Titel:
Kein vorläufig vorbeugender Rechtsschutz – Metalldetektorkontrollen bei Erster Juristischer Staatsprüfung
Normenkette:
VwGO § 123
Leitsätze:
1. Für vorbeugende Unterlassungsklagen besteht regelmäßig kein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Rechtsschutz gegen die erwartete behördliche Maßnahme ausreicht. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis ist nur dann gegeben, wenn schon die kurzfristige Hinnahme der befürchteten Handlungsweise geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten in besonders schwerwiegender Weise zu beeinträchtigen; dabei ist zu berücksichtigen, dass die zu erwartenden Nachteile uU dann nicht schützenswert sind, wenn der Betroffene sie selbst herbeigeführt hat. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Prüfungsrecht, Erste Juristische, Staatsprüfung, Metalldetektorkontrolle, Vorbeugender vorläufiger Rechtschutz, Metalldetektor-Kontrolle, Erste Juristische Staatsprüfung, Metalldetektor, vorläufiger vorbeugender Rechtsschutz, "Körper-Abtasten", qualifiziertes Rechtschutzbedürfnis, Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 16.09.2024 – 7 CE 24.1593
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26807
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 2.500,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller begehrt vorbeugenden einstweiligen Rechtsschutz gegen die befürchtete Durchführung von Metalldetektor-Kontrollen und „Körper-Abtasten“ im Rahmen der laufenden Ersten Juristischen Staatsprüfung.
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Der Antragsteller nimmt gegenwärtig an den im Zeitraum vom 10. bis 17. September 2024 stattfindenden Aufsichtsarbeiten in der Ersten Juristischen Staatsprüfung im Prüfungsraum „…“ teil.
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Am Prüfungstag des 11. September 2024 wurde dort – nach seinen Angaben – vor Beginn der schriftlichen Prüfung eine Kontrolle mittels Metalldetektoren durchgeführt. Der Antragsteller befand sich nicht unter den für die Kontrolle zufällig ausgewählten Prüflingen. Er richtete am selben Tag unter Fristsetzung bis zum nächsten Tag um 12:00 Uhr per E-Mail Fragen zu den Stichprobenkontrollen an die Pressestelle des Antragsgegners. Mit Schreiben vom 12. September 2024 teilte die Pressestelle u.a. mit, dass gemäß § 7 Abs. 4 Satz 1 JAPO Anordnungen über den ordnungsgemäßen Ablauf der Staatsprüfung getroffen werden könnten und diese Art der Kontrolle seit 2013 durchgeführt würden.
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Mit Schriftsatz vom … September 2024, eingegangen nach Dienstschluss am selben Tag, hat sich der Antragsteller an das Bayerische Verwaltungsgericht München gewandt und beantragt,
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dem Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben,
dass er den Antragsteller von der Teilnahme an den schriftlichen Prüfungen nicht ausschließen darf, wenn sich der Antragsteller weigert, sich einer anlasslosen Durchsuchung, insbesondere am Körper, zu unterziehen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Antragsteller sei rechtsschutzbedürftig, da er noch drei Prüfungstermine vor sich habe. Er befürchte, dass es wieder zu solchen Kontrollen kommen und er zufällig ausgewählt werden könne, jedenfalls könne dies nicht ausgeschlossen werden. Er befürchte, von der Prüfung ausgeschlossen zu werden und seine Prüfung mit null Punkten bewertet zu bekommen, wenn er der Kontrolle nicht zustimme. Er würde sich der anlasslosen Kontrolle indes nicht unterziehen wollen, da er sie als erniedrigend empfinde. Dem Antragsteller stehe ein Unterlassungsanspruch zu. Die Kontrollen in der aktuellen Form seien offensichtlich rechtswidrig und würden den Antragsteller in seinem Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit und in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzen. Es fehle bereits an einer tauglichen Rechtsgrundlage. Es handele sich bei den Kontrollen in der aktuellen Weise um Durchsuchungen einer Person, für die besondere verfassungsrechtliche Anforderungen gelten würden. Der Eingriff