Titel:
Einstweiliger Rechtsschutzantrag gegen Bebauungsplan für Wohngebiet
Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2, Abs. 6
BauGB § 214 Abs. 4
Leitsätze:
1. Es besteht kein Anspruch, vor jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
2. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots scheidet regelmäßig aus, soweit die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten sind. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
3. In Ortsrandlage muss in besonderem Maße mit einer möglichen Beeinträchtigung durch eine veränderte Bebaubarkeit auf dem Nachbargrundstück gerechnet werden. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
4. Die Abwägungsrelevanz ist dann zu verneinen, wenn das Interesse, vor einer Verkehrslärmzunahme bewahrt zu bleiben, mit so geringem Gewicht zu Buche schlägt, dass es als planungsrechtlich vernachlässigenswerte Größe außer Betracht bleiben kann. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrolleilantrag gegen Ausweisung eines Wohngebiets, Antragsbefugnis des Plannachbarn, Verschattung Photovoltaikanlage (verneint), Verkehrslärm, Fehlende Dringlichkeit., Verschattung Photovoltaikanlage, fehlende Dringlichkeit
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26817
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 10.000,- Euro festgesetzt.
Gründe
1
Die Antragstellerin wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens gegen den am 30. Juni 2023 bekanntgemachten Bebauungsplan „Vorderer Höchberg II“ des Antragsgegners. Das Grundstück der Antragstellerin (...) grenzt nördlich an das Plangebiet an und ist mit einem Wohngebäude bebaut, auf dessen Dach sich eine Photovoltaikanlage befindet.
2
Der Bebauungsplan weist für das 4,96 ha umfassende Plangebiet anschließend an die nördlich und östlich vorhandene Wohnbebauung mit Einzel- und Doppelhäusern ein allgemeines Wohngebiet aus, trifft hinsichtlich der offenen Bauweise die Festsetzung, dass nur Einzel- und Doppelhäuser zulässig sein sollen, setzt einheitlich eine GRZ von 0,4 sowie für das nordöstliche Plangebiet eine maximale Wandhöhe von 6,0 m und für das restliche Plangebiet eine solche von 3,5 m fest. Laut der textlichen Festsetzung B 2.2.3 bildet der obere Bezugspunkt die maximal zulässige Gebäudehöhe für Gebäude mit einer Dachneigung von 16 bis 48°. Ausweislich der Begründung wird als städtebauliches Konzept genannt, eine Erweiterung der Siedlungsfläche in aufgelockerter Form in Richtung Westen zu schaffen und dadurch den westlichen Ortsrand von Reichenberg hin zum Guttenberger Forst abzurunden. Es sei vorgesehen, die Bauform dahingehend zu staffeln, dass im Anschluss an die bereits vorhandene Bebauung Einzel- und Doppelhäuser zulässig sein sollen, während im Übergang zur Landschaft nur Einzelhäuser zugelassen würden, um eine sanfte Einbindung in die Landschaft zu gewährleisten. Um die Verträglichkeit der Bebauung zu der bestehenden Umgebung zu gewährleisten, werde „separat für jedes Grundstück die maximale Gebäudehöhe, für Gebäude mit einer Dachneigung von 16 bis 48° festgesetzt“; der obere Bezugspunkt stelle die maximal zulässige Gebäudehöhe dar. Durch die Festsetzung der maximal zulässigen Wandhöhe (6 m nördlich der Haupterschließungsstraße, ansonsten 3,5 m) werde eine Vermeidung überdimensionierter Gebäude und eine Reduzierung der damit verbundenen Fernwirkung erreicht. Durch die Ergänzung der vorhandenen Wohnbaunutzung werde die Entwicklung auf den geplanten Nutzungsflächen des Flächennutzungsplanes in diesem Bereich abgeschlossen; hierfür würden die für diese Ausbaustufe dimensionierten Haupterschließungsstraßen genutzt (vgl. Begründung S. 8 ff.). Die Nutzung bestehender Erschließungsstrukturen sei ein wichtiger Aspekt des sparsamen Umganges mit Grund und Boden (vgl. Planungsakte S. 724).
3
Nach der frühzeitigen Öffentlichkeitsbeteiligung wurden durch Festlegung des oberen und unteren Bezugspunktes die Gebäudekubaturen so eingeschränkt, dass die neuen Gebäude die vorhandenen Gebäudehöhen nicht überragen können (vgl. Sitzungsprotokoll, Verfahrensakte S. 487). Die Einwendungen der Antragstellerin im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung wurden vom Gemeinderat in der Sitzung vom 4. Februar 2020 dahingehend abgewogen, dass eine Verschattung der Dachflächen ausgeschlossen werden könne. Die Firsthöhe des Gebäudes der Einwenderin liege bei 278,31 m NHN und sei damit höher als der Obere Bezugspunkt der direkt angrenzenden möglichen neuen Gebäude (vgl. Verfahrensakte S. 725). Die Nutzung erneuerbarer Energien sowie die sparsame und effiziente Nutzung von Energie werde aufgrund der ausreichenden Abstände zur Bestandsbebauung durch die geplante Bebauung nicht eingeschränkt. Es bestehe auch kein Grund, die festgesetzten maximalen obersten Punkte für die Neubebauung der „inneren Reihe“ zu verringern, nachdem diese gerade unter Berücksichtigung der tatsächlichen obersten Punkte der nördlichen Bestandsbebauung im Mittel 1,8 m unterhalb dieser festgesetzt seien.
