Inhalt

VG München, Beschluss v. 09.09.2024 – M 21a E 24.4806
Titel:

Kein dienstliches Interesse für das Hinausschieben des Ruhestands einer Beamtin

Normenketten:
BBG § 53 Abs. 1 S. 1, Abs. 4
VwGO § 123
Leitsätze:
1. Ein dienstliches Interesse für das Hinausschieben des Ruhestands eines Beamten liegt vor, wenn das Hinausschieben des Ruhestandseintritts aus konkreten besonderen Gründen für eine sachgemäße und reibungslose Aufgabenerfüllung sinnvoll oder notwendig erscheint; dies setzt regelmäßig einen Personalbedarf der Verwaltung sowie die persönliche Geeignetheit der Beamtin bzw. des Beamten zur Fortsetzung des Beamtenverhältnisses voraus. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. In der beamtenrechtlichen Regelaltersgrenze und der damit verbundenen Versetzung in den Ruhestand liegt keine Ungleichbehandlung zur Privatwirtschaft, da zum einen der Status von Beamten und arbeitsvertraglich Beschäftigten ein zulässiges Differenzierungskriterium darstellt und zum anderen aus der Verwaltungspraxis anderer Dienstherren keine Bindungswirkung folgen kann. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Hinausschieben des Eintritts in den Ruhestand, Dienstliches Interesse (verneint), Bundesagentur für Arbeit, Beamtin, dienstliches Interesse, Planstelle, Privatwirtschaft, Regelaltersgrenze, Personal- und Organisationshoheit des Dienstherrn, Kontinuität in der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben, Schwierigkeiten bei der Wiederbesetzung freiwerdender Stellen, Interesse an einer bestimmten Altersstruktur, personalplanerische Belange
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 25.09.2024 – 6 CE 24.1619
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26805

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 38.567,34 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt das Hinausschieben ihres Ruhestandseintritts.
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Die am … 1958 geborene Antragstellerin steht als Oberamtsrätin (Besoldungsgruppe ...) im Dienst der Antragsgegnerin und wird als Koordinatorin der …agentur … (im Folgenden …) in der Agentur für Arbeit … eingesetzt. Mit Ablauf des Monats September 2024 tritt die Antragstellerin wegen des Erreichens der Regelaltersgrenze in den Ruhestand.
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Mit E-Mail vom 20. Februar 2024 und 29. Februar 2024 beantragte die Antragstellerin das Hinausschieben des Ruhestandseintritts nach § 53 BBG.
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Dies lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 26. März 2024 ab, da aus ihrer Sicht kein dienstliches Interesse für das Hinausschieben des Ruhestandseintritts vorliege.
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Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 5. August 2024 zurück.
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Hiergegen ließ die Antragstellerin am 9. August 2024 durch ihre Bevollmächtigten Klage (M 21a K 24.4813) erheben und beantragen, den Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 26. März 2024 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 5. August 2024 aufzuheben und den Ruhestandseintritt bis zum 30. September 2027 – hilfsweise bis zum 30. September 2025 – hinauszuschieben, weiter hilfsweise, die Bundesagentur für Arbeit zu verpflichten, nochmals unter Ausübung ihres pflichtgemäßen Ermessens über den Antrag zu entscheiden.
