Inhalt

VGH München, Beschluss v. 09.09.2024 – 24 ZB 23.1608
Titel:

Widerruf der Erlaubnis für den Verkehr und Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen (Sprengerlaubnis)

Normenketten:
SprengG § 8 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3
VwGO § 124a Abs. 4 S. 3
Leitsatz:
Eine bloße Wiederholung bzw. ein Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen genügt den Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO ebenso wenig wie eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Sprengerlaubnis, Widerruf, Unzuverlässigkeit, vertretungsberechtigte Person, strafgerichtliche Verurteilung, rechtsmissbräuchliches Verhalten, Treu und Glauben, Zulassung der Berufung, Antragsbegründung, Darlegungserfordernis
Vorinstanz:
VG München, Gerichtsbescheid vom 19.07.2023 – M 7 K 20.6280
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26793

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin, eine juristische Person des Privatrechts, wendet sich gegen den Widerruf ihrer Erlaubnis für den Verkehr und Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen (Sprengerlaubnis).
2
1. Mit Bescheid vom 17. Januar 2013 erteilte die Regierung von Oberbayern der Klägerin eine Sprengerlaubnis für allgemeine Sprengarbeiten und für Schneefeldsprengungen. Seitdem sind verschiedene wechselnde Personen als Vertretungsberechtigte in der Erlaubnisurkunde eingetragen gewesen.
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Im August 2019 bestellte die Klägerin Herrn ... zu ihrem Vorstand und beantragte am 6. September 2019 dessen Eintragung in die sprengstoffrechtliche Erlaubnisurkunde. Im Rahmen seiner sprengstoffrechtlichen Zuverlässigkeitsüberprüfung wurde bekannt, dass Vorstand … mit seit 27. Februar 2014 rechtskräftigem Urteil des Landgerichts Stuttgart wegen mehrerer vorsätzlicher Straftaten zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden war.
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Unter Hinweis auf die sich aus dieser Verurteilung ergebende sprengstoffrechtliche Unzuverlässigkeit hörte die Regierung von Oberbayern die Klägerin zum beabsichtigten Widerruf der Sprengerlaubnis an. Gleichzeitig gab sie ihr die Gelegenheit, eine andere Person des Vorstands mit der Gesamtleitung des Umgangs und Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen zu beauftragen und dadurch die Erlaubnis für die Klägerin aufrechtzuerhalten.
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Nachdem die Klägerin in der Folgezeit keine Person auf Vorstandsebene bestellte, widerrief die Regierung von Oberbayern mit Bescheid vom 27. Oktober 2020 die der Klägerin erteilte Sprengerlaubnis und traf diverse Nebenanordnungen. Der als einziges Vorstandsmitglied vertretungsberechtigte Vorstand … habe sich aufgrund seiner Verurteilung, deren Rechtskraft noch keine zehn Jahre zurückliege, als unzuverlässig erwiesen. Die von der Klägerin während des Anhörungsverfahrens ersatzweise vorgeschlagenen Personen, wie der Betriebsleiter ..., seien keine nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung einer Aktiengesellschaft berufenen Personen und hätten nicht eingetragen werden können.
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Mit Telefax vom 2. November 2020 teilte die Klägerin der Regierung von Oberbayern mit, dass für den 2. November 2020 eine Aufsichtsratssitzung zur Bestellung eines weiteren Vorstands stattfinden solle. Der Bescheid vom 27. Oktober 2020 wurde der Klägerin am 3. November 2020 zugestellt. Am 4. November 2020 teilte die Klägerin der Regierung von Oberbayern mit, dass Herr ... zum weiteren Vorstand der Gesellschaft bestellt worden sei. Laut weiterer Mitteilung sei Vorstand … mit Vorstandsbeschluss vom 18. November 2020 mit der Gesamtleitung des Sprengbereichs beauftragt und am 20. November 2020 zur Eintragung ins Handelsregister angemeldet worden.
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2. Die gegen den Bescheid vom 27. Oktober 2020 am 2. Dezember 2020 erhobene Klage wies das Verwaltungsgericht München mit Gerichtsbescheid vom 19. Juli 2023 ab. Der Widerruf sei rechtmäßig, da der im maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses als alleiniger gesetzlicher Vertreter der Klägerin bestellte Vorstand … gemäß § 8a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b SprengG sprengstoffrechtlich unzuverlässig gewesen sei. Die absolute Unzuverlässigkeit werde für die Dauer von zehn Jahren ab Rechtskraft des Urteils unwiderlegbar vermutet, wobei maßgebend allein das entsprechende Strafmaß, nicht die Art des Delikts sei. Die Bestellung des weiteren Vorstands … und dessen Beauftragung i.S.d. § 8 Abs. 3 Halbs. 2 SprengG sei erst nach Bescheiderlass erfolgt. Ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Regierung von Oberbayern sei nicht erkennbar, insbesondere habe die Behörde vorab mitgeteilt, dass ein erneuter Terminaufschub nicht tragbar sei. Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Nebenanordnungen bestünden nicht.