4
Die Antragstellerin hat bezüglich des Bebauungsplans „Oberer Höchberg II“ am 12. Oktober 2023 Normenkontrollantrag gestellt (9 N 23.1814), über den noch nicht entschieden ist, und mit Schriftsatz vom 14. März 2024 den Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO beantragt. Der Antragsgegner habe die Auswirkungen der im Baugebiet geplanten Bebauung auf das Grundstück der Antragstellerin nicht ausreichend ermittelt und bewertet, insbesondere keine eindeutigen Erkenntnisse darüber gewonnen, in welchem Umfang das Grundstück der Antragstellerin durch die aus ihrer Sicht im Süden liegende Bebauung verschattet werde. Aufgrund der fehlenden Ermittlung des Ist-Zustandes, dem die maximal mögliche Ausnutzung der Festsetzungen im Bebauungsplan gegenüberzustellen wäre, habe der Antragsgegner das tatsächliche Ausmaß der Verschattung verkannt und in der Abwägung der am 29. September 2019 geltend gemachten Einwendungen der Antragstellerin eine Verschattung der Dachflächen durch die zukünftige Bebauung fälschlicherweise gänzlich ausgeschlossen. Da der Antragsgegner u.a. das Ziel einer Verschattungsminimierung verfolgt habe, bestehe die konkrete Möglichkeit, dass die Planung beim Wissen über die tatsächliche Verschattung anders ausgefallen wäre. Das Gebäude, das westlich vor dem Gebäude der Antragstellerin erbaut werden könne, erzeuge eine besonders große Verschattung; die Besonnung der Süd- und Westfenster der Wohnräume im Erdgeschoss werde in den Wintermonaten um mindestens ein Drittel reduziert, wodurch die Grenze der Zumutbarkeit überschritten werde.
5
Der neu aufkommende Verkehr werde vollständig durch die Bestandswohngebiete über die beiden Wohnstraßen „… …“ und „…“ geleitet. Es würden 46 neue Bauplätze geschaffen, pro Grundstück seien Doppelhäuser und zwei Wohneinheiten möglich, sodass von zusätzlichen 164 Wohneinheiten auszugehen sei. Bei einem Erfahrungswert von 3,75 Fahrzeugbewegungen pro Wohneinheiten seien 690 Fahrzeugbewegungen durch die zukünftigen Anwohner zu erwarten. Werde dieser Wert um zwei Fahrzeugbewegungen für Besucher-, Versorgungs- und Dienstleistungsverkehr pro Tag für eine Wohneinheit erhöht, ergäben sich planbedingt maximal 1058 Fahrzeugbewegungen pro Tag. Es sei daher ein Lärmzuwachs weit über der Geringfügigkeitsgrenze zu erwarten. Es fehle an jeglichen Ermittlungen und Bewertungen des Antragsgegners hinsichtlich der neu hinzukommenden Verkehrs- (Lärm-) Belastung des Wohngrundstücks der Antragstellerin. Der Antragsgegner habe lediglich die Zahl der durch das neue Wohngebiet hinzukommenden Gebäude bei ausschließlicher Bebauung mit 46 Einzelhäusern in Relation zu den bereits im Ortsteil vorhandenen Wohngebäuden gesetzt. Die für die planbedingte Verkehrszunahme relevante Anzahl der zusätzlichen Wohneinheiten bei maximaler Ausnutzung des Bebauungsplans und die daraus resultierenden Fahrzeugbewegungen seien nicht ermittelt worden. Eine Analyse der Verkehrsströme habe weder für die an das zukünftige Baugebiet angrenzenden Wohngebiete noch für die innerörtlichen Durchgangsstraßen stattgefunden.
6
Der Bebauungsplan sei fehlerhaft bekannt gemacht worden. Die Bekanntmachung sei lediglich durch Anheftung an der Amtstafel vom 30. Juni 2023 bis 14. Juli 2023 erfolgt, obgleich der Antragsgegner ein Mitteilungsblatt mit der Rubrik „Aus dem Rathaus“ und „Amtliche Bekanntmachungen“ unterhalte und den Hinweis „Die in diesem Mitteilungsblatt abgedruckten gemeindlichen Nachrichten dienen lediglich der Information der Bürger. Amtliche Bekanntmachungen erfolgen an den Gemeindetafeln“ enthalte. Vom Durchschnittsbürger könne nicht erwartet werden, dass Bekanntmachungen für bestimmte Satzungen an den Gemeindetafeln zu suchen seien, wenn Bekanntmachungen für andere Satzungen, Verordnungen oder amtliche Bekanntmachungen allgemein im Mitteilungsblatt erfolgten.
7
Die Angaben zu umweltbezogenen Informationen in der Bekanntmachung vom Juli 2020 und der Auslegungsbekanntmachung seien unvollständig. Es sei kein Hinweis auf die Stellungnahmen zu den Themen Lichtverschmutzung, Verkehrsemissionen, Mikroklima, Klima und Klimawandel in den aufgeführten Stellungnahmen des BUND erfolgt und umweltbezogene Stellungnahmen privater Einwender seien nicht aufgeführt worden. Bezüglich der aufgeführten Planunterlagen Umweltbericht, Begründung zur Grünordnung, Spezieller artenschutzrechtlicher Fachbeitrag und der FFH-Verträglichkeitsabschätzung werde nicht dargelegt, welche Arten von umweltbezogenen Informationen diese enthielten. Auf den in den Planunterlagen enthaltenen Bericht der Firma … … vom 26. August 2018 werde nicht hingewiesen. Bei den unter dem Schlagwort „Immissionsschutz“ aufgeführten Stellungnahmen bleibe unklar, um welche Arten von Immissionen es sich handle (z.B. Geruch oder Lärm). Eine Unvollständigkeit und Selektion der umweltbezogenen Informationen ergebe sich bereits aus der Überschrift „Die wesentlichen umweltbezogenen Informationen“. Die auf der Website der Gemeinde erfolgte Bekanntmachung der Auslegung des Bebauungsplans in der Zeit vom 26. August 2019 bis 30. September 2019 sei ebenfalls fehlerhaft, da sie lediglich eine Auflistung der verfügbaren Bebauungsplanunterlagen in einem als „Verzeichnis der Unterlagen“ bezeichneten Dokument und keine Angaben zu umweltbezogenen Informationen enthalten habe.
