Inhalt

VGH München, Beschluss v. 23.08.2024 – 22 CS 24.1409 , 22 C 24.1437
Titel:

Antragsbefugnis gegen Standortbescheinigung für eine ortsfeste Funkanlage

Normenketten:
BImSchG § 22 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 2
26. BImSchV § 2
Leitsatz:
Für die Behauptung, der Grenzwert nach § 2 der 26. BImSchV beanspruche keine Geltung mehr, bedarf es diesbezügliche gesicherte bzw. verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse. (Rn. 21) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Standortbescheinigung für ortsfeste Mobilfunkanlage, Grenzwerte nach § 2 i.V.m. dem Anhang 1 zur 26. BImSchV, Elektrohypersensibilität, Standortbescheinigung, Funkmast, Sicherheitsabstand, Antragsbefugnis, Gesundheitsgefährdung
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 09.08.2024 – AN 11 S 24.2013
Fundstelle:
BeckRS 2024, 26787

Tenor

I. Die Verfahren 22 CS 24.1409 und 22 C 24.1437 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.
II. Die Beschwerden werden zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens 22 CS 24.1409 tragen die Antragsteller zu je einem Drittel, die Kosten des Beschwerdeverfahrens 22 C 24.1437 tragen die Antragstellerinnen zu 2) und 3) je zur Hälfte.
IV. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren 22 CS 24.1409 wird auf 7.500 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller zu 1) ist Eigentümer des Grundstücks Höfen 2, ... N. a. d. P.. Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) bewohnen zusammen mit dem Antragsteller zu 1) dieses Anwesen.
2
Die durch die Bundesnetzagentur vertretene Antragsgegnerin erließ am 18. Januar 2024 eine Standortbescheinigung für eine ortsfeste Funkanlage auf dem Grundstück FlNr. 699 der Gemarkung V.. Danach soll bei einer Montagehöhe der Bezugsantenne über Grund von 37,70 m der standortbezogene Sicherheitsabstand in Hauptstrahlrichtung 16,84 m und vertikal (90 Grad) 3,87 m betragen.
3
Das Anwesen des Antragstellers zu 1) befindet sich nach Angaben der Antragsteller ca. 800 m vom Standort des Mobilfunkmastes entfernt, nach Angaben der Antragsgegnerin ca. 1.000 m.
4
Mit Schriftsatz vom 7. August 2024 beantragten die Antragsteller beim Verwaltungsgericht Ansbach, die aufschiebende Wirkung ihres Drittwiderspruchs vom 7. August 2024 gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 18. Januar 2024 anzuordnen. Zudem wurde für die Antragstellerinnen zu 2) und 3) ein Prozesskostenhilfeantrag gestellt.
5
Zur Begründung verwiesen sie im Wesentlichen auf ein Urteil des OVG Koblenz vom 4. April 2024 (Az. 1 A 10814/23.OVG), in dem festgestellt worden sei, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV unzureichend seien, und die erhöhte Elektrosensibilität der Antragsteller. Sie legten für den Antragsteller zu 1) einen Teilabhilfebescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales Region M. Versorgungsamt vom 4. Dezember 2009 vor, wonach der Antragsteller zu 1) u.a. an psychovegetativen Störungen, Schlafstörungen, einer seelischen Störung, somatoformen Störungen, Elektrosmogempfindlichkeit und Ohrgeräuschen leide sowie ein Attest eines Facharztes für psychosomatische Medizin und Psychotherapie vom 8. September 2010, das dem Antragsteller zu 1) eine ähnliche Symptomatik bescheinigt. Für die Antragstellerin zu 3) liegt ein Bescheid des Versorgungsamtes B. vom 8. Juli 2010 vor, mit dem ein Grad der Behinderung von 50% bescheinigt wird, allerdings keine Aussagen zur Art der Behinderung getroffen werden. In einem Bescheid vom 7. August 2002 werden ein psychovegetativer Erschöpfungszustand mit Angstzuständen und somatischen Beschwerden sowie eine Funktionsstörung der Wirbelsäule mit Schmerzzuständen und eine Funktionsstörung des linken Kniegelenkes festgestellt. Für die Antragstellerin zu 2) liegen Atteste vom 14. Januar 2018 und 13. April 2017 mit den Diagnosen Chronisches Erschöpfungssyndrom und glutensensitive Enteropathie sowie eine ärztliche Bescheinigung mit den Diagnosen CFS, MCS und EHS vor.
