Titel:
Herausgabe von Wasserverteilnetzen
Normenketten:
GVG § 17a Abs. 4 S. 3
VwGO § 40 Abs. 1 S. 1, § 146 Abs. 1, § 147
BayKommZG Art. 7
BayVwVfG Art. 54 S. 1
Leitsatz:
Eine interkommunale Vereinbarung, nach der Gemeinden an Stelle der Bildung eines Zweckverbandes zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe vereinbart haben, dass einer der Beteiligten gegen angemessene Entschädigung den übrigen Beteiligten die Mitbenutzung einer von ihm betriebenen Einrichtung einräumt, ist eine stets auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhende Zweckvereinbarung im Sinne von Art. 7 Abs. 1 Bay KommZG. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rechtswegbeschwerde, Herausgabe von Wasserverteilnetzen im Gemeindegebiet, öffentlich-rechtlicher Vertrag mit den Stadtwerken einer Nachbargemeinde, Gesamtbetrachtung der Vereinbarung, Endschaftsbestimmungen, Verwaltungsrechtsweg, Wasserverteilnetz, Grundsatz der ortsnahen Wasserversorgung, Endschaftsbestimmung, öffentlich-rechtlicher Vertrag, Zweckvereinbarung, Wasserkonzessionsvertrag
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 14.02.2024 – M 7 K 23.5230
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26800
Tenor
I. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 14. Februar 2024 wird zurückgewiesen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
1
In den beim Verwaltungsgericht München anhängigen Ausgangsverfahren begehren die Klägerinnen, zwei kreisangehörige Gemeinden, von der Beklagten, einem 1998 gegründeten und in Privatrechtsform betriebenen Versorgungsunternehmen der Landeshauptstadt M. , die Herausgabe bzw. Übertragung der im Eigentum der Beklagten stehenden Wasserverteilnetze in Teilen ihrer Ortsgebiete.
2
Die zwischen den Klägerinnen und der Beklagten bzw. der Landeshauptstadt als deren Rechtsvorgängerin in den Jahren 2003 bzw. 1964 geschlossenen Wasserversorgungsverträge wurden von den Klägerinnen zum 31. Dezember 2022 wegen eines rechtsaufsichtlich festgestellten Verstoßes gegen den Grundsatz der ortsnahen Wasserversorgung (§ 50 Abs. 1 WHG) gekündigt. Nach Mitteilung der Rechtsaufsichtsbehörde ist die Versorgung durch die Beklagte nur noch bis zum 31. Dezember 2025 zulässig. Nach den in den Verträgen für den Kündigungsfall vorgesehenen Bestimmungen (sog. Endschaftsbestimmungen) geht das Wasserversorgungsnetz nach Vertragsende unentgeltlich in das Eigentum der jeweiligen Gemeinde über, wobei jene Teile des Netzes, die durch die Beklagte bzw. zuvor durch die Landeshauptstadt erstellt oder wesentlich verbessert worden sind, von der jeweiligen Gemeinde zum Sachzeitwert „übernommen“ werden. Die Beteiligten haben sich über die Modalitäten dieser Übernahme bisher vor allem wegen unterschiedlicher Vorstellungen über die Höhe des Sachzeitwerts der jeweiligen Anlagen nicht einigen können; die Beklagte macht gegenüber dem Rückgabeverlangen der Klägerinnen ein Zurückbehaltungsrecht wegen ihres Anspruchs auf Erstattung des Sachzeitwerts geltend. Die Wasserversorgung in den betroffenen Gemeindeteilen erfolgt gegenwärtig noch durch die Beklagte.
3
Am 30. Oktober 2023 erhoben die Klägerinnen beim Verwaltungsgericht eine gemeinsame Klage mit dem Ziel, die Beklagte zur Herausgabe und Eigentumsübertragung der Verteilnetze jeweils gegen einen bestimmten Geldbetrag zu verurteilen (Az. M 7 K 23.5230). Zugleich wurde eine entsprechende einstweilige Anordnung beantragt (M 7 E 23.5204).
