Inhalt

VGH München, Beschluss v. 12.09.2024 – 22 ZB 23.351
Titel:

Ablehnung eines Antrags auf Novemberhilfe während der Corona-Pandemie wegen Insolvenz rechtmäßig

Normenkette:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
Leitsätze:
1. Maßgeblich für eine gerichtliche Überprüfung eines Bescheids zur Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe sind nicht die Förderrichtlinie oder zu ihr ergangene FAQ, sondern die Verwaltungspraxis der Behörde. (Rn. 18) (redaktioneller Leitsatz)
2. Solange eine Regelung zur Gewährung zur Wirtschaftshilfe sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbes. der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
3. Maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt für die Frage der Rechtmäßigkeit eines Zuwendungsbescheids ist der Zeitpunkt seines Erlasses. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
4. In Massenverfahren wie dem der Novemberhilfe während der Corona-Pandemie ist die Behörde zu einer standardisierten und formalisierten Vorgehensweise berechtigt, so dass bei Unternehmen in Insolvenz eine einzelfallbezogene Betrachtung hins. der Gründe für die Beantragung der Insolvenz sowie für die Dauer des Insolvenzverfahrens nicht anzustellen sind. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020, Unternehmen in Schwierigkeiten, Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung, Maßgeblichkeit der Verwaltungspraxis, Erforderlichkeit der Berücksichtigung atypischer Fälle (verneint), maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt, Novemberberhilfe, Verwaltungspraxis, atypischer Fall, Corona-Pandemie
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 15.12.2022 – M 31 K 21.4266
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26792

Tenor

I. Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. Dezember 2022 – M 31 K 21.4266 – wird abgelehnt.
II. Die Klägerin hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 463.914,26 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit ihrem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt die Klägerin, die ein Unternehmen im Bereich Messe- und Veranstaltungsbau betreibt, ihren Antrag auf Bewilligung einer Förderung in Höhe von 463.914,26 € nach der Richtlinie für die Gewährung von außerordentlicher Wirtschaftshilfe des Bundes für November 2020 (Novemberhilfe) weiter.
2
Auf Antrag der Klägerin vom 1. April 2020 wurde mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 1. Juni 2020 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin eröffnet und zugleich Eigenverwaltung angeordnet. Die Klägerin beantragte unter dem 13. Januar 2021 die Bewilligung von Novemberhilfe. Mit Bescheid vom selben Tag gewährte die Beklagte eine Abschlagszahlung in Höhe von 50.000 €, die jedoch wegen einer fehlerhaften Kontoverbindung nicht zur Auszahlung kam, und lehnte mit Bescheid vom 28. Juli 2021 den Antrag der Klägerin wegen fehlender Antragsberechtigung eines Unternehmens in Schwierigkeiten ab, nahm den Bescheid über die Abschlagszahlung zurück und forderte die Abschlagszahlung zurück. Daraufhin erhob die Klägerin Klage zum Verwaltungsgericht München auf Verpflichtung der Beklagten zur Bewilligung der beantragten Novemberhilfe in Höhe von 463.914,26 €.
3
Mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 6. September 2022 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin am 12. September 2022 aufgehoben. Mit Bescheid vom 2. November 2022 wurde der Bescheid vom 28. Juli 2021 dahin korrigiert, dass der festgesetzte Rückforderungsbetrag nicht zurückzuerstatten sei.
4
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 15. Dezember 2022 wurde das Verfahren eingestellt, soweit die Beteiligten den Rechtsstreit angesichts des Teilaufhebungsbescheids vom 2. November 2022 übereinstimmend für erledigt erklärt hatten; im Übrigen wies das Gericht die Klage der Klägerin ab. Das Urteil wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 20. Januar 2023 zugestellt.
5
Mit Schriftsatz vom 20. Februar 2023, am gleichen Tag beim Verwaltungsgericht eingegangen, beantragte die Klägerin die Zulassung der Berufung und begründete den Antrag mit Schriftsatz vom 18. März 2023, am gleichen Tag bei Verwaltungsgerichtshof eingegangen, sowie mit Schriftsatz vom 16. August 2023. Sie macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), besondere tatsächliche wie rechtliche Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) sowie grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend.