6
Mit Beschluss vom 9. August 2024 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den Antrag der Antragsteller und den diesbezüglichen Prozesskostenhilfeantrag ab. Zur Begründung verwies es darauf, dass die Antragsteller nicht antragsbefugt seien. Die Wohnung der Antragsteller befinde sich ca. 850 m außerhalb des in der Standortbescheinigung festgelegten Sicherheitsabstands. Der für die Antragsbefugnis relevante Einwirkungsbereich sei auf die unmittelbare Nachbarschaft zu beschränken, namentlich auf die Liegenschaften, die an den Sicherheitsabstand heran- oder in ihn hineinreichen. Nur sie seien vom Schutzzweck des § 3 BEMFV erfasst, weil sich eine fehlerhafte Berechnung des Sicherheitsabstands auf sie auswirken könne. Im Hinblick auf den begrenzten Prüfungs- und Regelungsumfang einer Standortbescheinigung bestehe nur für solche Personen die Möglichkeit einer Rechtsverletzung, die mit Erfolg geltend machen könnten, dass durch die Standortbescheinigung möglicherweise der zur Einhaltung der Grenzwerte nach § 3 BEMFV erforderliche standortbezogene Sicherheitsabstand zu ihrem Nachteil fehlerhaft ermittelt worden sei. Vorliegend bestehe vor dem Hintergrund, dass sich das Wohnhaus der Antragsteller das 51-fache des festgelegten Sicherheitsbereichs entfernt befinde, keine Möglichkeit, dass – selbst bei Unterstellung eines hypothetischen Überschreitens der Grenzwerte – das von den Antragstellern bewohnte Wohnhaus in den Einwirkungsbereich der Anlage fallen würde. Ein Eingriff in das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung komme nicht in Betracht. Das bloße (angesichts der Entfernung von rund 870 m ohnehin allenfalls marginale) Betroffensein von elektromagnetischer Strahlung in der Wohnung sei – auch bei Zugrundelegung des „modernen“ Eingriffsbegriffs des Bundesverfassungsgerichts – kein „Eindringen“ in die Wohnung der Antragsteller; jedenfalls wäre ein solcher Eingriff aber wegen seiner (äußerst) geringen Intensität gerechtfertigt. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO sei zudem unbegründet. Soweit die Antragstellerbevollmächtigte auf das Urteil des OVG Koblenz vom 4. April 2024 verweise, in welchem ausgeführt werde, dass nicht eindeutig und nach jeder Betrachtungsweise ausgeschlossen werden könne, dass die Grenzwerte der 26. BImSchV völlig unzureichend zum Schutz der menschlichen Gesundheit seien, komme es hierauf im vorliegenden Fall nicht an, da im Hinblick auf die ca. 51-fache Überschreitung des Sicherheitsabstandes bei summarischer Prüfung nicht davon auszugehen sei, dass die Werte um ein ebenso Vielfaches anzupassen wären und somit eine Betroffenheit der Antragsteller ausgeschlossen sei. Denn selbst wenn die in § 2 der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte zu hoch und damit der konkret festgesetzte standortbezogene Sicherheitsabstand zu gering wäre, würde daraus im konkreten Fall noch keine Rechtsverletzung der Antragsteller folgen. Etwas anderes ergebe sich auch nicht bei Berücksichtigung der geltend (jedoch jedenfalls nicht für alle Antragsteller glaubhaft) gemachten individuellen Situation der Antragsteller und der daraus möglicherweise resultierenden erhöhten Anfälligkeit. Die Kammer halte auch eine rein tatsächliche (lebensbedrohliche) Gesundheitsbeeinträchtigung der Antragsteller für fernliegend. Dies ergebe eine Betrachtung der konkreten örtlichen Situation. Dass den Antragstellern aufgrund der von ihnen geltend gemachten Elektrosmogempfindlichkeit insbesondere auch vor dem Hintergrund der Entfernung von 870 m bei einer Inbetriebnahme akute Lebensgefahr drohe, sei bereits nicht hinreichend glaubhaft dargelegt. Bei der nach allen bisherigen Erkenntnissen in der Wohnung der Antragsteller ankommenden Strahlung sei eine auf die streitgegenständliche Anlage entfallende Ursächlichkeit weder nachweisbar noch wahrscheinlich. Aus den genannten Gründen sei auch der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen.