4
Die Beklagte rügte im Hauptsache- und im Eilverfahren die Unzuständigkeit des Gerichts und beantragte die Verweisung in die Zivilgerichtsbarkeit. Die den Ansprüchen zugrundeliegenden Wasserversorgungsverträge seien privatrechtlicher Natur. Dies gelte auch für die Endschaftsbestimmungen, die einen Kaufvertrag gemäß § 433 BGB darstellten. Die Beklagte sei seit 1998 als juristische Person des Privatrechts tätig und damit keine Hoheitsträgerin; sie könne auch keine öffentlich-rechtliche Zweckvereinbarung nach Art. 7 Abs. 1 KommZG abschließen.
5
Mit Beschluss vom 14. Februar 2024 erklärte das Verwaltungsgericht München im vorliegenden Hauptsacheverfahren den Rechtsweg zum Verwaltungsgericht für zulässig. Die Wasserversorgungsverträge als Grundlage der geltend gemachten Klageansprüche seien öffentlich-rechtliche Verträge nach Art. 54 Satz 1 BayVwVfG, weil ihre wesentlichen, prägenden Vertragsbestandteile und Regelungsinhalte dem öffentlichen Recht zuzuordnen seien. Die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung in den jeweiligen Gemeindegebieten durch die Beklagte sei aus Sicht eines verständigen objektiven Betrachters die wichtigste vertragliche Vereinbarung, die den wesentlichen Kern der Verträge bilde. Bei dem von der Klägerin zu 1 geschlossenen Vertrag sei bereits aus der Überschrift sowie aus der Systematik des Vertrags zu erkennen, dass dies die vertragliche Hauptleistungspflicht darstelle. Die anderen Regelungen dienten im Wesentlichen der Umsetzung dieser Versorgungaufgabe bzw. der im Vertrag geregelten Notversorgung. Auch in der von der Klägerin zu 2 im Jahr 1964 geschlossenen Vereinbarung bilde die Versorgung des Vertragsgebiets mit Trinkwasser den Kern des Vertrags; danach sei es Aufgabe der Landeshauptstadt M. gewesen, ein bestimmtes Wohngebiet an das eigene Trinkwasserversorgungsnetz anzuschließen und die Grundstücke unmittelbar mit Trinkwasser zu versorgen. Die in den jeweiligen Endschaftsbestimmungen enthaltene Regelung über den nach Beendigung der Vereinbarung erfolgenden unentgeltlichen Übergang von Teilen des Versorgungsnetzes in das Eigentum der Klägerinnen diene ebenfalls maßgeblich der Sicherstellung der weiteren Wasserversorgung. Dass dieser Übergang unmittelbar und ohne weitere Bedingung geschehe, eine entsprechende Willenserklärung der Beklagten zur Übereignung somit nicht mehr erforderlich sei, spreche ebenfalls dafür, dass die Sicherstellung der weiteren Wasserversorgung im Vordergrund des Vertrags stehe. Anhaltspunkte dafür, dass die Einräumung der Wegerechte den Schwerpunkt bilde, ließen sich dem Vertrag nicht entnehmen; darin liege nur ein Annex zu den im Vordergrund stehenden Versorgungsleistungen. Der Vertragsgegenstand stehe in enger, unlösbarer Beziehung zur Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe, nämlich der von den Klägerinnen gemäß Art. 83 Abs. 1 BV, Art. 57 Abs. 2 Satz 1 GO, § 50 Abs. 1 Satz 1 WHG im Rahmen der Daseinsvorsorge zu erfüllenden Pflichtaufgabe der Trinkwasserversorgung; Gegenindizien seien nicht ersichtlich. Bei der Klägerin zu 2, die den Vertrag ursprünglich mit der Landeshauptstadt M. als Hoheitsträgerin geschlossen habe, stehe auch nicht der Umstand entgegen, dass sie den Vertrag zwischenzeitlich mit Schreiben vom 30. November 2010 gekündigt und diese Kündigung mit Schreiben vom 23. November 2011 zurückgezogen habe, woraufhin die Beklagte mit Schreiben vom 28. März 2013 die Aufrechterhaltung des bestehenden Wasserversorgungsvertrags bestätigt habe. An der öffentlich-rechtlichen Einstufung des Vertrags könne dies nichts ändern, da sich dadurch weder der Vertragsgegenstand noch der Zweck des Vertrags geändert habe.
