochmalige Überprüfung der Belange des Orts- und Landschaftsbildes wurde angemahnt (vgl. Anlage B S. 32). Dies wurde seitens des Antragsgegners dahingehend abgewogen, dass die benannte Atypik der städtebaulichen Maßstäblichkeit insbesondere durch die Festsetzung von Anpflanzungen verträglich in die Umgebung integriert werde. Seitens der Naturschutzbehörde des Landratsamts wurde mit Stellungnahme vom 6. Mai 2021 insoweit jedoch ausgeführt, dass es hinsichtlich der vorgesehenen Bepflanzung des Uferbereiches zwecks landschaftsoptischer Einbindung des bis zu 40 m hohen Industriekomplexes größerer Anstrengungen bedürfe und die vorgesehene Bepflanzung von Sträuchern innerhalb der Ausgleichsflächen AL1 und AL2 gegenüber der baulichen Dimension nicht ins Gewicht falle. Auch seitens der Kreisbaumeisterin des Landratsamtes wurde im Rahmen der Stellungnahme vom 4. Mai 2021 aus städtebaulicher Sicht der Angebotsbebauungsplan mit dem großen Spielraum an Festsetzungen innerhalb der dichten Bebauung der Region als kritisch angesehen (vgl. Planungsakte S. 476). Dem ist der Antragsgegner mit einem Verweis auf die Landschaftsbildsimulation mit einer angenommenen „durchschnittlichen Gebäudehöhe von 12,5 m“ begegnet.
94
Damit orientiert sich die Ermittlung der Auswirkungen der Planung und des daraus resultierenden Ausgleichsbedarfs zu Unrecht nicht an der durch die Planung ermöglichten Ausnutzung und erweist sich als defizitär.
95
5.4. Schließlich stellt sich die vom Antragsgegner angeführte „Vorprägung des Raums“ durch den planfestgestellten Hafen („Umschlagstelle“) S. insofern als ermittlungsdefizitär dar, als abweichend von den Inhalten der Planfeststellungsbescheide eine industrielle Nutzung des Plangebiets als notwendige und implementierte Folge der Planfeststellung des Hafens dargestellt wird.
96
Ein Ermittlungsdefizit i.S. von § 2 Abs. 3 BauGB liegt vor, wenn abwägungserhebliche Belange in wesentlichen Punkten nicht zutreffend ermittelt worden sind, der Gemeinderat mithin bei der Abwägungsentscheidung einen falschen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat (vgl. BayVGH, U.v. 18.1.2017 – 15 N 14.2033 – juris Rn.50).
97
Soweit in der Begründung ausgeführt wird, aus der Planfeststellung von 1992 ergebe sich für den gesamten Geltungsbereich eine bereits vorliegende Planfeststellung als Hafensuprastruktur (vgl. Begründung S. 30), lässt sich dieser Bedeutungsgehalt dem vorgelegten Planfeststellungsbescheid vom 30. Dezember 1992 nicht entnehmen. Die Plangenehmigung umfasst laut Nr. 1.1 lediglich die Errichtung einer neuen Ufereinfassung als Konstruktionsspundwand sowie die Auffüllung des Zwischenraumes zwischen der im Untergrund verbleibenden vorhandenen Ufereinfassung und der neuen Spundwand. Anlass für die Plangenehmigung bildete die Sanierungsbedürftigkeit der vorhandenen Ufereinfassung im Bereich der Umschlagstelle S. ; diese sollte in Verbindung mit einer neuen Krananlage umgebaut werden. Über die Umschlagstelle werde insbesondere die Versorgung der Firma … … … GmbH, Werk S. mit schwerem Heizöl abgewickelt. Eine infrastrukturelle Aussage zugunsten einer industriellen Nutzung des gesamten Plangebiets ist entgegen der Ausführung in der Begründung mit der Planfeststellung der Umschlagstelle S. von 1992 nicht verbunden.
98
Das Argument der „Vorprägung des Raums“, auf der die Bauleitplanung maßgeblich fußt und das eine zwangsläufige Entwicklung des Plangebiets im Sinne einer industriellen Nutzung (unter weitgehender Offenhaltung der Entwicklungsmöglichkeiten) suggeriert, lässt sich den vorgelegten Planfeststellungsbescheiden nicht entnehmen. Indem der Inhalt der Planfeststellung von 1992 damit in der Begründung unzutreffend wiedergegeben wurde, hat der Gemeinderat mithin bei der Abwägungsentscheidung unter Verstoß von § 2 Abs. 3 BauGB einen unzutreffenden Sachverhalt zu Grunde gelegt. Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 22. November 2022 moniert, dass es sich bei der Planung ersichtlich nicht um eine dem planfestgestellten Hafen zuzurechnende, untergeordnete Nutzung handelt.