6
Die Beklagte ist dem Zulassungsantrag entgegengetreten.
7
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie auf die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
8
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, weil unter Berücksichtigung des Zulassungsvorbringens (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) die geltend gemachten Zulassungsgründe nicht vorliegen.
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1. Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Es kann dahinstehen, ob der Vortrag der Klägerin zu diesem Zulassungsgrund, der teilweise in der Wiederholung erstinstanzlichen Vorbringens besteht, die Darlegungsanforderungen des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO erfüllt. Jedenfalls liegt der Zulassungsgrund in der Sache nicht vor.
11
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen dessen Richtigkeit gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
12
1.1 Nach Auffassung der Klägerin hat das Verwaltungsgericht zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte bei der Entscheidung über die Bewilligung der Zuwendung atypische Fälle nicht habe berücksichtigen müssen. Damit kann sie jedoch nicht durchdringen.
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1.1.1 Das Verwaltungsgericht hat ausgeführt, es sei nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte bei der Beurteilung, ob sich ein Unternehmen in Insolvenz befinde, auf eine formelle Betrachtung, nämlich die Eröffnung und Fortdauer des Insolvenzverfahrens, stütze, anstatt eine individuelle Prüfung vorzunehmen, ob das klägerische Unternehmen aufgrund seiner freiwilligen Planinsolvenz in Eigenverwaltung zum maßgeblichen Stichtag nicht zahlungsunfähig und daher möglicherweise nicht als Unternehmen in Schwierigkeiten anzusehen gewesen sei. Nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten auf Grundlage von Ziffer 2.7 Satz 1 der Richtlinie, konkretisiert durch Ziffer 5.1 der FAQ zur November- und Dezemberhilfe, seien Unternehmen, die zum Stichtag 31. Dezember 2019 oder zum Zeitpunkt der Antragstellung ein Insolvenzverfahren angemeldet hätten, von der Antragstellung ausgeschlossen. Die Antragsberechtigung der Klägerin habe gefehlt, weil über das Unternehmen mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 1. Juni 2020 das Insolvenzverfahren eröffnet und zum Zeitpunkt der Antragstellung am 13. Januar 2021 auch nicht beendet worden sei. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Bewertung der Voraussetzungen der Gewährung der Novemberhilfe sei der Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides, so dass die Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom September 2022 zu keinem anderen Ergebnis führe. Soweit die Klägerbevollmächtigten vorgetragen hätten, dass die Verwaltungspraxis der Beklagten vorbildliche Unternehmen zu Unrecht benachteilige, die bereits vor Eintritt der Zahlungsunfähigkeit auf die Instrumente des Insolvenzrechts zurückgriffen, um die drohende Zahlungsunfähigkeit abzuwenden, komme es darauf aufgrund des eingeschränkten gerichtlichen Prüfungsmaßstabes im Zuwendungsrecht nicht an. Denn das Gericht dürfe die Förderrichtlinien nicht wie Gesetze oder Rechtsverordnungen auslegen, sondern habe lediglich zu prüfen, ob bei der Anwendung einer solchen Richtlinie im Einzelfall der Gleichheitssatz verletzt worden sei oder ein sonstiger Verstoß gegen materielle Rechtsvorschriften vorliege. Aufgrund des freiwilligen Charakters der Förderung und des weiten Ermessens des Förderungsgebers müssten die Förderrichtlinien von der zuständigen Bewilligungsbehörde gleichmäßig und ohne Verstoß gegen andere Rechtsvorschriften und gemäß dem Förderzweck angewendet werden. Der Zuwendungsgeber könne in Massenverfahren unter Beschleunigungs- und Effektivitätsgesichtspunkten das Verfahren so ausgestalten, dass die Entscheidungsfindung über den Antrag nur nach bestimmten standardisierten und formalisierten Abläufen erfolge. Vor diesem Hintergrund sei nicht zu beanstanden, dass die Beklagte auf die Mitteilung des prüfenden Dritten der Klägerin hin, wonach das Unternehmen einem laufenden Insolvenzverfahren des Amtsgerichts Landshut unterliege, von einer fehlenden Antragsberechtigung ausgegangen sei. Die Klägerin habe auch nicht vorgetragen, dass von der Beklagten trotz der auf den angegebenen Internetseiten dargestellten Handhabung in vergleichbaren Fällen eine Antragsberechtigung bejaht und eine Novemberhilfe gewährt worden wäre. Vielmehr sei davon auszugehen, dass sich die Verwaltungspraxis an den zitierten Vorgaben orientiere.