6
Hiergegen wendet sich die Beklagte mit der am 30. Mai 2024 eingelegten Beschwerde, die am 24. Juni 2024 begründet wurde.
7
Die Klägerinnen treten den Beschwerden entgegen.
8
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
9
1. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts München vom 14. Februar 2024 ist nach § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG i. V. m. § 146 Abs. 1, § 147 VwGO zulässig, aber unbegründet.
10
a) Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Beklagte vor, Streitgegenstand seien allein die Herausgabeverlangen (Eigentum, Besitz) und die Bestimmung der Höhe des Sachzeitwertes für die Wassernetzinfrastrukturen; Verpflichtungen zur Lieferung von Wasser stünden nicht in Streit. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts komme es bei sog. Mischverträgen auf den Schwerpunkt der Vereinbarungen nur an, wenn sich die öffentlich-rechtlichen und die privatrechtlichen Elemente des Vertrags nicht voneinander trennen ließen. Verträge im Zusammenhang mit der Wahrnehmung von Aufgaben der Daseinsvorsorge hätten nicht stets öffentlich-rechtlichen Charakter. Strom- und Gaskonzessionsverträge würden von der Rechtsprechung und der herrschenden Lehre als privatrechtlich angesehen; Gleiches gelte für „Wasserkonzessionsverträge“. Die Endschaftsbestimmungen seien selbständige Verpflichtungen, bei denen Leistung und Gegenleistung privatrechtlich seien. Gegenstand seien jeweils Eigentumsverschaffungspflichten, die nach den §§ 929 ff. BGB umgesetzt werden müssten; ihnen stünden als Gegenleistung Pflichten zur Kaufpreiszahlung gegenüber. Die Einigung der Vertragsparteien enthalte auf der Ebene des Verpflichtungsgeschäfts Elemente eines Kauf- und eines Schenkungsvertrags. Dementsprechend würden Streitigkeiten aus Endschaftsbestimmungen in Netzkonzessionsverträgen seit jeher vor den Zivilgerichten ausgetragen. Das Verwaltungsgericht sei im Übrigen zu Unrecht von einer automatischen Übereignung des Versorgungsnetzes ohne weitere Willenserklärung ausgegangen, die hier aber sachenrechtlich wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes nicht im Vorhinein möglich sei; für die Sicherstellung der Wasserversorgung komme es auch nicht auf die Übereignung, sondern auf die öffentlich-rechtliche Erlaubnis zur Wasserentnahme an. Selbst wenn man die Rechtsnatur anhand des Schwerpunkts sämtlicher Vertragsregelungen bestimme, ergebe sich deren privatrechtlicher Charakter. Die Wasserversorgungsverpflichtung der Beklagten sei jeweils nur in einer allgemeinen Bestimmung geregelt; konkretisierende Vorgaben fehlten. Die übrigen Regelungen beträfen die Nutzung des gemeindlichen Wegeeigentums und die gegenseitigen Rechte und Pflichten bei Nutzung und Betrieb der Wassernetzinfrastruktur. Das sachenrechtliche Benutzungsverhältnis sei wesentlich detaillierter ausgestaltet als die Lieferverpflichtung; die Nutzung des privaten Wegeeigentums bilde den Schwerpunkt der Verträge. Als Gegenleistung für dieses aus dem Privateigentum der Gemeinde abgeleitete Sondernutzungsrecht müsse die Beklagte der Klägerin zu 1 eine Konzessionsabgabe zahlen, bei der es sich um ein privatrechtliches