99
5.5. Die genannten Ermittlungs- und Bewertungsdefizite stellen eine beachtliche Verletzung der Verfahrens- und Formvorschriften gemäß § 214 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB dar. Der Verstoß gegen § 2 Abs. 3 BauGB ist auf das Abwägungsergebnis auch von Einfluss gewesen, weil nach den festzustellenden Umständen die konkrete Möglichkeit besteht, dass die Planung ohne den Mangel anders ausgefallen wäre. Eine solche konkrete Möglichkeit besteht immer dann, wenn sich anhand der Planunterlagen oder naheliegender Umstände die Möglichkeit abzeichnet, dass der Mangel im Abwägungsvorgang von Einfluss auf das Abwägungsergebnis sein kann (vgl. BVerwG, B.v. 13.1.2016 – 4 B 21/15 – juris Rn. 10). Dies ist hier anzunehmen, da sich den Planunterlagen entnehmen lässt, dass die Schutzwürdigkeit des unbeplanten Ortskerns der Antragstellerin am gegenüberliegenden Mainufer ebenso wie die möglichst weitgehende Eröffnung der Ausnutzung der baulichen Möglichkeiten in industrieller Weise und der Bezug zum planfestgestellten Hafen zentrale Erwägungen im Rahmen der Abwägung darstellten. Im Hinblick darauf, dass die vom Antragsgegner gewünschte Entwicklung des Gebiets mit hafenaffiner gewerblicher Nutzung auch in modifizierter, abgestufter Weise möglich wäre, besteht die konkrete Möglichkeit, dass der Antragsgegner in Kenntnis der defizitär ermittelten Belange anders geplant hätte (vgl. BVerwG, B.v. 13.1.2016 – 4 B 21.15 – juris Rn. 10). Die unzureichende Berücksichtigung der nachbargemeindlichen Belange wurde seitens der Antragstellerin auch innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung der Satzung schriftlich gegenüber der Gemeinde unter Darlegung des die Verletzung begründenden Sachverhalts geltend gemacht (§ 215 Abs. 1 Nr. 1 BauGB).
100
6. Der Antragsgegner hat Belange, die für die Abwägung bedeutsam sind, insbesondere die Belange der Nachbargemeinde unzureichend ermittelt sowie fehlgewichtet und damit gegen das rechtsstaatlich fundierte Gebot der gerechten Abwägung (§ 1 Abs. 7 BauGB) in der besonderen Ausprägung des interkommunalen Abstimmungsgebotes nach § 2 Abs. 2 BauGB, des Trennungs- und Konfliktbewältigungsgebotes (§ 50 Satz 1 BImSchG) verstoßen.
101
Im Rahmen des Bauleitplanverfahrens sind nach § 1 Abs. 7 BauGB die öffentlichen und privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Eine Verletzung des Gebots gerechter Abwägung liegt vor, wenn eine sachgerechte Abwägung überhaupt nicht stattfindet, wenn Belange in die Abwägung nicht eingestellt werden, die nach Lage der Dinge eingestellt werden müssen, wenn die Bedeutung der betroffenen Belange verkannt oder wenn der Ausgleich zwischen den von der Planung berührten öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen wird, der zur objektiven Gewichtung einzelner Belange außer Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot jedoch nicht verletzt, wenn sich die zur Planung berufene Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet.
102
Das interkommunale Abstimmungsgebot nach § 2 Abs. 2 BauGB stellt eine besondere Ausprägung des Abwägungsgebots (§ 1 Abs. 7 BauGB) dar. § 2 Abs. 2 BauGB verleiht dem Interesse der Nachbargemeinde, vor Nachteilen bewahrt zu werden, besonderes Gewicht. Die Vorschrift verlangt einen Interessenausgleich zwischen den benachbarten Gemeinden und fordert dazu eine Koordination der gemeindlichen Belange. Eine Planung, die durch Auswirkungen gewichtiger Art gekennzeichnet ist, verstößt allerdings nicht allein deshalb gegen § 2 Abs. 2 BauGB. Auch hier gilt, dass selbst gewichtige Belange im Wege der Abwägung überwunden werden dürfen, wenn noch gewichtigere ihnen im Rang vorgehen (vgl. BayVGH, U.v. 11.3.2013 – 1 N 12.2150 – juris Rn. 22). Die Bedeutung des § 2 Abs. 2 BauGB im Rahmen des allgemeinen Abwägungsgebots liegt darin, dass eine Gemeinde, die ihre eigenen Vorstellungen selbst um den Preis von gewichtigen Auswirkungen für die Nachbargemeinde durchsetzen möchte, einem erhöhten Rechtfertigungszwang in Gestalt der Pflicht zur (formellen und materiellen) Abstimmung im Rahmen einer förmlichen Planung unterliegt. Die Missachtung eines solchermaßen begründeten Planungserfordernisses berührt zugleich den durch § 2 Abs. 2 BauGB erfassten Rechtskreis und verletzt dadurch die Nachbargemeinde in eigenen Rechten (BVerwG, U.v. 1.8.2002 – 4 C 5/01 – BVerwGE 117, 25-42 = juris OS 2). Ein Plangeber kann gegen das materielle Abstimmungsgebot verstoßen, wenn er die eigene Planungsintention unter Außerachtlassung der schutzwürdigen Belange der Bewohner einer benachbarten Gemeinde und der dortigen städtebaulichen Situation, vornehmlich im Grenzbereich, in rücksichtsloser Weise verfolgt (vgl. Söfker/Edenharter in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Januar 2024, § 2 Rn. 111 m.w.N.).