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Es sei auch nicht zu beanstanden, dass nach der ständigen Verwaltungspraxis der Beklagten im Vollzug der Förderrichtlinien kein Spielraum für die Berücksichtigung atypischer Fälle bestehe. Allein dies sei maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung. Eine Berücksichtigung atypischer Fälle möge zwar aus Sicht der Klägerin wünschenswert erscheinen, um den Besonderheiten der strategischen Planinsolvenz eines ausschließlich aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie in wirtschaftliche Schwierigkeiten geratenen Unternehmens im Vollzug der Novemberhilfe Rechnung zu tragen, doch leite sich daraus kein Anspruch auf Gewährung einer Ausnahme im Ermessenswege ab. Eine Berücksichtigung atypischer Fälle seitens der Beklagten wäre zwar von Rechts wegen möglich, eine gerichtlich durchsetzbare Verpflichtung der Beklagten hierzu bestehe allerdings nicht. Dem Richtliniengeber stehe es frei, sich für eine bestimmte Verwaltungspraxis zu entscheiden; das Willkürverbot werde nur dann verletzt, wenn die maßgeblichen Kriterien unter keinem denkbaren Aspekt rechtlich vertretbar wären und sich daher der Schluss aufdrängen würde, dass sie auf sachfremden Erwägungen beruhten. Die Beklagte habe in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass die strategische Planinsolvenz in Eigenverwaltung kein Abweichen von der Verwaltungspraxis rechtfertigen könne, da angesichts der Vielzahl von in Insolvenz befindlichen Unternehmen der Aufwand für eine derartige Einzelfallprüfung im Massenverfahren der Novemberhilfe zu hoch sei. Derartige Erwägungen erwiesen sich als nachvollziehbar und jedenfalls nicht sachfremd.
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Soweit in der obergerichtlichen Rechtsprechung teilweise die Auffassung vertreten werde, im Zuwendungsrecht sei eine Berücksichtigung atypischer Fälle nicht nur möglich, sondern im Einzelfall auch geboten, überzeuge dies nicht. Die dafür gegebene Begründung, ermessenslenkende Verwaltungsvorschriften dürften nur für den Regelfall gelten und müssten daher Spielraum für die Berücksichtigung atypischer Fälle lassen, verfange nicht, weil es sich bei der streitgegenständlichen Zuwendung um eine freiwillige Maßnahme handele, für die eine Rechtsnorm, die einen Anspruch der Klägerin begründen würde, nicht existiere. Förderrichtlinien seien nicht mit allgemeinen ermessenslenkenden Verwaltungsvorschriften vergleichbar. Anders als bei diesen Verwaltungsvorschriften, von denen im Gesetzesvollzug gegebenenfalls auch abgewichen werden müsse, handele es sich bei den Leistungen aufgrund von Zuwendungsrichtlinien um freiwillige Leistungen, für die ein materiell-rechtlicher Rahmen gerade nicht existiere. Vorrangiges (einfaches) Gesetzesrecht, an das die Vergabe der Zuwendung gebunden wäre und dessen Verdrängung für den Fall der Nichtgewährung einer Ausnahme im Ermessenswege in Betracht zu ziehen wäre, stehe vorliegend nicht inmitten, da die streitbefangene Finanzhilfe ohne Rechtsanspruch im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel als Billigkeitsleistung gewährt werde.
