Titel:
Fehlerhaft unterbliebene Einbeziehung von Bereichen in Wasserschutzgebiet
Normenketten:
VwGO § 47
WHG § 51
BayVwVfG Art. 73 Abs. 3 S. 1
BayWG Art. 73 Abs. 4 S. 3
Leitsätze:
1. Wird aufgrund der Nichteinbeziehung eines erheblichen Gebietsteils in das festgesetzte Wasserschutzgebiet das mit der Festsetzung angestrebte Schutzziel verfehlt, die öffentliche Wasserversorgung zu sichern, fehlt es an der Erforderlichkeit für das Allgemeinwohl iSd § 51 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 WHG. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
2. An die Substanziierungslast privater Einwender nach Art. 73 Abs. 3 S. 1 BayWG iVm Art. 73 Abs. 4 S. 3 BayVwVfG sind nur geringe Anforderungen zu stellen. (Rn. 27) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Normenkontrollantrag gegen eine Wasserschutzgebietsverordnung, Präklusion im Normerlassverfahren (verneint), räumliche Ausdehnung des Schutzgebiets, „Zuwenig“ an Schutz, Normenkontrollantrag, Wasserschutzgebietsverordnung, Präklusion, öffentliche Wasserversorgung, Wohl der Allgemeinheit, DVGW-Arbeitsblatt W 101, Brunnen, Einwendungslast
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26814
Tenor
I. Die Normenkontrollsachen Az. 8 N 22.88, 8 N 22.97 und 8 N 22.98 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. §§ 1 bis 8 und § 10 der Verordnung des Landratsamtes B. T.-W. über das Wasserschutzgebiet Gaißach-Rain in der Gemeinde G. im Landkreis B. T.-W. für die öffentliche Wasserversorgung der Gemeinde G. und der Stadtwerke B. T. GmbH vom 28. Dezember 2020, bekanntgemacht im Amtsblatt für Landkreis und Landkreis B. T.-W. vom 13. Januar 2021, in der Fassung der Änderungsverordnung vom 2. April 2024, bekanntgemacht im o.g. Amtsblatt vom 4. April 2024, sind unwirksam.
III. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsgegner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Antragsteller vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Gegenstand der Normenkontrolle ist die Verordnung des Landratsamtes B. T.-W. über das Wasserschutzgebiet Gaißach-Rain in der Gemeinde G. im Landkreis B. T.-W. für die öffentliche Wasserversorgung der Gemeinde G. und der Stadtwerke B. T. GmbH vom 28. Dezember 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 2. April 2024. Die am 13. Januar 2021 im Amtsblatt bekanntgemachte Verordnung wurde am 14. Januar 2021 in Kraft gesetzt (vgl. § 10 der Verordnung [WSG-VO]); gleichzeitig wurde die bisherige Schutzgebietsverordnung vom 6. Juli 1976 außer Kraft gesetzt. Die am 4. April 2024 im Amtsblatt bekanntgemachte Änderungsverordnung wurde am 5. April 2024 in Kraft gesetzt.
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Das Schutzgebiet dient der Sicherung der öffentlichen Wasserversorgung der Beigeladenen zu 1 und 2. Es besteht aus drei Fassungsbereichen, zwei engeren Schutzzonen A und B sowie einer weiteren Schutzzone. Mit dem Schutzgebiet werden insgesamt fünf Brunnen unter Schutz gestellt. Aus dem 1971 errichteten „Brunnen Gaißach“ bezieht die Beigeladene zu 1 ihr Trinkwasser. Die Beigeladene zu 2 fördert Trinkwasser aus den Brunnen 1 und 2 (erbaut 1972) und 3 und 4 (erbaut 2004).
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Die Antragsteller sind Eigentümer von Grundstücken im Wasserschutzgebiet.
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Unter dem 15. März 2013 beantragte die Beigeladene zu 2 beim Landkreis B. T.-W. die Änderung und Neuausweisung eines Wasserschutzgebiets für das Wassergewinnungsgebiet Gaißach-Rain mit den Brunnen 1 bis 4 der Stadtwerke B. T. GmbH und dem Brunnen der Gemeinde G. . Dem Schutzgebietsvorschlag liegt eine Jahresentnahmemenge von insgesamt 1.940.000 m3 zugrunde (Beigeladene zu 1: 290.000 m3/a; Beigeladene zu 2: 1.650.000 m3/a).
