Inhalt

VGH München, Beschluss v. 18.09.2024 – 22 ZB 23.1327
Titel:

Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung

Normenketten:
GewO § 35 Abs. 1, Abs. 6
VwGO § 94
Leitsätze:
1. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der für die Gewerbeuntersagung entscheidenden gewerberechtlichen Zuverlässigkeit ist der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, da nachträglich eingetretene Umstände, die den Gewerbetreibenden wieder als zuverlässig erscheinen lassen, ausschließlich im Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO zu berücksichtigen sind. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Wiedergestattungsantrag setzt nicht voraus, dass der Anfechtungsprozess abgeschlossen ist; bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 6 GewO ist die Behörde vielmehr unabhängig davon zur Wiedergestattung der Gewerbeausübung verpflichtet. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
3. Der Gesichtspunkt, dass die Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 S. 2 GewO grundsätzlich erst nach Ablauf eines Jahres nach Durchführung der Untersagungsverfügung in Betracht kommt, während die angefochtene Untersagungsverfügung bei Berücksichtigung einer zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wiedererlangten Zuverlässigkeit durch das Gericht aufgehoben werden könnte, ohne dass eine solche Sperrfrist einträte, führt nicht zu einer Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
4. Es ist nicht als unverhältnismäßig anzusehen, einen Kläger im Fall einer nachträglichen Besserung seiner Vermögensverhältnisse auf das Wiedergestattungsverfahren zu verweisen. (Rn. 15) (redaktioneller Leitsatz)
5. Ein Wiedergestattungsverfahren ist für die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung nicht vorgreiflich. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewerbeuntersagung, maßgeblicher Beurteilungszeitpunkt, Wiedergestattungsverfahren, Antragstellung im Wiedergestattungsverfahren, Zuverlässigkeit, effektiver Rechtsschutz, Antragstellung, Vorgreiflichkeit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Urteil vom 09.05.2023 – RN 5 K 20.597
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26789

Tenor

I. Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 9. Mai 2023 – RN 5 K 20.597 – wird abgelehnt.
II. Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 20.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger seine in erster Instanz erfolglose Klage auf Aufhebung des Bescheides des Beklagten vom 11. März 2020 weiter.
2
Der Kläger betreibt seit 1999 verschiedene Gewerbe. Mit Bescheid vom 11. März 2020 untersagte das Landratsamt Rottal-Inn ihm die Ausübung der angemeldeten Gewerbe sowie die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden und als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person. Der Bescheid wurde mit 33 Einträgen im Schuldnerverzeichnis zum Stand 20. Februar 2020 sowie mit einer strafrechtlichen Verurteilung vom 6. März 2019 zu einer Geldstrafe in Höhe von 50 Tagessätzen wegen unerlaubten Betreibens von Anlagen (§ 327 Abs. 2 Nr. 1 StGB, § 4 BImSchG) sowie diversen Einträgen im Gewerbezentralregister begründet.
3
Der Kläger erhob Klage gegen den Bescheid zum Verwaltungsgericht Regensburg. Das Verwaltungsgericht wies die Klage mit Urteil vom 9. Mai 2023 ab, dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde am 21. Juni 2023 zugestellt. Am 18. Juli 2023 beantragte der Kläger die Zulassung der Berufung beim Verwaltungsgericht und begründete den Antrag mit am 21. August 2023 beim Verwaltungsgerichtshof eingegangenem Schriftsatz sowie weiterem Schriftsatz vom 31. Oktober 2023.
4
Der Beklagte ist dem Antrag entgegengetreten.
5
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten verwiesen.
II.
6
Der Antrag auf Zulassung der Berufung bleibt ohne Erfolg, da sich aus den Darlegungen in der Antragsbegründung des Klägers (vgl. zu deren Maßgeblichkeit § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO) nicht ergibt, dass einer der Zulassungsgründe des § 124 Abs. 2 VwGO vorliegt.
7
Der Kläger macht ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils gemäß § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO geltend, die jedoch nicht vorliegen.
8
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils bestehen dann, wenn nach dem Vortrag des Rechtsmittelführers gegen die Richtigkeit des Urteils gewichtige Gesichtspunkte sprechen. Davon ist immer dann auszugehen, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt wird und wenn sich nicht ohne nähere Prüfung die Frage beantworten lässt, ob die Entscheidung möglicherweise im Ergebnis aus einem anderen Grund richtig ist (BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – juris Rn. 15; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – juris Rn. 9). Der Rechtsmittelführer muss konkret darlegen, warum die angegriffene Entscheidung aus seiner Sicht im Ergebnis falsch ist. Dazu muss er sich mit den entscheidungstragenden Annahmen des Verwaltungsgerichts konkret auseinandersetzen und im Einzelnen dartun, in welcher Hinsicht und aus welchen Gründen diese Annahmen ernstlichen Zweifeln begegnen (Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124a Rn. 62 f.).