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1.1.2 Die Klägerin wendet dagegen ein, das Verwaltungsgericht gehe offenbar davon aus, dass bei freiwilligen Leistungen Gelder nach Gutdünken verteilt werden könnten. Soweit beim Gesetzesvollzug im Ermessenswege Spielraum für die Berücksichtigung der Besonderheiten atypischer Fälle gelassen werden müsse, müsse dies auch bei freiwilligen Zuwendungen gelten. Es bestehe kein Grund, Leistungen aufgrund freiwilliger Maßnahmen anders zu behandeln als Leistungen aufgrund von Verwaltungsvorschriften. Vorliegend handele es sich um einen atypischen Fall, weil die Klägerin zum 31. Dezember 2019 kein Unternehmen in Schwierigkeiten gewesen sei. Den Insolvenzantrag vom 1. April 2020 habe sie nur aufgrund der Auswirkungen der Covid-19-Pandemie gestellt, aufgrund der sämtliche Frühjahrsmessen sowie Messen im Spätsommer und Herbst 2020 abgesagt worden seien. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin sei ohne jedes eigene Mitwirken oder Verschulden zum Erliegen gekommen. Die Klägerin sei weder überschuldet noch zahlungsunfähig noch ein Unternehmen in Schwierigkeiten. Entgegen Ziffer 5.1 der FAQ zur Novemberhilfe habe die Klägerin kein Insolvenzverfahren angemeldet, sondern ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung beantragt, das auch im Jahr 2020 eröffnet worden sei; am 31. Dezember 2019 (dem Zeitpunkt, auf den Ziffer 2.7 Satz 1 der Richtlinie abstelle) habe sie sich nicht in Schwierigkeiten befunden. Die Formulierungen in den FAQ führten nicht dazu, dass die Klägerin als Unternehmen in Schwierigkeiten angesehen werden könne.
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1.1.3 Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung ergeben sich daraus nicht. Der klägerische Vortrag setzt sich mit dem Kern der Argumentation des Verwaltungsgerichts, nämlich der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfbarkeit der streitgegenständlichen Verwaltungsentscheidung und der Maßgeblichkeit der Verwaltungspraxis der Beklagten für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung, nicht auseinander.
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Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass seine Aufgabe nicht in der Anwendung und Auslegung der Förderrichtlinie besteht, sondern es darauf ankommt, ob die Richtlinie von der Beklagten gleichmäßig und dem Förderzweck entsprechend angewandt wurde (UA Rn. 19). Dass dies hier nicht der Fall gewesen wäre, hat die Klägerin nicht dargelegt. Soweit sie ausführt, die Voraussetzungen der Ziffer 5.1 der FAQ zur Novemberhilfe seien bei ihr nicht erfüllt gewesen bzw. diese könnten die Förderrichtlinien nicht modifizieren, kann sie damit keinen Erfolg haben. Das Verwaltungsgericht hat seine Entscheidung insoweit auf die Aussagen der Beklagten zu ihrer Verwaltungspraxis gestützt, wonach es nach Ziffer 5.1 der FAQ zur Novemberhilfe nicht entscheidend gewesen sei, welche Art der Insolvenz vorliege oder welches Insolvenzverfahren durchgeführt werde. Entscheidend sei gewesen, dass überhaupt ein Verfahren eröffnet worden sei (s. Niederschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 15. Dezember 2022, S. 2; UA Rn. 23). Maßgeblich für die gerichtliche Überprüfung des streitgegenständlichen Bescheids sind nicht die Förderrichtlinie oder zu ihr ergangene FAQ, sondern die Verwaltungspraxis der Beklagten, ganz abgesehen davon, dass die Richtlinie in Ziffer 2.7 Satz 1 hinsichtlich des Begriffs des Unternehmens in Schwierigkeiten auf Art. 2 Abs. 18 der Allgemeinen Gruppenfreistellungsverordnung (Verordnung (EU) Nr. 651/2014) verweist, nach dessen Buchst. c Unternehmen in Schwierigkeiten u.a. solche Unternehmen sind, die Gegenstand eines Insolvenzverfahrens sind; eine Differenzierung nach der Art des Insolvenzverfahrens findet dabei nicht statt.