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Die Antragsunterlagen mit Schutzgebietsvorschlag wurden bei der Gemeinde G. vom 12. September 2013 bis 14. Oktober 2013 und bei der Gemeinde L. vom 16. September bis 17. Oktober 2013 ausgelegt. Die Rechtsvorgänger der Antragsteller zu 1 und 2 und die Antragstellerin zu 3 erhoben mit anwaltlichem Schreiben vom 28. Oktober 2013 Einwendungen. Der Bedarf sei zu hoch angesetzt worden. Die Dimensionierung des Schutzgebiets basierend auf der Annahme, dass mit jedem Brunnen der Bedarf gedeckt werden kann, gehe zu weit. Die Unterteilung der engeren Schutzzone sei nicht zu begründen. Versorgungsalternativen seien nicht ausreichend berücksichtigt worden. Der Brunnen Elbach könne weiterbetrieben werden; zudem sei eine Mitversorgung im Verbund mit der Gemeinde L. möglich. Eine vollständige fachliche Überprüfung der ausgelegten Unterlagen sei innerhalb der Einwendungsfrist nicht möglich gewesen; etwaige Einwände würden ggf. nachgereicht.
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Am 28. April 2017 fand ein Erörterungstermin statt. Im Anschluss ergänzte die Beigeladene zu 2 ihre Unterlagen zur Alternativenprüfung. Das Landratsamt nahm in Abstimmung mit dem Wasserwirtschaftsamt Änderungen des Verbotskatalogs vor (§ 3 WSG-VO-E). Die Antragsteller erhielten jeweils Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Am 13. Januar 2022 haben die Antragsteller Normenkontrollanträge stellen lassen. Die Begründung ergänzen sie erstmals in der mündlichen Verhandlung am 23. April 2024 um den Einwand, das Schutzgebiet sei nach Süden zu kurz bemessen.
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Die Antragsteller beantragen zuletzt,
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§§ 1 bis 8 und § 10 der Verordnung des Landratsamtes B. T.-W. über die Neufestsetzung des Wasserschutzgebiets Gaißach-Rain in der Gemeinde G. im Landkreis B. T.-W. für die öffentliche Wasserversorgung der Gemeinde G. und der Stadtwerke B. T. GmbH vom 28. Dezember 2020, bekanntgemacht am 13. Januar 2021 im Amtsblatt für Landkreis und Landkreis B. T.-W., in der Fassung der Änderungsverordnung vom 2. April 2024, bekanntgemacht im o.g. Amtsblatt am 4. April 2024, sind unwirksam.
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Der Antragsgegner beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Er verteidigt die angegriffene Verordnung und tritt den Einwendungen der Antragsteller entgegen. Mit ihrer erstmals in der mündlichen Verhandlung erhobenen Einwendung, das Schutzgebiet sei nach Süden zu kurz dimensioniert, seien diese präkludiert.
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Die nicht anwaltlich vertretenen Beigeladenen stellen keinen Antrag.
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Der Senat hat am 23. April 2024 mündlich verhandelt. Auf eine weitere mündliche Verhandlung haben alle Beteiligten verzichtet.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Der Senat entscheidet über die Normenkontrollanträge der Antragsteller ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO). Alle Beteiligten haben hierzu in der mündlichen Verhandlung ihr Einverständnis erklärt; die Erklärung kann von den Beigeladenen ohne anwaltliche Vertretung (§ 67 Abs. 4 VwGO) wirksam abgegeben werden (vgl. BVerwG, U.v. 28.4.1981 – 2 C 51.78 – BVerwGE 62,169 = juris Rn. 17; B.v. 8.11.2005 – 10 B 45.05 – juris Rn. 6; BayVGH, U.v. 8.4.2020 – 8 N 16.2210 u.a. – BayVBl 2020, 556 = juris Rn. 19).
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Die zulässigen Normenkontrollanträge haben Erfolg.
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Die Normenkontrollanträge sind zulässig, insbesondere statthaft (§ 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO, Art. 4 Satz 1 AGVwGO). Die Antragsteller sind antragsbefugt nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Sie machen geltend, als Eigentümer im Geltungsbereich der Verordnung liegender Grundstücke von rechtswidrigen Nutzungsbeschränkungen betroffen zu sein (stRspr, vgl. nur BayVGH, U.v. 16.8.2022 – 8 N 19.1138 – juris Rn. 35 m.w.N.). Im Übrigen ist die Jahresfrist nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO eingehalten.