103
Dabei ist im Rahmen der bauleitplanerischen Abwägung auch der – im allgemein anerkannten Planungsgrundsatz des § 50 BImSchG enthaltene – Trennungsgrundsatz als Abwägungsdirektive zu beachten (BVerwG, B.v. 6.3.2013 – 4 BN 39.12 – juris Rn. 4). Der Grundsatz der zweckmäßigen Zuordnung von unverträglichen Nutzungen ist ein wesentliches Element geordneter städtebaulicher Entwicklung und damit ein elementares Prinzip städtebaulicher Planung. Eine Bauleitplanung ist danach regelmäßig verfehlt, wenn sie unter Verstoß gegen § 50 BImSchG dem Wohnen dienende Gebiete anderen Gebieten so zuordnet, dass schädliche Umwelteinwirkungen auf die Wohngebiete nicht so weit wie möglich vermieden werden (vgl. BVerwG, B.v. 22.6.2006 – 4 BN 17.06 – juris Rn. 5; BayVGH, U.v. 25.10.2016 – 9 N 13.558 – juris Rn. 38). Vorhandene Vorbelastungen berechtigen nicht zu einer Festschreibung bestehender Konfliktsituationen. Der Grundsatz, dass ein städtebaulicher Missstand nicht auch für die Zukunft festgeschrieben werden soll, muss in die Abwägung eingehen. Bei Ausweisung eines neuen Baugebiets darf eine schon vorhandene Vorbelastung neu hinzukommende Vorhaben nicht von dem freistellen, was städtebaulich angezeigt und tatsächlich möglich ist (vgl. BVerwG, B.v. 18.12.1990 – 4 N 6.88 – juris OS 2).
104
Das Gebot der Konfliktbewältigung bei der Abwägung der öffentlichen und privaten Belange im Rahmen eines Bauleitplanverfahrens bedeutet, dass der Bebauungsplan Konflikte, die er selber schafft, nicht unbewältigt lassen darf (BayVGH, U.v. 10.5.2016 – 9 N 14.2674 – juris Rn.35). Die Grenzen zulässiger Konfliktverlagerung auf die nachfolgende Ebene der Planverwirklichung sind überschritten, wenn bereits im Planungsstadium absehbar ist, dass sich der offengelassene Interessenkonflikt auch in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird. Insbesondere § 15 Abs. 1 Satz 2 BauNVO mit dem in ihm enthaltenen Rücksichtnahmegebot stellt ein Mittel dar, um Nutzungskonflikte auszuschließen, die bei isolierter Betrachtung des Bebauungsplans auftreten können (vgl. Reidt in Bracher/Reidt/Schiller, Bauplanungsrecht, 9. Aufl. 2022, Kap. 11: Das Aufstellungsverfahren für Bauleitpläne, Rn. 11.395).
105
Die Planung eines sonstigen Sondergebiets für „hafentypische“ industrielle Nutzung in der Nachbarschaft zu Wohnnutzung stellt auch in einer bestehenden Gemengelage gesteigerte Anforderungen an die Abwägung der widerstreitenden Belange. Dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme kommt dabei gerade bei der Ausgestaltung als Angebotsbebauungsplan besonderes Gewicht zu (vgl. OVG NW, U.v. 1.2.2022 – 2 D 5/20.NE – juris). Maßgeblich für die Abwägung ist dabei die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Satzungsbeschlusses (§ 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB).
106
Die Planung des Antragsgegners erweist sich als abwägungsdefizitär; sie genügt den genannten Anforderungen an eine gerechte Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB unter Beachtung des interkommunalen Abstimmungsgebotes nach § 2 Abs. 2 BauGB, des Trennungsgebotes nach § 50 BImSchG und des Konfliktbewältigungsgebots nicht. Die Planung nimmt nicht in gebotener Weise Rücksicht auf die nachbargemeindlichen Belange (6.1.) und bewältigt die aufgeworfenen Konfliktlagen nicht zureichend (6.2.). Die defizitäre Ermittlung insbesondere der Schutzwürdigkeit der nachbargemeindlichen Bebauung wirkt sich auf die Emissionskontingentierung aus, die eine verträgliche Zuordnung der Nutzungen im Sinne des Trennungs- und Konfliktbewältigungsgebots nicht leisten kann (6.3.). Die Abwägungsmängel sind beachtlich und führen zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans (6.4.).