8
Der Bebauungsplan entspreche nicht dem Planungswillen der Gemeinde, da die Festsetzung mit dem Planzeichen A.2.3 „Einzel- und Doppelhäuser zulässig“ im Übergang zur freien Landschaft nicht dem der Begründung zu entnehmenden planerischen Willen entspreche (Nrn. 5.1 und 5.3.5 der Begründung). Die fehlerhafte Festsetzung stelle eine zentrale Frage der Gesamtplanung dar und stehe mit dem Bebauungsplan in einem untrennbaren Zusammenhang. Es sei nicht anzunehmen, dass die Antragsgegnerin nach ihrem in der Begründung zum Ausdruck gekommenen Willen den Bebauungsplan in dieser Form beschlossen hätte; denn ohne die Einschränkung der Bebauung mit Einzelhäusern im Übergang zur freien Feldflur könne sie ihr städtebauliches Konzept nicht verwirklichen. Dem Bebauungsplan fehle es somit an der städtebaulichen Erforderlichkeit gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 BauGB.
9
Der Erlass der beantragten einstweiligen Anordnung sei zur Abwehr schwerer Nachteile, jedenfalls wegen der offensichtlichen Unwirksamkeit des Bebauungsplans „Vorderer Höchberg II“ aus anderen wichtigen Gründen im Sinne von § 47 Abs. 6 VwGO dringend geboten.
10
Die Antragstellerin beantragt,
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den Bebauungsplan der Antragsgegnerin „Vorderer Höchberg II“, bekanntgemacht am 30. Juni 2023, im Wege einer einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über den Normenkontrollantrag der Antragstellerin außer Vollzug zu setzen.
12
Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
14
Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt und eine einstweilige Anordnung sei weder zur Abwehr schwerer Nachteile noch aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten. Der Antragstellerin drohten durch die behauptete Verschattung keine schweren Nachteile, noch bestehe eine besondere Dringlichkeit; gleiches gelte hinsichtlich der behaupteten Verkehrszunahme. Das Grundstück der Antragstellerin befinde sich auf dem höchsten Punkt einer leichten Anhöhe des Geländes; das geplante Baugebiet liege wesentlich tiefer als ihr Anwesen. Eine mögliche Bebauung auf dem am nächsten zum Grundstück der Antragstellerin gelegenen Grundstück weise einen Abstand von mehr als 9 m zum Grundstück der Antragstellerin und von mehr als 20 m zum Wohngebäude der Antragstellerin auf. Damit sei ausgeschlossen, dass durch eine mögliche Bebauung im zukünftigen Baugebiet zu irgendeinem Zeitpunkt eine Verschattung der Photovoltaikanlage der Antragstellerin eintreten könne. Eine Verschattung wäre jedenfalls derart geringfügig, dass die Antragstellerin insoweit bereits nicht antragsbefugt sei. Das Bestandsgebäude westlich des Grundstückes der Antragstellerin weise lediglich einen Abstand von wenigen Metern zum Wohngebäude der Antragstellerin auf, sodass allenfalls hierdurch eine Verschattung der Westseite des Wohnhauses der Antragstellerin entstehen könne, nicht hingegen durch die zukünftige Bebauung. Eine Berücksichtigung der von der Antragstellerin behaupteten Belange im Rahmen des Abwägungsprozesses sei nicht erforderlich gewesen. Gleichwohl sei der vorhandene Ist-Zustand ermittelt und den weiteren Planungen zugrunde gelegt worden; dies ergebe sich aus den im Bebauungsplan eingetragenen Höhenmaße der nördlich angrenzenden Bestandsgebäude. Durch die Festsetzung einer maximalen Wandhöhe von 6 m werde eine maximal zulässige Bebauung inklusive des Daches durch den oberen Bezugspunkt begrenzt. Durch diese Höhenbegrenzung sei sichergestellt, dass die neu geplante Nachbarbebauung absolut zwischen 0,5 m und 1,7 m niedriger sei, als das Gebäude der Antragstellerin. Im Zuge der Entwicklung des Baugebiets sei der Abstand der Baufenster im nördlichen Bereich zur nördlichen Bestandsbebauung um ca. 1,5 m vergrößert worden. Zusätzlich sei gegenüber dem Vorentwurf vom 28. Juni 2018 ein Grünbereich zwischen bestehender Bebauung und der Neubebauung eingeplant und insbesondere auch auf eine Verdichtung direkt südlich des Grundstückes der Antragstellerin durch Entfall der Stichstraße mit einer möglichen zweizeiligen Bebauung verzichtet worden.
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Auch hinsichtlich der geltend gemachten Verkehrsbelastung sei die Antragstellerin bereits nicht antragsbefugt, da diese durch eine etwaige hinzukommende zusätzliche Verkehrsbelastung ebenfalls nur äußerst geringfügig zusätzlich belastet werde. Aus den textlichen Erläuterungen wie auch aus der Begründung zum Bebauungsplan ergebe sich eindeutig, dass die südlich der Erschließungsstraße gelegenen Baugrundstücke wie auch im östlichen Bereich lediglich mit Einzelhäusern bebaut werden dürften. Bei dem Planzeichen „ED“ für die südlich der Erschließungsstraße gelegenen Grundstücke handle es sich um ein offensichtliches Schreibversehen, dessen Ursache nicht mehr aufklärbar sei und das zeitnah korrigiert werde. Dies bedeute, dass von den 46 ausgewiesenen Grundstücken 28 Grundstücke mit Einzelhäusern und lediglich 18 weitere Grundstücke mit Einzel- und Doppelhäusern bebaut werden dürften. Es sei daher allenfalls von 64 Wohneinheiten im Baugebiet auszugehen. Dies führe unter Zugrundelegung von 3,75 Fahrzeugbewegungen pro Wohneinheit zu einer Gesamtzahl von zu erwartenden Fahrzeugbewegungen von maximal 240 pro Tag; unter Hinzurechnung von zwei Fahrzeugbewegungen pro Wohneinheit pro Tag für Besucher und Anlieferungsverkehr ergebe sich hieraus ein maximales Gesamtaufkommen von 368 Fahrzeugen pro Tag. Verteilt auf die beiden vorhandenen Erschließungsstraßen würde dies einer Zunahme des Fahrzeugverkehrs um 184 Fahrzeugbewegungen pro Tag entsprechen. Eine abwägungsrelevante Erheblichkeitsschwelle, die bei etwa 200 Fahrzeugbewegungen pro Tag angenommen werde, werde damit nicht überschritten. Ergänzend seien als Besonderheiten des Einzelfalls die naheliegende Bahnlinie, die geringe Entfernung zum Ortskern wie auch die Erstellung eines 2,5 m breiten Fußweges am nördlichen Randbereich zu berücksichtigen, die eine Abwicklung eines Teils des Verkehrsaufkommens fußläufig oder mit dem Rad erwarten ließen. Eine zusätzliche Verkehrsbelastung in der Straße „… …“ sei geringer zu erwarten als in der „…“. Die vorhandene Bebauung weise durch die Nähe zur Bahnstrecke sowie aufgrund der derzeitigen Nutzung des Plangebiets als landwirtschaftliche Fläche eine gewisse Vorbelastung auf, hinter der die Belastung durch die zu erwartende Zunahme der täglichen Fahrzeugbewegungen zurücktrete. Die Unerheblichkeit spiegele sich auch in der Einschätzung der Antragsgegnerin wieder, wonach für das gesamte Gemeindegebiet mit einem Anstieg der Fahrzeugbewegungen um 3,8% zu rechnen sei.