sei grundrechtsrelevant, es bedürfe einer gesetzlichen Grundlage. Anlasslose Kontrollen, insbesondere am Körper seien auch nicht erforderlich. Er wolle nicht durch andere Personen abgetastet werden. Wenn er sich mit gestreckten Armen hinstellen müsse, fühle er sich vulnerabel, exponiert und in gewisser Weise vorverurteilt. Es sei auch erschwerend die besondere Exposition im Prüfungsraum zu berücksichtigen, insofern unterscheide sich die Kontrolle im Prüfungsraum z.B. von einer am Flughafen oder Einlasskontrollen. Jedenfalls seien die Kontrollen nicht verhältnismäßig. Sie seien schon nicht geeignet, einen Unterschleif zu verhindern. Es sei auch nicht erforderlich, die Kontrollen vor aller Augen durchzuführen; zumindest eine „Absonderung“ der zur Kontrolle ausgewählten Prüfungsteilnehmer in einem Nebenraum oder die Positionierung der Metalldetektoren vor dem Eingang zum Prüfungsraum sei als geringerer Eingriff erforderlich. Er müsse vor öffentlicher Erniedrigung geschützt werden. Die Kontrollen seien jedenfalls nicht angemessen. Von Einlasskontrollen z.B. in Justizgebäuden oder Sicherheitskontrollen am Flughafen unterscheide sich die streitgegenständliche befürchtete Kontrolle dadurch, dass die erstgenannten Kontrollen alle Besucher bzw. Flugreisenden beträfen, man sich ihnen freiwillig aussetze und sie zudem der Gefahrenabwehr dienten. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben des Antragstellers vom 12. September 2024 verwiesen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO analog).
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
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Der Antrag hat keinen Erfolg, da er unzulässig ist.
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1. Nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO kann das Gericht eine Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Der Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung setzt nach § 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2 ZPO voraus, dass der Antragsteller sowohl glaubhaft macht, einen Anspruch auf das begehrte Verwaltungshandeln oder -unterlassen zu haben (Anordnungsanspruch) als auch, dass mit der Erfüllung dieses Anspruchs nicht bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens zugewartet werden kann (Anordnungsgrund). Eine solche Glaubhaftmachung liegt dann vor, wenn das Vorliegen von Anordnungsgrund und -anspruch überwiegend wahrscheinlich ist.
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Im vorliegenden Fall fehlt es an einem qualifizierten Rechtschutzbedürfnis des Antragstellers für den begehrten vorläufigen vorbeugenden Rechtschutz.
11
Für vorbeugende Unterlassungsklagen besteht regelmäßig kein Rechtsschutzbedürfnis, weil der Rechtsschutz gegen die erwartete behördliche Maßnahme ausreicht (vgl. BayVGH, U.v. 9.12.1992 – 11 B 91.2196 – juris Rn. 18).
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Nach der Systematik der Verwaltungsgerichtsordnung ist gegen belastende Verwaltungsakte grundsätzlich nur nachträglicher Rechtschutz vorgesehen. Vorläufiger vorbeugender Rechtschutz kommt nur dann in Betracht, wenn es dem Betroffenen ausnahmsweise nicht zuzumuten ist, den Erlass eines Verwaltungsakts abzuwarten und sodann mit Widerspruch, Anfechtungsklage und Anträgen nach §§ 80, 80a VwGO vorzugehen (sog. qualifiziertes Rechtschutzbedürfnis). Ein solches qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis ist nur dann gegeben, wenn schon die kurzfristige Hinnahme der befürchteten Handlungsweise geeignet ist, den Betroffenen in seinen Rechten in besonders schwerwiegender Weise zu beeinträchtigen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die zu erwartenden Nachteile u. U. dann nicht schützenswert sind, wenn der Betroffene sie selbst herbeigeführt hat. Beruht die Zwangslage, in die der Betroffene geraten ist, auf eigenen Versäumnissen oder Fehleinschätzungen oder hat er bewusst auf eigenes Risiko gehandelt, so kann dies grundsätzlich nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden (HessVGH, B.v. 5.2.2019 – 6 B 2061.18 – juris Rn. 14 ff. m.w.N.).