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Das Verwaltungsgericht hat in dem angefochtenen Urteil ausgeführt, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Zuverlässigkeit sei wegen der Möglichkeit der Wiedergestattung des Gewerbes nach § 35 Abs. 6 GewO der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung. Nachträgliche Veränderungen der Sachlage blieben außer Betracht (Verweis auf BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 15). Daher komme es nicht darauf an, dass der Kläger nach eigener Aussage in der mündlichen Verhandlung die Einträge im Schuldnerverzeichnis mittlerweile auf vier habe reduzieren können, wobei drei der zugrunde liegenden Forderungen bereits bezahlt seien und die vierte, die sich auf ca. 26.000 € belaufe, umstritten sei. Diese Tatsachen spielten für die getroffene Prognose keine Rolle; soweit es dem Kläger tatsächlich gelungen sein sollte, seine gewerberechtliche Zuverlässigkeit wiederherzustellen, sei er gehalten, einen Antrag auf Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 GewO zu stellen.
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1. Der Kläger macht mit seinem Berufungszulassungsantrag geltend, das Verwaltungsgericht habe dem Wiedergestattungsverfahren in Anlehnung an das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2015 (8 C 6.14) zu Unrecht eine abschließende Funktion beigemessen. Das Bundesverwaltungsgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, wie die für einen Antrag nach § 35 Abs. 6 GewO vom Gewerbetreibenden auszugehende Initiative zur Wiederzulassung auszusehen habe, nämlich ob die Initiative durch einen förmlichen schriftlichen Antrag zu erfolgen habe oder ob den Ausführungen im Klageverfahren gegen die Gewerbeuntersagung nicht ein konkludenter Antrag zu entnehmen sein könne. Wenn ein Antrag nach § 35 Abs. 6 GewO dem Beklagten gegenüber schlüssig zum Ausdruck gebracht worden sei, sei die Behörde zur Vermeidung der Einschränkung des effektiven Rechtsschutzes gegen Dauerverwaltungsakte gehalten zu prüfen, ob sie dem Betroffenen die Ausübung des Gewerbes weiterhin verbieten dürfe. Vorliegend sei das Festhalten des Beklagten am streitgegenständlichen Bescheid unverhältnismäßig, weil zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung nur noch vier Einträge im Schuldnerverzeichnis bestanden hätten, wovon drei bereits bezahlt gewesen seien, und der Beklagtenvertreter ausweislich des Protokolls über die mündliche Verhandlung dort erklärt habe, für den Fall der Bestätigung des Vortrages des Klägers schließe er nicht aus, dass eine Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 GewO ohne Abwarten der Jahresfrist erteilt werden könne. Die Sitzung sei daraufhin sogar unterbrochen worden, um dem Beklagtenvertreter die Möglichkeit zu einer derartigen Wiedergestattung und damit Erledigung der Klage zu geben. Dies sei lediglich daran gescheitert, dass der Beklagtenvertreter einen Kollegen, mit dem er habe Rücksprache nehmen wollen, telefonisch nicht habe erreichen können. Nach alldem seien sowohl die Beklagtenseite als auch das Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vom Vorliegen eines Antrages des Klägers auf Wiedergestattung ausgegangen. Das Klageverfahren und das Wiedergestattungsverfahren seien somit parallel geführt worden und der gleichzeitige Abschluss beider Verfahren sei lediglich an der fehlenden telefonischen Rücksprache gescheitert. Zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes gegen die Gewerbeuntersagung wäre deshalb in diesem besonderen Ausnahmefall eine Prognose durch das Gericht über die künftige Ordnungsmäßigkeit des Gewerbes des Klägers auf Grundlage der erheblich reduzierten Einträge im Schuldnerverzeichnis und der Rückführung der Schulden erforderlich gewesen. Dies gelte umso mehr, als das Wiedergestattungsverfahren grundsätzlich erst ein Jahr nach Durchführung der Untersagungsverfügung eingeleitet werden könne.