Entgelt handle. Die Wegenutzung werde in zahlreichen Vertragsbestimmungen weiter konkretisiert. Auch die Regelungen zur Notversorgung begründeten keinen öffentlich-rechtlichen Vertragsschwerpunkt, weil sie nur Zusagen zur gegenseitigen Hilfeleistung enthielten. Der bloße Umstand, dass die Versorgung der Bevölkerung mit Trinkwasser eine Pflichtaufgabe der Gemeinden im eigenen Wirkungskreis sei, führe noch nicht zur Annahme eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, da diese Aufgabe ebenso privatrechtlich erfüllt werden könne. Auch wenn die Klägerinnen mit dem Abschluss der Verträge ihre Aufgabe der Wasserversorgung erfüllen wollten, träten sie gegenüber der Beklagten nicht als Hoheitsträger, sondern als Wegeeigentümer auf. Die Verträge seien nicht an die Stelle öffentlich-rechtlicher Genehmigungen getreten, sondern seien Ausfluss des Privateigentums. Da die Klägerin zu 2 den ursprünglichen Vertrag von 1964 im Jahr 2010 gekündigt, die Kündigung aber 2011 mit Zustimmung der Beklagten wieder zurückgezogen habe, sei ein neuer Vertrag mit identischen Bestimmungen zustande gekommen, so dass es auf die ursprüngliche Beteiligung zweier Hoheitsträger entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht mehr ankomme.
11
b) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Annahme einer zivilrechtlichen Streitigkeit zu begründen. Für die vorliegende Klage ist gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO der Verwaltungsrechtsweg eröffnet, da die als Rechtsgrundlage für die geltend gemachten Ansprüche genannten Abmachungen (Vertrag vom 13./18.11.2003; Vereinbarung vom 1.9./14.10.1964) insgesamt als öffentlich-rechtliche Verträge im Sinne der (heutigen) Art. 54 ff. BayVwVfG anzusehen sind. Hierfür sprechen sowohl die historische Entwicklung der Rechtsbeziehungen zwischen den Beteiligten (nachfolgend aa) als auch eine Gesamtbetrachtung des Inhalts der getroffenen Vereinbarungen (nachfolgend bb).
12
aa) Der Annahme der Beklagten, es handle sich um privatrechtliche „Wasserkonzessionsverträge“, steht bereits der Umstand entgegen, dass sich die Beteiligten von Beginn an öffentlich-rechtlicher Handlungsformen bedient und in der Folgezeit keinen erkennbaren Wechsel des Rechtsregimes vollzogen haben.
13
Nach den vorgelegten Unterlagen hat die Landeshauptstadt M. die Versorgung der aneinander angrenzenden Gemeindeteile der beiden Klägerinnen mit Trinkwasser am selben Tag, nämlich jeweils am 7. Januar 1963 übernommen (vgl. Nr. 1 Satz 1 der Vereinbarung vom 1.9./14.10.1964; Abschnitt A 1 Satz 1 des Vertrags vom 13./18.11.2003). Dies lässt darauf schließen, dass die damaligen Abmachungen mit den Gemeinden jeweils die gleiche Rechtsnatur besaßen, mit der Klägerin zu 1 also ursprünglich eine ganz ähnliche Vereinbarung geschlossen wurde wie die von der Klägerin zu 2 vorgelegte Vereinbarung vom 1. September/14.Oktober 1964. Da diese Vereinbarung laut ihrem Vorspann „anstelle der Bildung eines Zweckverbandes … gem. §§ 13 und 14 des Zweckverbandsgesetzes“ getroffen wurde, muss es sich nach damaligem Verständnis der Beteiligten jeweils um eine öffentlich-rechtliche Vereinbarung gehandelt haben.