107
6.1. Entgegen der Auffassung des Antragsgegners entbindet der Verweis auf die Situationsgebundenheit hafentypischer Nutzungen nicht von der gebotenen Rücksichtnahme auf vorhandene Nutzungen. Gerade in einer bestehenden Konfliktlage gebietet das Trennungsgebot eine möglichst verträgliche Zuordnung der baulichen Nutzungen; ein a priori Vorrang der störenden industriellen Nutzung unter Zurückstellung des Trennungsgebotes wird dem Gebot gerechter Abwägung nicht gerecht.
108
Der Antragsgegner hält es in einem nutzungsmäßig verdichteten und insbesondere auch durch verschiedene gewerbliche Immissionen vorbelasteten Gebiet für angezeigt, den städtebaurechtlichen Zulässigkeitsrahmen möglichst (weit) so zu fassen, dass ausreichende Spielräume für die zukünftige bauliche und nutzungsmäßige Entwicklung innerhalb des Plangebiets verbleiben (vgl. Begründung S. 31). In der Behördenbeteiligung wurde ein Angebotsbebauungsplan mit dem großen Spielraum an Festsetzungen innerhalb der dichten Bebauung der Region kritisch und die für eine möglichst offene Planung angeführten Argumente als nicht stichhaltig angesehen; die Zulassung von Störfallbetrieben gegenüber der auf der anderen Mainseite gelegenen Wohnbebauung verletze das Rücksichtnahmegebot (vgl. Stellungnahme Bauaufsicht, Anlage B S. 25, Anlage C S. 42). Der Antragsgegner hat dies dahingehend abgewogen, dass eine umfassende Ausnutzung des Hafenstandorts zur zukunftsoffenen Ermöglichung von späteren wirtschaftlichen Nutzungen als vorrangig erachtet werde, ein genereller Ausschluss von Störfallbetrieben der Zukunftsoffenheit des Hafens entgegenstünde und die Auswirkungen auf die angrenzenden schutzwürdigen Nutzungen, insbesondere Wohnen, angesichts der bestehenden Vorbelastung und der getroffenen Ausgleichsmaßnahmen als verträglich eingeschätzt. Ohne konkrete Ermittlung von Vorbelastung und Schutzwürdigkeit der auf der gegenüberliegenden Mainseite angrenzenden Bebauung wird den schutzwürdigen Belangen der Nachbargemeinde jedoch nicht das ihnen zukommende Gewicht beigemessen, sondern ohne Rücksicht darauf das eigene Interesse an der Ermöglichung einer weitgehend offenen industriellen Entwicklung des Plangebiets verfolgt. Auch indem der Antragsgegner den Planfeststellungsbescheiden der Umschlagstelle S. einen Bedeutungsgehalt dahingehend zugeschrieben hat, dass diese eine industrielle Entwicklung des gesamten Plangebiets gewissermaßen implizierten (vgl. „Planfeststellung als Hafensuprastruktur“ für das gesamte Plangebiet, „bauplanungsrechtliche Sicherung“ der bestehenden Hafenanlagen, „planungsrechtliche Abrundung“ der bereits erfolgten Planfeststellungen, Begründung S. 29 ff.), räumt er dem Interesse an der Verwirklichung einer hafenaffinen industriellen Nutzung einen überragenden Vorrang ein, der sich dem Inhalt der Fachplanung so nicht entnehmen lässt. Das Plangebiet mit der vorhandenen Umschlagstelle mag auf eine hafenaffine Nutzung angelegt sein; in der Ausgestaltung von Art und Maß der baulichen Nutzung hätten in Anbetracht der gegenüberliegenden Ortslage mit überwiegender Wohnnutzung jedoch verträglichere Festsetzungen ggf. mit Abstufungen oder Pufferzonen nahegelegen. Der zwischen dem Plangebiet und dem Bebauungszusammenhang der Antragstellerin gelegene Main mit der Schleuseninsel kann die Auswirkungen der geplanten Nutzung nur unzureichend mindern. Der Verweis auf die bereits im Bestand bepflanzte Schleuseninsel, die als Ausgleichsfläche AL1 laut Nr. 5.2 der textlichen Festsetzungen mit Gebüschen und Hecken anzupflanzen ist, und die ca. 10 m breite Ausgleichsfläche AL2 entlang eines Teilbereichs der Sondergebietsfläche SOH2, die nach Nr. 5.3 der Festsetzungen die Pflanzung von 30 Bäumen vorsieht, erscheint unzureichend, um den Auswirkungen der planerisch eröffneten Möglichkeiten an der gegenüberliegenden Mainseite wirkungsvoll zu begegnen (vgl. Einwendung der Bauaufsichtsbehörde vom 15.4.2020, Anlage B S. 19). Mit den vom Plangeber getroffenen Festsetzungen hinsichtlich Art und Maß der baulichen Nutzung, die von einer möglichst weitgehenden Offenhaltung der baulichen Nutzungsmöglichkeiten im Interesse einer größtmöglichen Flexibilität und Entwicklungsoffenheit geprägt sind, wird die Bauleitplanung dem Gebot der nachbargemeindlichen Rücksichtnahme nicht gerecht.