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Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2023 bringt der Kläger weiterhin vor, aufgrund der vorgenannten Umstände hätte das Verwaltungsgericht zumindest eine Aussetzung des Verfahrens nach § 94 VwGO bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den von den Parteien und vom Gericht unterstellten Antrag des Klägers nach § 35 Abs. 6 GewO von Amts wegen vornehmen müssen. Da der Kläger in der ersten Instanz nicht anwaltlich vertreten gewesen sei, hätte das Gericht im Rahmen von § 86 Abs. 3 VwGO auf die sich aufdrängende Möglichkeit der Aussetzung hinweisen und eine entsprechende Antragstellung des Klägers anregen müssen.
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2. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils ergeben sich aus dem klägerischen Vortrag nicht.
13
2.1 Das Verwaltungsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der für die Gewerbeuntersagung entscheidenden gewerberechtlichen Zuverlässigkeit der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung ist. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und wird damit begründet, dass nachträglich eingetretene Umstände, die den Gewerbetreibenden wieder als zuverlässig erscheinen lassen, ausschließlich im Wiedergestattungsverfahren nach § 35 Abs. 6 GewO zu berücksichtigen sind (BVerwG, U.v. 2.2.1982 – 1 C 17.97 – juris Rn. 25; B.v. 23.11.1990 – 1 B 155.90 – juris Rn. 4; U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 15).
14
Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ergibt sich auch nicht aus der Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG, dass entgegen der vorstehenden Grundsätze für den Gewerbetreibenden günstige Veränderungen seiner Zuverlässigkeit im anhängigen Anfechtungsprozess berücksichtigt werden müssten. Denn der Wiedergestattungsantrag setzt nicht voraus, dass der Anfechtungsprozess abgeschlossen ist; bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 35 Abs. 6 GewO ist die Behörde vielmehr unabhängig davon zur Wiedergestattung der Gewerbeausübung verpflichtet (BVerwG, B.v. 23.11.1990 – 1 B 155.90 – juris Rn. 5). Auch der Gesichtspunkt, dass die Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 Satz 2 GewO grundsätzlich erst nach Ablauf eines Jahres nach Durchführung der Untersagungsverfügung in Betracht kommt, während die angefochtene Untersagungsverfügung bei Berücksichtigung einer zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung wiedererlangten Zuverlässigkeit durch das Gericht aufgehoben werden könnte, ohne dass eine solche Sperrfrist einträte, führt nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich der Senat anschließt, nicht zu einer Verletzung der Garantie effektiven Rechtsschutzes. Denn insoweit kommt eine Auslegung des § 35 Abs. 6 Satz 2 GewO, die den entsprechenden Bedenken Rechnung trägt, in Betracht; die Sperrfrist würde danach lediglich in den Fällen durchbrochen, in denen ein Gewerbetreibender gegen eine zu Recht erlassene Untersagungsverfügung einen Anfechtungsprozess betreibt, in dessen Verlauf sich die Sachlage so ändert, dass die Gewerbeuntersagung schließlich nicht mehr gerechtfertigt ist (BVerwG, B.v. 23.11.1990 – 1 B 155.90 – juris Rn. 5). Dem entspricht es letztlich, dass der Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht am 9. Mai 2023 ausweislich des Protokolls erklärt hat, sofern sich der Vortrag des Klägers zu den Einträgen im Schuldnerverzeichnis bestätigen sollte, schließe er nicht aus, dass eine Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 GewO ohne Abwarten der Jahresfrist erteilt werden könne. Es ist insoweit auch nicht ersichtlich, dass der Kläger durch eine unangemessene Handhabung der Jahresfrist seitens der Behörde beschwert wäre.
15
Ebenso wenig wäre es als unverhältnismäßig anzusehen, den Kläger im Fall einer nachträglichen Besserung seiner Vermögensverhältnisse auf das Wiedergestattungsverfahren zu verweisen (BVerwG, B.v. 9.4.1997 – 1 B 81.97 – juris Rn. 7).
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2.2 Ein anderes Ergebnis hinsichtlich der Berücksichtigungsfähigkeit nachträglich eingetretener Umstände folgt auch nicht daraus, dass der Kläger meint, er habe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren konkludent einen Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung nach § 35 Abs. 6 GewO gestellt, der gute Erfolgsaussichten gehabt habe.
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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts schließt es gerade das Antragserfordernis des § 35 Abs. 6 Satz 1 GewO aus, die für die Wiedergestattung erheblichen Umstände im laufenden Anfechtungsprozess gegen die Gewerbeuntersagung zu berücksichtigen (vgl. BVerwG, B.v. 27.12.1989 – 1 B 185.89 – juris Rn. 3). Dieses Erfordernis steht mithin einer Verknüpfung der Prüfung der Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung mit der Prüfung, ob ein Anspruch auf Wiedergestattung besteht, durch die Gerichte entgegen.
