Titel:
Zuordnung durch Pflichtwandelanleihe erzieltenGewinns als steuerfreier Veräußerungsgewinn nach § 8bKörperschaftsteuergesetz
Normenketten:
KStG § 8b, § 14 Abs. 1 Nr. 2 u. Abs. 2, § 26
EStG § 10d, § 15 Abs. 4 S. 6, § 15a Abs. 1 S. 1, § 15b, § 20 Abs. 1 Nr. 4 S. 2, § 52 Abs. 23 S. 2
GG Art. 3 Abs. 1
KWG § 1 Abs. 1a S. 2 Nr. 4, Abs. 12 S. 1 Nr. 1
AO § 182 Abs. 1 S. 1, § 351 Abs. 2
FGO § 44 Abs. 1, § 45, §46, § 100 Abs. 2 S. 2
Leitsatz:
Ein Verlusttransfer liegt bei Verlusten im Sonderbetriebsvermögen nicht vor, da solche Verluste originär beim stillen Gesellschafter entstehen und lediglich gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dem Betriebsvermögensbereich der stillen Gesellschaft zugerechnet werden. (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Pflichtwandelanleihe (mandatory convertible bond), Anwendbarkeit § 8b Abs. 2 KStG, Finanzunternehmen i.S.d. § 8b Abs. 7 KStG a.F., Anwendbarkeit der Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG, auf Verluste im Sonderbetriebsvermögensbereich (hier: Refinanzierungsaufwendungen), GSW, Gewerbebetrieb
Weiterführende Hinweise:
Revision zugelassen
Fundstellen:
EFG 2025, 42
LSK 2024, 26754
BeckRS 2024, 26754
Tenor
1. Der Körperschaftsteuerbescheid für 2007 vom … 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2020 wird mit der Maßgabe geändert, dass Sonderbetriebsausgaben aus der Beteiligung an der … AG & atypisch Still i.H.v. … € bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abgezogen werden und die Körperschaftsteuer 2007 entsprechend herabgesetzt wird.
Der Körperschaftsteuerbescheid für 2008 vom … in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom … 2020 wird mit der Maßgabe geändert, dass Sonderbetriebsausgaben aus der Beteiligung an der … AG & atypisch Still i.H.v. … € bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens abgezogen werden und die Körperschaftsteuer 2008 entsprechend herabgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Berechnung der Körperschaftsteuer 2007 und 2008 wird dem Beklagten übertragen.
3. Die Kosten des Verfahrens tragen die Klägerin zu 38/100 und der Beklagte zu 62/100.
4. Das Urteil ist im Kostenpunkt für die Klägerin vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu erstattenden Kosten der Klägerin die Vollstreckung abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Im vorliegenden Verfahren ist streitig, ob ein im Zusammenhang mit der Rückzahlung einer Pflichtwandelanleihe (mandatory convertible bond) erzielter Gewinn als steuerfreier Veräußerungsgewinn nach § 8b Körperschaftsteuergesetz (KStG) zu behandeln ist (Körperschaftsteuer 2007) sowie ob im Zusammenhang mit einer Beteiligung an einer atypisch stillen Gesellschaft angefallene Refinanzierungsaufwendungen, welche dem Sonderbetriebsvermögensbereich zuzuordnen sind, der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15 Abs. 4 Satz 6 Einkommensteuergesetz (EStG) unterfallen (Körperschaftsteuer 2007 und 2008).
2
Die Klägerin ist Rechtsnachfolgerin der auf sie im Jahr … verschmolzenen … (H-GmbH). Unternehmenszweck der H-GmbH war lt. Handelsregister … in den Streitjahren 2007 und 2008 der Erwerb und das Halten von Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften, die insbesondere im nationalen und internationalen …geschäft tätig sind, sowie die Finanzierung dieser Gesellschaften und deren Leitung als Unternehmensgruppe.
3
Dem Verfahren liegen folgende Sachverhalte zu Grunde:
§ 15 Abs. 4 EStG – Verlustverrechnungsbeschränkung
4
Die H-GmbH war im Streitjahr 2007 im Rahmen einer (atypisch) stillen Gesellschaft (… AG & atypisch Still − atypisch stille Gesellschaft) am Geschäftsbetrieb der … (F-AG) beteiligt. Neben der Beteiligung der H-GmbH mit … % waren an der stillen Gesellschaft im Streitjahr 2007 noch die … (S-GmbH) mit … % sowie die F-AG (Inhaber des Handelsgeschäfts, Geschäftsinhaber) mit … % beteiligt. Die S-GmbH wurde zum 31. Dezember 2007 auf die F-AG verschmolzen. Bis zur Umwandlung (Verschmelzung) der S-GmbH bestand mit der H-GmbH (Organträger) eine körperschaft- und gewerbesteuerliche Organschaft. Im Folgejahr 2008 waren nach der Verschmelzung die H-GmbH zu … % und die F-AG zu … % an der atypisch stillen Gesellschaft beteiligt. Die atypisch stille Gesellschaft wurde zum 31. Dezember 2008 aufgelöst.
Pflichtwandelanleihe (mandatory convertible bond)
5
Die H-GmbH ist Rechtsnachfolgerin der … (H-AG; Verschmelzungsvertrag vom …). Unternehmensgegenstand der … H-AG war lt. Handelsregister (…) … Die H-AG begab im Jahr 2004 eine festverzinsliche Pflichtwandelanleihe mit einem Nennwert von … € und einer Laufzeit vom … 2004 bis zum … 2007. Nach den Anleihebedingungen hatte die Rückzahlung an den Anleihezeichner (Investor) zum Fälligkeitstermin (nahezu ausschließlich) in börsennotierten Aktien der …, Schweiz (C) zu erfolgen.
6
Die Anzahl der zu übertragenden Anteile hing vom Börsenkurs der Aktien zum Fälligkeitszeitpunkt ab. Da die Aktien in Schweizer Franken (CHF) gehandelt wurden, die Anleihe aber in Euro valutierte, wurde für die Zwecke der Berechnung des Umtauschverhältnisses ein fixer Umrechnungskurs von 1 € = … CHF zugrunde gelegt. Je nach Börsenkurs der Aktie zwischen … CHF und … CHF erhielt der Anleihezeichner eine Aktienanzahl, die einen Betrag von … € bzw. … CHF, also den Nennwert der Anleihe, ergab. Bei einem Börsenkurs von … CHF hätte der Investor insgesamt maximal … Aktien erhalten. Bei einem Börsenkurs von … CHF hätte der Investor … Aktien erhalten. Der Anleihezeichner konnte also zwischen … und … Aktien erhalten. Er hatte somit aufgrund der Anleihebedingungen die Chance, mehr als den investierten Betrag zurück zu erhalten; er trug aber auch das Risiko des Totalverlustes.
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Die C und die H-AG schlossen am … 2004 einen Vertrag, mit dem sich die C zur Lieferung der Aktien verpflichtete, die die H-AG am Fälligkeitstag benötigte (Aktienbeschaffungsvertrag). Die Zahl dieser Aktien stand nicht fest. Sie war auf … Stück limitiert. Diese Zahl lag knapp unter der Maximalzahl der an die Anleihezeichner möglicherweise zu liefernden Aktien bei Absinken des Börsenkurses der Aktien auf den Betrag von … CHF oder darunter. Aufgrund des Anstiegs des Börsenwerts der Aktien auf … CHF war tatsächlich am … 2007 nur die Mindestanzahl der Aktien nach Maßgabe des Höchstwerts (… CHF), also … Stück, zu liefern.
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Der bereits bei Abschluss des schuldrechtlichen Vertrags im … 2004 vereinbarte Kaufpreis für diese Anteile betrug … € abzgl. des Produkts aus dem sog. „Collar“ und … Der „Collar“ betrug … € zzgl. Zinsen von … % p.a. pro Zeichnungsbetrag von 1.000 €. Dieser Kaufpreis galt unabhängig von der Zahl der erworbenen Anteile.
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Direkt vor Tilgung der Anleiheverbindlichkeit im … 2007 wurden … Aktien von C auf die H-GmbH zu einem Kaufpreis von … € übertragen. Der Börsenkurs der Aktie belief sich zu diesem Zeitpunkt auf … CHF. Die Verbuchung bei Erwerb der Aktien erfolgte auf einem Konto mit der Bezeichnung „Wertpapiere Umlaufvermögen“. Zur Finanzierung des Erwerbs erhielt die H-GmbH von der C ein Darlehen, das spätestens am … 2017 endete. Sondertilgungen waren möglich. Die H-GmbH übertrug sodann die Aktien zur Rückführung ihrer Verbindlichkeit aus der Pflichtumtauschanleihe an den Investor. Hieraus erzielte die H-GmbH einen Gewinn von … €.
10
Die Steuererklärungen zur Körperschaftsteuer 2007 für die H-GmbH wurden im … 2012 eingereicht. Es ergingen zunächst am … 2012 Bescheide unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Die Körperschaftsteuer 2007 wurde unter Ansatz eines zu versteuernden Einkommens von … € mit … € festgesetzt. Mit Änderungsbescheid vom … 2013 wurde die Körperschaftsteuer − nach Anrechnung ausländischer Steuern (§ 26 KStG) – auf … € herabgesetzt.
11
Für das Streitjahr 2008 wurden die Steuererklärungen Ende 2012 eingereicht. Dabei wurde zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung veranlagt und u.a. mit Steuerbescheid vom … 2012 die Körperschaftsteuer 2008 mit … € festgesetzt. Als zu versteuerndes Einkommen wurde ein negativer Betrag i.H.v. … € ermittelt.
12
Nach Durchführung einer Betriebsprüfung für die Jahre 2007 bis 2009 (Prüfungsanordnung vom …) wurden im … 2015 für die H-GmbH − in Abstimmung mit der Betriebsprüfung − geänderte Steuererklärungen abgegeben. Nachdem diese den Feststellungen der Betriebsprüfung entsprachen, wurde kein Prüfungsbericht erstellt.
13
Mit Bescheid vom … 2015 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben und die Körperschaftsteuer 2007 mit … € festgesetzt. Das zu versteuernde Einkommen wurde mit … € angesetzt. Gleichzeitig wurde mit Änderungsbescheid vom … 2015 die Körperschaftsteuer 2008 auf … € festgesetzt. Der Vorbehalt der Nachprüfung wurde auch insoweit aufgehoben.
14
Hiergegen wurde Einspruch eingelegt (Schreiben vom … 2015).