7
Gegen diesen Beschluss haben die Antragsteller Beschwerden eingelegt.
8
Sie beantragen,
unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 9. August 2024 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller gegen die der Beigeladenen von der Antragsgegnerin erteilte Standortbescheinigung vom 18. Januar 2024 anzuordnen (22 CS 24.1409) sowie den Antragstellerinnen zu 2) und zu 3) Prozesskostenhilfe zu bewilligen (22 C 24.1437).
9
Für die Antragsteller bestehe Lebensgefahr. Der Gesundheitszustand der Antragsteller habe sich seit der Inbetriebnahme des Mobilfunkmasts bereits so verschlechtert, dass sie das Haus verlassen und für die Nacht im Wald hätten Zuflucht suchen müssen. Es werde nochmals auf die Entscheidung des OVG Koblenz verwiesen. Danach bestünden Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Grenzwerte. Zudem werde auf S. 156 des Berichts des Technikfolgenausschusses verwiesen. Der streitgegenständliche Mobilfunkmast dürfe bis zu einer Überprüfung der Grenzwerte der 26. BImSchV nicht in Betrieb gehen. Dies müsse insbesondere angesichts der aus der ATHEM-3 Studie und der WHO-Studie gewonnenen Erkenntnisse gelten. Aufgrund dieses wissenschaftlich neuen Erkenntnisstandes entfalle sogar die Grundlage für die Grenzwertfestlegung in der 26. BImSchV. Eine unterschiedliche Behandlung von ionisierender und Mobilfunkstrahlung sei angesichts vorgenannter Erkenntnis nicht mehr vertretbar. Diese neuen Erkenntnisse führten dazu, dass die in der 26. BImSchV festgelegten Grenzwerte als nicht mehr valide anzusehen seien. Die streitgegenständliche Standortbescheinigung sei deswegen rechtswidrig. Die bei den Antragstellern vorliegende Elektrohypersensibilität sei als Erkrankung anerkannt. Da sie bei den Antragstellern diagnostiziert sei und die Inbetriebnahme des Funkmasts wie es sich gezeigt habe zu einem extremen Anstieg der Leidenssituation führe, sei dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stattzugeben. Seit der Inbetriebnahme litten die Antragsteller unter Beschwerden, die vorher nicht aufgetreten seien. Sie verweisen hierzu auf die von ihnen erstellten Symptomlisten. Inzwischen sei der Mast offensichtlich wieder vom Netz genommen worden. Dies zeigten das Befinden der Antragsteller und deren Messungen. Es drohe aber die Wiederinbetriebnahme. Die Antragsgegnerin könne sich demgegenüber nicht auf die fehlende Inbetriebnahmeanzeige berufen. Auch ein Verstoß gegen Art. 13 GG sei entgegen den Ausführungen des Verwaltungsgerichts Ansbach gegeben. Dass es sich vorliegend nicht um einen Mobilfunkmast mit 5G-Technik handle, führe nicht dazu, dass die Rechtsprechung des OVG Koblenz nicht zu beachten sei. Selbst wenn die Standortbescheinigung rechtmäßig wäre, wäre wegen der besonderen Vulnerabilität der Antragsteller, die schon seit Jahrzehnten bestehe und ärztlich bestätigt sei, durch die Inbetriebnahme des Funkmasts das Vorliegen eines übergesetzlichen Notstandes begründet.