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2.2.1 Einen Antrag auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung hatte der Kläger bei der Behörde jedoch nicht gestellt.
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Erforderlich ist nach § 35 Abs. 6 Satz 1 GewO ein schriftlicher oder elektronischer Antrag. Selbst eine mündliche Antragstellung – etwa in der mündlichen Verhandlung gegenüber den dort anwesenden Behördenvertretern – wäre somit nicht möglich, ganz abgesehen davon, dass eine solche aus dem Protokoll auch nicht hervorgeht. Erst recht kommt eine vom Kläger behauptete konkludente Antragstellung, die sich aus seinen Ausführungen im gegen die Gewerbeuntersagung gerichteten Klageverfahren hätte ergeben sollen, nicht in Betracht. Vom Vorliegen eines Antrages ging entgegen der Behauptung des Klägers auch weder der Beklagte noch das Verwaltungsgericht in der dortigen mündlichen Verhandlung aus. Dies kann insbesondere nicht aus der Aussage des Beklagtenvertreters geschlossen werden, eine Wiedergestattung nach § 35 Abs. 6 GewO ohne Abwarten der Jahresfrist werde nicht ausgeschlossen, sofern sich der Vortrag des Klägers zu den Einträgen im Schuldnerverzeichnis bestätigen sollte.
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2.2.2 Der Kläger hatte die Frage, ob ihm die Gewerbeausübung nach § 35 Abs. 6 GewO wieder zu gestatten war, auch nicht zum Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens gemacht, so dass sich auch deshalb eine Entscheidung des Gerichts darüber erübrigte. Voraussetzung einer zulässigen Klage auf Wiedergestattung der Gewerbeausübung wäre die Stellung eines entsprechenden Antrags bei der Behörde, deren (ablehnende) Entscheidung darüber (bzw. eine im Grundsatz dreimonatige Untätigkeit i.S.v. § 75 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 VwGO) sowie eine ausdrückliche und fristgemäße Klageerhebung. Daran fehlte es hier, insbesondere auch an einem entsprechenden Klageantrag. Es kann mithin keine Rede davon sein, das Klageverfahren und das Wiedergestattungsverfahren seien hier parallel zueinander gelaufen und hätten ggf. gemeinsam in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht entschieden werden können oder gar müssen.
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2.2.3 Ungeachtet der vorstehenden Ausführungen und ohne dass es hierauf entscheidungserheblich ankäme, hat der Kläger im Zulassungsverfahren nicht belegt, dass im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht oder auch bei Begründung des Zulassungsantrags anders als zuvor von seiner gewerberechtlichen Zuverlässigkeit auszugehen gewesen wäre und die (materiellen) Voraussetzungen für die Wiedergestattung damit vorgelegen hätten. Denn er hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht lediglich mündlich erklärt, aktuell bestünden nur noch vier Einträge im Schuldnerverzeichnis, von denen bereits drei bezahlt seien, und die verbleibende Verbindlichkeit sei strittig. Belege dafür wurden weder in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht noch im Zulassungsverfahren vorgelegt. Unabhängig von der Frage der Beweislastverteilung im behördlichen Wiedergestattungsverfahren (s. hierzu Marcks in Landmann/Rohmer, GewO, Stand Dezember 2023, § 35 Rn. 178) wäre der Kläger im Zulassungsverfahren, wo er auch anwaltlich vertreten war, hierzu nach § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO verpflichtet gewesen. Die Mitteilung des Beklagten im Zulassungsverfahren, wonach am 27. April 2023 festgestellt worden sei, dass es zwischen dem Erlass des Untersagungsbescheids und der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht zu sechs weiteren Einträgen im Schuldnerverzeichnis gekommen sei, ist zudem unwidersprochen geblieben.
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2.2.4 Soweit der Kläger meint, das Verwaltungsgericht hätte das Verfahren nach § 94 VwGO bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde über den konkludenten Wiedergestattungsantrag aussetzen müssen, ist dieser – wohl als Verfahrensrüge nach § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO zu wertende – über das bisherige Vorbringen hinausgehende Vortrag schon nicht innerhalb der Frist des § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof eingegangen und deshalb unbeachtlich. Unabhängig davon kam eine Aussetzung des Verfahrens nicht in Betracht. Beim Landratsamt war zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht schon kein Wiedergestattungsverfahren anhängig. Wegen der dargestellten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (s.o. 2.1) wäre ein solches im Übrigen für die gerichtliche Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Gewerbeuntersagung nicht vorgreiflich gewesen.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus § 47, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in Nrn. 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013.
24
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).