8
Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung. Zur Begründung verweist sie zunächst auf ihr Vorbringen in erster Instanz. Die Auffassung des Verwaltungsgerichts finde keine Stütze im Gesetz, da § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG auch auf eine mit der Leitung des Betriebs beauftragte Person abstelle, was vorliegend der Betriebsleiter ... sei; § 8 Abs. 3 SprengG sei vorliegend nicht einschlägig, da zum maßgeblichen Zeitpunkt nur ein einziges Vorstandsmitglied vorhanden gewesen sei, welches gerade nicht mit der Gesamtleitung des Umgangs oder des Verkehrs mit explosionsgefährlichen Stoffen beauftragt gewesen sei, sondern dies sei der Betriebsleiter ... gewesen. Dieser sei zuverlässig, habe auch die Unbedenklichkeitsbescheinigung nach § 21 SprengG, sodass er in die Erlaubnisurkunde einzutragen gewesen wäre. Ohnehin hätte es des Widerrufs nicht bedurft, da dem Beklagten die Bestellung des weiteren Vorstands … angekündigt worden sei, sodass die Behörde hätte abwarten müssen. Der Widerruf sei daher unverhältnismäßig und rechtsmissbräuchlich. Insbesondere sei nicht nachvollziehbar, weshalb es nicht zumutbar gewesen wäre, bis zur Bestellung des weiteren Vorstands abzuwarten. Ungeachtet dessen sei Vorstand … nicht unzuverlässig gewesen, diesbezüglich werde auf die Klagebegründung verwiesen.
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Der Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten und verteidigt das angefochtene Urteil.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Akten der Beklagten Bezug genommen.
II.
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Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Aus der Antragsbegründung, auf die sich gemäß § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO die Prüfung im Zulassungsverfahren beschränkt (Happ in Eyermann, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 54), ergibt sich der – zwar nicht ausdrücklich benannte, jedoch sinngemäß geltend gemachte – Zulassungsgrund der ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils nicht.
12
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegen (nur) vor, wenn der Rechtsmittelführer einen tragenden Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage stellt (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 9.6.2016 – 1 BvR 2453/12 – NVwZ 2016, 1243 Rn. 16; B.v. 18.6.2019 – 1 BvR 587/17 – DVBl 2019, 1400 Rn. 32 m.w.N.) und dies zugleich Zweifel an der Richtigkeit des Ergebnisses begründet (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9). Schlüssige Gegenargumente liegen vor, wenn der Rechtsmittelführer substantiiert rechtliche oder tatsächliche Umstände aufzeigt, aus denen sich die gesicherte Möglichkeit ergibt, dass die erstinstanzliche Entscheidung unrichtig ist (Kuhlmann in Wysk, VwGO, 3. Aufl. 2020, § 124 Rn.15 m.w.N.). Der Antragsteller muss sich mit dem angefochtenen Urteil substanziell auseinandersetzen, wobei der sachliche Umfang und Dichte der Darlegung wesentlich von dem Gewicht der Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts abhängen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 63f.). Eine pauschale Behauptung, die angegriffene Entscheidung sei unrichtig, ist genauso wenig ausreichend wie eine bloße Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens (Kuhlmann in Wysk, VwGO, § 124a Rn. 46).
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2. Diesen Anforderungen wird die Antragsbegründung nicht gerecht.
14
2.1. Soweit die Klägerin vorbringt, Vorstand … sei nicht unzuverlässig gewesen und auf ihren erstinstanzlichen Vortrag verweist, verfehlt dies die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO. Eine bloße Wiederholung bzw. ein Verweis auf das erstinstanzliche Vorbringen genügen ebenso wenig wie eine schlichte, unspezifizierte Behauptung der Unrichtigkeit der angegriffenen Entscheidung. Der Rechtsmittelführer muss vielmehr konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis mit überwiegender Wahrscheinlichkeit falsch ist. „Darlegen“ bedeutet insoweit „erläutern“, „erklären“ oder „näher auf etwas eingehen“ (BVerwG, B.v. 2.11.2017 – 4 B 62.17 – juris Rn. 9 m.w.N.), was eine substantiierte Auseinandersetzung mit der angegriffenen Entscheidung erfordert. Das klägerische Vorbringen setzt sich nicht mit den Ausführungen des Verwaltungsgerichts auseinander, welches darauf abstellt, der zum maßgeblichen Zeitpunkt allein vertretungsberechtigte Vorstand … der Kläger sei aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung nach der gesetzlichen Wertung des § 8a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b des Gesetzes über explosionsgefährliche Stoffe (Sprengstoffgesetz – SprengG) i.d.F. d. Bek. vom 10. September 2002 (BGBl I S. 3518) unzuverlässig gewesen.