10
Die Antragsgegnerin beantragt,
die Beschwerden zurückzuweisen.
11
Sie verweist insbesondere auf die unzutreffenden Angaben der Antragsteller zur Entfernung des Wohnanwesens vom Mobilfunkmast, auf die fehlende Auseinandersetzung mit den Gründen des Beschlusses des Verwaltungsgerichts und auf die obergerichtliche Rechtsprechung zu den Grenzwerten der 26. BImSchV. Insbesondere stellt sie klar, dass der streitgegenständliche Mast bislang nicht in Betrieb gegangen und eine Inbetriebnahme erst für den 26. August 2024 vorgesehen sei. Die von den Antragstellern behauptete Symptomverschlechterung sei auf den sog. Nocebo-Effekt zurückzuführen. Im Übrigen nimmt sie auf ihre Antragserwiderung vom 14. August 2024 im Verfahren AN 11 S 24.2023 Bezug.
12
Die Bevollmächtigte der Antragsteller nahm mit Schriftsatz vom 22. August 2024 (Vorversion und endgültige Version) zum Vorbringen der Antragsgegnerin Stellung und ergänzte die Beschwerdebegründung. Sie trug insbesondere vor, dass sich der Funkmast in der Zeit vom 12. bis 15. August 2024 zumindest im Probebetrieb befunden habe und wies auf die bestehende Lebensgefahr für die Antragsteller durch die bevorstehende erneute Inbetriebnahme hin. Zudem äußerte sie sich nochmals zur Validität der Grenzwerte der 26. BImSchV und zum Urteil des OVG Koblenz.
13
Ergänzend wird auf die vorgelegten Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.
II.
14
Die Beschwerden haben keinen Erfolg. Das Vorbringen in den Beschwerdeverfahren rechtfertigt keine Abänderung oder Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 9. August 2024.
15
1. Das Beschwerdevorbringen im Verfahren 22 CS 24.1409, auf dessen Überprüfung der Senat im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), genügt bereits nicht den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag nach § 80 Abs. 5, § 80a Abs. 3 VwGO unter Verweis auf die fehlende Antragsbefugnis als unzulässig abgelehnt. Mit den diesbezüglichen Ausführungen des Verwaltungsgerichts zum Schutzzweck des § 3 BEMFV, der vielfachen Überschreitung (51-fach nach den Berechnungen des Verwaltungsgerichts) des nach der Standortbescheinigung erforderlichen Sicherheitsabstands von 16,84 m in Hauptstrahlrichtung zwischen dem Wohnhaus der Antragsteller und dem Funkmast und der äußerst geringen Intensität der am Wohnhaus der Antragsteller noch ankommenden elektromagnetischen Strahlung setzt sich die Bevollmächtigte der Antragsteller nicht hinreichend auseinander.
16
1.1 Der Verweis auf den Beschluss des OVG Koblenz vom 4. April 2024 (Az. 1 A 10814/23.OVG) reicht insoweit nicht aus. Entgegen der von der Bevollmächtigten der Antragsteller vertretenen Auffassung hat das OVG Koblenz in diesem Beschluss nicht festgestellt, dass sich die Grenzwerte der 26. BImSchV für Hochfrequenzanlagen als unzureichend erwiesen haben. Das OVG Koblenz hat sich zu den Grenzwerten der 26. BImSchV nur im Rahmen einer Zurückverweisungsentscheidung nach § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO geäußert. Es hat insoweit darauf abgestellt, dass eine Erörterung der materiell bedeutsamen Fragen bislang noch nicht stattgefunden hat und die Streitsache deshalb an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen war, weil das Verwaltungsgericht bei der Prüfung der Klagebefugnis – für die die Möglichkeit einer Rechtsverletzung ausreichend ist – darauf abgestellt hatte, dass eine Rechtsverletzung der dortigen Kläger (Entfernung zum Standort des Funkmasts 450 m) nicht offensichtlich und eindeutig ausgeschlossen werden könne. Der Verweis auf eine bestimmte Textstelle im Urteil des OVG (wohl Rn. 58) führt nicht weiter, da sie ebenfalls nur der Begründung der Zurückverweisungsentscheidung dient.