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Die Normenkontrollanträge sind begründet.
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Die Verordnung vom 28. Dezember 2020 in der Fassung der Änderungsverordnung vom 2. April 2024 (im Folgenden: WSG-VO) ist – soweit sie von den Antragstellern angegriffen wird (§§ 1 bis 8, § 10 WSG-VO) – unwirksam. Die Festsetzung des streitbefangenen Wasserschutzgebiets ist nicht erforderlich, weil sie ihren Zweck, die öffentliche Wasserversorgung der Beigeladenen zu sichern, nicht erreichen kann.
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1. Rechtsgrundlage der angegriffenen Verordnung ist § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 WHG. Hiernach können Wasserschutzgebiete festgesetzt werden, soweit es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, Gewässer im Interesse der derzeit bestehenden oder künftigen öffentlichen Wasserversorgung vor nachteiligen Einwirkungen zu schützen.
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Der gerichtlich voll überprüfbare Begriff der Erforderlichkeit für das Allgemeinwohl umfasst sachliche und räumliche Kriterien. Sachlich muss das geschützte Wasservorkommen schutzwürdig, schutzbedürftig und schutzfähig sein. Räumlich werden der Ausdehnung des Wasserschutzgebiets in zweierlei Hinsicht Grenzen gesetzt. Zum einen ist ein „Zuviel“ an Schutz unzulässig; die mit der Ausweisung eines Wasserschutzgebiets einhergehende Beschränkung der Eigentümerbefugnisse aus Art. 14 Abs. 1 GG muss von den Betroffenen nur hingenommen werden, wenn von ihrem Grundstück Einwirkungen auf das zu schützende Grundwasser ausgehen können (vgl. BVerfG, B.v. 6.9.2005 – 1 BvR 1161/03 – NVwZ 2005, 1412 = juris Rn. 26; BVerwG, B.v. 23.1.1984 – 4 B 157.83 u.a. – DVBl 1984, 342 = juris Rn. 4). Umgekehrt ist auch ein „Zuwenig“ an Schutz relevant. Ist ein Wasserschutzgebiet kleiner als es sein Schutzzweck erfordert, ist seine Festsetzung nicht erforderlich (vgl. Ormond in Schink/Fellenberg, GK-WHG, 1. Aufl. 2021, § 51 Rn. 46; Salzwedel, ZfW 1992, 397/400). Zwar ist die Behörde nicht verpflichtet, einzelne Grundstücke bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 WHG in den Geltungsbereich einer Schutzgebietsverordnung einzubeziehen; ihr steht ein Ermessen zu, wie sie den gebotenen Schutz des Wasservorkommens letztlich gewährleisten will. Diese Ermessensentscheidung muss sich aber an einem nachvollziehbaren Schutzkonzept messen lassen; eine fehlerhaft unterbliebene Einbeziehung von Bereichen des Einzugsgebiets darf den wirksamen Schutz des Grundwassers und damit die Eignung des Wasserschutzgebiets für den verfolgten Zweck nicht infrage stellen. Besteht kein tragfähiges Konzept und wird deshalb das Schutzziel verfehlt, so erweist sich die Festsetzung als nicht zum Wohl der Allgemeinheit erforderlich (vgl. BVerwG, U.v. 2.8.2012 – 7 CN 1.11 – NVwZ 2013, 227 = juris Rn. 23; U.v. 26.11.2015 – 7 CN 1.14 – NVwZ 2016, 609 = juris Rn. 26; BayVGH, U.v. 5.10.2021 – 8 N 17.1354 u.a. – juris Rn. 47).
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2. Ausgehend von diesen Grundsätzen erweist sich die Festsetzung des streitbefangenen Wasserschutzgebiets als nicht erforderlich. Die oberstromige Grenze des Schutzgebiets im Süden unterschreitet in erheblicher Weise den erforderlichen Mindestabstand von den Brunnen. Damit kann die Festsetzung den verfolgten Zweck, die öffentliche Wasserversorgung der Beigeladenen zu sichern, nicht erreichen.