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Soweit die Klägerin meint, es müsse Spielraum für die Berücksichtigung atypischer Fälle bestehen, weil dies bei Ermessensentscheidungen außerhalb des Zuwendungsrechts auch so sei, befasst sie sich nicht ausreichend mit den vom Verwaltungsgericht herausgearbeiteten Besonderheiten des Zuwendungsrechts und dem beschränkten gerichtlichen Prüfungsumfang (UA Rn. 30). Insbesondere lässt ihr Vortrag eine Darstellung vermissen, aus welchen Gründen die Verwaltungspraxis der Beklagten die Grenze zur Willkür überschritten haben und deshalb rechtswidrig gewesen sein sollte. Auch auf die vom Verwaltungsgericht angesprochene, aber abgelehnte obergerichtliche Rechtsprechung, nach der eine Berücksichtigung atypischer Fälle im Zuwendungsrecht im Einzelfall geboten sei, geht die Zulassungsbegründung nicht ein.
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1.2 Die Klägerin macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils weiterhin im Hinblick darauf geltend, dass ihre wirtschaftlichen Schwierigkeiten allein aufgrund der von Bund und Ländern beschlossenen Leitlinien zum Kampf gegen die Covid-19-Epidemie vom 16. März 2020 entstanden seien. Die Novemberhilfe sei für Betriebe vorgesehen, die aufgrund des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 und der auf dessen Grundlage erlassenen landesrechtlichen Bestimmungen hätten schließen müssen und nicht zuvor in wirtschaftlichen Schwierigkeiten gewesen seien. Die Novemberhilfe sei der Klägerin mithin nur deshalb versagt worden, weil sie aufgrund der Anordnungen von Bund und Ländern vom März 2020, nicht aber vom 28. Oktober 2020 habe schließen müssen; darin bestehe aber kein Grund, der Klägerin die Novemberhilfe zu verwehren. Auch zeitlich frühere Schließungsanordnungen müssten berücksichtigt werden. Damit setze sich das verwaltungsgerichtliche Urteil nicht auseinander.
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Ungeachtet der Frage der Berücksichtigungsfähigkeit dieses wohl erstmals im Zulassungsverfahren vorgebrachten Vortrags kann die Klägerin damit nicht durchdringen. Denn der Richtliniengeber ist bei der Entscheidung darüber, welcher Personenkreis durch freiwillige finanzielle Zuwendungen des Staates gefördert werden soll, weitgehend frei. Solange eine Regelung sich auf eine der Lebenserfahrung nicht geradezu widersprechende Würdigung der jeweiligen Lebensverhältnisse stützt, insbesondere der Kreis der von der Maßnahme Begünstigten sachgerecht abgegrenzt ist, kann sie verfassungsrechtlich nicht beanstandet werden (vgl. etwa BVerfG, U.v. 20.4.2004 – 1 BvR 905/00 u.a. – juris Rn. 61).
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Im Rahmen der Corona-Pandemie wurden seit Anfang des Jahres 2020 immer wieder Schließungen von Betrieben in unterschiedlichem Umfang angeordnet; dem entspricht es, dass verschiedene Förderprogramme bezogen auf unterschiedliche Zeiträume aufgelegt wurden. Die Klägerin hat nicht dargelegt, inwieweit es die Gestaltungsfreiheit des Richtliniengebers überschritten hätte, die Novemberhilfe nur für solche Unternehmen anzubieten, die von Schließungsanordnungen aufgrund des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 betroffen waren.
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2. Die Klägerin macht weiter besondere tatsächliche und rechtliche Schwierigkeiten nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geltend, die jedoch nicht vorliegen.