17
1.2 Weiter haben die Antragsteller nicht dargelegt, dass trotz der vielfachen Überschreitung des in der Standortbescheinigung festgelegten Sicherheitsabstands eine durch den Funkmast verursachte gesundheitlich relevante Strahlenbelastung in ihrem Wohnhaus auftritt. Fehler bei der Ermittlung des standortbezogenen Sicherheitsabstands haben die Antragsteller nicht aufgezeigt, so dass eine Antragsbefugnis wegen einer möglichen Verletzung von § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 BImSchG ausscheidet (vgl. hierzu BayVGH, B.v. 8.12.2021 – 22 CS 21.2284 – juris Rn. 41). Zudem fehlt es an jeglichem Vortrag dazu, weshalb trotz der großen Entfernung zum Standort des Masts (lt. Antragsgegnerin 60-facher Sicherheitsabstand) eine Gesundheitsgefährdung eintreten sollte. Die Antragsgegnerin hat in der Antragserwiderung vom 12. August 2024 (S. 5/6) erläutert, dass die Leistungsflussdichte mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt, so dass am Wohnhaus der Antragsteller eine 3.460-fach niedrigere Strahlenlast ankommt als an der „Grenze“ des Sicherheitsabstands. Anhaltspunkte dafür, dass der Grenzwert der 26. BImSchV um einen derart gewichtigen Faktor zu niedrig angesetzt wäre, ergeben sich aus dem Vorbringen der Antragsteller nicht, so dass ihnen auch keine Antragsbefugnis wegen einer möglichen Verletzung des Art. 2 Abs. 2 GG zukommt. Die ergänzende Beschwerdebegründung vom 22. August 2024 verweist insoweit nur auf Studien, wonach schon bei Einhaltung eines 1000-fach niedrigeren Grenzwertes Gesundheitsschäden auftreten könnten, berücksichtigt aber nicht, dass hier der Grenzwert um den Faktor 3.460 unterschritten wird, da sich die Strahlenbelastung nicht linear mit dem Abstand des Wohnanwesens vom Funkmast vermindert, sondern exponentiell.
18
1.3 Insbesondere ergibt sich die Antragsbefugnis der Antragsteller nicht aus der geltend gemachten Elektrosensibilität. Dabei kann dahinstehen, inwieweit ein Nachweis einer bestehenden Elektrosensibilität bzw. eines Kausalzusammenhangs zwischen einem elektromagnetischen Feld und auftretenden Beschwerden bei vielfacher Überschreitung des in der Standortbescheinigung festgelegten Sicherheitsabstands wie hier überhaupt geeignet sein könnte, die Antragsbefugnis der Antragsteller zu begründen. Die Antragstellerinnen zu 2) und 3) haben außer von ihnen selbst erstellten Symptomlisten, die keinen Beleg für eine auf elektromagnetischer Strahlung beruhende Erkrankung darstellen, keinen plausiblen Nachweis für eine bei ihnen bestehende derartige Krankheit erbracht. Den nicht aktuellen ärztlichen Bescheinigungen lässt sich ein Zusammenhang des beschriebenen Krankheitsbildes mit elektromagnetischer Strahlung nicht mit der notwendigen Deutlichkeit entnehmen, um eine Kausalität zwischen dem von einem Mobilfunkmast erzeugten elektromagnetischen Feld und den Beschwerden herzustellen, geschweige denn eine Lebensgefahr zu begründen. Dem Antragsteller zu 1) wurde zwar im Jahr 2010 eine Elektrohypersensibilität attestiert. Anhaltspunkte dafür, dass die vom Antragsteller zu 1) aufgezählten Beschwerden bzw. die behauptete Lebensgefahr mit der am Wohnhaus ankommenden Strahlung des streitgegenständlichen Mobilfunkmasts zusammenhängen, liegen jedoch nicht vor. Laut Aussage der Antragsgegnerin, die auf den Angaben der Beigeladenen beruht, wurde der Funkmast noch gar nicht in Betrieb genommen, so dass die vom Antragsteller zu 1) vorgetragene Verschlechterung seines Befindens auch nicht durch die Strahlung des Funkmasts hervorgerufen werden konnte. Dass ein Probebetrieb stattgefunden habe, ist demgegenüber eine spekulative Annahme der Antragsteller. Im Übrigen leidet der Antragsteller zu 1) nach seinen Angaben seit vielen Jahren auch ohne den Betrieb des Funkmastes an den von ihm beschriebenen Symptomen, so dass die vorgetragene Verschlechterung der Symptomatik – völlig unabhängig von einer eventuellen Inbetriebnahme des Mobilfunkmasts – ihre Ursache auch in den neben der Elektrohypersensibilität bestehenden Grunderkrankungen haben kann.