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In Grundwasserleitern mit Abstandsgeschwindigkeiten über 5 m/d – wie sie hier mit 7,4 m/d vorliegen (vgl. Vorschlag für die Neubemessung eines Trinkwasserschutzgebiets [im Folgenden: Schutzgebietsvorschlag], Antragsunterlagen Anlage 7.1 S. 17) – empfiehlt das DVGW-Arbeitsblatt W 101, das als „antizipierte Sachverständigengutachten“ herangezogen werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 26.6.2020 – 7 BN 3.19 – NJW 2020, 3672 = juris Rn. 11), eine Entfernung der Grenze zwischen den Zonen III B und III A von ca. 3 km (vgl. dort S. 15 [Fassung März 2021] bzw. S. 11 [Fassung Juni 2006]). In Bayern wird diese fachliche Empfehlung mit der Einschränkung angewandt, dass Teileinzugsgebiete mit geringer Schutzbedürftigkeit (Zuspeisungswahrscheinlichkeit < 25%) nicht in den Schutzgebietsumgriff einbezogen werden (vgl. Bayerisches Landesamt für Umwelt [LfU], Merkblatt Nr. 1.2/7, Wasserschutzgebiete für die öffentliche Wasserversorgung, Januar 2010, S. 17, 20 und Anlage 1 [Flussdiagramm]). Die Gutachterin der Beigeladenen zu 2 hat dieses Schutzkonzept nicht fachgerecht angewandt (vgl. Schutzgebietsvorschlag S. 17). Ihre Einschätzung, die Zuspeisungswahrscheinlichkeit am Südrand des Wasserschutzgebiets betrage weniger als 25%, weshalb ab dort nur noch eine geringe Schutzbedürftigkeit vorliege, hat sich nach nochmaliger Prüfung des amtlichen Sachverständigen als unzutreffend erwiesen. Dessen Berechnung hat vielmehr ergeben, dass die Grenze der Zuspeisungswahrscheinlichkeit von 25% oberstromig wesentlich weiter als 3 km von den Wassergewinnungsanlagen entfernt ist. Andere fachliche Gründe, die eine geringe Schutzbedürftigkeit des nicht festgesetzten Teileinzugsgebiets stützen könnten, hat er nicht erkannt (vgl. Wasserwirtschaftsamt [WWA], Stellungnahme vom 2.7.2024 S. 4).
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Durch die Nichteinbeziehung eines erheblichen Teils des oberstromigen Wassereinzugsgebiets in das festgesetzte Wasserschutzgebiet wird das mit der Festsetzung angestrebte Schutzziel verfehlt, die öffentliche Wasserversorgung der Beigeladenen zu sichern. Es ist weder dargelegt noch sonst erkennbar, dass durch andere Maßnahmen ein vergleichbares Schutzniveau für das Grundwasser gewährleistet werden kann. Damit fehlt der Festsetzung des Wasserschutzgebiets die nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes gebotene Eignung (vgl. BVerwG, B.v. 29.9.2010 – 7 BN 1.10 – juris Rn. 8; BayVGH, U.v. 27.11.2012 – 22 N 09.2974 – juris Rn. 34; OVG NW, U.v. 18.11.2015 – 11 A 3048/11 – ZfB 2016, 33 = juris Rn. 170).
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3. Die Antragsteller sind mit ihrer erstmals in der mündlichen Verhandlung am 23. April 2024 erhobenen Einwendung, das Schutzgebiet sei im Süden mit einem Abstand von 1,64 km zum südlichsten Brunnen zu klein festgesetzt worden, nicht nach Art. 73 Abs. 3 Satz 1 BayWG i.V.m. Art. 73 Abs. 4 Satz 3 BayVwVfG präkludiert.
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Zwar haben die Antragsteller dazu in ihrem anwaltlichen Einwendungsschreiben vom 28. Oktober 2013 (Behördenakte [BA] S. 99 ff.) keinerlei Ausführungen gemacht. Eine solche hydrogeologische Auseinandersetzung konnte von ihnen innerhalb der relativ kurzen Einwendungsfrist aber nicht verlangt werden. An die Substanziierungslast privater Einwender sind nur geringe Anforderungen zu stellen. Diese müssen – anknüpfend an die ausgelegten Unterlagen – in groben Zügen darlegen, welches Schutzgut sie als gefährdet ansehen und welche Beeinträchtigungen sie befürchten. Die konkreten Anforderungen orientieren sich an den Möglichkeiten betroffener Laien in ihrer Lage und mit ihrem eigenem Kenntnis- und Erfahrungshorizont. Weitergehende Ausführungen, die einen fachlich-wissenschaftlichen Sachverstand voraussetzen, können regelmäßig nicht verlangt werden (vgl. BVerwG, U.v. 14.7.2011 – 9 A 14.10 – NVwZ 2012, 180 = juris Rn. 17; U.v. 30.1.2008 – 9 A 27.06 – NVwZ 2008, 678 = juris Rn. 30; BayVGH, U.v. 5.10.2021 – 8 N 17.1354 u.a. – juris Rn. 65; vgl. auch BVerfG, B.v. 8.7.1982 – 2 BvR 1187/80 – BVerfGE 61, 82 = juris Rn. 95; Weiß in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand November 2023, § 73 VwVfG Rn. 229).