15
In dem angefochtenen Körperschaftsteuerbescheid für 2007 wurde nach Maßgabe der Feststellungen der Betriebsprüfung im Zusammenhang mit der atypisch stillen Gesellschaft von negativen Einkünften i.H.v. … € ausgegangen. Hiervon entfielen … € auf die direkte Beteiligung der H-GmbH an der atypisch stillen Gesellschaft und … € auf die indirekte Beteiligung der H-GmbH über die Organgesellschaft S-GmbH. Ein Betrag i.H.v. … € war dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens der H-GmbH bei der atypisch stillen Gesellschaft zuzuordnen. Es handelte sich dabei um Refinanzierungsaufwendungen der H-GmbH aus dem Erwerb der Anteile an der F-AG. Der Verlust aus der atypisch stillen Gesellschaft war als nicht ausgleichsfähig gemäß § 15 Abs. 4 Sätze 6 bis 8 EStG behandelt und außerbilanziell hinzugerechnet worden.
16
Im Körperschaftsteuerbescheid 2008 wurde der H-GmbH aus der Beteiligung an der atypisch stillen Gesellschaft ein Gesamtverlust i.H.v. … € zugewiesen. In diesem Betrag waren Zinsaufwendungen im Sonderbetriebsvermögen i.H.v. … € enthalten. Der zugewiesene Gesamtverlust i.H.v. … € wurde bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der H-GmbH außerbilanziell nach § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG wieder hinzugerechnet.
17
Nachdem mit Schreiben vom … 2015 der Erlass von Bescheiden über die gesonderte Feststellung von vortragsfähigen Verlusten nach § 15 Abs. 4 EStG zum 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008 beantragt worden war, ergingen am … 2015 entsprechende Bescheide. Dabei wurde für die H-GmbH ein verbleibender Verlustvortrag nach § 15 Abs. 4 Sätze 6 und 7 EStG i.V.m. § 10d EStG und § 8 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2007 von … € und zum 31. Dezember 2008 von … € festgestellt. Die Verlustfeststellung zum 31. Dezember 2007 wurde zum Vorjahr um … € und zum 31. Dezember 2008 um … € erhöht. Hinsichtlich der Berechnung der Beträge wird auf die Anlage 4 zur Körperschaftsteuererklärung 2008 (Schreiben der Betriebsprüfung vom …; Betriebsprüfungsakte Seite 12) verwiesen. Diese Bescheide wurden nicht mit Einspruch angefochten.
18
Im Einspruchsverfahren wurde ferner geltend gemacht, dass im Streitjahr 2007 der Gewinn i.H.v. … €, welcher durch die Hingabe von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft zur Tilgung von Verbindlichkeiten aus der begebenen Pflichtumtauschanleihe erzielt worden war, nicht nach § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG steuerpflichtig sei.
19
Im Verlauf des Einspruchsverfahrens ergingen i.S. Körperschaftsteuer 2008 am … 2017 und … 2018 – aus nicht streiterheblichen Gründen – Änderungsbescheide. Dabei wurde zuletzt die Körperschaftsteuer 2008 auf … € festgesetzt.
20
Mit Beschluss vom … 2016 (Az. 7 V …/15) hatte das Finanzgericht München einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung i.S. Körperschaftsteuer 2007 abgelehnt und führte hierzu aus, dass der im Zusammenhang mit der Pflichtumtauschanleihe verwirklichte Sachverhalt gemäß § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG steuerpflichtig sei.
21
Mit Einspruchsentscheidung vom … 2020 wurde der Einspruch i.S. Körperschaftsteuer 2007 als unbegründet zurückgewiesen. Der Einspruch i.S. Körperschaftsteuer 2008 blieb mit Teil-Einspruchsentscheidung vom … 2020 erfolglos. Nicht darüber entschieden wurde u.a., ob § 8 Abs. 1 KStG 2002 i.V.m. § 10d Abs. 2 Satz 1 EStG 2002 i.d.F.d. Gesetzes zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBI I 2003, 2840; BStBI I 2004, 14) gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstößt (Vorlagebeschluss des Bundesfinanzhofs − BFH − vom 26. Februar 2014, I R 59/12, BStBl II 2014, 1016 – Az. des Bundesverfassungsgerichts – BVerfG – 2 BvL 19/14).
22
Die gegen die Einspruchsentscheidungen jeweils erhobenen Klagen wurden mit Beschluss vom … 2023 verbunden. Im Klageverfahren wird geltend gemacht, die Verluste bzw. Refinanzierungskosten (Zinsen) für den Erwerb der Geschäftsanteile an der F-AG seien nach allgemeinen Regeln ausgleichs- und abzugsfähig. Die gewerblichen Einkünfte eines Mitunternehmers seien in zwei Stufen zu ermitteln. Die Formulierung des § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG beziehe sich dabei ausschließlich auf die erste Stufe der Gewinnermittlung eines Mitunternehmers. Die Zinsaufwendungen aus der Refinanzierung des Erwerbs der Anteile an der F-AG entständen aber auf der Ebene des Gesellschafters und damit auf der zweiten Stufe (Sonderbetriebsvermögen).
23
Die Intention des Gesetzgebers bei Einführung des § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG sei die Begrenzung des Abzugs auf solche Verluste gewesen, die auf der Ebene der Beteiligung entständen. Legislatorische Absicht sei nur gewesen, die Gestaltungsziele der Mehrmütterorganschaft zu bekämpfen. Verluste aus der Veräußerung der Beteiligung sowie Sonderbetriebsverluste seien nicht als gesperrte „Verluste aus der Beteiligung“, sondern als uneingeschränkt abzugsfähige „Verluste der Beteiligung“ anzusehen.
24
Auch im Rahmen des § 15a Abs. 1 Satz 1 EStG würden Verluste im Sonderbetriebsvermögensbereich des Kommanditisten von der Beschränkung der Verlustverrechnung nicht erfasst werden. Unter Berücksichtigung des Wortlauts und der Auslegung der Regelungen § 15a und § 16 EStG seien als Verlust „aus der stillen Gesellschaft“ bei § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG in Entsprechung zu § 15a EStG nur Verluste auf der ersten Stufe der Gewinnermittlung erfasst. § 15 Abs. 4 EStG werde von Verwaltungsseite nur angewendet, wenn nach Anwendung des § 15a EStG noch abzugsfähige Verluste vorhanden seien. Diese Folgerung werde durch einen Vergleich mit der gesetzlichen Spezialregelung für typisch still beteiligte Gesellschafter gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bestätigt. Eine Analogie zu § 15b EStG sei nicht möglich.
25
Die Refinanzierungskosten seien zwar durch das Finanzamt im Rahmen der Verlustfeststellung nach § 15 Abs. 4 Sätze 6 ff. EStG als nicht verrechenbar festgestellt worden. Hiergegen habe sich die Klägerin mangels Beschwer nicht durch Rechtsmittel zur Wehr setzen können. Dies hindere aber nicht die weitere Verfolgung der Rechtsposition, wonach diese Refinanzierungskosten richtigerweise unmittelbar bei der Einkommensermittlung der H-GmbH zu erfassen seien. Gegebenenfalls resultiere hieraus eine Korrektur der ergangenen Feststellungen nach Maßgabe des § 174 Abgabenordnung (AO).
26
Der Gewinn im Zusammenhang mit der Rückführung der Verbindlichkeit aus der Pflichtumtauschanleihe an den Investor i.H.v. … € unterfalle § 8b Abs. 2 KStG. § 8b Abs. 7 KStG sei nicht erfüllt. Die Übertragung der Anteile an der C im Rahmen der Abwicklung der Pflichtumtauschanleihe stelle eine Veräußerung i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG dar. Der Gewinn hieraus sei als steuerfrei zu behandeln. Der Gewinn resultiere nicht aus dem Anleihegeschäft. Maßgeblich für einen Veräußerungsgewinn sei der Aktienerwerb zu einem Kurs unter Nennwert. Dass die Realisierung auf einer zuvor eingegangenen Pflicht gegenüber dem Anleihegläubiger beruhe, sei ohne Relevanz.
27
Bereits die Annahme, es handele sich bei der H-GmbH um ein Finanzunternehmen i.S.d. § 8b Abs. 7 KStG, erscheine zweifelhaft. Die historische wie die teleologische Auslegung sprächen deutlich dafür, dass es sich bei einem Unternehmen nur dann um ein Finanzunternehmen i.S.d. § 8b Abs. 7 KStG handeln solle, wenn es wie ein institutioneller Händler auftrete und seine Tätigkeit jedenfalls in einem Umfang ausübe, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordere. Eine Einstufung als Finanzunternehmen scheitere daran, dass der „Umschlag von Anteilen“ nicht die Tätigkeit der H-GmbH gewesen sei. Der Funktion als Holding entsprechend habe die H-GmbH das Erwerben und Halten von Beteiligungen, nicht aber deren Veräußerung im Fokus gehabt; außerdem seien holdingtypische Tätigkeiten für die Versicherungsgruppe durchgeführt worden, etwa die rechtliche und steuerliche Betreuung der Gruppengesellschaften. Die H-GmbH sei kein Finanzunternehmen gewesen. Eine Tätigkeit, die zentral auf Handelserfolge mit der Umschichtung von Wertpapieren ausgerichtet gewesen sei, habe nicht stattgefunden.
28
Der Erwerb der Aktien von C sei nicht erfolgt, um einen kurzfristigen Eigenhandelserfolg zu erzielen, sondern von Anfang an aus dem Grund, der Verschaffungspflicht aus der Anleihe nachzukommen. Der Aktienbeschaffungsvertrag stelle keine aufschiebend bedingte Vertragsabrede dar. Vielmehr sei lediglich eine bloße Fälligkeitsabrede getroffen worden, wonach die Übertragung der Anteile zu einem in der Zukunft liegenden Zeitpunkt zu erfolgen habe. Eine andere Bedingung als der Zeitablauf sei nicht vereinbart worden. Gleichzeitig bedeute dies aber, dass für die Frage der Kurzfristigkeit nicht auf das dingliche Rechtsgeschäft abzustellen sei, sondern auf die schuldrechtliche Vereinbarung. Damit lägen die Absprache und die vertragliche Fixierung drei Jahre vor dem dinglichen Erwerb der Aktien. Es sei unsicher gewesen, ob aus der vertraglichen Gestaltung ein Gewinn erzielt werden könne. Dieser habe sich letztlich ausschließlich aus der langfristigen Aktienkursentwicklung und der Entwicklung der Währungskurse zwischen Schweizer Franken und Euro ergeben. Die Annahme, einen kurzfristigen „Handelserfolg“ zu wollen, liege fern. Es handle sich bei der streitgegenständlichen Gestaltung um einen einmaligen Vorgang, der nicht den Kern der Tätigkeit der H-GmbH ausgemacht habe.