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In § 36 der Geschäftsordnung der Antragsgegnerin sei festgelegt, dass Satzungen und Verordnungen dadurch öffentlich bekannt gemacht würden, dass sie durch Anschlag an der Gemeindetafel bekannt gegeben und in der Verwaltung zur Einsichtnahme niedergelegt würden. Hierauf werde auch im Mitteilungsblatt der Antragsgegnerin hingewiesen. Der Antragsgegner habe den Bebauungsplan in der vorgesehenen Weise ordnungsgemäß bekannt gemacht.
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Die Angaben zu umweltbezogenen Informationen seien in der Auslegungsbekanntmachung vollständig und ausreichend gewesen; der Bericht der Firma … … vom 26. August 2018 sei unter dem Themenblock „sonstige umweltbezogenen Informationen“ aufgelistet. Die Stellungnahmen des BUND seien unter unterschiedlichen Themenblöcken explizit genannt.
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Zum weiteren Sach- und Streitstand wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, die vorgelegten Unterlagen und die beigezogenen Planakten des Antragsgegners verwiesen.
19
Der Antrag hat keinen Erfolg. Zweifel bestehen bereits hinsichtlich der Antragsbefugnis der Antragstellerin nach § 47 Abs. 6, Abs. 2 VwGO (1.). Jedenfalls ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO hier nicht dringend geboten (2.).
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1. Die geltend gemachte Verschattungswirkung rechtfertigt nicht die Annahme der Antragsbefugnis der Antragstellerin (a); auch hinsichtlich der als unzureichend ermittelt gerügten Verkehrszunahme erscheint eine abwägungsbeachtliche Betroffenheit der Antragstellerin zweifelhaft (b).
21
Die Antragsbefugnis im Verfahren nach § 47 Abs. 6 VwGO entspricht der des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO für das Normenkontrollverfahren (vgl. BayVGH, B.v. 19.3.2020 – 9 NE 19.2274 – juris Rn. 16). Nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren antragsbefugt, wer geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Antragsteller – wie hier – Eigentümer oder Nutzer von Grundstücken außerhalb des räumlichen Geltungsbereichs des angegriffenen Bebauungsplans kann die Antragsbefugnis insbesondere aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange aus § 1 Abs. 7 BauGB folgen; ein Antragsteller kann sich darauf berufen, dass seine abwägungserheblichen privaten Belange möglicherweise fehlerhaft abgewogen wurden. Drittschützenden Charakter hat das Abwägungsgebot aber nur hinsichtlich solcher privater Belange, die für die Abwägung erheblich sind. Deshalb muss ein Antragsteller, der in einem Normenkontrollantrag eine Verletzung des Abwägungsgebots geltend machen will, einen eigenen Belang als verletzt bezeichnen, der für die Abwägung beachtlich war. Bei Planbetroffenen außerhalb des eigentlichen Plangebiets liegt eine die Befugnis zur Einleitung eines Normenkontrollverfahrens begründende Rechtsverletzung im Sinne des § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO nur dann vor, wenn ein Antragsteller negativ, d. h. verletzend, in einem Interesse betroffen wird oder in absehbarer Zeit betroffen werden kann, das bei der Entscheidung über den Erlass oder den Inhalt dieser Rechtsvorschrift als privates Interesse des Antragstellers im Rahmen der Abwägung nach § 1 Abs. 7 BauGB berücksichtigt werden musste (vgl. BVerwG, B.v. 17.7.2019 – 3 BN 2.18 – juris Rn. 11; BVerwG, B.v. 9.11.1979 – 4 N 1.78, 4 N 2.79, 4 N 3.79, 4 N 4.79 – BVerwGE 59,87; BayVGH, B.v. 28.11.2023 – 2 NE 23.1881 – juris Rn. 10). Abwägungsbeachtlich sind dabei nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. Nicht abwägungsbeachtlich sind insbesondere geringwertige oder mit einem Makel behaftete Interessen sowie solche, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solche, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 10.7.2020 – 4 BN 50.19 – juris Rn. 6 m.w.N.; BayVGH, U.v. 19.5.2021 – 9 N 17.2284 – juris Rn. 16 m.w.N.). In diesem Zusammenhang muss auch eine gewisse Beeinträchtigungsintensität vorliegen (vgl. BVerwG, B.v. 19.2.1992 – 4 NB 11.91 – juris Rn. 13). Eine ruhige oder bislang unverbaute Wohnlage, die einem an den (bisherigen) Außenbereich angrenzenden Grundstück im Allgemeinen faktisch zukommen mag, begründet als solche grundsätzlich keine Antragsbefugnis; denn einen Rechtsanspruch oder auch nur ein schutzwürdiges Interesse auf Beibehaltung einer Ortsrandlage gibt es nicht (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 4 CN 1.98 – NVwZ 2000, 807 = juris Rn. 17; BayVGH, U.v. 9.3.2020 – 15 N 19.210 – juris Rn. 30; B.v. 19.8.2016 – 9 NE 16.1512 – juris Rn. 15).