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Zugleich ließ die Antragstellerin gem. § 123 VwGO beantragen,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, den Ruhestand der Antragstellerin bis zu einer endgültigen Entscheidung über die von der Antragstellerin gegen den Bescheid vom 26. März 2024 in Gestalt des Widerspruchbescheids vom 5. August 2024 erhobene Klage vorläufig hinauszuschieben.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass ein dienstliches Interesse für das Hinausschieben des Ruhestandseintritts gegeben sei. Die Antragstellerin habe das Projekt … aufgebaut und kenne die Zusammenhänge und Aufgabenstellungen von Beginn an. Sie sei derzeit die einzige Mitarbeiterin, die die komplexen und sich ständig verändernden Herausforderungen dieser Aufgabe bewältigen könne. Dies seien beispielsweise die Aktualisierung des Arbeitshandbuches, die ständige Anpassung der vertraglichen Grundlagen für die … Partner sowie die Betreuung und Weiterentwicklung der Netzwerke. Überdies bestehe derzeit ein Fachkräftemangel. Es sei nicht ersichtlich, dass eine adäquate Nachfolgerin vorhanden wäre. Die komplexen und anspruchsvollen Aufgaben der …agentur … könnten nicht mit einer Person in einer niedrigeren Besoldungs- bzw. Vergütungsgruppe und ohne Netzwerkerfahrung bewältigt werden. Weiter mache sie eine Altersdiskriminierung bzw. eine Ungleichbehandlung im öffentlichen Dienst – sowohl innerhalb als auch im Vergleich mit der Privatwirtschaft – geltend. Die gesetzliche Regelung, dass ein Beamter mit Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand trete, möge irgendwann einmal üblich und sachlich gerechtfertigt gewesen sein, in Zeiten eines Fachkräftemangels sei die Regelung jedoch volkswirtschaftlich und gesellschaftlich nicht mehr gerechtfertigt. Die auf politischer Ebene diskutierten Überlegungen zur Weiterbeschäftigung von älteren und erfahrenen Fachkräften sei ein Beleg dafür, dass sich auch der öffentliche Dienst den aktuellen Entwicklungen und Herausforderungen stellen müsse. Die Landeshauptstadt München und der Landkreis München würden eine Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern auch nach Erreichen der Altersgrenze ermöglichen. Auch in anderen Regionaldirektionen der Bundesagentur für Arbeit würde mit Unterstützung der Vorstandsvorsitzenden Frau N. bei kurz vor dem Ruhestand stehenden Mitarbeitern aktiv dafür geworben, den Ruhestandseintritt hinauszuschieben. Dies stelle eine Ungleichbehandlung dar. Zudem bestehe auch eine geschlechtsspezifische Diskriminierung. Ihr seien mehrere Fälle bekannt, in denen § 53 BBG bei männlichen Kollegen, insbesondere bei Führungskräften, zur Anwendung gekommen sei. Dies sei zuletzt beim früheren Vorsitzenden der ... der Fall gewesen. Der Ablehnungsbescheid vom 26. März 2024 enthalte lediglich den pauschalen Hinweis, dass ein dienstliches Interesse nicht gegeben sei. Dies genüge den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Ermessensentscheidung nicht. Der Antragstellerin sei bereits im Jahr 2018 mitgeteilt worden, dass ihre Planstelle dauerhaft in die Agentur für Arbeit … übergegangen sei und auch nach ihrem Ausscheiden dort weiter verbleiben solle.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag abzuweisen.
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass kein Anordnungsanspruch gegeben sei, da es am dienstlichen Interesse für ein Hinausschieben des Ruhestandseintritts fehle. Die Antragstellerin sei bis zum 30. September 2017 auf dem Dienstposten einer Beraterin in der Regionaldirektion … im Organisationsbereich ... beschäftigt gewesen. Nachdem dieser Organisationsbereich von … zum Sitz der Regionaldirektion Bayern nach … verlegt worden sei, habe die Antragstellerin zunächst regelmäßig Dienstreisen nach Nürnberg unternommen. Da ihr dies aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr möglich gewesen sei, sei sie zum 1. Oktober 2017 von der Regionaldirektion … zur Agentur für Arbeit … versetzt worden. Da