29
Die im Streitjahr geltende Fassung des § 8b Abs. 7 KStG sei mittlerweile deutlich eingeschränkt und auf die Vermeidung von Umgehungskonstruktionen begrenzt worden.
30
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Körperschaftsteuerbescheid 2007 vom … 2015 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom … 2020 mit der Maßgabe zu ändern, die Verluste aus dem Sonderbetriebsvermögen bei der … AG & atypisch still i.H.v. … € bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der H-GmbH anzusetzen sowie den Gewinn im Zusammenhang mit der Tilgung der Pflichtwandelanleihe i.H.v. … € nicht als steuerpflichtig zu behandeln und die Körperschaftsteuer 2007 entsprechend herabzusetzen;
den Körperschaftsteuerbescheid 2008 vom … 2018 in Gestalt der Teil-Einspruchsentscheidung vom … 2020 mit der Maßgabe zu ändern, die Verluste aus dem Sonderbetriebsvermögen bei der … AG & atypisch still i.H.v. … € bei der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens der H-GmbH anzusetzen und die Körperschaftsteuer 2008 entsprechend herabzusetzen;
ferner das Finanzamt zu verpflichten, Bescheide über die gesonderte Feststellung nach § 15 Abs. 4 Sätze 6 ff. EStG gemäß § 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG i.V.m. § 10d EStG auf den 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008 unter Berücksichtigung von Zinsaufwendungen i.H.v. … € (2007) bzw. … € (2008) zu erlassen;
hilfsweise die Revision zuzulassen.
31
Das Finanzamt beantragt,
hilfsweise die Revision zuzulassen.
32
Das Finanzamt macht geltend, der Gewinn aus der Tilgung der Anleiheverbindlichkeit durch Hingabe der Aktien unterfalle der Vorschrift des § 8b Abs. 7 KStG. Demnach greife die Steuerbefreiung gemäß § 8b Abs. 2 KStG nicht. Der Ertrag sei somit steuerpflichtig.
33
Der Verlust aus dem Sonderbetriebsvermögen der H-GmbH bei der atypisch stillen Gesellschaft unterliege der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG. Aus dieser Regelung könne nicht gefolgert werden, dass nur auf den Verlust der ersten Stufe, d.h. auf den Verlust der Gesamthand zuzüglich des Ergebnisses der Ergänzungsbilanz, Bezug genommen werde. Nach dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 19. November 2008 (IV C 6-S 2119/07/1001, BStBI I 2008, 970) sei als Verlust i.S.d. § 15 Abs. 4 Sätze 6 ff. EStG der nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ermittelte und nach Anwendung des § 15a EStG ausgleichsfähige Verlust anzusehen. Unter den Begriff „nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ermittelter Verlust“ sei der Verlust aus der Gesamthands-, Ergänzungs- und Sonderbilanz zu verstehen. Im Zusammenhang mit Steuerstundungsmodellen werde der Verlustbegriff dahingehend definiert, dass der Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15b EStG sämtliche Verluste, also einschließlich Gesamthands- und Sondervermögen, unterlägen. Da sowohl mit § 15 Abs. 4 Sätze 6 ff. EStG als auch mit § 15b EStG die missbräuchliche Nutzung von Verlusten ausgeschlossen werden solle, bestehe kein Anlass, den Verlustbegriff unterschiedlich auszulegen. Die von der Klägerin begehrte Auslegung hätte im Gesetzeswortlaut keinen Ausdruck gefunden.
34
Auch seien nicht ausgleichsfähige Verluste nach § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG jeweils mit Bescheid vom … 2015 zum 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008 gesondert festgestellt worden. Diese Bescheide seien nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens. Die Feststellungsbescheide seien bestandskräftig.
35
Mit Gerichtsbescheid vom 15. Februar 2024 wurde über den ursprünglich miterfassten Streitgegenstand Gewerbesteuermessebetrag 2008 nach Abtrennung (7 K 363/24) gesondert entschieden.
36
Die Klage hat teilweise Erfolg.
37
Soweit die Klägerin den Abzug von Refinanzierungsaufwendungen aus dem Erwerb der Anteile an der F-AG (2007: … €; 2008: … €) im Rahmen der Beteiligung der H-GmbH an der … AG & atypisch Still (atypisch stille Gesellschaft) als Sonderbetriebsausgaben geltend macht, ist die Klage begründet. Diese Aufwendungen werden nicht von der Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG erfasst (hierzu unter 1.) Der Berücksichtigung dieser Verluste steht nicht die Bestandkraft der Bescheide vom … 2015 über die gesonderte Feststellung der verbleibenden Verluste nach § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG zum 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008 entgegen (unter 2.). Ob darüber hinaus auch die bis zur Auflösung der atypisch stillen Gesellschaft zum 31. Dezember 2008 aufgelaufenen und bis dahin nicht verrechenbaren Verluste im Streitjahr 2008 zum Abzug gebracht werden können, ist unter Berücksichtigung des Entscheidungsumfangs der Teil-Einspruchsentscheidung vom … 2020 nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens (hierzu unter 3.). Soweit die Klägerin begehrt, den Gewinn im Zusammenhang mit der Rückzahlung der Pflichtwandelanleihe (… €) im Streitjahr 2007 als steuerfrei nach § 8b Abs. 2 KStG zu behandeln, ist die Klage unbegründet (unter 4. und 5.). Das weitere, auf Erlass von Verlustfeststellungsbescheiden nach § 15 Abs. 4 Sätze 6 ff. EStG auf den 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008 gerichtete (Verpflichtungs-)Begehren ist unzulässig (unter 6.).
38
1. In den der H-GmbH in den Streitjahren 2007 und 2008 zuzurechnenden Verlusten aus der Beteiligung an der atypisch stille Gesellschaft i.H.v. … € (2007) und … € (2008) sind Sonderbetriebsausgaben i.H.v. … € (2007) und … € (2008) enthalten, welchen im Zusammenhang mit Refinanzierungsaufwendungen der H-GmbH aus dem Erwerb von Anteilen an der F-AG (Geschäftsinhaber im Rahmen der atypisch stillen Gesellschaft) entstanden sind. Zwischen den Beteiligten ist weder die Qualifikation dieser Aufwendungen noch deren Höhe streitig. Der Senat sieht keine Veranlassung hieran zu zweifeln. Die Beteiligung der H-GmbH am Inhaber des Handelsgeschäfts der atypisch stille Gesellschaft (F-AG) ist dem Sonderbetriebsvermögen II dieser Gesellschaft zuzuordnen, da sie die Beteiligung der H-GmbH an der Mitunternehmerschaft stärkte (vgl. BFH-Urteil vom 10. März 2016 IV R 22/13, BFH/NV 2016, 1438).
39
Die geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben werden nicht von der Verlustverrechnungsbeschränkung des § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG erfasst.
40
1.1. Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG dürfen Verluste aus stillen Gesellschaften, Unterbeteiligungen oder sonstigen Innengesellschaften an Kapitalgesellschaften, bei denen der Gesellschafter oder Beteiligte als Mitunternehmer anzusehen ist, weder mit Einkünften aus Gewerbebetrieb noch aus anderen Einkunftsarten ausgeglichen werden; sie dürfen auch nicht nach § 10d EStG abgezogen werden. Die Verluste mindern jedoch nach Maßgabe des § 10d EStG die Gewinne, die der Gesellschafter oder Beteiligte in dem unmittelbar vorangegangenen Wirtschaftsjahr oder in den folgenden Wirtschaftsjahren aus derselben stillen Gesellschaft, Unterbeteiligung oder sonstigen Innengesellschaft bezieht (§ 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 1 EStG). Dies gilt nicht, soweit der Verlust auf eine natürliche Person als unmittelbar oder mittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt (§ 15 Abs. 4 Satz 8 EStG).
41
1.2. Eingefügt wurde diese Verlustverrechnungsbeschränkung durch das Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung der Bundesregierung zur Vermittlungsempfehlung zum Steuervergünstigungsabbaugesetz vom 22. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2840). Ziel ist es, in bestimmten Konstellationen die Möglichkeit zu unterbinden, Verluste, die originär beim Geschäftsinhaber entstehen, auf den stillen Gesellschafter zu transferieren. Verluste aus stillen Gesellschaften und stillen (Unter-)Beteiligungen an Kapitalgesellschaften, die einer anderen Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind, sollen nur noch mit Gewinnen aus derselben Beteiligung verrechenbar sein.
42
Die Regelung sollte die Abschaffung der sog. Mehrmütterorganschaft nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 KStG flankieren (vgl. BT-Drucks. 15/119, 38). Das Instrument der Mehrmütterorganschaft wurde genutzt, um Gewinne und Verluste von Tochter-Kapitalgesellschaften unterschiedlichen Anteilseignern (Mütter) steuerlich zuzurechnen. Diese Möglichkeit der Ergebniszurechnung an verschiedene Mütter wurde mit dem Steuervergünstigungsabbaugesetz (StVergAbG) vom 16. Mai 2003 (BGBl I 2003, 660) durch eine entsprechende Korrektur des § 14 KStG beseitigt. Die mit einer sog. Mehrmütterorganschaft verfolgten Ziele hätten nach Ansicht des Gesetzgebers faktisch auch durch Innengesellschaften, insbesondere atypisch stille Gesellschaften, erreicht werden können. Diese Umgehungsmöglichkeit sollte durch die Ergänzung des § 15 Abs. 4 und § 20 Abs. 1 Nr. 4 EStG (für typisch stille Gesellschaften) ausgeschlossen werden (vgl. BT-Drucks. 15/119, 38).
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1.3. Unter Verlust „aus der stillen Gesellschaft“ ist der Verlust des Inhabers des Handelsgeschäfts zu verstehen, an dem der Beteiligte als Mitunternehmer partizipiert. Von der Beschränkung ist der Verlust aus der Beteiligung und nicht der Verlust der Beteiligung selbst betroffen (so BMF-Schreiben vom 19. November 2008 IV C 6 – S 2119/07/10001, BStBl I 2008, 970; vgl. Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, § 15 EStG, Rn. 1592). Die Verlustverrechnungsbeschränkung gilt nicht für den Inhaber des Geschäfts, an dem sich der stille Gesellschafter beteiligt, denn beim Geschäftsinhaber entsteht der Verlust originär (so Wacker in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 15 Rn. 910).