109
Indem die planende Gemeinde eine der Art nach unbegrenzte industrielle Nutzung einschließlich von Störfallbetrieben unter Fortschreibung bzw. Verschärfung des sich aus benachbarten Industriegebieten ergebenden Maßes der Nutzung im – nur getrennt durch den Main – Einwirkungsbereich des durch überwiegende Wohnnutzung geprägten Ortskerns der Antragstellerin festschreibt und dabei dessen Schutzwürdigkeit unter Verweis auf die Nähe zur Bundeswasser straße Main und die „Vorprägung des Areals“ von vornherein auf das Mindestmaß eines Mischgebiets herabsetzt, ohne weder bestehende Vorbelastungen noch den vorhandenen Nutzungsbestand zu ermitteln, verfolgt sie in rücksichtsloser Weise ihre Planvorstellungen von einer hafenaffinen, der Art nach aber möglichst offenen und weitgehend unbegrenzten industriellen Nutzung auf Kosten der beachtlichen Interessen der Nachbargemeinde und deren Bewohner. Die Planung widerspricht dem Grundsatz, dass die Ausweisung eines neuen Baugebiets auf den vorhandenen Bestand Rücksicht zu nehmen hat; sie ist geeignet, den bereits vorhandenen Nutzungskonflikt zwischen industrieller Nutzung und Wohnnutzung diesseits und jenseits des Mains zu verschärfen und festzuschreiben und verstößt damit auch gegen den Trennungsgrundsatz nach § 50 BImSchG. In städtebaulicher Hinsicht lässt dies eine Abwertung des Altorts der Antragstellerin mit einer entsprechenden Beschränkung der planerischen Entwicklung befürchten.
110
6.2. Die Planung bewältigt die von ihr aufgeworfenen Konflikte unzureichend.
111
Obgleich die empfohlenen Mindestabstände von Störfallbetrieben nach dem Leitfaden 18 der vom Bundesumweltministerium berufenen Kommission für Anlagensicherheit (KAS) an keiner Stelle eingehalten werden können, werden unter Verweis auf den bereits bestehenden Störfallbetrieb Papierfabrik Störfallbetriebe im Interesse der Zukunftsoffenheit der Entwicklung zugelassen (vgl. Begründung S. 24, 44). Dies lässt eine Verschärfung der bestehenden Konfliktlage unter Verstoß gegen das Trennungsgebot und das Gebot der Konfliktbewältigung erwarten.
112
Für den Bereich des Störfallschutzes gemäß § 50 Satz 1 BImSchG und § 1 Abs. 6 Nr. 7 j) BauGB, die der Umsetzung von Art. 13 Abs. 1 der Seveso III-Richtlinie dienen, enthält der Leitfaden „Empfehlungen für Abstände zwischen Betriebsbereichen im Rahmen der Bauleitplanung – Umsetzung § 50 BImSchG“ der Kommission für Anlagensicherheit beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (KAS-18) standardisierte Abstandsempfehlungen (vgl. Reidt, a.a.O., Rn. 11_379). Ist von vornherein ersichtlich, dass diese Abstandsempfehlungen an keiner Stelle des Bebauungsplans eingehalten werden können, und werden gleichwohl Störfallbetriebe zugelassen, ist bereits im Planungsstadium absehbar, dass sich der offengelassene Interessenkonflikt auch in einem nachfolgenden Verfahren nicht sachgerecht lösen lassen wird.
113
6.3. Die defizitäre Ermittlung der Schutzwürdigkeit des Einwirkungsbereichs der Antragstellerin, insbesondere der Immissionsorte IO 1.3 und 1.5 schlägt sich insoweit auf die vorgenommene Emissionskontingentierung durch, als sich gerade aus der gegriffenen Annahme von Mischgebietswerten in Richtung auf den Ortskern der Antragstellerin erhöhte Zusatzkontingente im Sektor B von 2 dB ergeben.