für die Antragstellerin bei der Agentur für Arbeit … keine freie Planstelle der Besoldungsgruppe … zur Verfügung gestanden habe, sei die entsprechende Planstelle von der Regionaldirektion … für die Dauer der Tätigkeit der Antragstellerin bei der Agentur für Arbeit … an diese übertragen worden. Am 20. Oktober 2017 sei der Antragstellerin die Tätigkeit als Koordinatorin der …agentur bzw. des … zugewiesen worden. Das … sei eine Arbeitsgemeinschaft verschiedener Beratungseinrichtungen mit dem Ziel, die Integration von Jugendlichen unter 25 Jahren in den Ausbildungs- und Arbeitsmarkt zu unterstützen. Dahinter stehe eine Kooperation zwischen der Agentur für Arbeit …, dem Jobcenter …, der ..., der ... und dem ... Um alle Unterstützungsmöglichkeiten für Jugendliche unter einem Dach zu vereinen, seien im Jahr 20... bundesweit in vielen Agenturen für Arbeit sogenannte …agenturen gegründet worden. Der Aufbau der …agentur in München sei abgeschlossen. Ihr seien derzeit ca. 15 Mitarbeiter aus anderen Teams der Agentur für Arbeit … zugeteilt, wobei die Dienstaufsicht über die Mitarbeiter bei den jeweiligen Teamleitern verbleibe und nicht bei den Koordinatorinnen des … Zu den Aufgaben der Koordination des … gehöre unter anderem sicherzustellen, dass während der Öffnungszeiten ausreichend Ansprechpartner für die ratsuchenden Jugendlichen zur Verfügung stünden sowie die Organisation von Besprechungen und Veranstaltungen mit internen und externen Kooperationspartnern. Seit dem 1. Juni 2023 werde die Koordinierung zusätzlich zur Antragstellerin von Frau L. wahrgenommen. Frau L. sei mit dem Ziel einer langfristigen Nachfolge der Antragstellerin eingesetzt worden. Zudem sei im Rahmen der Koordinierung aufgrund der Verflechtung mit der Landeshauptstadt München noch eine städtische Mitarbeiterin tätig. Nach dem Ausscheiden der Antragstellerin würden Frau L. und die städtische Mitarbeiterin die Aufgaben übernehmen. Die Planstelle der Besoldungsgruppe … werde wieder an die Regionaldirektion … übertragen, wo deren Verwendung bereits eingeplant sei. Dass die Planstelle dauerhaft bei der Agentur für Arbeit … verbleiben solle, sei der Antragstellerin nicht mitgeteilt worden. Es werde ausdrücklich bestritten, dass die Antragstellerin die …agentur aufgebaut habe und als Einzige die Netzwerke, Zusammenhänge und Aufgaben von Beginn an kenne und deswegen als Einzige die Aufgaben bewältigen könne. Die …agentur sei bereits 2013 gegründet worden und die Antragstellerin erst vier Jahre später zu dem Projekt dazugekommen. Der Aufbau der …agentur sei zu diesem Zeitpunkt bereits abgeschlossen gewesen. Nach dem Ausscheiden der Antragstellerin werde die …agentur weiterhin bestehen und die sachgemäße und reibungslose Aufgabenerfüllung gewährleistet sein. Weiter werde bestritten, dass die Aufgaben „Aktualisierung des Arbeitshandbuches …“ und „ständige Anpassung der vertraglichen Grundlagen für die …-Partner“ nur von der Antragstellerin erfüllt werden könnten. Die Aufgabe der Redaktion des Arbeitshandbuchs … liege bei einem städtischen Mitarbeiter der Landeshauptstadt München. Zudem werde bestritten, dass es Beispiele für geschlechtliche Ungleichbehandlung in der Agentur für Arbeit … gebe. Es sei nicht nachvollziehbar, wie die Antragstellerin zu solchen nicht belegten Anschuldigungen komme. Jeder Antrag nach § 53 BBG werde sorgfältig geprüft und die Umstände des Einzelfalls berücksichtigt. Das Geschlecht spiele keine Rolle. Der frühere … der Regionaldirektion …, Herr H., habe zu den oberen Führungskräften der Bundesagentur für Arbeit gehört. Zudem sei sein Ruhestand nicht nach § 53 BBG hinausgeschoben worden. Vielmehr sei er vor Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand getreten und nun ehrenamtlich in einem völlig anderen Bereich tätig. Der Fall von Herrn H. sei daher nicht vergleichbar. Eine Ungleichbehandlung zwischen Beamten und Beschäftigten in der Privatwirtschaft sei nicht gegeben. Gesetzliche Regelungen, die eine bestimmte Altersgrenze festlegten, seien allgemein üblich und durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Der Gesetzgeber dürfe festlegen, zu welchem Zeitpunkt das aktive Erwerbsleben eines Beamten ende. Ob die Landeshauptstadt München oder der Landkreis München eine Weiterbeschäftigung von Mitarbeitern nach Erreichen der Altersgrenze ermögliche, sei irrelevant. Diese seien eigene Gebietskörperschaften, deren Handeln für die Antragsgegnerin keine Bindungswirkung entfalte. Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines dienstlichen Interesses liege bei der Antragstellerin. Dieses sei maßgebend durch vorausgegangene organisatorische und personelle Entscheidungen des Dienstherrn vorgeprägt, die nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar seien. Es sei Sache des Dienstherrn, in Ausübung der ihm zugewiesenen Personal- und Organisationsgewalt zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen, sie auf die einzelnen Organisationseinheiten zu verteilen und ihre Erfüllung durch bestmöglichen Einsatz von Personal sowie der zur Verfügung stehenden Sachmittel sicherzustellen. Ein Hinausschieben des Ruhestandeinritts komme nicht in Betracht, wenn eine ordnungsgemäße Fortführung der Dienstgeschäfte durch eine hausintere Nachbesetzung sichergestellt sei. Dies sei hier durch Frau L. und die städtische Mitarbeiterin der Fall. Daher werde die Planstelle der Antragstellerin bei der Agentur für Arbeit … ab Anfang Oktober 2024 nicht mehr benötigt und im Rahmen des Organisationsermessen der Antragsgegnerin an die Regionaldirektion … zurückgegeben. Da es bereits am dienstlichen Interesse als Tatbestandsvoraussetzung fehle, sei für eine Ermessensentscheidung kein Raum mehr gewesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in diesem Verfahren und im Klageverfahren (M 21a K 24.4813) sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag hat in der Sache keinen Erfolg.
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Gemäß § 123 VwGO kann das Gericht eine einstweilige Anordnung in Bezug auf einen Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des jeweiligen Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1), oder wenn eine vorläufige Regelung, vor allem bei Dauerrechtsverhältnissen, zur Abwendung wesentlicher Nachteile oder aus anderen Gründen nötig erscheint (Satz 2). Voraussetzung für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist, dass der Antragsteller sowohl einen Anspruch auf ein bestimmtes Verwaltungshandeln oder -unterlassen (Anordnungsanspruch) als auch die Notwendigkeit der Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf diesen Anspruch zur Abwehr wesentlicher Nachteile (Anordnungsgrund) glaubhaft macht, § 123 Abs. 3 VwGO in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO.
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Der Antragstellerin steht der erforderliche Anordnungsgrund zur Seite, denn ihrem Begehren auf Hinausschieben des Ruhestandseintritts kann nur bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze – vorliegend bis zum Ablauf des Monats September 2024 – stattgegeben werden. Mit Erreichen der Altersgrenze wird das Beamtenverhältnis kraft Gesetzes in ein Ruhestandsverhältnis umgewandelt, ohne dass es dazu eines Verwaltungsaktes bedarf. Nach Eintritt des Ruhestandes ist somit das Hinausschieben nicht mehr möglich (BayVGH, B.v. 9.8.2010 – 3 CE 10.928 – juris Rn. 24; B.v. 30.8.2007 – 3 CE 07.2028 – juris Rn. 14). Denn ein „Hinausschieben“ des Eintritts in den Ruhestand ist schon begrifflich nur möglich, solange dieser noch nicht begonnen hat (vgl. OVG RhPf, B.v. 31.8.2020 – 2 B 10821/20 – juris Rn. 6). Die Reaktivierung von Beamten, die wegen des Erreichens der Altersgrenze in den Ruhestand getreten sind, ist – anders als bei Beamten, die einstweilig in den vorläufigen Ruhestand oder wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden sind – gesetzlich nicht vorgesehen (OVG Hamburg, B.v. 26.8.2011 – 1 Bs 104/11 – juris Rn. 6).