22
Für die Prüfung der Antragsbefugnis kommt es grundsätzlich auf die Darlegungen der Antragstellerin im Normenkontrollverfahren an. Enthalten sie keine hinreichenden Tatsachen, die die Missachtung eines abwägungserheblichen Belangs im vorgenannten Sinn als möglich erscheinen lassen, ist die Antragsbefugnis zu verneinen (vgl. BayVGH, B.v. 11.10.2021 – 9 NE 21.2048 – juris Rn. 15; B.v. 8.7.2021 – 15 N 20.1810 – juris Rn. 19).
23
In der vorliegenden Situation waren nur die Lage sowie die Größe bzw. Höhe des vom Bebauungsplan in unmittelbarer Nähe zum Grundstück der Antragstellerin für zulässig erklärten Wohngebäudes und der durch die Ausweisung des Baugebiets insgesamt verursachte Verkehrslärm prinzipiell abwägungserheblich. Nach den dargelegten Maßstäben ist weder im Hinblick auf die geltend gemachte Verschattung der Photovoltaikanlage durch die mit dem Bebauungsplan ermöglichte Nachbarbebauung von der Antragsbefugnis der Antragstellerin auszugehen (a) noch erscheint diese im Hinblick auf die geltend gemachte Verkehrszunahme durch das neue Baugebiet gegeben (b).
24
a) Anhaltspunkte für die von der Antragstellerin behauptete, rechtsverletzende Verschattung ihres Grundstücks durch die zulässige Nachbarbebauung als Folge der Planung sind weder nachvollziehbar dargelegt noch erkennbar.
25
Unabhängig davon, dass grundsätzlich kein Anspruch aus dem Bauplanungsrecht besteht, vor jeder Beeinträchtigung der Belichtung, Belüftung und Besonnung verschont zu bleiben, scheidet eine Verletzung des hier allein in Frage stehenden Rücksichtnahmegebots regelmäßig aus, soweit die gesetzlich vorgeschriebenen Abstandsflächen eingehalten sind (vgl. BayVGH, B.v. 18.8.2022 – 1 NE 22.1002 – juris Rn. 15; B.v. 6.12.2021 – 15 ZB 21.2360 – juris Rn. 16; B.v. 7.2.2020 – 1 CS 19.2392 – juris Rn. 15). Die Antragstellerin stellt dies im Hinblick auf die in Nr. B.2.2.5 der textlichen Festsetzungen (maximale Wandhöhe) nicht in Frage. Sie macht auch keine Umstände geltend, auf Grund derer ausnahmsweise trotz Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächen eine rücksichtslose Situation entstehen könnte. Der Senat vermag eine solche Rücksichtslosigkeit insbesondere aufgrund der zulässigen maximalen Wandhöhe der Gebäude und der erhöhten Lage des Grundstücks der Antragstellerin auch nicht zu erkennen.
26
Auch der Umstand, dass auf dem Dach des Gebäudes, das sich auf dem Grundstück der Antragstellerin befindet, eine Photovoltaikanlage angebracht ist, zwingt zu keiner anderen Wertung. Bei der Nutzung einer solchen Anlage muss stets mit dem Eintritt von Verschattungen, die durch nachträglich errichtete Gebäude, die die gesetzlichen Abstandsflächen einhalten, gerechnet werden (BayVGH, B.v. 28.11.2023 – 2 NE 23.1881 – juris Rn. 11). Was die Gewichtung der betroffenen Belange angeht, ist zu berücksichtigen, dass von einer Verschattung am stärksten solche Photovoltaik-Elemente betroffen sind, die sich auf einem errichteten Gebäude in Ortsrandlage befinden. In diesem Bereich muss aber in besonderem Maße mit einer möglichen Beeinträchtigung durch eine veränderte Bebaubarkeit auf dem Nachbargrundstück gerechnet werden (vgl. OVG Rh-Pf, U.v. 13.1.2024 – 8 C 10495/22 – juris Rn. 82). Entgegen der Auffassung der Antragstellerin besteht kein Anspruch auf Fortbestand des Zustandes, dass ihr Grundstück bisher keine Verschattung durch Baulichkeiten im Plangebiet erfahren hat, ebenso wenig kann der Fortbestand einer bestmöglichen Ausnutzung der Photovoltaikanlage beansprucht werden. Bereits im Hinblick darauf, dass das Gebäude der Antragstellerin (..., Höhenquote des Bestandsgebäudes 278,31 m üNHN) höher ist als die auf den südlich und südwestlich benachbarten Grundstücken im Plangebiet zu erwartende Bebauung (oberer Bezugspunkt der baulichen Anlage 276,62 m üNHN bzw. 277,84 m üNHN) und nach den Festsetzungen des Bebauungsplanes eine mögliche Bebauung auf dem am nächsten zum Grundstück der Antragstellerin gelegenen Grundstück einen Abstand von mehr als 9 Meter zum Grundstück der Antragstellerin und zum ihrem Wohngebäude von mindestens 20 Metern aufweist, erscheint eine geltend gemachte unzumutbare Verschattungswirkung nicht plausibel. Unter Berücksichtigung des Vortrags der Antragstellerin, wonach die Besonnung der Süd- und Westfenster im Erdgeschoss in den Wintermonaten reduziert werde, wird dadurch, gemessen an der Besonnung über das Jahr verteilt, die Grenze der Zumutbarkeit nicht erreicht. Auch ist zu berücksichtigen, dass die Effizienz einer Photovoltaikanlage in den Wintermonaten ohnehin am geringsten sein wird; geringfügige Einbußen durch einen eventuellen Schattenwurf vor Sonnenuntergang erscheinen nicht unzumutbar. Dem abwägungsbeachtlichen Belang der Nutzung erneuerbarer Energien nach § 1 Abs. 6 Nr. 7 Buchst. f BauGB steht das Gebot des sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden gegenüber. Soweit die Antragstellerin geltend macht, die zu erwartende Verschattung ihres Hauses hätte durch einen südlicheren Straßenverlauf, eine andere Anordnung des Platzes oder eine andere Wahl der Zufahrt reduziert werden können, handelt es sich dabei um Kernfragen des der Gemeinde zukommenden Planungsermessens. Wegen dieses Planungsermessens erweist sich eine Bauleitplanung unter dem Gesichtspunkt der Alternativenabwägung nur dann als rechtsfehlerhaft, wenn sich eine andere als die gewählte Lösung unter Berücksichtigung aller abwägungserheblichen Belange als die bessere, weil öffentliche und private Belange schonendere Variante hätte aufdrängen müssen (vgl. OVG RhPf, U.v. 26.4.2023 – 8 C 10462/22 – juris Rn. 65). Dass sich die von der Antragstellerin gewünschte Variante als eine öffentliche und private Belange schonendere Variante hätte aufdrängen müssen, ist insbesondere unter Berücksichtigung des Gebots eines sparsamen und schonenden Umgangs mit Grund und Boden und der geplanten, ohnehin schon sehr aufgelockerten Bebauung nicht ersichtlich.