44
1.4. Ob von der Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG auch Verluste im Sonderbetriebsvermögensbereich erfasst werden, ist bisher höchstrichterlich noch nicht entschieden. In der Literatur wird diese Frage nicht einheitlich beurteilt. Die überwiegende Mehrheit vertritt die Auffassung, dass nur gesellschaftsvertragliche Verlustanteile (Gesamthands-Verluste), nicht aber Verluste aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens erfasst werden (u.a. Wacker in Schmidt, EStG, 42. Aufl. 2023, § 15 Rn. 910; Riegler/Riegler, DStR 2014, 1031; Förster, DB 2003, 899; Dötsch/Pung, DB 2004, 151; Intemann/Nacke, DStR 2004, 1149). So sollen u.a. Refinanzierungskosten der Beteiligung sowie Teilwertabschreibungen auf die Beteiligung nicht der Verrechnungsbeschränkung unterliegen (Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, § 15 EStG, Rn. 1592).
45
Nach gegenteiliger Ansicht sollen Verluste im Sonderbereich des stillen Gesellschafters auch von § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG erfasst sein, da im Gesetzeswortlaut für eine teleologische Einschränkung keine ausreichenden Anhaltspunkte zu finden sind (vgl. Krumm in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl. 2024, § 15 Rn. 432).
46
1.5. Nach Auffassung der Finanzverwaltung (BMF-Schreiben vom 19. November 2008 IV C 6 – S 2119/07/10001, BStBI I 2008, 970) fällt unter § 15 Abs. 4 Sätze 6 bis 8 EStG der nach den einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ermittelte und nach Anwendung des § 15a EStG ausgleichsfähige Verlust. Demzufolge sollen auch Verluste im Sonderbetriebsvermögensbereich von der Verlustverrechnungsbeschränkung erfasst sein.
47
1.6. Aus Sicht des Senats werden die geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben nicht von der Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG erfasst.
48
1.6.1. Vorliegend fällt die H-GmbH als Kapitalgesellschaft und stille Gesellschafterin der … AG & atypisch Still in den Anwendungsbereich des § 15 Abs. 4 Sätze 6 und 8 EStG. Bei Fokussierung auf den Wortlaut der Vorschrift erscheint die vom Finanzamt vertretene Auslegung naheliegend, unter dem Tatbestandmerkmal „Verluste aus stillen Gesellschaften“ den nach einkommensteuerrechtlichen Vorschriften ermittelten Verlust aus der Gesamthands-, Ergänzungs- und Sonderbilanz zu verstehen, da normativ keine ausdrückliche Differenzierung der Vermögensbereiche vorgenommen wird und im Rahmen der Gewinnfeststellung der atypisch stillen Gesellschaft regelmäßig ein Anteil am Gesamtgewinn aus Gesamthands-, Ergänzungs- und Sonderbilanz ermittelt wird. Jedoch sprechen nach Auffassung des Senats die Entstehungsgeschichte der Regelung sowie teleologische und verfassungsrechtliche Aspekte gegen eine Einbeziehung von Sonderbetriebsverlusten in den Regelungsbereich des § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG. Systematische Gesichtspunkte stehen diesem Ergebnis nicht entgegen.
49
1.6.2. Dabei ist zunächst historisch zu berücksichtigen, dass § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG nach der Intention des Gesetzgebers lediglich die Abschaffung der sog. Mehrmütterorganschaft nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 KStG flankieren sollte. Ziel war nicht, stille Beteiligungen an Kapitalgesellschaften als missbräuchliche Gestaltungen zu qualifizieren und von einer unbeschränkten Verlustverrechnung generell auszuschließen. Der Gesetzeszweck des § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG liegt vielmehr darin, Verlusttransfers aus dem Handelsgeschäft des Inhabers (F-AG) auf bestimmte stille Gesellschafter (nicht natürliche Personen − § 15 Abs. 4 Satz 8 EStG) zu unterbinden. Ein solcher Verlusttransfer liegt jedoch bei Verlusten im Sonderbetriebsvermögen − bei wertender Betrachtung − nicht vor, da solche Verluste originär beim stillen Gesellschafter entstehen (vgl. Rödder/Schumacher, DStR 2003, 805; Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, § 15 EStG, Rn. 1592) und lediglich gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG dem Betriebsvermögensbereich der stillen Gesellschaft zugerechnet werden (a.A. Krumm in Kirchhof/Seer, EStG, 23. Aufl. 2024, § 15 Rn. 432: kein qualitativer Unterschied zwischen Verlustanteilen am Gesellschaftsverlust und eigenen Verlusten im Sonderbereich).
50
1.6.3. Auch sprechen verfassungsrechtliche Gesichtspunkte für eine restriktive Auslegung der Vorschrift des § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG. In der Literatur (u.a. Kessler/Reitsam, DStR 2003, 315; Kuck, DStR 2003, 235; Intemann/Nacke, DStR 2004, 1149; Krumm in Kirchhof/Seer, EStG 23. Aufl. 2024, § 15 Rn. 436) werden gegen die Regelung im Ganzen verfassungsrechtliche Bedenken geltend gemacht. Es wird in dieser Verlustverrechnungsbeschränkung ein gleichheitsrechtlich nicht gerechtfertigter Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip gesehen, da mitunternehmerisch beteiligte stille Gesellschafter einer atypisch stillen Gesellschaft ohne gewichtigen Grund stärker belastet seien als andere Mitunternehmer. Das Vorliegen einer Missbrauchssituation werde nicht gefordert. Die Verlustverrechnungsbeschränkung durchbreche auch dann das Leistungsfähigkeitsprinzip, wenn die Verlustverrechnung nicht endgültig versagt, sondern nur zeitlich gestreckt werde (so Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 323. Lieferung, 1/2024, § 15 EStG, Rn. 1507).
51
Ob die Regelung insgesamt verfassungsrechtlich zulässig ist (bejahend Finanzgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 25. Mai 2023 – 3 K 1694/19, EFG 2023, 1379 – Revision anhängig unter XI R 20/23), kann vorliegend offenbleiben. Die gegen die streitgegenständliche Regelung vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken gebieten aus Sicht des Senats zumindest eine einschränkende Auslegung hinsichtlich der vorliegend allein streitigen Abzugsfähigkeit von Sonderbetriebsverlusten.
52
So bindet Art. 3 Abs. 1 GG den Steuergesetzgeber an den Grundsatz der Steuergerechtigkeit, der gebietet, die Besteuerung an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auszurichten. Abweichungen vom Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit bedürfen nach Art. 3 Abs. 1 GG der Rechtfertigung (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29. März 2017 – 2 BvL 6/11, BStBl II 2017, 1082, BVerfGE 145, 106). Demzufolge erfordern auch Abweichungen vom Grundsatz der horizontalen und vertikalen Verlustverrechnung (vgl. § 10d EStG), welcher Ausfluss der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit ist, einen sachlich einleuchtenden Grund. Als Ausnahmevorschrift ist § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG daher grundsätzlich restriktiv auszulegen.
53
Demzufolge gebietet eine verfassungskonforme Auslegung dieser Vorschrift aus Sicht des Senats, dass jedenfalls Verluste aus dem Bereich des Sonderbetriebsvermögens, welche den stillen Gesellschafter im Gegensatz zum zugerechneten Gesamthands-Verlust unmittelbar belasten, vom Anwendungsbereich des § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG ausgenommen sind. Eine Erfassung dieser Verluste vor dem Hintergrund der Verhinderung eines Verlusttransfers von einer Kapitalgesellschaft auf eine andere ist zur Erreichung des Regelungszwecks nicht erforderlich. Insoweit ist ein Gleichlauf mit dem Regelungsgehalt der Verlustverrechnungsbeschränkung nach § 15a EStG (Verluste bei beschränkter Haftung) herzustellen.
54
1.6.4. Von dieser Auslegung ist nicht aus systematischen Gründen unter Berücksichtigung des § 15b EStG abzuweichen. Bei dieser Vorschrift handelt es sich zwar ebenfalls um eine Sonderregelung der Verlustverrechnungsbeschränkung. Jedoch ist die Zielrichtung dieser Regelung, gezielt Investitionen zu bekämpfen, die nur wegen des damit verbundenen Steuervorteils getätigt werden und neben einer „Fehlallokation des Kapitals“ zu erheblichen Steuerausfällen führen können. Demgegenüber erfasst § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG generell stille Beteiligungen von Kapitalgesellschaften an anderen Kapitalgesellschaften unabhängig davon, ob Umgehungsgestaltungen angestrebt werden. Als spezielle Missbrauchsvorschrift kann § 15b EStG das zu § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG gewonnene Auslegungsergebnis nicht beeinflussen. Vielmehr sind die einzelnen Regelungen zur Verlustverrechnungsbeschränkung getrennt voneinander nach ihrem jeweiligen besonderen Reglungsziel zu beurteilen.
55
2. Der Berücksichtigung der geltend gemachten Verluste aus dem Sonderbetriebsvermögensbereich steht nicht die Bestandkraft der Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nach § 15 Abs. 4 Sätze 6 und 7 EStG zum 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008 vom 7. Dezember 2015 entgegen. Diese Bescheide stellen im Streitfall keine Grundlagenbescheide dar und entfalten daher auch keine Bindungswirkung nach § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für die Körperschaftsteuerbescheide 2007 und 2008.
56
2.1. Mit dem Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz (AmtshilfeRLUmsG) vom 26. Juni 2013 (BGBl I 2013, 1809) wurde § 15 Abs. 4 Satz 7 EStG a.F. durch einen ausdrücklichen Verweis auf § 10d Abs. 4 EStG ergänzt und somit die gesonderte Verlustfeststellung des verbleibenden Verlustvortrags festgeschrieben (§ 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG n.F.). Nach § 52 Abs. 32b Satz 2 EStG i.d.F.d. AmtshilfeRLUmsG (jetzt § 52 Abs. 23 Satz 2 EStG i.d.F.v. 22. Dezember 2023) ist die Ergänzung in allen Fällen anzuwenden, in denen am 30. Juni 2013 die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist.