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2.2. Soweit die Klägerin auf den Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG verweist und auf ihren Betriebsleiter ... als maßgebliche Person für ihre Zuverlässigkeit abstellen möchte, vermag dies keine Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zu begründen, da sich die Klägerin auch insoweit nicht mit den diesbezüglichen Feststellungen des Verwaltungsgerichts auseinandersetzt.
16
Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, dass es hinsichtlich der Zuverlässigkeit in Fällen, in denen der Antragsteller eine juristische Person ist, auf die Zuverlässigkeit der nach Gesetz, Satzung oder Gesellschaftsvertrag zur Vertretung berufenen Personen ankomme. Zum maßgeblichen Zeitpunkt des Bescheiderlasses sei nur eine Person – Vorstand … – alleine vertretungsberechtigt gewesen; die Regelung des § 8 Abs. 3 SprengG finde keine Anwendung, da die Bestellung des Vorstands … und dessen Beauftragung mit der Gesamtleitung des Sprengbereichs erst später erfolgt sei. Der in § 8 Abs. 1 Nr. 1 Halbs. 1 SprengG erwähnte Antragsteller könne bei juristischen Personen nur der Vertretungsberechtigte – hier also Vorstand … – sein und nicht der Betriebsleiter. Zudem folge aus dem Wortlaut des § 8 Abs. 1 Nr. 1 SprengG, der es für die Versagung ausreichen lässt, dass entweder der Vorstand oder der Betriebsleiter unzuverlässig ist, im Umkehrschluss, dass kumulativ sowohl die Zuverlässigkeit des Vorstands als auch eines mit der Leitung des Betriebs oder einer Zweigstelle beauftragten Person vorliegen müssten; damit reiche der Verweis (nur) auf die Person des Betriebsleiters bei Unzuverlässigkeit des alleinvertretungsberechtigten Vorstands der Klägerin nicht aus.
17
Diese Feststellungen stellt das Zulassungsvorbringen nicht in Frage, sondern setzt ihnen die eigene, abweichende Rechtsauffassung gegenüber, ohne sich substantiiert mit den Argumenten des Verwaltungsgerichts auseinanderzusetzen. Dies genügt jedoch nicht, um ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zu begründen.
18
2.3. Soweit die Klägerin ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Regierung von Oberbayern geltend macht, befasst sie sich auch hier nicht mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts. Dieses hat hierzu festgestellt, dass die Behörde gesetzlich unbedingt zum Widerruf verpflichtet gewesen sei und der Klägerin noch im laufenden Anhörungsverfahren am 12. Oktober 2020 mitgeteilt habe, dass beabsichtigt sei, den Antrag abzulehnen und ein weiterer Terminaufschub nicht möglich sei; es sei zudem nicht glaubhaft gemacht, dass wie seitens der Klägerin behauptet eine entsprechende Mitteilung vom 13. Oktober 2020 zu der beabsichtigten Bestellung des Vorstands … in der am 2. November 2020 angesetzten Sitzung an die Behörde übermittelt worden sei; dem Schreiben der Klägerin vom 18. September 2020 lasse sich nicht entnehmen, dass und wann ein neuer Vorstand bestellt werden solle. Nach diesen – von der Klägerin nicht in Zweifel gezogenen – Feststellungen des Verwaltungsgerichts war der Behörde damit nicht bekannt, dass für den 2. November 2020 die Bestellung eines weiteren Vorstands beabsichtigt war, sodass aus dem Verhalten der Behörde bzw. dem Unterbleiben eines weiteren Zuwartens kein Verstoß gegen Treu und Glauben abgeleitet werden kann. Darauf geht die Zulassungsbegründung nicht ein, sondern wiederholt ihre insoweit bereits erstinstanzlich vertretene, gegenteilige Auffassung.
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3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 47 und § 52 Abs. 2 GKG und entspricht der erstinstanzlichen Festsetzung.
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4. Dieser Beschluss, mit dem die Entscheidung des Verwaltungsgerichts rechtskräftig wird (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO), ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).