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Der Antragstellerin steht jedoch kein Anordnungsanspruch zu.
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Nach § 53 Abs. 1 Satz 1 BBG kann der Eintritt in den Ruhestand auf Antrag der Beamtin oder des Beamten bis zu drei Jahre hinausgeschoben werden, wenn (1.) dies im dienstlichen Interesse liegt und (2.) die Arbeitszeit mindestens die Hälfte der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit beträgt.
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Im vorliegenden Fall hat die Antragsgegnerin ein dienstliches Interesse an der Fortführung der Dienstgeschäfte durch die Antragstellerin zu Recht verneint.
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Ein dienstliches Interesse liegt vor, wenn das Hinausschieben des Ruhestandseintritts aus konkreten besonderen Gründen für eine sachgemäße und reibungslose Aufgabenerfüllung sinnvoll oder notwendig erscheint. Dies setzt regelmäßig einen Personalbedarf der Verwaltung sowie die persönliche Geeignetheit der Beamtin bzw. des Beamten zur Fortsetzung des Beamtenverhältnisses voraus. Zur sachgemäßen und reibungslosen Aufgabenerfüllung gehören etwa die Aufrechterhaltung der Kontinuität in der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben, Schwierigkeiten bei der Wiederbesetzung freiwerdender Stellen, das Interesse an einer bestimmten Altersstruktur sowie andere personalplanerische Belange (vgl. VGH BW, B.v. 27.4.2020 – 4 S 1042/20 – juris Rn. 5; NdsOVG, B.v. 17.9.2019 – 5 ME 155/19 – juris Rn. 5; OVG NW B.v. 9.10.2019 – 1 B 1058/19 – juris Rn. 12).
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Das dienstliche Interesse in dem vorgenannten Sinne richtet sich nach dem gesetzlichen Auftrag der Behörde. Dabei ist das dienstliche Interesse maßgebend durch verwaltungspolitische Entscheidungen des Dienstherrn vorgeprägt, die ihrerseits gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbar sind. Es obliegt dem Dienstherrn, in Ausübung der ihm zugewiesenen Personal- und Organisationshoheit zur Umsetzung gesetzlicher und politischer Ziele die Aufgaben der Verwaltung festzulegen, ihre Prioritäten zu bestimmen, sie auf einzelne Organisationseinheiten zu verteilen und ihre Erfüllung durch bestmöglichen Einsatz von Personal sowie von Sachmitteln sicherzustellen. Angesichts der dem Dienstherrn insoweit zukommenden Einschätzungsprärogative und Gestaltungsfreiheit ist die gerichtliche Kontrolle dieser Entscheidungen auf die Prüfung beschränkt, ob die gesetzlichen Grenzen des Organisationsermessens überschritten sind oder von diesen in unsachlicher Weise Gebrauch gemacht worden ist (OVG NW, B.v. 18.4.2013 – 1 B 202/13 – juris Rn. 8; VG Bayreuth, B.v. 21.12.2021 – B 5 E 21.1195 – juris Rn. 29 m.w.N.).