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Gemessen an diesen Maßstäben konnte der vorliegende Mangel der Nichteinbeziehung von Teilbereichen des Grundwassereinzugsgebiets mit nicht nur geringer Schutzbedürftigkeit von den nicht sachverständigen Antragstellern selbst nicht erkannt werden. Allein der Umstand, dass der Schutzgebietsvorschlag offenlegt, dass das Grundwassereinzugsgebiet nicht anhand des DVGW-Arbeitsblatts W 101, sondern nach dem konkreten Schutzbedürfnis der Brunnen infolge der gegebenen geologischen und hydrogeologischen Verhältnisse ermittelt wurde, führt entgegen der Auffassung des Antragsgegners nicht zu einer Einwendungslast der Betroffenen. Die Tragfähigkeit der von der Gutachterin der Beigeladenen zu 2 berechneten oberstromigen Schutzgebietsgrenze (vgl. Schutzgebietsvorschlag S. 17 Tabelle 6; LfU-Merkblatt Nr. 1.2/7 S. 14 ff.) konnte von ihnen nicht ohne sachverständige Hilfe überprüft werden. Dies ergibt sich schon alleine aus der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 2. Juli 2024 (elektronische Gerichtsakte [eGA] Az. 8 N 22.88 S. 267 ff.). Der amtliche Sachverständige kommt darin zu dem Schluss, die Berechnungen des Schutzgebietsvorschlags zur Ermittlung der südlichen Schutzgebietsgrenze, die er im Normerlassverfahren als plausibel bewertet hatte (vgl. WWA, Gutachten vom 22.1.2016 S. 17), hätten sich (erst) bei einer nachträglichen „sehr tiefgreifenden Überprüfung“ als nicht fachgerecht erwiesen (vgl. WWA, Stellungnahme vom 2.7.2024 S. 4). Eine solche war von den nicht sachverständigen Antragstellern nicht zu leisten.
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Deshalb kann dahinstehen, ob es sich bei dem Einwand, das Schutzgebiet sei nicht fachgerecht dimensioniert, überhaupt um eine Einwendung im Rechtssinn handelt (vgl. zu dieser Frage BayVGH, U.v. 16.8.2022 – 8 N 19.1138 – juris Rn. 80).
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4. Eine Zurückweisung des neuen Vorbringens der Antragsteller, die oberstromige Begrenzung des Wasserschutzgebiets sei unzulänglich, kommt auch nach § 87b VwGO nicht in Betracht (zur Anwendbarkeit der Regelung im Normenkontrollverfahren vgl. BayVGH, U.v. 16.8.2022 – 8 N 19.1138 – juris Rn. 92), weil seine Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits nicht verzögert (§ 87b Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO). Der Rechtsstreit ist auf Basis der Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts vom 2. Juli 2024 entscheidungsreif, weitere Aufklärungsmaßnahmen sind nicht notwendig.
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5. Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 2 Halbsatz 2 VwGO muss der Antragsgegner die Entscheidung in Ziffer II der Urteilsformel nach Eintritt der Rechtskraft dieses Urteils ebenso veröffentlichen wie die Verordnung bekannt zu machen wäre. Da sich die Prüfungskompetenz des Verwaltungsgerichtshofs nicht auf reine Bußgeldbestimmungen erstreckt (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.2005 – 7 CN 6.04 – NVwZ 2005, 695 = juris Rn. 14; B.v. 27.7.1995 – 7 NB 1.95 – BVerwGE 99, 88 = juris Rn. 21), was die Antragstellerseite in ihrem Antrag berücksichtigt hat, war über § 9 WSG-VO nicht zu befinden.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO und § 162 Abs. 3 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 173 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen nach § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.