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2.1 Vorliegend seien nicht nur das Recht der Novemberhilfe, sondern auch insolvenzrechtliche Vorschriften zu berücksichtigen. Die hier angeordnete Eigenverwaltung unterscheide sich in rechtlicher Hinsicht erheblich von einem normalen Insolvenzverfahren, weil bei Antragstellung die Antragstellerin weder überschuldet noch zahlungsunfähig sein dürfe. Die Insolvenzordnung regele in zahlreichen Vorschriften in einem Eigenverwaltungsverfahren eine andere Handhabung von rechtlichen Punkten als im normalen Insolvenzverfahren; so bleibe in einem Eigenverwaltungsverfahren mit dem sich anschließenden Insolvenzplan der Rechtsträger mit seinem Geschäftsbetrieb erhalten. Auch sei es rechtlich schwierig zu beurteilen, ob die Eröffnung und Beendigung eines Insolvenzverfahrens mit Eigenverwaltung der Formulierung in der Richtlinie unterfalle, wonach ein Insolvenzverfahren zum Stichtag des 31. Dezember 2019 angemeldet sein müsse. Das Verwaltungsgericht habe es versäumt, diese Besonderheiten zu würdigen.
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Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten bestünden auch deshalb, weil im Insolvenzverfahren der Klägerin von Anfang an geplant gewesen sei, kurzfristig einen Insolvenzplan vorzulegen und das Verfahren wieder zu beenden. Dies sei nur deshalb nicht gelungen, weil am 28. Oktober 2020 Bund und Länder weitere Beschlüsse dahin gefasst hätten, dass weiterhin keine Messen stattfinden dürften. Nur wegen dieses Beschlusses habe sich die Klägerin im Zeitpunkt der Beantragung der Novemberhilfe noch im Insolvenzverfahren befunden.
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2.2 Insoweit bestehen bereits Zweifel an einer ausreichenden Darlegung des Zulassungsgrundes nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO (§ 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO). Jedenfalls aber ergibt sich ein solcher in der Sache aus dem klägerischen Vortrag nicht.
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Eine Berufungszulassung wegen besonderer rechtlicher Schwierigkeiten setzt voraus, dass der Rechtsstreit eine in einem Berufungsverfahren klärungsbedürftige und klärungsfähige – nämlich entscheidungserhebliche – Rechtsfrage aufwirft. Klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage nur dann, wenn ihre Beantwortung sich nicht ohne weiteres aus dem Gesetz ergibt und sie sich auch nicht auf Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Gesetzesinterpretation beantworten lässt (vgl. BVerwG, B.v. 24.8.1999 – 4 B 72.99 – juris Rn. 7; Happ in Eyermann, VwGO, § 124 Rn. 28; Kraft in Eyermann, VwGO, § 132 Rn. 20).
28
2.2.1 Soweit sich die Klägerin auf die Besonderheiten des Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung gegenüber sonstigen Insolvenzverfahren beruft, kann sie damit besondere rechtliche Schwierigkeiten der Rechtssache nicht begründen, weil es nach der – wie das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt hat – nicht zu beanstandenden Verwaltungspraxis der Beklagten auf diese Unterscheidung nicht ankam und die Fragen daher nicht entscheidungserheblich sind. Soweit die Klägerin die mangelnde Differenzierung zwischen den verschiedenen Arten des Insolvenzverfahrens durch die Beklagte angreifen möchte, würde ihr Vortrag demjenigen zu den ernstlichen Zweifeln an der Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung entsprechen und betrifft eine Rechtsfrage, die sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung zum Zuwendungsrecht zweifelsfrei im bereits oben ausgeführten Sinne beantworten lässt (s.o. 1.1.3). Dies gilt auch, soweit die Klägerin die Frage aufwirft, ob das Bestehen eines Insolvenzverfahrens in Eigenverwaltung im Zeitpunkt der Beantragung der Novemberhilfe nach dem Wortlaut der Förderrichtlinie die Antragsberechtigung ausschließt; wie oben ausgeführt, ist insoweit maßgeblich auf die Verwaltungspraxis der Beklagten abzustellen.