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b) Eine abwägungsbeachtliche Betroffenheit der Antragstellerin erscheint auch im Hinblick auf die geltend gemachte planbedingte Zunahme des Verkehrslärms zweifelhaft.
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Lärmschutzbelange betroffener Plannachbarn müssen grundsätzlich dann als für die Planung bedeutsame öffentliche und private Belange (Abwägungsmaterial) ermittelt und bewertet (§ 2 Abs. 3 BauGB) sowie gegeneinander und untereinander gerecht abgewogen werden (§ 1 Abs. 7 BauGB), wenn die Lärmbelastung – z.B. aufgrund der zu prognostizierenden zusätzlichen Verkehrsbelastung – infolge des Bebauungsplans ansteigt (vgl. BVerwG, B.v. 6.3.2013 – 4 BN 39.12 – BayVBl 2013, 545; BayVGH, B.v. 19.8.2016 – 9 NE 16.1512 – juris Rn. 15; U.v. 24.11.2017 – 15 N 16.2158 – BayVBl 2018, 814; B.v. 18.12.2023 – 2 N 21.859 – juris Rn. 17).
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Die Abwägungsrelevanz ist dann zu verneinen, wenn das Interesse, vor einer Verkehrslärmzunahme bewahrt zu bleiben, mit so geringem Gewicht zu Buche schlägt, dass es als planungsrechtlich vernachlässigenswerte Größe außer Betracht bleiben kann (vgl. BVerwG, B.v. 8.6.2004 – 4 BN 19.04 – BauR 2005, 829; B.v. 11.8.2015 – 4 BN 12.15 – BRS 83 Nr. 49; BayVGH, U.v. 16.5.2017 – 15 N 15.1485 – BayVBl 2019, 307). Wann dies der Fall ist, lässt sich nicht anhand fester Maßstäbe beurteilen. Die Frage ist jeweils unter Würdigung der konkreten Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.2017 – 4 BN 35.17 – BRS 85 Nr. 193; BayVGH, B.v. 3.3.2017 – 15 NE 16.2315 – NVwZ-RR 2017, 558; U.v. 28.4.2017 – 15 N 15.967 – juris; NdsOVG, U.v. 4.5.2023 – 1 KN 105/21 – juris Rn. 26). Ein Unterschreiten der abwägungsirrelevanten Bagatellgrenze hat die Rechtsprechung vor allem in Fällen einer durch das Hinzukommen von nur wenigen Wohnhäusern verursachten Verkehrslärmbelastung angenommen. So hat das Bundesverwaltungsgericht den durch einen Bebauungsplan ermöglichten zusätzlichen Verkehr von 20 bis 30 Einzel- oder Doppelwohnhäusern, der teilweise am Grundstück des dortigen Antragstellers vorbeigeführt wurde, für so geringfügig gehalten, dass es die Antragsbefugnis verneint hat (vgl. BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 4 CN 1.98 – NVwZ 2000, 807; ähnlich BayVGH, B.v. 19.8.2016 – 9 NE 16.1512 – juris; VGH BW, U.v. 21.4.2015 – 3 S 748/13 – NuR 2015, 647 = juris Rn. 28; OVG SA, B.v. 8.1.2015 – 2 R 94/14 – UPR 2015, 232). Der Hessische Verwaltungsgerichtshof (vgl. HessVGH, U.v. 29.06.2016 – 4 C 1440/14.N – ZfBR 2016, 803 sowie die weiteren Nachweise bei HessVGH, U.v. 17.8.2017 – 4 C 2760/16.N – ZfBR 2018, 77) geht davon aus, dass die Betroffenheit der Anlieger bei einer voraussichtlichen Zunahme des Verkehrs von bis zu 200 Fahrzeugbewegungen in der Regel täglich nur geringfügig und daher nicht mehr abwägungsrelevant ist. Dabei hat er unter Zugrundelegung eines Erfahrungswerts von 1,5 Fahrzeugen pro Wohneinheit mit jeweils 2,5 Fahrzeugbewegungen insgesamt 3,75 tägliche Fahrzeugbewegungen pro Wohneinheit angesetzt. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist dieser Rechtsprechung – unter dem Vorbehalt der Berücksichtigung besonderer Umstände des Einzelfalls sowie unter einem Zuschlag von zwei Fahrten pro Wohneinheit am Tag für Besucher-, Versorgungs- und Dienstleistungsverkehr – grundsätzlich gefolgt (vgl. BayVGH, U.v. 16.5.2017 – 15 N 15.1485 – BayVBl 2018, 307 sowie im Anschluss BVerwG, B.v. 24.8.2017 – 4 BN 35.17 – BRS 85 Nr. 193; vgl. im Nachgang hierauf Bezug nehmend: BayVGH, B.v. 18.12.2023 – 2 N 21.859 – juris Rn. 17; B.v. 6.8.2019 – 15 NE 19.635 – juris; B.v. 6.8.2019 – 15 NE 19.636 – juris; B.v. 28.11.2019 – 1 NE 19.1502 – juris; Hess-VGH, U.v. 17.8.2017 – 4 C 2760/16.N – ZfBR 2018, 77; OVG Rh-Pf, U.v. 18.4.2018 – 1 C 11559/16 – juris; OVG NRW, U.v. 5.12.2017 – 10 D 97/15.NE – NuR 2018, 138; U.v. 26.6.2018 – 10 D 51/16.NE – juris).