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Nach diesen Maßgaben hat der Antragsteller vorliegend kein qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis. Abgesehen davon, dass er einen Antrag bereits nach Erhalt des Merkblatts bei der Behörde hätten stellen können anstatt nach erstmaligem Erleben einer Kontrolle bei anderen Prüfungsteilnehmern, ist ihm die Inanspruchnahme von nachträglichem Rechtsschutz zumutbar, denn mit dem Eintritt irreversibler Fakten bzw. unzumutbarer Nachteile ist bei der Inanspruchnahme nachgeschalteten Rechtsschutzes vorliegend nicht zu rechnen.
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Aufgrund der Gewaltenteilung liegt die Erstentscheidungskompetenz grundsätzlich bei der handelnden Behörde. Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte die Entscheidung der Behörde vorwegzunehmen (vgl. Pietzcker/Marsch in Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: Januar 2024, § 42 Rn. 165). Die von dem Antragsteller begehrte einstweilige Anordnung liefe jedoch letztlich auf eine solche – nur ausnahmsweise mögliche – Vorwegnahme der Entscheidung hinaus, da das Gericht anstelle der Behörde entscheiden müsste, wie in dem hypothetischen Fall, dass der Antragsteller für einen Metalldetektortest ausgewählt wird und sich diesem verweigert, zu entscheiden wäre. Der Antragsgegner hat gegenüber der Vorsitzenden Richterin telefonisch mitgeteilt, dass der Antragsteller in dem genannten Fall die Prüfungsarbeit erstellen und abgeben dürfe und im Nachgang entschieden würde, ob prüfungsrechtliche Konsequenzen gezogen werden.
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Bei der behördlichen Entscheidung, gegen die sich der Antragsteller vorliegend vorbeugend wendet, handelt es sich um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG. Sofern das Landesjustizprüfungsamt, wie der Antragsteller annimmt, in dem Fall, dass er für eine Metalldetektorkontrolle ausgewählt werden würde und sich dieser verweigern würde, einen Ausschluss des Antragstellers von der gesamten Prüfung oder von einzelnen Klausuren beschließen würde, würde es sich hierbei um einen Verwaltungsakt handeln.
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Der Antragsteller hat außerdem nicht zuvor einen Antrag bei dem Landesjustizprüfungsamt gestellt, obwohl ihm dies möglich und zumutbar gewesen wäre, sondern unmittelbar um gerichtlichen Rechtsschutz nachgesucht. Aufgrund des den Prüflingen vorab ausgehändigten Merkblatts war dem Antragsteller jedoch schon vor Beginn des laufenden Prüfungsdurchgangs bekannt, dass gegebenenfalls Metalldetektorkontrollen durchgeführt werden. Er hätte sich vorab über die genaue Art und Weise der Durchführung durch Nachfrage bei dem Landesjustizprüfungsamt informieren können. Jedenfalls hätte der Antragsteller, bevor er um gerichtlichen Eilrechtsschutz nachsucht, zunächst versuchen müssen, bei der zuständigen Behörde die begehrte Zusicherung zu erlangen. Dies ist hier nicht erfolgt, insbesondere stellt die Anfrage, die der Antragsteller an die Pressestelle des Antragsgegners gerichtet hat, keinen solchen Antrag dar. Abgesehen davon hat der Antragsteller die nun bestehende Eilbedürftigkeit letztlich selbst verschuldet, weil er einen entsprechenden Antrag bereits nach Erhalt des Merkblatts hätten stellen können.
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Zu berücksichtigen ist darüber hinaus, dass der Kontrolle mittels Metalldetektoren grundsätzlich eine geringe Eingriffsintensität zukommt (vgl. OVG NW, B.v. 12.2.2007 – 1 A 749/06 – juris Rn. 14). Die Metalldetektoren werden mit ausreichendem Abstand am Körper entlanggeführt, sodass bei einer reinen Kontrolle mittels Metalldetektoren bereits keine körperliche Berührung oder gar körperliche Untersuchung stattfindet.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
3. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 53 Abs. 2 Nr. 1 GKG i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. dem Streitwertkatalog.