14
Nach § 13 des auch in Bayern bis zum Inkrafttreten des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit (KommZG) am 1. Juli 1966 fortgeltenden Zweckverbandsgesetzes vom 7. Juni 1939 (RGBl I S. 979) konnten Gemeinden an Stelle der Bildung eines Zweckverbandes zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe vereinbaren, dass einer der Beteiligten gegen angemessene Entschädigung den übrigen Beteiligten die Mitbenutzung einer von ihm betriebenen Einrichtung einräumt. Von dieser Regelungsmöglichkeit haben die damaligen Vertragsparteien zur Sicherstellung der Trinkwasserversorgung ersichtlich Gebrauch gemacht und dabei in Anwendung von § 14 des Zweckverbandsgesetzes auch den Geltungsbereich der für die städtische Einrichtung geltenden Satzungen (Wasserwerk- und Wasserwerkgebührensatzung) auf die zusätzlich versorgten Gebiete der Klägerinnen erstreckt (vgl. Nr. 2 der Vereinbarung vom 1.9./14.10.1964).
15
Für diese 1964 geschlossenen interkommunalen Vereinbarungen, die eindeutig öffentlich-rechtlichen Charakter hatten (vgl. Bayerischer Landtag, 5. Legislaturperiode, Beilage 2573, S. 18 sub 3), galten mit Inkrafttreten des Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit zum 1. Juli 1966 anstelle der Vorschriften des Zweckverbandsgesetzes die neu erlassenen landesrechtlichen Vorschriften (Art. 60 Abs. 4 KommZG i.d.F. des G.v. 12.7.1966, GVBl S. 218), so dass sie von diesem Zeitpunkt an als Zweckvereinbarungen im Sinne der Art. 8 ff. KommZG a.F. (Art. 7 ff. KommZG n.F.) anzusehen waren. Da auch solche Zweckvereinbarungen stets auf einem öffentlich-rechtlichen Vertrag beruhen (vgl. Art. 7 Abs. 1 KommZG n.F.), änderte sich durch die damalige gesetzliche Überleitung nichts an dem öffentlich-rechtlichen Charakter der Vereinbarungen.
16
Es spricht auch nichts dafür, dass die Beteiligten in der Folgezeit die seit 1964 ununterbrochen fortbestehende öffentlich-rechtliche Vertragsbeziehung in ein privatrechtliches Rechtsverhältnis umgewandelt hätten. Zwischen der Klägerin zu 1 und der Landeshauptstadt M. wurde allerdings, wie aus Abschnitt C des Vertrags vom 13./18. November 2003 hervorgeht, am 26. März/7. Juli 1992 eine (im bisherigen Verfahren nicht vorgelegte) neue Vereinbarung über die Trinkwasserversorgung geschlossen, die nach der 1998 erfolgten formellen Privatisierung der Stadtwerke zunächst unverändert von der Beklagten erfüllt wurde. Es bestehen aber keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die damaligen Vertragsparteien die Überarbeitung des Vertragstextes im Jahr 1992 oder die sechs Jahre später erfolgte Umwandlung der Stadtwerke in eine Eigengesellschaft zum Anlass genommen hätten, das öffentlich-rechtliche Vertragsverhältnis zu beenden und durch einen zivilrechtlichen Vertrag zu ersetzen. Für einen solchen Wechsel in ein anderes Rechtsregime bestanden auch keine zwingenden Gründe, weil sich aus den für Zweckvereinbarungen geltenden Regelungen der Art. 54 ff. BayVwVfG mit dem ergänzenden Verweis auf die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (Art. 60 Satz 2 BayVwVfG) keine wesentlichen inhaltlichen Unterschiede zu einer zivilrechtlichen Vertragsbeziehung ergaben.