19
1.4 Das Verwaltungsgericht ist auch zu Recht davon ausgegangen, dass sich die Antragsbefugnis nicht aus Art. 13 Abs. 1 GG ergeben kann, weil wegen der geringen Strahlungsintensität bereits kein Eingriff in den Schutzbereich des Grundrechts vorliegt. Mit der diesbezüglichen Begründung des Verwaltungsgerichts (vgl. auch BayVGH, B.v. 8.12.2021 – 22 CS 21.2284 – juris Rn. 13) setzen sich die Antragsteller nicht auseinander.
20
Die Beschwerde erweist sich daher bereits aus diesem Grund als unbegründet.
21
1.5 Soweit die Antragsteller darauf verweisen, dass der Grenzwert nach § 2 der 26. BImSchV wegen neuerer wissenschaftlicher Erkenntnisse keine Geltung mehr beanspruche, legen sie nicht dar, dass diese Regelung zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor elektromagnetischen Feldern gänzlich ungeeignet oder völlig unzulänglich und so verfassungsrechtlich untragbar geworden wäre (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 24.3.2021 – 1 BvR 2656/18 – juris Rn. 152; B.v. 24.1.2007 – 1 BvR 382/05 – juris Rn. 18; BayVGH, B.v. 8.12.2021 – 22 CS 21.2284 – juris Rn. 44, B.v. 24.5.2022 – 22 CS 22.711 – juris Rn. 33 m.w.N., B.v. 21.11.2023 – 22 ZB 23.1520 – juris Rn. 14). Voraussetzung hierfür wären diesbezügliche gesicherte bzw. verlässliche wissenschaftliche Erkenntnisse. Dass Hochfrequenzanlagen in bestimmen Konstellationen und in einem bestimmten räumlichen Einwirkungsbereich potentiell Gefahren für die menschliche Gesundheit – z.B. durch die nachgewiesenen sog. thermischen Effekte – verursachen können, bestreitet auch die Antragsgegnerin nicht. Selbst wenn sich möglicherweise aus den von den Antragstellern genannten Studien Anhaltspunkte ableiten lassen würden, dass über den derzeit geltenden Sicherheitsabstand (als Resultat der geltenden Grenzwerte) hinaus konkrete Gefahren für die menschliche Gesundheit durch den vorliegend streitgegenständlichen Anlagentyp verursacht werden könnten, reicht dies nicht, um schon von einer evidenten Missachtung verlässlicher / gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse durch die Antragsgegnerin zu sprechen. Ausschließlich das ist aber der vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigte Maßstab (BayVGH, B.v. 16.5.2023 – 22 ZB 22.1468 – juris Rn. 16). Solche gesicherten Erkenntnisse ergeben sich insbesondere nicht aus dem Bericht des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technologieabschätzung vom 14. Februar 2023 (BT-Drs. 20/5646). Zu den Grenzwerten für elektromagnetische Felder führt der Bericht auf S. 10 aus: „Die Grundlage für die Festsetzung von Grenzwerten sind die wissenschaftlich nachgewiesenen gesundheitlichen Risiken. Da ein klarer wissenschaftlicher Nachweis für gesundheitliche Effekte von HF-EMF bislang nur für thermische Wirkungen geführt werden konnte, zielen die Grenzwerte darauf ab, gesundheitsrelevante Wärmebelastungen des Körpers durch HF-EMF zu verhindern. Bezüglich möglicher nichtthermischer Wirkungen mit gesundheitlichen Auswirkungen existiert eine Vielzahl von Studien unterschiedlicher Qualität mit teils widersprüchlichen bzw. inkonsistenten Resultaten. Ob und ggf. wie diese Evidenzen bei der Festsetzung von Grenzwerten für HF-EMF zu berücksichtigen sind, wird in Fachkreisen und in der breiten Öffentlichkeit zum Teil sehr kontrovers diskutiert. Im konventionellen Ansatz, der von den zuständigen Behörden verfolgt wird, werden sie bei der Setzung von Grenzwerten nicht berücksichtigt, sondern führen zur Empfehlung von Vorsorgemaßnahmen.