114
Die Festsetzung der Schallemissionskontingente in den Sondergebieten erfolgt auf der Grundlage von § 11 BauNVO; dies schließt die Festsetzungsmöglichkeiten nach § 1 Abs. 4 bis 10 BauNVO ein, wobei die Gemeinde gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 1 BauNVO nicht an die näheren Voraussetzungen gebunden ist, die für diese differenzierenden Festsetzungen geregelt werden (vgl. BVerwG, U.v. 28.2.2002 – 4 CN 5.01 – juris Rn. 21; OVG MV, U.v. 26.4.2023 – 3 K 149/15 – juris Rn. 59). Die Rüge der Antragstellerin, es müsse eine kontingentfreie Teilfläche zur Ansiedlung von Industriebetrieben bestehen, greift im Hinblick auf die Prägung eines Sondergebiets durch die jeweiligen Festsetzungen gemäß § 11 Abs. 2 BauNVO in wesentlicher Unterscheidung von den Baugebieten nach den §§ 2 bis 9 BauNVO nicht durch. Die vorgenommene Emissionskontingentierung ist jedoch aufgrund der defizitären Ermittlung der Schutzwürdigkeit der Immissionsorte IO 1.3 und 1.5 nicht geeignet, dem Trennungsgrundsatz und dem Konfliktbewältigungsgebot hinreichend Rechnung zu tragen.
115
Überdies erscheint zweifelhaft, ob in Anwendung des Irrelevanzkriteriums nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 der TA-Lärm unter Verzicht auf die nach Nr. 4.2 DIN 45691 vorgesehene, aufwändige Ermittlung bestehender Vorbelastungen die mit der Ausweisung eines Sondergebiets verfolgte industrielle Nutzung im Heranrücken an wohnlich genutztes Gebiet der Nachbargemeinde als geringfügige und irrelevante Veränderung des Status quo beurteilt werden kann. Irrelevanzschwellen sind der – normativ im Verhältnismäßigkeitsgrundsatz fundierten – Überlegung geschuldet, dass der Wirkbeitrag von unter bestimmten Schwellenwerten bleibenden Quellen auf das jeweilige Schutzgut gerade im Kontext anderer Quellen vielleicht nicht „0“, aber doch von vornherein so gering ist, dass schon die für seine Ermittlung anfallenden (Informationsbeschaffungs-) Kosten nicht gerechtfertigt sind, geschweige denn der daran anschließende Aufwand für Emissionsminderung (vgl. Füßer/Kreutzer, Die Anwendung von Irrelevanzschwellen im Immissionsschutzrecht, NVwZ 2013, 1241, beck-online). Nr. 3.2.1 Abs. 2 TA Lärm markiert damit einen Bagatellvorbehalt. Eine Anwendung der Irrelevanzklausel in Nr. 3.2.1 Abs. 2 der TA-Lärm über die Zulässigkeit eines Einzelfallvorhabens hinaus auch im Rahmen der Emissionskontingentierung mag für eine Erweiterung bestehender Gewerbegebiete, die sich unter dem Bagatellvorbehalt fassen lassen, als sachgerecht erachtet werden (vgl. für die Erweiterung eines Gewerbegebiets um ein 1,6 ha großes Plangebiet OVG RhPf, U.v. 7.7.2021 – 8 C 10347/21 – juris Rn. 35; VGH BW, U.v. 6.6.2019 – 3 S 2350/15 – BauR 2019, 1560 und juris, Rn. 70 für Plangebiet von 3,55 ha). Es erscheint zweifelhaft, ob sich für ein Plangebiet von 11,26 ha, auf dem eine uneingeschränkte industrielle Nutzung ermöglicht werden soll, eine Emissionskontingentierung unter Verzicht auf die Ermittlung bestehender Vorbelastungen unter Heranziehung des Irrelevanzkriteriums dergestalt, dass (nur) der nach Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm genannte Mindestabschlag von 6 dB(A) an den Immissionsorten in Ansatz gebracht wurde, sachgerechte Ergebnisse erzielen lassen (zur Unanwendbarkeit des Irrelevanzkriteriums Nr. 3.2.1 Abs. 2 Satz 2 TA Lärm auf die an einem Immissionsort bestehende Geräuschvorbelastung vgl. BayVGH, B.v. 7.10.2016 – 22 ZB 15.2662 – juris Rn. 22). Diese Frage kann aber letztlich offen bleiben ebenso wie die Frage, ob die vorgenommene Emissionskontingentierung, insbesondere das 34.000 m2 umfassende Teilgebiet SOH2 sich darüber hinaus mangels Gliederung nach Art der Betriebe als Festlegung eines unzulässigen Summenpegels darstellt. Nach Auffassung des Senats bestehen insoweit Zweifel, als die Festsetzung von Emissionskontingenten als Gliederung nach der Art der Betriebe im Sinne von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 BauNVO, die als solche auch bei der Festsetzung von Emissionskontingenten in Sondergebieten nach § 11 Abs. 2 Satz 1 BauNVO zu verstehen ist (vgl. BVerwG, B.v. 2.10.2013 – 4 BN 10.13 – juris Rn. 7), die verbindliche Regelung des Emissionsverhaltens jedes einzelnen Betriebs bzw. Anlage voraussetzt. Aus diesem Grund dürfen die kontingentierten Teilflächen nicht so groß sein, dass es sich bei dem zulässigen Emissionskontingent nicht mehr um das Emissionsverhalten eines einzelnen Betriebs, sondern um einen unzulässigen Summenpegel handelt (vgl. BVerwG, B.v. 2.10.2013, a.a.O., Rn. 8; BayVGH, B.v. 23.3.2023 – 1 NE 22.2414 – juris Rn 16; OVG NW, U.v. 22.6.2023 – 2 D 347/21.NE – juris Rn. 155). Bei einer Teilfläche von 34.000 qm erscheint dies zumindest fraglich.