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Gemessen hieran ist eine abwägungsrelevante, planbedingte Verkehrszunahme für die am Grundstück der Antragstellerin vorbeiführende Straße fraglich. Zwar umfasst das ausgewiesene Wohngebiet 46 Wohnbaugrundstücke, die laut Planzeichen „ED“ mit Einzel- oder Doppelhäusern bebaut werden können. Der Antragsgegner hat aber darauf hingewiesen, dass dieses Planzeichen für die südlichen Grundstücke des Plangebiets versehentlich festgesetzt wurde und eine kurzfristige Änderung dessen in Aussicht gestellt.
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Abgesehen davon limitiert das festgesetzte Maß die bauliche Nutzung deutlich: Unter Berücksichtigung der festgesetzten GRZ von 0,4, den Wandhöhen von 6 m bzw. 3,5 m im südlichen Bereich und den Gebäudehöhen sieht die Planung eine relativ aufgelockerte Bebauung vor. Bei Wandhöhen von 3,5 m und einer GRZ von 0,4 erscheint die von der Antragstellerin angestellte Berechnung von 4-facher Ausnutzung der Parzellen trotz des Planzeichens „ED“ und der Zulassung von zwei Wohneinheiten nicht plausibel.
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Die im Plangebiet vorgesehene Erschließungsstraße mündet im östlichen Planbereich in die „…“, lediglich im nordwestlichen Planbereich ist eine Mündung in die Straße „… …“ vorgesehen. Ausweislich der Begründung soll das geplante Baugebiet als Erweiterung durch einen Ringschluss an die beiden vorhandenen Wohnstraßen „… …“ bzw. die „…“ angeschlossen werden. Am nördlichen Randbereich sei der eingeplante Fußweg mit 2,5 m Breite großzügig bemessen, um eine alternative Fußwegverbindung vor allem für den Schulweg anzubieten (vgl. Begründung S. 12). Einwendungen bezüglich der entstehenden Verkehrsbelastung wurden vom Antragsgegner dahingehend abgewogen, dass das neue Wohngebiet mit 49 Grundstücken im Vergleich zu den 1284 bereits vorhandenen Wohngebäuden im Gemeindegebiet lediglich einen Zuwachs von 3,8% verursache.
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Für die persönliche Betroffenheit der Antragstellerin kann nur eine zusätzliche Verkehrsbelastung über die Straße „… …“ von besonderer Relevanz sein, da das Grundstück der Antragstellerin auch nur hieran angrenzt. Schon jetzt ist das Grundstück der Antragstellerin dem Anliegerverkehr aus dem westlich gelegenen Wohngebiet ausgesetzt. Zudem wird der durch den Bebauungsplan ermöglichte zusätzliche Verkehr durch 46 Baugrundstücke nur teilweise an dem Grundstück der Antragstellerin vorbeigeführt werden; denn das Baugebiet ist auch über die „…“ zugänglich, so dass sich der Zu- und Abgangsverkehr auf zwei Zufahrtsstraßen verteilt (vgl. für 20 bis 30 Einzel- oder Doppelhäuser: BVerwG, U.v. 21.10.1999 – 4 CN 1/98 – juris Rn. 17). Unter Berücksichtigung der geplanten Verkehrswege dürften die planbedingt hervorgerufenen Verkehrsbewegungen zu einem großen Teil in die … münden. Damit ist selbst bei einer zugrunde gelegten Bebauung mit Doppelhäusern im gesamten Plangebiet nicht davon auszugehen, dass sämtliche der davon ausgelösten Verkehrsbewegungen über die Straße „… …“ abgewickelt werden. Entgegen der Darstellung der Antragstellerin ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der gesamte westliche Planbereich über die Straße „… …“ verkehrlich abgewickelt werden soll, wenn die dort geplante Erschließungsstraße direkt in die … mündet.
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Selbst wenn der Antragsgegner im Rahmen der Abwägung entgegen der Festsetzung von Einzel- und Doppelhäusern für das gesamte Plangebiet durch Planzeichen „ED“ fälschlicherweise davon ausgegangen sein sollte, dass in der südlichen Zeile im Übergang zum Naturraum nur Einzelhäuser verwirklicht werden dürfen, dürfte die zu betrachtende Immissionsbelastung durch zusätzlichen Verkehr nicht zu einer abwägungsbeachtlichen Belastung der Antragstellerin führen, da sich die Verkehrsströme – wie dargestellt – auf die beiden Straßen „… …“ und „…“ aufteilen. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass am nördlichen Randbereich ein durchgängiger, 2,5 m breiter Fußweg vorgesehen ist, der einen Teil von Verkehrsbewegungen ohne Kraftfahrzeug erwarten lässt.
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Nach den dargelegten Gegebenheiten werden die durch die geplante Wohnnutzung entstehenden Verkehrslärmemissionen das Wohngrundstück der Antragstellerin voraussichtlich allenfalls geringfügig beeinträchtigen und erscheint die Antragsbefugnis der Antragstellerin daher zweifelhaft.
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2. Die Zulässigkeit des Antrags im Hinblick auf die Antragsbefugnis kann jedoch dahinstehen, da eine einstweilige Anordnung jedenfalls nicht dringend geboten ist (§ 47 Abs. 6 VwGO).