17
Auch in dem zwischen der Beklagten und der Klägerin zu 1 geschlossenen Vertrag vom 13./13. November 2003, mit dem die zuvor mit der Landeshauptstadt M. getroffene Vereinbarung vom 26. März/7. Juli 1992 abgelöst wurde, finden sich keine Hinweise darauf, dass die Beteiligten nunmehr ihre Rechtsbeziehungen auf privatrechtlicher Grundlage fortführen wollten. Die im Eingangssatz verwendete Formulierung, wonach die Wasserversorgung in dem betreffenden Gemeindegebiet „seit 07.01.1963 durch die SWM“ erfolge (Abschnitt A. 1), zeigt vielmehr, dass die Organisationsprivatisierung der Stadtwerke M. aus Sicht der Beteiligten keine Zäsur in der seit 50 Jahren bestehenden Vertragsbeziehung darstellte.
18
Nichts anderes gilt für das Rechtsverhältnis der Beklagten zur Klägerin zu 2, dessen Inhalt sich mangels ausdrücklicher Neufassung weiterhin allein aus der noch mit der Landeshauptstadt M. abgeschlossenen Vereinbarung vom 1. September/14. Oktober 1964 ergibt. Zwar wurde diese Vereinbarung von der Klägerin zu 2 form- und fristgerecht gekündigt (Schreiben vom 30.11.2010), so dass der später erklärte „Rückzug“ von der Kündigung (Schreiben vom 23.11.2011) an der bereits wirksam erklärten Auflösung der Vertragsbeziehung nichts ändern konnte und daher als Angebot zu verstehen war, die gekündigte Vereinbarung in unveränderter Form fortzusetzen. Dieses Angebot hat die Beklagte aber mit Schreiben vom 28. März 2013 unter dem Betreff „Fortsetzungsvertrag zum Wasserversorgungsvertrag vom 1.9.1964“ angenommen und dabei ausdrücklich bestätigt, dass „der bestehende Wasserversorgungsvertrag zu den bisherigen Konditionen aufrechterhalten“ werde. Diese Formulierung lässt keinen Raum für die Annahme, zwischen den Beteiligten sei anstelle der gekündigten öffentlich-rechtlichen Vereinbarung erstmals ein zivilrechtlicher Vertrag geschlossen worden. Der Wille der Vertragsparteien ging vielmehr eindeutig dahin, die Vertragsbeziehung in möglichst unveränderter Form weiterzuführen, was nur durch einen (koordinationsrechtlichen) öffentlich-rechtlichen Vertrag zwischen der Klägerin zu 2 als Hoheitsträgerin und der Beklagten als gemeindlichem Unternehmen in Privatrechtsform geschehen konnte.
19
bb) Unabhängig von diesen Erwägungen, die den Ursprung und die langjährige Entwicklung der Rechtsbeziehungen betreffen, ergibt sich der öffentlich-rechtliche Charakter der zwischen den Beteiligten bestehenden Vertragsverhältnisse auch aus dem Inhalt und dem inneren Zusammenhang der getroffenen Vereinbarungen, die eine einheitliche Rechtsnatur aufweisen.
20
Ein öffentlich-rechtlicher Vertrag liegt vor, wenn ein Rechtsverhältnis „auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts“ durch Vertrag begründet, geändert oder aufgehoben wird (vgl. Art. 54 Satz 1 BayVwVfG). Maßgebend für die Zuordnung zum öffentlichen oder zum privaten Recht ist danach der Gegenstand und der Zweck des Vertrags (GmS OGB, B.v. 10.4.1986 – GmS OGB 1.85 – BVerwGE 74, 368/370 m.w.N.), wobei vor allem die mit dem Vertragsschluss angestrebten Rechtsfolgen in den Blick zu nehmen sind (BVerwG, U.v. 6.7.1973 – IV C 22.72 – BVerwGE 43, 331/332 f.; U.v. 6.7.1984 – 4 C 24.80 – NJW 1985, 989). Öffentlichrechtliche Aufgaben werden im Allgemeinen mit Mitteln des öffentlichen Rechts wahrgenommen und erfüllt (GmS OGB, a.a.O., 372 m.w.N.). Dass in den vorliegenden Fällen ausnahmsweise anderes beabsichtigt gewesen sein könnte, ist nicht ersichtlich. Es spricht auch nichts dafür, dass die in den Jahren 2003 bzw. 1964 geschlossenen Vereinbarungen mehrere eigenständige, nur äußerlich in derselben Vertragsurkunde zusammengefasste Verträge enthalten könnten, die in Bezug auf die Rechtswegfrage eine Einzelbetrachtung der jeweils streitigen Vertragsansprüche erforderlich machen würden.