29
2.2.2 Rechtliche Schwierigkeiten ergeben sich auch nicht daraus, dass das Insolvenzverfahren der Klägerin im Zeitpunkt der Entscheidung über die Klage durch das Verwaltungsgericht bereits aufgehoben war. Die Frage nach dem für die Rechtmäßigkeit der Zuwendungsbescheide maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt ist in der Rechtsprechung geklärt; das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dies der Zeitpunkt des Bescheiderlasses ist, nicht aber derjenige der gerichtlichen Entscheidung (vgl. auch BayVGH, B.v. 9.1.2024 – 22 ZB 23.1018 – juris Rn. 14; B.v. 9.1.2024 – 22 C 23.1773 – juris Rn. 19 jeweils m.w.N.).
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2.2.3 Der Gesichtspunkt, dass die Klägerin sich nach ihrer Darstellung nur wegen des Beschlusses von Bund und Ländern vom 28. Oktober 2020 bei Antragstellung im Januar 2021 noch im Insolvenzverfahren befand, rechtfertigt ebenso wenig die Zulassung der Berufung nach § 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO. Die dahinter stehende Rechtsfrage, ob die Beklagte verpflichtet gewesen wäre, bei Unternehmen in Insolvenz eine einzelfallbezogene Betrachtung hinsichtlich der Gründe für die Beantragung der Insolvenz sowie für die Dauer des Insolvenzverfahrens anzustellen, lässt sich auf der Grundlage der vorhandenen Rechtsprechung zum Subventionsrecht beantworten und wurde auch vom Verwaltungsgericht zutreffend dahin beantwortet, dass die Beklagte in Massenverfahren wie dem vorliegenden zu einer standardisierten und formalisierten Vorgehensweise berechtigt ist (UA Rn. 26); mit diesem Aspekt hat sich die Klägerin nicht auseinandergesetzt.
31
3. Der weiterhin geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO liegt ebenfalls nicht vor.
32
Die Klägerin trägt hierzu vor, für die zahlreichen anhängigen Eigenverwaltungsverfahren sei zu klären, ob diese bei ermessensabhängigen Leistungen anders zu behandeln seien. Es sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob Insolvenzverfahren mit Eigenverwaltung und Insolvenzplan genauso zu behandeln seien wie normale Insolvenzverfahren. Auch ergebe sich die grundsätzliche Bedeutung aus der zwischenzeitlichen Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Hier würden die Gelder der Novemberhilfe allein für die Fortführung des Betriebs benötigt; es gehe um den Erhalt von Arbeitsplätzen.
33
Insoweit erfüllt der klägerische Vortrag nicht die Darlegungserfordernisse des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO und trifft auch in der Sache nicht zu. Um den auf die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützten Zulassungsantrag zu begründen, muss der Rechtsmittelführer (1.) eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, (2.) ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich (klärungsfähig) ist, (3.) erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist und (4.) darlegen, weshalb der Frage eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (Happ in Eyermann, VwGO, § 124a Rn. 72).
34
Dem klägerischen Vortrag fehlt es schon an der Formulierung konkreter Rechtsfragen. Ungeachtet dessen liegt der Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache nicht vor, soweit die Klägerin auf die Frage der Gewährung von ermessensabhängigen Zuwendungen an Unternehmen in Eigenverwaltungsverfahren und die Besonderheiten dieses Verfahrens verweist. Die Frage ist, wie oben ausgeführt, dahin in der Rechtsprechung geklärt, dass es auf die Verwaltungspraxis der Beklagten ankommt, soweit diese nicht willkürlich ist. Eine darüber hinausgehende Klärungsbedürftigkeit hat die Klägerin nicht dargelegt. Eine solche ergibt sich auch nicht aus der zwischenzeitlichen Beendigung des Insolvenzverfahrens. Insoweit wird auf die Ausführungen unter 2.2.2 verwiesen.
35
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 GKG.
36
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit diesem Beschluss wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).