20
Die Antragsgegnerin hat im Widerspruchsbescheid, ergänzt durch die Erwägungen in der Antragserwiderung, nachvollziehbar ausgeführt, dass ein weiterer Personalbedarf der Antragstellerin für die Koordinierung der Aufgaben in der …agentur nicht besteht. Die Aufgaben der Antragstellerin werden von Frau L. und einer weiteren Mitarbeiterin der Landeshauptstadt München übernommen. Nicht nachvollziehbar ist die Behauptung der Antragstellerin, dass die beiden anderen Kolleginnen nicht in der Lage seien, die Aufgaben zu bewältigen, sondern nur sie die komplexe und anspruchsvolle Tätigkeit ausüben könne. Frau L. ist seit knapp ... in der Koordinierung der …agentur tätig und im Hinblick auf das Ausscheiden der Antragstellerin als Nachfolgerin vorgesehen. Gerade zu diesem Zweck wurde ihr die Tätigkeit bereits im … 20... übertragen, um sich mit den Aufgaben und Arbeitsabläufen der …agentur ausreichend vertraut zu machen. Der Dienstherr hat sich offensichtlich frühzeitig darum bemüht, dass die Koordination der …agentur bei einem Ausscheiden der Antragstellerin sichergestellt ist. Inwiefern ein allgemeiner Fachkräftemangel den konkreten Personalbedarf für die Koordinierung der …agentur betrifft, ist weder vorgetragen noch erschließt sich dies dem Gericht. Dass die Antragsgegnerin es nicht für erforderlich hält, auch weiterhin eine Planstelle der Besoldungsgruppe … bei der …agentur vorzuhalten, fällt in die ihr zugewiesene Personal- und Organisationshoheit und begründet insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Planstelle ursprünglich von der Regionaldirektion … an die Agentur für Arbeit übertragen wurde, um der Antragstellerin einen Wechsel dorthin zu ermöglichen, auch einen sachlichen Grund. Sofern die Antragstellerin vorträgt, dem früheren Vorsitzenden ... Herrn H. sei ein Hinausschieben des Ruhestandseintritts gewährt worden, ist zu berücksichtigen, dass unabhängig von dem in keiner Weise belegten Vorwurf der geschlechtsspezifischen Diskriminierung, kein vergleichbarer Fall vorliegt, da der Ruhestandseintritt nicht hinausgeschoben wurde, sondern Herrn H. auf eigenen Antrag hin sogar vor Erreichen der Regelaltersgrenze in den Ruhestand getreten ist (vgl. Blatt 25 der Verwaltungsakte). Wenn die Antragstellerseite hinsichtlich der Regelaltersgrenze und der damit verbundenen Versetzung in den Ruhestand eine Ungleichbehandlung zur Privatwirtschaft und zur behaupteten Praxis der Landeshauptstadt München und dem Landkreis München geltend macht, ist darauf hinzuweisen, dass zum einen der Status von Beamten und arbeitsvertraglich Beschäftigten ein zulässiges Differenzierungskriterium darstellt und zum anderen aus der Verwaltungspraxis anderer Dienstherren für die Antragsgegnerin keine Bindungswirkung folgen kann. Sofern die Antragstellerseite mit ihrem Verweis auf die Privatwirtschaft die Möglichkeit einer sog. Altersteilzeit im Sinn hat, wird auf § 53 Abs. 4 BBG hingewiesen, der diese Möglichkeit auch für Beamte vorsieht.
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Es fehlt somit bereits an der Tatbestandsvoraussetzung des dienstlichen Interesses am Hinausschieben des Ruhestandseintritts nach § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BBG. Auf den Ermessensrahmen der Vorschrift kommt es daher nicht an (vgl. auch BayVGH, B.v. 25.9.2008 – 3 AE 08.2500 – juris Rn. 17).
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Die Antragstellerin hat als unterlegene Beteiligte gem. § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen.
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Die Streitwertfestsetzung folgt aus §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 6 Satz 4 i.V.m. Satz 1 Nr. 1 GKG. Anzusetzen ist demnach die Hälfte der Summe der für ein Kalenderjahr zu bezahlenden Bezüge. Eine weitere Reduktion des Streitwerts im Hinblick auf Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist wegen der angestrebten Vorwegnahme der Hauptsache nicht anzeigt (vgl. auch VG Bayreuth, B.v. 21.12.2021 – B 5 E 21.1195 – juris Rn. 41; VG München, B.v. 30.11.2020 – M 5 E 20.6087 – juris Rn. 15). Bei monatlichen Bezügen von 6.427,89 EUR (Besoldungsgruppe … – Endstufe 8) ergibt das einen Streitwert von 38.567,34 EUR (6 x 6.427,89 EUR).