21
(1) Wesentlicher Zweck der zwischen den Klägerinnen und der Landeshauptstadt M. getroffenen Vereinbarungen war, wie schon in der Überschrift des Vertrags vom 13./18. November 2003 („Vertrag … über die Versorgung … mit Trinkwasser“) bzw. in Nr. 1 und 2 der Vereinbarung vom 1. September/14. Oktober 1964 zum Ausdruck kommt, dafür zu sorgen, dass die den Gemeinden nach Art. 83 Abs. 1 BV, Art. 57 Abs. 2 Satz 1 GO obliegende Pflichtaufgabe der Trinkwasserversorgung auch in den östlich der Bahnlinie liegenden Ortsteilen „O. Ost“ und „R.-Ost“ erfüllt wurde. Dieses Ziel konnten die Klägerinnen nur erreichen, wenn sich ihr Vertragspartner, für den bereits 1964 die Stadtwerke M. als damaliger städtischer Regiebetrieb auftraten, für einen festgelegten Mindestzeitraum rechtsverbindlich zur Wahrnehmung der kommunalen Versorgungsaufgabe in einer bestimmten Art und Weise verpflichtete. Die in den Vereinbarungen getroffenen Einzelabreden waren dementsprechend allesamt darauf gerichtet, die technischen und rechtlichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass der Versorgungsbereich der Münchner Wasserwerke bzw. der später an ihre Stelle getretenen Eigengesellschaft auf die betreffenden Gemeindeteile erstreckt werden konnte. Dazu gehörte neben der unentgeltlichen Übertragung des dort bereits vorhandenen gemeindlichen Wasserversorgungsnetzes für die Dauer der Vertragsbeziehung auch die Gestattung der Benutzung der Gemeindestraßen zur Verlegung neuer Versorgungsleitungen.
22
Dieser letztgenannte Punkt (Abschnitt A Nr. 3 des Vertrags vom 13./18.11.2003; Nr. 5 der Vereinbarung vom 1.9./14.10.1964) stellt im Gesamtgefüge der Vereinbarungen lediglich eine notwendige Vollzugsregelung dar und bildet daher entgegen dem Vorbringen der Beklagtenseite keineswegs den Schwerpunkt oder den eigentlichen Zweck der Verträge. Auch die nachträglich – nur im Verhältnis zur Klägerin zu 1 – aufgenommene Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer verbrauchsabhängigen „Konzessionsabgabe“ (Abschnitt A Nr. 8 des Vertrags vom 13./18.11.2003) lässt aus der Vereinbarung insgesamt noch keinen „Wasserkonzessionsvertrag“ werden. Dies folgt schon daraus, dass die Beklagte hier anders als ein Konzessionsnehmer nicht erwerbswirtschaftlich tätig wird und tätig sein darf (Art. 87 Abs. 1 Satz 2 GO). Dass sie selbst nicht von einem bestehenden Konzessionsvertrag ausgeht, zeigt im Übrigen ihr Schriftwechsel mit der Klägerin zu 2 anlässlich der früheren Kündigung, in dem sie ausdrücklich von der Aufrechterhaltung eines „Wasserversorgungsvertrags“ spricht (Schreiben vom 28.3.2013).