116
6.4. Die Verstöße gegen das Abwägungs- und interkommunale Abstimmungsgebot sowie das Trennungs- und Konfliktbewältigungsgebot sind beachtlich gemäß § 214 Abs. 3 Satz 2, § 215 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BauGB. Die Mängel betreffen die grundlegende Planungskonzeption der Gemeinde; es ist anzunehmen, dass bei der gebotenen Berücksichtigung der nachbargemeindlichen Belange die Planung anders ausgefallen wäre. Diese Mängel sind auch nicht nachträglich unbeachtlich geworden, da sie innerhalb eines Jahres seit Bekanntmachung des Bebauungsplans schriftlich gegenüber dem Antragsgegner geltend gemacht worden sind, § 215 Abs. 1 Satz 1 BauGB.
117
Die Mängel führen zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans, da sie die planerische Grundkonzeption berühren und die übrigen Regelungen für sich betrachtet keine sinnvolle städtebauliche Ordnung im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB bewirken können (vgl. BVerwG, B.v. 30.10.2019 – 4 B 37.18 – juris Rn. 6; U.v. 11.9.2014 – 4 CN 3.14 – juris Rn. 26 m.w.N.). Die Ausweisung industrieller/gewerblicher Nutzung im Einwirkungsbereich auf Wohnbebauung setzt die Bewältigung der dadurch entstehenden Immissionsprobleme voraus; ein Verstoß dagegen führt daher nicht nur zur Teil-, sondern zur Gesamtunwirksamkeit des Bebauungsplans (vgl. BayVGH, U.v. 3.5.2022 – 22 B 20.2178 – juris Rn. 32 m.w.N.).
118
7. In Anbetracht dessen kann eine Entscheidung über die weiteren, insbesondere natur- und artenschutzrechtlichen Einwendungen dahinstehen. Gleichwohl weist der Senat darauf hin, dass die artenschutzrechtlichen Einwendungen unbegründet erscheinen. In naturschutzrechtlicher Hinsicht bestehen Zweifel hinsichtlich der Ausgleichsfläche.
119
7.1 Soweit die Antragstellerin rügt, Monitoringmaßnahmen zu vorgesehenen Umsiedelungsmaßnahmen für geschützte Arten und dazu, wie etwaige unvorhergesehene Umwelteinwirkungen beobachtet und wie diesen begegnet werden könne, fänden sich nicht, wurde im Umweltbericht ausgeführt, dass die aus artenschutzrechtlicher Sicht vorgesehenen CEF- und FCS-Maßnahmen für die Zauneidechse, die Dorngrasmücke und die Kreuzkröte in Abstimmung mit der Unteren Naturschutzbehörde durchgeführt und hinsichtlich der Habitateignung von ihr abgenommen werden (vgl. Umweltbericht S. 71). Dies erscheint nach Auffassung des Senats nachvollziehbar und im Einklang mit Nr. 2 c) der Anlage 1 BauGB, wonach eine Beschreibung der geplanten Maßnahmen, mit denen festgestellte erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen vermieden, verhindert, verringert oder soweit möglich ausgeglichen werden sollen, sowie „gegebenenfalls geplante Überwachungsmaßnahmen“ als erforderliche Angaben im Umweltbericht vorgesehen sind.
120
Zu den weiteren Rügen, die Kartierung des Habitats der Zauneidechse sei nicht ordnungsgemäß und ohne weitere Prüfung des Vorkommens der Mauereidechse werde gemäß Art. 12 eine Einstufung dieser Art als nicht heimische Art vorgenommen, ist auf die allgemeinen Ermittlungsgrundsätze im Zusammenhang mit naturschutzrechtlichen Eingriffen zu verweisen. Danach sind die Behörden nicht verpflichtet, ein lückenloses Arteninventar zu erstellen. Die Untersuchungstiefe hängt maßgeblich von naturräumlichen Gegebenheiten im Einzelfall ab. Lassen bestimmte Vegetationsstrukturen sichere Rückschlüsse auf die faunistische Ausstattung zu, so kann es mit der gezielten Erhebung der insoweit maßgeblichen repräsentativen Arten sein Bewenden haben. Das Recht nötigt nicht zu einem Ermittlungsaufwand, der keine zusätzliche Erkenntnis verspricht (OVG RhPf, U.v. 13.2.2008 – 8 C 10368/07 – juris Rn. 33 m.w.N.). Ausreichend ist – auch nach den Vorgaben des Unionsrechts – jeweils eine am Maßstab praktischer Vernunft ausgerichtete Untersuchung (vgl. BVerwG, U.v. 19.3.2009 – 9 A 39.07 – juris; U.v. 12.8.2009 – 9 A 64.07 – juris). Laut der Darstellung in Anlage H (saP S. 4) wird Mauereidechse nur außerhalb Plangebiet als Vorkommen benannt. Darüber hinaus existieren in Bayern derzeit nur zwei autochthone Populationen im Inntal zwischen Kiefersfelden und Oberaudorf, alle übrigen bisher bekannten Vorkommen werden als allochthon eingestuft (vgl. Anlage I, S. 19; vgl. auch die Arteninformationen unter www.lfu.bayern.de). Im Hinblick darauf lag ein weitergehender Ermittlungsaufwand zum Vorkommen der Mauereidechse nicht nahe.