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Nach § 47 Abs. 6 VwGO kann das Gericht auf Antrag eine einstweilige Anordnung erlassen, wenn dies zur Abwehr schwerer Nachteile oder aus anderen wichtigen Gründen dringend geboten ist. § 47 Abs. 6 VwGO stellt an die Aussetzung einer Norm erheblich strengere Anforderungen als § 123 VwGO sie sonst an den Erlass einer einstweiligen Anordnung stellt. Eine Außervollzugsetzung ist nur in besonders gelagerten Ausnahmefällen gerechtfertigt, die durch Umstände gekennzeichnet sind, die den Erlass einer einstweiligen Anordnung unabweisbar erscheinen lassen (vgl. BVerwG, B.v. 18.5.1998 – 4 VR 2.98 – NVwZ 1998, 1065; OVG NRW, B.v. 18.8.2023 – 2 B 349/23.NE – juris Rn. 20). Eine einstweilige Anordnung kann ergehen, wenn der Vollzug der Norm vor einer Entscheidung in der Hauptsache Auswirkungen befürchten lässt, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragsteller, betroffener Dritter oder der Allgemeinheit so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung mit Blick auf die Wirksamkeit und Umsetzbarkeit einer für die Antragsteller günstigen Entscheidung im Hauptsacheverfahren geboten und unaufschiebbar ist (vgl. BayVGH, B.v. 20.12.2022 – 1 NE 22.2132 – juris Rn. 16; B.v. 26.3.2014 – 9 NE 13.2213 – juris Rn. 16 jeweils m.w.N.). Dies kann etwa angenommen werden, wenn vollendete Tatsachen entstehen, die den vom Antragsteller nachgesuchten Rechtsschutz leerlaufen ließen (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2019 – 1 NE 18.2637 – juris Rn. 13). Grundsätzlich stellt der bloße Vollzug eines Bebauungsplans jedoch keinen schweren Nachteil im Sinn des § 47 Abs. 6 VwGO dar (vgl. BayVGH, B.v. 21.4.2015 – 9 NE 15.377 – juris Rn. 26; B.v. 15.2.2021 – 1 NE 20.1813 – juris Rn. 19). Es bedarf in einem Normenkontrolleilverfahren keiner Entscheidung, ob ein Normenkontrollantrag voraussichtlich Erfolg haben wird, wenn es selbst dann an schweren Nachteilen oder anderen wichtigen Gründen fehlt, die unter Berücksichtigung der Belange des Rechtsschutzsuchenden, betroffener Dritter und/oder der Allgemeinheit aus dem weiteren Vollzug des Bebauungsplans bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren entstehen und mithin eine vorläufige Regelung unaufschiebbar machen könnten (vgl BayVGH, B.v. 15.2.2021 – 1 NE 20.1813 – juris).
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Unter Anwendung dieser Grundsätze ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 47 Abs. 6 VwGO hier nicht dringend geboten. Selbst unter der Prämisse, dass der Normenkontrollantrag zulässig sein sollte, lässt – auch bei einem möglichen Obsiegen in der Hauptsache – ein weiterer Vollzug des Bebauungsplans vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren keine Nachteile befürchten, die unter Berücksichtigung der Belange der Antragstellerin so gewichtig sind, dass eine vorläufige Regelung unaufschiebbar ist.
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Hinsichtlich der geltend gemachten Verschattung ist – wie ausgeführt – ein schwerer Nachteil nicht ersichtlich. Die Einwendungen der Antragstellerin gegen die verkehrliche Erschließung, insbesondere eine geltend gemachte planbedingte Zunahme des Verkehrslärms lassen keinen schweren Nachteil im Sinn von § 47 Abs. 6 erkennen, dessen Vermeidung eine vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans erfordern würde. Eine Beeinträchtigung der Antragstellerin durch die entstehenden Verkehrslärmemissionen der geplanten Wohnnutzung erscheint geringfügig, eine dahingehende Dringlichkeit wurde schon nicht geltend gemacht. Abgesehen davon, dass der der bloße Vollzug eines Bebauungsplans noch keinen schweren Nachteil in diesem Sinne darstellt, kann nicht außer Betracht bleiben, dass eine planbedingte Mehrbelastung an Verkehr nicht sofort im vollen Umfang eintreten kann, sondern nur sukzessive mit der Umsetzung des Bebauungsplans, die eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen wird (vgl. BayVGH, B.v. 26.3.2014 – 9 NE 13.2213 – juris Rn. 19). Eine vertiefte Prüfung im Hinblick auf eine beachtliche planbedingte Verkehrszunahme kann insoweit dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben.
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Dass der Bebauungsplan im Hinblick darauf, dass die Festsetzung von Einfamilien- und Doppelhäusern im südlichen Planbereich laut Begründung nicht dem planerischen Willen der Gemeinde entspricht und damit entsprechend der Ankündigung des Antragsgegners die Durchführung eines ergänzenden Verfahrens nach § 214 Abs. 4 BauGB erfordern dürfte, rechtfertigt eine vorläufige Außervollzugsetzung des Bebauungsplans nicht. Im ergänzenden Verfahren sind Fehler auch rückwirkend behebbar, sofern sie nicht wegen ihrer Schwere die Planung als Ganzes von vornherein in Frage stellen (vgl. BVerwG, B.v. 10.11.1998 – 4 BN 45/98 – NVwZ 1999, 420; BayVGH, B.v. 30.8.2013 – 15 NE 13.1692 – juris Rn. 24). Das ergänzende Verfahren dient der punktuellen Nachbesserung einer im Übrigen intakten Gesamtplanung (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, BauGB, Stand: Januar 2024, § 214 Rn. 223). Die Fortsetzung des Verfahrens beginnt an der Stelle, wo der Fehler passiert ist (vgl. Stock in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, a.a.O. Rn. 242). Um einen solchen gravierenden Fehler handelt es sich bei dem fälschlicherweise festgesetzten Planzeichen „ED“ vorliegend nicht. Zu berücksichtigen dürfte im ergänzenden Verfahren allerdings sein, dass der Planentwurf bereits im Rahmen der Auslegung einheitlich das Planzeichen „ED“ aufgewiesen hat. Ein ohne Weiteres nach § 214 Abs. 4 BauGB heilbarer Fehler kann jedoch einem Antrag nach § 47 Abs. 6 VwGO nicht zum Erfolg verhelfen (vgl. BayVGH, B.v. 26.2.2018 – 15 NE 17.2429 – juris Rn. 15; OVG NW, B.v. 14.7.2014 – 2 B 581/14.NE – juris Rn. 32 ff.; NdsOVG, B.v. 15.11.2000 – 1 M 3238/00 – juris). Aus diesem Grund können auch die geltend gemachten Bekanntmachungsfehler nicht den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertigen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
42
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 und 8 GKG. Sie orientiert sich an Nummern 1.5 und 9.8.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
43
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).