23
(2) Eine (gesonderte) zivilrechtliche Vereinbarung liegt auch nicht in den für den Fall der Vertragsbeendigung getroffenen Regelungen, wonach die der Landeshauptstadt M. bei Vertragsbeginn übereigneten Teile des Wasserversorgungsnetzes unentgeltlich in das Eigentum der Klägerinnen übergehen und die erst später von den Stadtwerken M. erstellten Teile zum Sachzeitwert übernommen werden sollen. Diese der Rückabwicklung des Vertragsverhältnisses dienenden Klauseln stehen in einem untrennbaren Zusammenhang mit der Übertragung der Versorgungsaufgabe auf die Beklagte; sie stellen entgegen dem Vortrag der Beklagtenseite keinen eigenständigen, aus Elementen der Schenkung und des Kaufs bestehenden zivilrechtlichen Vertrag dar. Eine solche isolierte Deutung liefe dem offenkundigen Regelungszweck der genannten Endschaftsbestimmungen zuwider. Das bei Vertragsabschluss in den betroffenen Ortsteilen bestehende Versorgungsnetz wurde der Landeshauptstadt M. unentgeltlich übereignet, damit diese ihre 1963 übernommene Verpflichtung zur Trinkwasserversorgung erfüllen konnte (Nr. 6 Satz 1 der Vereinbarung vom 1.9./14.10.1964). In der damaligen Verpflichtung zur Eigentumsverschaffung wie auch in der für den Fall der Vertragsbeendigung vorgesehenen unentgeltlichen Rückübereignung lag somit keine – nach Art. 75 Abs. 2 Satz 1 GO unzulässige – Verschenkung von Gemeinde- bzw. Gesellschaftsvermögen; es ging vielmehr um einen von den Parteien gewollten Gleichlauf von Eigentümerstellung und Wahrnehmung der öffentlichen Versorgungsaufgabe. Schon der ursprüngliche Eigentumsübergang war dabei mit Nebenpflichten wie der Zahlung einer Entschädigung in Höhe von 9.000 DM für erforderliche Verbesserungen verbunden (Nr. 6 Satz 4 der Vereinbarung vom 1.9./14.10.1964). Um eine solche Nebenpflicht handelt es sich auch bei dem von den Klägerinnen nach Beendigung des Vertrags geschuldeten finanziellen Ausgleich für die auf Kosten der Stadt bzw. der Beklagten erstellten oder wesentlich verbesserten Teile des Versorgungsnetzes, um dessen Berechnung es in der vorliegenden Verwaltungsstreitsache im Kern geht.
24
Keiner näheren Prüfung bedarf in diesem Zusammenhang die Frage, ob die in den Endschaftsbestimmungen enthaltene Klausel, wonach das bereits 1963 vorhandene Wasserversorgungsnetz nach Beendigung des Vertrags unentgeltlich in das Eigentum der Klägerin „übergehen“ soll, auf eine durch das Vertragsende aufschiebend bedingte unmittelbare Rückübereignung der betreffenden Anlagenteile abzielt oder ob es zum Vollzug dieser Abrede noch einer gesonderten Übereignung nach den §§ 929 ff. BGB bedarf. Selbst wenn letzteres zuträfe, läge darin entgegen der Auffassung der Beklagten noch kein Indiz dafür, dass das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft ebenfalls zivilrechtlich zu qualifizieren wäre. Dass zur Erfüllung öffentlich-rechtlicher Verträge, z. B. wenn diese eine Eigentumsübertragung oder eine Geldzahlung vorsehen, ein sachenrechtliches Verfügungsgeschäft erforderlich sein kann, versteht sich von selbst, ändert aber nichts an der Rechtsnatur der zugrundeliegenden Vereinbarung.
25
2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO. Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es im Hinblick auf den in Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses zu § 3 GKG genannten Festbetrag nicht. Der Gegenstandswert wird nach § 33 Abs. 1 RVG nur auf Antrag festgesetzt.
26
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 17a Abs. 4 Satz 5 GVG liegen nicht vor.
27
Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 17a Abs. 4 Satz 4 GVG).