57
Bereits vor Einfügung des § 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG n.F. durch das AmtshilfeRL-UmsG waren Verluste i.S.d. § 15 Abs. 4 EStG nach h.M. gesondert festzustellen (so zu § 15 Abs. 4 Satz 2 EStG Niedersächsisches Finanzgericht, Urteil vom 15. Dezember 2010 – 9 K 299/08, EFG 2011, 1060 zu § 15 Abs. 4 Satz 2 EStG; Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 322. Lieferung, 11/2023, § 15 EStG, Rn. 1520; Wacker in Schmidt, EStG, 35. Aufl. 2016, § 15 Rn. 896; Verfügung OfD Frankfurt/M. vom 9. September 2002, DB 2002, 2303; a.A. Finanzgericht Düsseldorf, Urteil vom 20. April 2010 – 6 K 7145/02 K,F, EFG 2010, 2106). Die Ergänzung in § 15 Abs. 4 Satz 7 EStG a.F. durch das AmtshilfeRLUmsG wird lediglich als klarstellend angesehen, da die bis dahin und damit auch in den Streitjahren zunächst geltende Fassung des § 15 Abs. 4 Satz 7 EStG a.F. als Rechtsfolgeverweisung, wonach die Verluste „nach Maßgabe des § 10d die Gewinne“ mindern, auch die Regelung des § 10d Abs. 4 EStG zur gesonderten Verlustfeststellung erfassen soll (vgl. Intemann in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 322. Lieferung, 11/2023, § 15 EStG, Rn. 1520; a.A. zur vergleichbaren Formulierung in § 23 EStG a.F. BFH-Urteil vom 22. September 2005 IX R 21/04, BFHE 212, 41, BStBl II 2007, 158: keine gesonderte Verlustfeststellung im Verlustentstehungsjahr).
58
2.2. Im Streitfall ergingen am … 2015 Feststellungsbescheide nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG i.V.m. § 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG n.F. zum 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008, in denen vortragsfähige Verluste aus der Beteiligung an der … AG & atypisch Still festgestellt wurden (31. Dezember 2007: … €; 31. Dezember 2008: … €). Diese Verlustfeststellungbescheide entfalten – unabhängig von ihrer Wirksamkeit (§ 124 AO) – keine Bindungswirkung gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO im Verhältnis zu den streitgegenständlichen Bescheiden i.S. Körperschaftsteuer 2007 und 2008. Die Körperschaftsteuerbescheide sind keine Folgebescheide der Bescheide zur gesonderten Feststellung der Verluste nach § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG.
59
2.2.1. Gemäß § 182 Abs. 1 Satz 1 AO sind Feststellungsbescheide, auch wenn sie noch nicht unanfechtbar sind, für andere Feststellungsbescheide, für Steuermessbescheide, für Steuerbescheide und für Steueranmeldungen (Folgebescheide) bindend, soweit die in den Feststellungsbescheiden getroffenen Feststellungen für diese Folgebescheide von Bedeutung sind.
60
Nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F.d. Jahressteuergesetzes 2010 vom 8. Dezember 2010 (BGBl I 2010, 1768, BStBl I 2010, 1394; JStG 2010), auf den § 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG n.F. verweist, sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den Schluss eines Veranlagungszeitraums die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zugrunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 Finanzgerichtsordnung (FGO) gelten entsprechend. Diese Regelung gilt nach § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG JStG 2010 erstmals für einen Verlust, für den nach dem 13. Dezember 2010 eine Verlust-Feststellungserklärung abgegeben wird.
61
Vor Einfügung des Satzes 4 in § 10d Abs. 4 EStG durch das JStG 2010 war das Verfahren der gesonderten Verlustfeststellung nach § 10d EStG gegenüber dem Festsetzungsverfahren selbständig (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juli 2009 IX R 52/08, BFHE 225, 453, BStBl II 2011, 26).
62
2.2.2. Im Streitfall ergingen für die Streitjahre 2007 und 2008 die Verlustfeststellungsbescheide vom … 2015 auf der Grundlage des § 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG n.F., da diese Regelung in allen offenen Fällen Anwendung findet (vgl. § 52 Abs. 32b Satz 2 EStG i.d.F.d. AmtshilfeRLUmsG; jetzt § 52 Abs. 23 Satz 2 EStG i.d.F.v. 22. Dezember 2023).
63
Da vorliegend die Steuererklärungen für die Streitjahre erst im Jahr 2012 und die Verlustfeststellungserklärungen zu § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG erst nach Abschluss der Betriebsprüfung im Laufe des Jahres 2015 abgegeben wurden, ist § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F.d. JStG 2010 auf die Feststellung der Verluste nach § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG entsprechend anwendbar (§ 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG). Demzufolge richtet sich der Umfang der Berücksichtigung der Verluste i.S.d. § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG im Rahmen der Verlustfeststellung nach dem Ansatz dieser Verluste in den Körperschaftsteuerfestsetzungen. Die Körperschaftsteuerbescheide 2007 und 2008 sind diesbezüglich für die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG n.F. maßgebend und entfalten insoweit eine einem Grundlagenbescheid vergleichbare Bindungswirkung (vgl. Verweis in § 10d Abs. 4 Satz 4 Halbsatz 2 EStG auf § 170 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO; vgl. BFH-Urteil vom 22. November 2016 I R 30/15, BFHE 257, 219, BStBl II 2017, 921). Hieraus folgt, dass die Körperschaftsteuerbescheide 2007 und 2008 im Streitfall hinsichtlich der Behandlung der Verluste nach § 15 Abs. 6 EStG als „Quasi“-Grundlagenbescheide für die Verlustfeststellungsbescheide nach § 10d Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG n.F. zum 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008 wirken und nicht umgekehrt. Die in den Verlustfeststellungsbescheiden zu § 15 Abs. 4 Satz 6 EStG getroffenen Feststellungen sind nicht i.S.d. § 182 Abs. 1 Satz 1 AO für die Körperschaftsteuerbescheide desselben Jahres von Bedeutung. Sie entfalten aber Bindungswirkung für die Steuerfestsetzung und die Verlustfeststellung nach § 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG n.F. des Folgejahres.
64
3. Nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens ist die Frage, ob über die geltend gemachten Sonderbetriebsausgaben hinaus auch die bis zur Auflösung der atypisch stillen Gesellschaft zum 31. Dezember 2008 aufgelaufenen und bis dahin nicht verrechenbaren Verluste der H-GmbH im Streitjahr 2008 zum Abzug gebracht werden können. Denn diese Rechtsfrage blieb in der Teil-Einspruchsentscheidung vom … 2020 ausdrücklich offen. Insoweit ist das Einspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen. Nach den Ausführungen in der Einspruchsentscheidung sollte bis zur Klärung der beim BVerfG im Verfahren 2 BvL 19/14 anhängigen Fragen über die Nutzbarkeit der bis zur Auflösung der atypisch stillen Gesellschaft aufgelaufenen verrechenbaren Verluste nicht entschieden werden (vgl. Seite 25 der Teil-Einspruchsentscheidung vom … 2020).
65
4. Soweit die Klägerin begehrt, den Gewinn im Zusammenhang mit der Rückzahlung der Pflichtwandelanleihe (… €) als steuerfrei nach § 8b Abs. 2 KStG zu behandeln, ist die Klage unbegründet. Zwar ist die Tilgung der Anleiheverbindlichkeit durch Hingabe von Aktien der .., Schweiz (C) − zumindest nach der im Streitfall gewählten Gestaltung einer Pflichtwandelanleihe − als Veräußerung von Anteilen i.S.d. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG anzusehen. Jedoch ist die Steuerfreiheit des unter § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG fallenden Veräußerungsgewinns ausgeschlossen, da die Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 KStG in der im Streitjahr 2007 gültigen Fassung (KStG a.F.) erfüllt sind.
66
4.1. Gemäß § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG bleiben bei der Ermittlung des Einkommens einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft (vgl. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG) – wie vorliegend der H-GmbH − Gewinne aus der Veräußerung eines Anteils an einer Körperschaft oder Personenvereinigung, deren Leistungen beim Empfänger zu Einnahmen i.S.d. § 20 Abs. 1 Nr. 1, 2, 9 und 10 Buchstabe a EStG gehören, außer Ansatz.
67
Nicht zu den begünstigten Anteilen gehören Genussrechte außerhalb des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG, Wandelschuldverschreibungen vor Ausübung des Wandlungsrechts, Optionsanleihen und Put- und Call-Optionen (BFH-Urteile vom 23. Januar 2008 I R 101/06, BStBl II 2008, 719; vom 6. März 2013 I R 18/12, BStBl II 2013, 588; BMF-Schreiben vom 28. April 2003 IV A 2 – S 2750a – 7/03, BStBl I 2003, 292, Rn. 24; Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 322. Lieferung, 11/2023, § 8b KStG, Rn. 64). § 8b Abs. 2 KStG greift auch bei Anteilen an einer ausländischen Körperschaft (vgl. Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 8b Rn. 197)
68
Eine Veräußerung i.S.d. § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG erfordert eine entgeltliche Übertragung des zivilrechtlichen oder (zumindest) wirtschaftlichen Eigentums an Wirtschaftsgütern auf ein anderes (Steuer-)Rechtssubjekt (vgl. BFH-Urteil vom 19. Dezember 2018 I R 71/16, BFHE 264, 115, BStBl II 2019, 493). Eine Veräußerung liegt bei jeder gegen Gegenleistung erfolgenden Übertragung des zivilrechtlichen bzw. wirtschaftlichen Eigentums vor. Keine Veräußerungen sind Übertragungen ohne Gegenleistung, weil es anderenfalls der Fiktion in § 8b Abs. 2 Satz 6 KStG bei Einlagen nicht bedurft hätte (vgl. Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 322. Lieferung, 11/2023, § 8b KStG, Rn. 63).
69
Nach der Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 27. März 2019 I R 20/17, BFHE 265, 44, BStBl II 2020, 685) ist bei Umtauschanleihen, sofern die Option auf Aktienlieferung durch den Anleihegläubiger ausgeübt wird, die Anleiheverbindlichkeit gegen den Buchwert der abgegebenen Aktien auszubuchen. Sofern der Ansatz der Anleiheverbindlichkeit den Buchwert der Aktien übersteigt, entsteht ein Gewinn, der § 8b Abs. 2 KStG unterfällt (ebenso Häuselmann/Wagner, BB 2002, 2431, 2434). Dies leitet der BFH aus dem Umstand ab, dass der Begriff der „Veräußerung“ i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG allgemein als Übertragung des rechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentums an Anteilen „gegen Entgelt“ verstanden wird und Entgelt jede Gegenleistung im wirtschaftlichen Sinne sein kann. Hierzu zählt nach Ansicht des BFH auch der Wegfall einer Verbindlichkeit wie die aus einer Umtauschanleihe resultierende Anleiheverbindlichkeit.