121
Hinsichtlich der geltend gemachten Beeinträchtigung des Lebensraums des Bibers erscheint dies unter Berücksichtigung des guten Erhaltungszustandes und dessen, dass die unmittelbaren Uferbereiche des Mains – abgesehen von der Kaimauer – nicht durch bauliche Maßnahmen betroffen sind, nicht naheliegend (vgl. Begründung S. 96). Auch dürfte der Fledermausbestand zureichend erfasst worden sein (vgl. saP Anlage H, S. 13 ff.). Für die Heuschreckenarten erfolgte keine systematische Erfassung, jedoch wurden die Vorkommen der auffälligen Ödland- oder Sandschreckenarten im Rahmen der Schmetterlingskartierungen bei den Begehungen im Juni und Juli 2018 miterfasst (vgl. Begründung S. 19), und im Übrigen die Lebensräume der Arten über die Biotoptypen der Ruderalfluren und Säume berücksichtigt. Für diese Lebensräume und mittelbar die Ödlandschrecke werden Maßnahmen auf der Grünfläche GA im Geltungsbereich des Bebauungsplans sowie außerhalb des Geltungsbereichs im Hafenbahnhof im Kontext des Habitatverbundkonzepts des Hafens A. für die Zauneidechse und die Kreuzkröte durchgeführt. Eine Auswirkung der von Antragstellerseite gerügten Bodenplanierungen auf die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung (saP) ist insofern nicht ersichtlich, als die herangezogenen Datengrundlagen für die saP noch aus einem Zeitraum vor der durchgeführten Bodenplanierung stammen (vgl. Anlage H S. 2, Anlage D S. 23, Umweltbericht S. 19).
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7.2 In naturschutzfachlicher Hinsicht erscheint nach Auffassung des Senats jedoch fraglich, ob die Ausweisung der Schleuseninsel als Ausgleichsfläche und die vorgesehenen Planzungen auf der Fläche AL2 die zugewiesene Ausgleichsfunktion erfüllen können.
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Der Ausgleich ist dadurch gekennzeichnet, dass nach Durchführung entsprechender Maßnahmen des Naturschutzes und der Landschaftspflege die beeinträchtigten Funktionen des Naturhaushalts in gleichartiger Weise wiederhergestellt und das Landschaftsbild in landschaftsgerechter Weise wiederhergestellt oder neu gestaltet ist (§ 15 Abs. 2 S. 2 BNatSchG). Ausgleichsmaßnahmen müssen daher so beschaffen sein, dass sie den Naturhaushalt in einen Zustand versetzen, der den früheren Zustand in der gleichen Art und mit der gleichen Wirkung fortführt (vgl. Gellermann in Landmann/Rohmer UmweltR, Stand: März 2024, BNatSchG § 15 Rn. 17 ff. m.w.N.).
124
Die untere Naturschutzbehörde hat im Rahmen der Behördenbeteiligung nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass die Sicherung bestehender Vegetation – wie die flächendeckend mit Gehölzen bewachsene Schleuseninsel – keine naturschutzrechtliche Ausgleichsmaßnahme im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 BNatSchG darstellt (vgl. Stellungnahme LRA Naturschutz vom 6.5.2021, Anlage D, Abwägung, S. 21). Die Erfüllung einer Ausgleichsfunktion erscheint darüber hinaus auch insoweit fraglich, als der Verweis auf die Landschaftsbildsimulation, die nicht von den durch die Planung ermöglichten Maximalnutzungen ausgeht, ebenso wenig einen Ausgleich belegen dürfte wie die Gehölzbepflanzung mit Büschen und Sträuchern auf der Fläche AL2 angesichts der mit den Planfestsetzungen ermöglichten Bauhöhen.
125
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i. V. m. § 709 Satz 1 ZPO.
126
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
127
Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO muss die Antragsgegnerin die Ziffer I. der Entscheidungsformel nach Eintritt der Rechtskraft des Urteils in derselben Weise veröffentlichen, wie die Rechtsvorschrift bekanntzumachen wäre.