“ Gesicherte Erkenntnisse darüber, dass die derzeit geltenden Grenzwerte völlig unzureichend im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sind, ergeben sich aus dem Bericht also gerade nicht. Nichts anderes gilt bezüglich des Verweises der Antragsteller auf S. 156 des Berichts. Die darin getroffenen Aussagen beziehen sich auf die sog. Risikogovernance und bewerten nicht die Validität der Grenzwerte der 26. BImSchV. Im Juni 2024 erschien die ATHEM 3-Studie „Bewertung von oxidativem Stress und genetischer Instabilität bei Anwohnern in der Nähe von Mobilfunk-Basisstationen in Deutschland“ von Gulati et al. [2024; 1]. Sie untersuchte die Langzeitwirkungen von Mobilfunk-Basisstationen auf den menschlichen Organismus. Entgegen dem Vorbringen der Antragsteller ergibt sich aus dieser Studie – die sich mit den athermischen Effekten von elektromagnetischen Feldern, nicht nur von Mobilfunkmasten, eingehend beschäftigt – nicht, dass ein wissenschaftlicher Konsens dahingehend besteht, dass die Grenzwerte des § 2 der 26. BImSchV keine Geltung mehr beanspruchen. Auch mit dem ergänzenden Beschwerdevorbringen verfehlt die Bevollmächtigte der Antragsteller den vom Bundesverfassungsgericht aufgezeigten Maßstab, um die Grenzwerte der 26. BImSchV als vollkommen ungeeignet zum Schutz der menschlichen Gesundheit vor elektromagnetischen Feldern erscheinen zu lassen. Im Übrigen ist es nicht Aufgabe des gerichtlichen Eilrechtsschutzes gegen eine Standortbescheinigung für einen Mobilfunkmast, eine abschließende Entscheidung zur Fortgeltung der Grenzwerte der 26. BImSchV zu treffen. Selbst wenn das Vorbringen im Beschwerdeverfahren Zweifel an der Validität der Grenzwerte aufwerfen würde, würde eine dann erforderliche Interessenabwägung zu Lasten der Antragsteller ausgehen, da wegen des großen Abstands des Wohnhauses zum Funkmast eine nur äußerst geringe Strahlenlast am Wohnhaus ankommt, die für sich genommen nicht zu einer Gesundheitsgefährdung oder Lebensgefahr führen kann.
22
2. Die Beschwerde gegen die Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Antragstellerinnen zu 2) und 3) (22 C 24.1437) ist zurückzuweisen, weil ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen die Standortbescheinigung vom 18. Januar 2024 keine Erfolgsaussichten hat.
23
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung für das Verfahren 22 CS 24.1409 beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 1.1.3 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Einer Streitwertfestsetzung für das Verfahren 22 C 24.1437 bedarf es nicht, weil nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 GKG) eine streitwertunabhängige Gebühr anfällt.
24
4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).