70
Der BFH wertet den Umtausch der Anleihe in Aktien des Emittenten nicht als einen einheitlichen Rechtsvorgang oder als bloßes Erfüllungsgeschäft der Anleihe. Diese Auffassung wird jedoch in Teilen der Literatur vertreten (z.B. Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8b Rn. 183a). Auch soweit die Auffassung des BFH im Falle eines Deckungskaufs einen Finanzierungsaufwand zur Folge hat, der deshalb zu nicht abzugsfähigen Veräußerungskosten i.S.d. § 8b Abs. 2 Satz 2 führt, wird diese Auswirkung in der Literatur kritisch gesehen (vgl. Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8b Rn. 195a; Schnitger, IStR 2019, 965; Meinert, DStR 2019, 2561).
71
4.2. Im Streitfall wurde die im Jahr 2004 von der H-AG emittierte Pflichtwandelanleihe durch einen in zeitlichem Zusammenhang abgeschlossenen Anteilsbeschaffungsvertrag flankiert, um die zum Laufzeitende der Anleihe bestehende Verpflichtung zur Lieferung von Aktien der in der Schweiz ansässigen Kapitalgesellschaft … (C) abzusichern. Dabei waren die Konditionen der beiden Vereinbarungen aus Sicht des Senats so gestaltet, dass der H-AG (bzw. deren Rechtsnachfolger) nach Durchführung der Verträge gesichert ein vorab bestimmbarer Gewinn verbleiben sollte. Dieser Gewinn fällt nach den Umständen des Streitfalls nach Auffassung des Senats unter § 8b Abs. 2 KStG.
72
4.2.1. Obwohl zwischen dem Anteilsbeschaffungsvertrag und der Anleihe aufgrund der Absicherungsfunktion eine wirtschaftliche Verknüpfung besteht, sind beide Verträge rechtlich selbständig. Dabei gilt zunächst, dass Gewinne und Verluste, die aus einem Anleihegeschäft resultieren, steuerlich grundsätzlich vollumfänglich gewinnwirksam sind (vgl. BFH-Urteil vom 21. Februar 1973 I R 106/71, BFHE 109, 22, BStBl II 1973, 460; vgl. Kröner in Bott/Walter, KStG, 78. Lieferung, 8/2010, § 8b Rn. 84).
73
Voraussetzung für eine Anwendbarkeit des § 8b Abs. 2 KStG im Zusammenhang mit einem Anleihegeschäft muss sein, dass dieses mit der Veräußerung von Anteilen i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG verknüpft wird. Eine solche Verknüpfung ist aus Sicht des Senats jedenfalls dann gegeben, sofern – wie im Streitfall − zum Ende der Laufzeit der Anleihe die Rückzahlung der Schuldverschreibung zwingend durch Hingabe von Anteilen i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG zu erfolgen hat (Pflichtwandelanleihe; mandatory convertible bond). Denn in diesem Fall kann bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise neben einem Anleihevertrag auch von der gleichzeitigen Vereinbarung einer Anteilsveräußerung i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG ausgegangen werden. Da Entgelt einer Veräußerung i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG jede Gegenleistung im wirtschaftlichen Sinne sein kann, kann der Wegfall einer Verbindlichkeit wie die aus einer Umtauschanleihe resultierende Anleiheverbindlichkeit den weit zu verstehenden Begriff einer Veräußerung erfüllen (vgl. BFH-Urteil vom 27. März 2019 I R 20/17, BFHE 265, 44, BStBl II 2020, 685).
74
Ob der Tatbestand einer Veräußerung i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG auch erfüllt ist, wenn die Ablösung der Anleiheverbindlichkeit durch Hingabe von Anteilen i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG nicht verpflichtend vereinbart ist, sondern auf einem einseitigen „Wandelungsrecht“ beruht, kann im Streitfall offenbleiben. Denn in diesem Fall liegt der Übertragung der Kapitalbeteiligungen ein einseitiger Gestaltungsakt (Ersetzungsbefugnis, OLG Stuttgart, Urteil vom 1. März 1995, 9 U 175/94, DB 1995, 818; Stadler in Bürgers/Körber/Lieder, AktG, 5. Aufl. 2021, § 221 Rn. 9) zugrunde, der aus Sicht des Senats – auch bei wirtschaftlicher Betrachtung – seinen Rechtsgrund und wirtschaftlichen Bezug nicht in einer Veräußerung, sondern wohl im Anleihegeschäft selbst hat. Ob dieser Vorgang – auch bei einer extensiven Auslegung des § 8b Abs. 2 Satz 1 KStG – noch unter den Tatbestand der Anteilsveräußerung zu subsumieren ist (bejahend ohne weitere Problematisierung BFH-Urteil vom 27. März 2019 I R 20/17, BFHE 265, 44, BStBl II 2020, 685) ist vorliegend ebenso nicht entscheidungserheblich, wie die Frage, ob derartige Konstellationen zumindest im Wege der Analogie in den Anwendungsbereich des § 8b Abs. 2 KStG einbezogen werden können.
75
4.2.2. Der streitgegenständliche Gewinn i.H.v. … € wird insgesamt von § 8b Abs. 2 KStG erfasst und ist nicht – auch nicht teilweise – der Anleihekomponente der streitgegenständlichen Wandelanleihe zuzuordnen.
76
4.2.2.1. Aus Sicht des Senats ist es nicht zwingend, Gewinne und Verluste im Zusammenhang mit einer (Pflicht-)Wandelanleihe einheitlich zu behandeln und somit insgesamt entweder dem Anleihegeschäft oder dem Anteilsveräußerungsgeschäft zuzuordnen. Vielmehr kann es, wie in anderen Bereichen des Steuerrechts auch (vgl. Aufteilung gemischter Aufwendungen: BFH-Beschluss vom 21. September 2009 GrS 1/06, BFHE 227, 1, BStBl II 2010, 672; überhöhter Vergütungsanteil als verdeckte Gewinnausschüttungen: BFH-Urteil vom 22. Oktober 2015 IV R 7/13, BFHE 251, 335, BStBl II 2016, 219; Behandlung von Stillhalterprämien/Optionsgebühren im Zusammenhang mit Anteilsverkäufen: BFH-Urteil vom 6. März 2013 I R 18/12, BFHE 240, 357, BStBl II 2013, 588), sachgemäß sein, eine Aufteilung von Erlösen, Aufwendungen oder Zahlungen vorzunehmen und steuerrechtlich unterschiedlich zu qualifizieren. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass − wie der Streitfall zeigt − der Erfolg einer Emission einer Anleihe für den Emittenten und Anleihegläubiger maßgeblich auch von den jeweiligen Vereinbarungen im Anleihevertrag und in den damit verbundenen Sicherungsgeschäften abhängt. Hiervon wird − aus Sicht des Senats − nach Maßgabe des vorrangigen wirtschaftlichen Verursachungsbeitrags die Zuordnung bzw. Qualifizierung eines Gewinns bzw. Verlustes mitbestimmt.
77
Bei der Zuordnung des streitgegenständlichen Gewinns zu § 8b Abs. 2 KStG ist bedeutsam, dass die gesetzliche Zielvorstellung für die Steuerfreistellung von Anteilsveräußerungen darauf abzielt, die vorangegangene (körperschaft-)steuerliche Vorbelastung beim Anteilseigner zu neutralisieren (BFH-Urteil vom 19. Dezember 2018 I R 71/16, BFHE 264, 115, BStBl II 2019, 493). Die Veräußerung einer Beteiligung i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG wird als Vollausschüttung aller offenen und stillen Reserven angesehen und knüpft demzufolge an das Vorhandensein von Gewinnen und Wertsteigerungen an. Da Ausschüttungen (§ 8b Abs. 1 KStG) nicht steuerwirksam sein sollen, muss dies auch dann gelten, wenn die Körperschaft ihre Gewinne nicht ausschüttet, sondern thesauriert und es dadurch zu einem höheren Veräußerungs- oder Liquidationsgewinn kommt. Diese Steuerfreistellung des § 8b Abs. 2 KStG ist dem geltenden Körperschaftsteuersystem immanent (Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 322. Lieferung, 11/2023, § 8b KStG, Rn. 62).
78
4.4.2.2. Ausgehend von diesen Überlegungen ist die Qualifizierung des streitigen Gewinns als steuerfreier Veräußerungsgewinn i.S.d. § 8b Abs. 2 KStG im Streitfall zutreffend, da in der Hingabe der C-Aktien gegen Ablösung der Anleiheverbindlichkeit aufgrund der Wertentwicklung der Aktien wirtschaftlich eine Gewinnausschüttung gesehen werden kann. Dieses Ergebnis wird nicht dadurch beeinflusst, dass ein ohne Abschluss des Sicherungsgeschäfts (Aktienbeschaffungsvertrag) angefallener Verlust − nach Auffassung des Senats − nicht unter § 8b Abs. 2 Satz 2 bzw. § 8 Abs. 3 Satz 3 KStG zu subsumieren, sondern zum vollen Abzug zuzulassen wäre (strittig; vgl. Gosch in Gosch, KStG, 4. Aufl. 2020, § 8b Rn. 195a). Eine Korrespondenz ist aufgrund unterschiedlicher Veranlassungszusammenhänge nicht zwingend veranlasst (vgl. auch die unterschiedliche Behandlung von Stillhalter/Optionsprämien bei Stillhalter und Anteilserwerber BFH-Urteil vom 9. April 2014 I R 52/12, BFHE 245, 59, BStBl II 2014, 861, Rn. 17) .
79
4.2.2.2.1. Bei isolierter Betrachtung des Anleihegeschäfts − unter Außerachtlassung des Aktienbeschaffungsvertrags − bestand für den Emittenten (H-AG) und den Anleihegläubiger (Investor) ein Gewinn- und Verlustrisiko. Neben dem Währungsrisiko, das aufgrund der Vereinbarung eines festen Wechselkurses bestand, barg die Vereinbarung einer Ober- und Untergrenze an Aktien (… bis … Stück), die in Abhängigkeit vom Wechselkurs zur Tilgung der Anleiheverbindlichkeiten zu leisten waren, für den Emittenten die Gefahr, seine Anleiheverbindlichkeit überkompensieren zu müssen. Tatsächlich wäre die H-AG (bzw. deren Rechtsnachfolger) – ohne Abschluss eines Sicherungsgeschäfts − aufgrund des Anstiegs des Kurswerts der Bezugsaktie auf … CHF und dem Überschreiten des Schwellenwerts (… CHF) verpflichtet gewesen, zum Stichtag Aktien der C am Markt im Wert von rund … CHF (= …*… CHF) bzw. – bei Zugrundelegung des vereinbarten Wechselkurses von 1 € = … CHF – rund … € zu erwerben, um die Anleiheverbindlichkeit i.H.v. … € zu begleichen. Der hieraus resultierende Verlust würde aus Sicht des Senats nicht unter § 8b Abs. 2 Satz 2 bzw. § 8b Abs. 3 Satz 3 KStG fallen. Denn die hierdurch verursachte Gewinnminderung hätte – bei wertender Sicht − nicht im Zusammenhang mit einem Anteil nach § 8b Abs. 2 KStG gestanden, sondern wäre primär durch das Anleihegeschäft veranlasst gewesen. Der Verlust wäre nämlich nicht in der Wertentwicklung der Beteiligung begründet, sondern durch die Vereinbarung der Lieferung einer Mindestanzahl von Aktien trotz Überschreitens des Schwellenwerts im Rahmen des Anleihegeschäfts. Der Verlust würde nicht auf der Realisierung von Wertentwicklungen der Bezugsaktien beruhen.
80
4.2.2.2.2. Demgegenüber kann der − aufgrund von Vereinbarungen im Aktienbeschaffungsvertrag erzielte − streitgegenständliche Gewinn i.H.v. … € einer − dem § 8b Abs. 2 KStG fiktiv immanenten – Gewinnausschüttung gleichgestellt werden.
81
Der Aktienbeschaffungsvertrag war vertraglich so ausgestaltet, dass die H-AG (bzw. ihr Rechtsnachfolger) unabhängig von der Entwicklung des Aktien- und Währungskurses zu einem Gewinn führt. Durch den festen Kaufpreis der benötigten Aktien verbunden mit dem vereinbarten Abschlag („collar“) war sichergestellt, dass die Anschaffungskosten für die Aktien unter dem Nennwert der Anleihe blieben und somit aus dem Zusammenwirken der beiden Verträge (Anleihevertrag/Aktienbeschaffungsvertrag) ein Gewinn erzielt wird. Da die Aktien tatsächlich unter dem Kurswert erworben wurden, kam es durch die Veräußerung (gegen Wegfall der Anleiheverbindlichkeit) zu der in § 8b Abs. 2 KStG fingierten (Teil-) Gewinnausschüttung, die eine Anwendung der Vorschrift rechtfertigt. Sofern der Anleihegläubiger die im Rahmen der Ablösung der Anleihe unter dem Kurswert erworbenen Aktien zeitnah veräußert hätte, wäre auch diese weitere Gewinnrealisierung (Kurswert abzüglich Anleihebetrag als Anschaffungskosten) der Steuerfreistellung nach § 8b Abs. 2 KStG unterfallen.
82
Im Streitfall ist nicht zu entscheiden, ob bei gegenläufiger Kursentwicklung der C-Aktien und bei einer in diesem Fall drohenden Anschaffung der Aktien zu Kosten über dem Verkehrswert der nach den Vereinbarungen im Streitfall gesicherte Gesamtgewinn auch der Regelung des § 8b Abs. 2 KStG (Steuerfreistellung) zugeordnet werden könnte. Denn aus Sicht des Senats wäre dann der streitgegenständliche Gewinn, sofern die Bezugsaktien den unteren Schwellwert (… CHF) unterschreiten, nicht auf eine fingierte Ausschüttung von Gewinnen zurückzuführen, sondern durch die besonderen Anleihevereinbarungen veranlasst. Damit wäre er möglicherweise dem steuerlichen Ergebnis aus der Anleihetätigkeit zuzuordnen und voll steuerpflichtig.
83
5. Die Steuerbefreiung nach § 8b Abs. 2 KStG ist im Streitfall jedoch aufgrund von § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG in der im Streitjahr 2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Umsetzung der neu gefassten Bankenrichtlinie und der neu gefassten Kapitaladäquanzrichtlinie vom 17. November 2006 (BGBl I 2006, 2606; KStG a.F.) ausgeschlossen.
84
5.1. Gemäß § 8b Abs. 7 Satz 1 KStG a.F. sind § 8b Abs. 1 bis 6 KStG und damit auch Abs. 2 Satz 1 KStG nicht auf Anteile anzuwenden, die bei Kreditinstituten und Finanzdienstleistungsinstituten nach § 1a Kreditwesengesetz (KWG) dem Handelsgesetzbuch zuzurechnen sind. Gleiches gilt für Anteile, die von Finanzunternehmen i.S.d. KWG mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben werden (§ 8b Abs. 7 Satz 2 KStG a.F.).
85
Die Regelung soll die besonderen Erfordernisse finanzwirtschaftlicher Unternehmen berücksichtigen. Es soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass Risikopositionen aus Aktien und anderen Anteilen regelmäßig durch gegenläufige Risikopositionen aus Sicherungsgeschäften/Aktienderivaten abgesichert werden. Die Steuerfreiheit bestimmter Anteile wird suspendiert, um eine Verlustverrechnung mit gegenläufigen Geschäften zu ermöglichen; dadurch sollen negative Auswirkungen auf den Aktien- und Derivatehandel vermieden werden (vgl. Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 322. Lieferung, 11/2023, § 8b KStG, Rn. 224).
86
5.2. Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG a.F. erfüllt.
87
5.2.1. Dabei kann zunächst offenbleiben, ob bei der Prüfung des Vorliegens eines Finanzunternehmens auf die H-AG, welche die maßgeblichen Verträge im Jahr 2004 abschloss, oder auf die Rechtsnachfolgerin H-GmbH, welche die Aktien im Jahr 2007 zivilrechtlich erwarb, abzustellen ist. Zwar ist es rechtlich ungeklärt, wann ein Unternehmen die Qualifikation als Finanzunternehmen erfüllen muss. Der Gesetzeswortlaut spricht dafür, dass der Erwerbszeitpunkt der Anteile (2007) maßgebend ist, weil die maßgeblichen Anteile in diesem Zeitpunkt in Eigenhandelsabsicht erworben werden müssen (vgl. BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 I R 4/11, BFH/NV 2012, 453; Watermeyer in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, 322. Lieferung, 11/2023, § 8b KStG, Rn. 229). Diese Rechtsfrage ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da beide Gesellschaften als Finanzunternehmen i.S.d. KWG zu qualifizieren sind.
88
5.2.1.1. Die Qualifizierung als Finanzunternehmen bestimmt sich danach, ob Tätigkeiten i.S.d. § 1 Abs. 3 KWG die Haupttätigkeit des Unternehmens darstellen. Gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 KWG i.d.F.d. Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 21. Dezember 2004 (BGBI I 2004, 3610; KWG a.F.) sind als Finanzunternehmen die Unternehmen anzusehen, die weder Kreditinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1 KWG a.F. noch Finanzdienstleistungsinstitute i.S.d. § 1 Abs. 1a KWG a.F. sind und deren Haupttätigkeit darin besteht, Beteiligungen zu erwerben und zu halten. Das ist bei Holding- und Beteiligungsgesellschaften der Fall. Auf die Anzahl der Beteiligungsgesellschaften kommt es nicht an. Es kann sogar das Vorhandensein einer einzigen Beteiligung ausreichen (vgl. BFH-Beschluss vom 30. November 2011 I B 105/11, BFH/NV 2012, 456; Herlinghaus in Rödder/Herlinghaus/Neumann, KStG, 2. Aufl. 2023, § 8b Rn. 529).
89
§ 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG a.F. erfordert nicht, dass das Unternehmen seinen Beteiligungsbesitz fortwährend am Markt „umschlägt“ oder dass es sich bei jenem Beteiligungsbesitz um seiner Art nach „typischerweise“ handelbaren Aktienbesitz handelt. Beteiligung in diesem Sinne ist jede beabsichtigte Überlassung von Vermögenswerten; auf die Dauerhaftigkeit kommt es nicht an (BFH-Urteil vom 14. Januar 2009 I R 36/08, BFHE 224, 242, BStBl II 2009, 671). Dies gilt auch für die Vorgängerfassung des § 1 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 KWG, die ein Halten von Beteiligungen noch nicht ausdrücklich erfasste. Die Ergänzung durch das Finanzkonglomeraterichtlinie-Umsetzungsgesetz vom 21. Dezember 2004 (BGBI I 2004, 3610) hatte lediglich klarstellende Funktion (BFH-Urteil vom 14. Januar 2009 I R 36/08, BFHE 224, 242, BStBl II 2009, 671). Auch wenn § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG a.F. nach seiner Zielsetzung zu weitreichend erscheint, kann im Wege einer einschränkenden Auslegung keine Anpassung erfolgen (vgl. BFH-Urteil vom 14. Januar 2009 I R 36/08, BFHE 224, 242, BStBl II 2009, 671).
90
5.2.1.2. Nach dem im Handelsregister erfassten Unternehmenszweck sind sowohl die H-AG als auch die H-GmbH als Finanzunternehmen zu qualifizieren. Das gilt sowohl für den Unternehmenszweck „Erwerb und Halten von Beteiligungen an in- und ausländischen Kapitalgesellschaften“ (H-GmbH) als auch für den Unternehmensgegenstand „Leitung, Finanzierung und Koordination der Tochtergesellschaften und der Beteiligungen“ (H-AG), da jeweils die zur Qualifizierung als Finanzunternehmen bedeutsame Holding- und Beteiligungsfunktion der H-AG und H-GmbH deutlich wird. Soweit hinsichtlich der H-AG als Unternehmensgegenstand explizit die Leitung, Finanzierung und Koordination im Hinblick auf die gehaltenen Beteiligungen bestimmt ist, wird hierdurch keine Tätigkeit außerhalb des Katalogs des § 1 Abs. 3 KWG beschrieben, die einer Qualifizierung als Finanzunternehmen entgegenstehen würde. In Bezug auf eigene Beteiligungen stellt sich dies lediglich als detailliertere Erläuterung der Tätigkeit einer Holdinggesellschaft dar.
91
Konkrete Anhaltspunkte, dass die Gesellschaften entgegen dem handelsrechtlichen Eintrag tätig waren, liegen weder vor noch wurde dies substantiiert bestritten bzw. dargelegt. Insbesondere blieb der Hinweis in der gerichtlichen Anordnung vom 22. Januar 2024 trotz Aufforderung zur Stellungnahme von Seiten der Klägerin unbeantwortet.
92
5.2.1.3. Hinsichtlich der H-GmbH ergibt sich die Qualifizierung als Finanzunternehmen auch aus den erzielten Erträgen. So beruhten nach den Gewinn- und Verlustrechnungen für 2007 und 2006 die Erträge weit überwiegend auf Gewinnabführungen (2007: … €; 2006: … €). Die daneben erzielten sonstigen betrieblichen Erträge (2007: … €; 2006: … €), Erträge aus Wertpapieren und Ausleihungen (2007: … €; 2006: … €) sowie Zinsen (2007: … €; 2006: … €) spielten lediglich eine untergeordnete Rolle.
93
5.2.2. Die in Rede stehenden Anteile (C-Aktien) sind auch mit dem Ziel der kurzfristigen Erzielung eines Eigenhandelserfolges erworben worden.
94
5.2.2.1. Der Begriff des Eigenhandels ebenso wie derjenige des Eigenhandelserfolgs ist gleichermaßen eigenständig und ohne Rückgriff auf kreditwesenrechtliche Vorgaben (vgl. hierzu § 1 Abs. 1a Satz 2 Nr. 4, Abs. 12 Satz 1 Nr. 1 KWG a.F.) zu bestimmen. Der Begriff der Eigenhandelserfolgsabsicht setzt eine Handelsabsicht mit dem Zweck des kurzfristigen Wiederverkaufs aus dem Eigenbestand voraus, die darauf abzielt, bestehende oder erwartete Unterschiede zwischen Kauf- und Verkaufspreis zu nutzen und dadurch einen Eigenhandelserfolg zu erzielen (BFH-Beschluss vom 12. Oktober 2010 I B 82/10, BFH/NV 2011, 69; BFH-Urteil vom 14. Januar 2009 I R 36/08, BFHE 224, 242, BStBl II 2009, 671). Es bedarf weder des Handels im Rahmen eines organisierten, staatlich geregelten und überwachten Marktes noch erfordert die Ausschlussvorschrift das Vorliegen eines Eigenhandels als Finanzdienstleistung für Dritte. Vielmehr umfasst der Begriff des Eigenhandelserfolgs i.S.d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG den Erfolg aus jeglichem „Umschlag“ von Anteilen i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG 2002 auf eigene Rechnung, für den das Vorhandensein einer „abstrakten“ Marktsituation in Gestalt von Angebot und Nachfrage genügt (BFH-Urteil vom 14. Januar 2009 I R 36/08, BFHE 224, 242, BStBl II 2009, 671). Diese Absicht muss im Erwerbszeitpunkt bestehen (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 I R 4/11, BFH/NV 2012, 453). Als maßgebliches, nicht aber hinreichendes Indiz für das Vorliegen einer auf die Erzielung eines kurzfristigen Handelserfolgs gerichteten Absicht kommt die Widmung der betreffenden Anteile zum Umlaufvermögen in Betracht (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 I R 4/11, BFH/NV 2012, 453).
95
5.2.2.2. Die streitgegenständlichen Aktien der schweizerischer Kapitalgesellschaft C wurden nach den Umständen des Streifalls mit der Absicht, kurzfristig einen Eigenhandelserfolg zu erzielen, erworben.
96
§ 8b Abs. 7 Satz 2 KStG a.F. erfasst auch Anteile an nach ausländischem Recht gegründeten und im Ausland registrierten Kapitalgesellschaften (BFH-Urteil vom 12. Oktober 2011 I R 4/11, BFH/NV 2012, 453). Zwar weist die Klägerin zutreffend darauf hin, dass der Aktienbeschaffungsvertrag bereits im Jahr 2004 geschlossen wurde, während der Erwerb der Aktien erst im Streitjahr 2007 erfolgte. Jedoch steht dies ebenso wenig wie der Umstand, dass der Vertrag der Absicherung der Lieferverpflichtung aus der Pflichtumtauschanleihe dienen sollte, der Tatbestandsmäßigkeit des zu beurteilenden Sachverhalts entgegen.
97
Auch wenn bei der Bestimmung der Absichten bei Erwerb i.S.d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG a.F. auf die Intentionen der H-AG im Zeitpunkt des Abschlusses des Aktienbeschaffungsvertrags abzustellen wäre (vgl. zum Problem des zeitlichen Bezugspunkts unter 5.2.1.), ist nach Auffassung des Senats bei der Frage der Kurzfristigkeit Bezug auf den geplanten zeitlichen Rahmen zwischen Erwerb des zivilrechtlichen (bzw. wirtschaftlichen) Eigentums an den Aktien und der geplanten Ablösung der Anleiheverbindlichkeit zu nehmen. Demzufolge können auch Verträge, deren Abwicklung sich über einen längeren Zeitraum erstreckt, unter § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG fallen, sofern der darin vereinbarte An- und Verkauf auf einen kurzfristigen Handelserfolg gerichtet ist.
98
Nach der Intention der H-AG bei Abschluss des Aktienbeschaffungsvertrags war Ziel, die streitgegenständlichen Aktien unmittelbar nach Erwerb im Streitjahr 2007 an den Anleihegläubiger zur Rückführung der Verbindlichkeit aus der Anleihe weiterzuleiten. Hierdurch ist die von § 8b Abs. 7 KStG geforderte Kurzfristigkeit erfüllt. Daneben zielte der Aktienbeschaffungsvertrag nach den vertraglichen Regelungen nicht nur auf die Absicherung der Verpflichtungen aus dem Anleihevertrag ab, sondern war gleichzeitig auch so konstruiert, dass aufgrund des vereinbarten Abschlags („collar“) und des Gleichlaufs der Zahl von Aktien bei Erwerb und für die Ablösung der Anleihe ein Gewinn erzielt werden sollte. Diese neben den Absicherungszweck tretende Absicht, aus der kurzfristigen Weiterübertragung der Aktien einen Erfolg zu erzielen, ist ausreichend.
99
5.2.3. Dieser Erfolg ist dabei auch als Eigenhandelserfolg zu qualifizieren.
100
Soweit die Rechtsprechung bei der Definition dieser Voraussetzung auf die Nutzung bestehender oder erwarteter Unterschiede zwischen Kauf- und Verkaufspreis (BFH-Urteil vom 14. Januar 2009 I R 36/08, BFHE 224, 242, BStBl II 2009, 671) abstellt, könnte dies zwar darauf hindeuten, dass der beabsichtigte Erfolg auf eine Wertsteigerung der Aktien gerichtet sein muss. Eine solche war aber im Streitfall nicht Ziel der Anschaffung der Aktien, da der vertraglich abgesicherte Gewinn hiervon unabhängig war. Tatsächlich wird der Begriff des Eigenhandelserfolgs i.S.d. § 8b Abs. 7 Satz 2 KStG aber weitergehend auf jeglichen „Umschlag“ von Anteilen i.S.d. § 8b Abs. 1 KStG auf eigene Rechnung erstreckt, für den das Vorhandensein einer „abstrakten“ Marktsituation in Gestalt von Angebot und Nachfrage genügt (ebenfalls BFH-Urteil vom 14. Januar 2009 I R 36/08, BFHE 224, 242, BStBl II 2009, 671). Jedoch muss sich der Handelserfolg auf den jeweiligen Aktienverkauf beziehen und darf sich nicht als Einnahme aus einem (modellhaften) Kombinationsgeschäft darstellen (vgl. BFH-Urteil vom 16. April 2014 I R 2/12, BFHE 246, 15, BFH/NV 2014, 1813).
101
Der streitgegenständliche Gewinn ist nach Auffassung des Senats als Eigenhandelserfolg zu qualifizieren. Denn tatsächlich sollte der Erfolg unmittelbar aus der Differenz zwischen Anschaffungspreis und abzulösenden Anleihe-Nennbetrag resultieren und nicht Folge eines weiteren selbständigen Sicherungsgeschäfts sein. Dabei ist die Tilgung der Anleiheverbindlichkeit entsprechend ihrer Behandlung im Rahmen des § 8b Abs. 2 KStG als Veräußerung (vgl. Urteil vom 27. März 2019 I R 20/17, BFHE 265, 44, BStBl II 2020, 685) und damit als „Umschlag“ zu qualifizieren. Gerade die Qualifizierung der Ablösung der Verbindlichkeit aus der Wandelanleihe durch Hingabe der Aktien als Veräußerung rechtfertigt die Annahme eines Handelsgeschäfts.
102
6. Soweit die Klage auch darauf abzielt, das Finanzamt zu verpflichten, Bescheide über die gesonderte Feststellung nach § 15 Abs. 4 Sätze 6 ff. EStG gemäß § 15 Abs. 4 Satz 7 Halbsatz 2 EStG n.F. i.V.m. § 10d EStG auf den 31. Dezember 2007 und 31. Dezember 2008 unter Berücksichtigung von Zinsaufwendungen i.H.v. … € (2007) bzw. … € (2008) zu erlassen, ist dieses Verpflichtungsbegehren unzulässig.
103
Vorliegend wurden bereits jeweils mit Bescheid vom 7. Dezember 2015 ein verbleibender Verlustvortrag nach § 15 Abs. 4 Satz 6 und 7 EStG i.V.m. § 10d EStG und § 8 Abs. 1 KStG zum 31. Dezember 2007 i.H.v. … € und zum 31. Dezember 2008 i.H.v. … € festgestellt. Diese Bescheide wurden nicht mit Einspruch angefochten und wurden somit bestandskräftig. Sofern die Klägerin hinsichtlich dieser Bescheide offensichtlich den Erlass von Änderungsbescheiden begehrt, erfordert eine zulässige Klage die erfolglose Durchführung eines Einspruchsverfahrens (§ 44 Abs. 1 FGO). Vorliegend fehlt es nach Aktenlage bereits an einer Verwaltungsentscheidung, die die Änderung der bestandskräftigen Feststellungsbescheide vom … 2015 ablehnt. Ein Einspruchsverfahren ist demgemäß ebenfalls nicht anhängig. Damit kann die Zulässigkeit der Klage ohne vorherigen Abschluss eines Einspruchsverfahrens nicht auf §§ 45, 46 FGO gestützt werden.
104
7. Die Berechnung der Körperschaftsteuer 2007 und 2008 nach Maßgabe der Ziffer 1 des Tenors wird nach § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem Finanzamt übertragen. Das Finanzamt hat den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mitzuteilen; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekannt zu geben (§ 100 Abs. 2 Satz 3 FGO).
105
8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten und den Vollstreckungsschutz folgt aus § 151 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1, Abs. 3, § 155 FGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 Zivilprozessordnung.
106
9. Die Revision wird gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 und 2 FGO zugelassen.
107
10. Im Streitfall erscheint es sachgerecht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a FGO).